• Gugelhupf (Kuchen, Übersetzung der Autorin... :-])



    Und dann stand Richards Geburtstag vor der Tür.
    Was ich ihm schenken könnte, wußte ich nicht wirklich.
    Es sollte etwas sein, das von Herzen kommt, aber etwas, das ihn zuhause nicht kompromittieren könnte.
    Also hatte ich, das Küchentalent, in einem Anfall von Sentimentalität und Wahnsinn, die unglaubliche Idee, meinem Lover einen Kuchen zu backen.
    Nun habe ich allerdings nicht die geringste Ahnung vom Thema Backen.


    Ich bemühte mich schon im Vorfeld, ein möglichst einfaches und idiotensicheres Rezept aufzutreiben, was mir schließlich gelang, als ich meine Stiefmutter, die in der Küche zuhause ist, anbohrte.


    Ich hob es sorgfältig auf, las es jeden zweiten Tag durch, als würde mich das alleine schon zu einer guten Köchin machen, und besorgte schließlich einige Tage vor seinem Geburtstag, der auf einen Montag fallen sollte, die Zutaten.


    Am Sonntagmorgen stellte ich mich in die Küche, krempelte die Ärmel hoch und begann, alle Ingredienzien auf der Arbeitsplatte aufzubreiten.
    Mehl, Zucker, Eier,...wie war das noch gleich? Ich ging zurück in den Salon, um das Rezept zu holen.


    Allein - was nicht aufzufinden war, war ebendieses Rezept!

    Ich stellte meine kleine Wohnung auf den Kopf, räumte jede einzelne Schublade aus, sogar meine Sockenschublade.
    Ich fand alte Rechnungen, die schon seit Monaten überfällig waren, eine Einladung zu einer Vernissage, einen Liebesbrief, der sicher schon fünfzehn Jahre auf dem Buckel hatte... was ich nicht fand, war das vefluchte Rezept!


    Ich war nicht gerade stolz auf mich, als ich mich hinters Telefon klemmte, um meine Stiefmutter zu bitten, es mir telefonisch nochmals durchzugeben.


    Aber der Stolz mußte in diesem Fall hintenan stehen.
    Es läutete einmal, zweimal - der Anrufbeantworter schaltete sich ein.


    "Hallo, blabla..."
    "Hilfe! Hier ist Lia! Wenn du da bist, bitte geh ran!"
    Dem war leider nicht so. Na dann, Plan B mußte in Kraft treten.
    Ich griff mir erneut das Telefon und wählte Simones Nummer.


    "Du mußt mir helfen! Ich weiß, daß du eine gute Köchin bist! Hast du ein Rezept für einen Gugelhupf?"
    "Lia, du weißt ja, ich esse nichts Süßes, und ich kann auch nichts kochen, das ich selber nicht mag. Aaaaber, ich könnte meine Schwester anrufen!"
    "Bitte, tu was immer du tun kannst! Hauptsache, der Gugelhupf kann heute noch in Produktion gehen!"


    Kurz gesagt, Simones Schwester machte mit ihrem Gemahl einen Tagesausflug, das Rezept hatte sie natürlich nicht genau im Kopf. Aber Simone gab mir den Rat, doch mal in ein Kochbuch zu schauen...


    Mein Herz machte einen Satz.
    Ja!
    Natürlich!
    Warum zum Geier war ich nicht selber darauf gekommen?
    Ich flitzte in die Küche und zog vorsichtig ein antikes, mir von meiner Mutter als Erbstück aufs Auge gedrücktes und noch nie von mir verwendetes Kochbuch aus dem Regal.
    Es zerfiel mir fast in den Händen.
    Offenbar hatte meine Mom es öfter verwendet als ich und auch viele Male mit Klebeband zusammengeflickt.
    Jubel!
    Jede Menge Rezepte für Gugelhupfmasse!
    Ja!
    Nach einem näheren Blick verfiel mein Gesicht allerdings schnell wieder in die vorherige lange Form.
    Diese Rezepte waren alle mit Butter!
    Die einzige Butter, die ich zuhause hatte, war Diätbutter fürs Frühstück, die zum Backen ganz und gar nicht geeignet ist.
    Ja, zum Teufel!


    Schließlich faßte ich mir ein Herz und rief meine Stiefmutter noch ein zweites Mal an.
    Diesmal hob sie sofort ab.


    Sie diktierte mir ihr Rezept noch einmal durchs Telefon und versorgte mich mit einer Menge guter Tipps, wie zum Beispiel daß man fertig gebackenen Gugelhupf üblicherweise mit Puderzucker bestreut.
    Naja, das konnte ich morgen auf dem Weg zu ihm noch erledigen...
    Ich entdeckte auch so nebenher, daß ich vergessen hatte, eine Zitrone zu besorgen.


    "Macht nichts, nimm einen kleinen Tropfen Essig - aber wirklich nur einen Tropfen, wegen der Säure!"


    Ich dankte ihr und legte auf.
    Dann ein weiterer Start in die Küche.
    Mehl, Eier, Zucker, Vanillezucker, Wasser, Tafelöl, Rum,...
    RUM???


    Ich duchwühlte meinen Küchenkasten von oben bis unten, bis ich schließlich als Alternative einen schwarzgebrannten Zwetschkenschnaps aus dem Jahre Schnee oder eine kleine Ampulle Rumaroma, die nur unwesentlich jünger zu sein schien, zutage förderte.


    Ich entschied, beides zu nehmen.
    Die Pulle für den Alkoholgehalt, das Aroma wegen des Rumgeschmacks.
    Ich maß also alle Zutaten genau ab, wie meine Stiefmutter es mir geraten hatte.


    Dann war es soweit: die Eier und der Zucker sollten mit einem Mixer schaumig gerührt werden.
    Mit einem Mixer...


    Ja, sowas hatte ich, er befand sich allerdings zurzeit in der Küche von Nina, der ich ihn vor drei Monaten geborgt hatte.
    No problem, ich nehm einfach einen Schneebesen...


    Nach zehn Minuten Suche gab ich auf und verwendete stattdessen eine Gabel zum Schlagen der Masse.
    Öl tropfenweise darunter mischen.
    Tropfenweise?
    Tropfenweise.
    Toll!
    Mehl und Backpulver vermischen und abwechselnd mit dem Wasser in die Masse einrühren. Mein Bizeps brannte und die Finger begannen, steif zu werden.


    Rosinen - ja oder nein?
    Die Frage stellte sich nicht - es waren keine da!
    Die Form, fand ich, hatte ich perfekt eingeölt und -gemehlt.
    Das Backrohr vorheizen.


    Wie lange bitte?
    Und wenn die Skala nur 250 * 200 * 150 * anzeigt, wie zur Hölle sollte ich dann 180° finden?
    Und - sind die 200° dort, wo 200 steht, oder dort, wo der Punkt ist???
    Ich entschied mich, zu schätzen.


    Ich ließ das Backrohr heiß werden, leerte inzwischen den Teig in die Form.
    Ein bißchen wenig Teig, für die große Form
    Naja, gut schmecken tat er ja, ein wenig süß, aber durchaus lecker.
    Vielleicht hatte ich ja doch versteckte Talente...
    Ich schubste schließlich die Form in das heiße Backrohr und stellte den Wecker auf eine Stunde.


    Dann ging ich erstmal die Küche und mich selber reinigen. Diese ungewohnte Tätigkeit hatte ganz schönen Schaden an meiner sonst so sauberen und fast noch jungfräulichen Küche angerichtet!


    Ich wusch auch gleich meine Haare, die natürlich Spritzer vom Kuchenteig abbekommen hatten, dazwischen schaute ich alle paar Minuten nach dem Kuchen.
    Er wird höher!
    Ganz leicht braun wird auch schon!
    Während ich das Waschbecken sauber machte, stieg mir ein leicht angebrannter Geruch in die Nase.


    Ich schaute voll Panik nach meinem Kunstwerk und bemerkte, daß ich wohl den Teig ungleich hoch eingegossen hatte. Auf jeden Fall tropfte durch das mittlere Loch halbgarer Teig auf den Boden des Backrohrs und verkokelte dort.
    Ich kratzte ihn mit einem chinesischen Eßstäbchen heraus und kostete.
    Noch nicht fertig, aber wenigstens flaumig!
    Schließlich läutete der Wecker.
    Der Kuchen sollte jetzt fertig sein.


    Ich griff mit einem Geschirrtuch in das Rohr und holte die Form heraus. Dabei fielen mir die Worte meiner Stiefmutter ein:
    "Vergiß nicht, daß die Form heiß ist und verbrenn dir nicht die Finger!"
    Wofür hält die mich?!
    Ich nahm - in Ermangelung eines dünnen Spießes - mein chinesisches Eßstäbchen und bohrte es in den Teig. Es blieb nichts hängen, und das sollte ja so sein - oder?


    Also, raus mit dem Kerl aus der Form!
    Ich stellte einen großen Teller auf den Tisch und drehte die Form um.
    Nichts.
    Ich schüttelte.
    Niente.
    Ich gedachte des Ratschlages meiner Stiefie und gab dem Ding einen kalten Umschlag.
    Nada.
    Schließlich schmiß ich die Nerven weg und stellte die ganze Form in ein kaltes Wasserbad.
    Nothing.
    Da mir weitere Sprachkenntnise fehlten, blieb mir nur eines: ich ging davon aus, daß der Gute noch nicht ganz gar war und beförderte ihn wieder ins Backrohr.


    Nach einer Weile fiel mir ein, daß ich vielleicht wieder einschalten sollte.
    Zehn Minuten wartete ich, dann begann die ganze Prozedur von vorne.
    Der Gugelhupf rührte sich nicht.


    In meinem Zorn stürmte ich schließlich meine Werkzeuglade.
    Das Duell lautete nun: der Gugelhupf versus Lia.
    Ich holte meinen Hammer, schlug sachte gegen die Form. Die rührte sich keinen Millimeter.
    Dann war es genug!
    Ich schmetterte den Hammer mit der Breitseite gegen die Glasform, immer noch hoffend, daß ich den Kuchen irgendwie unversehrt herauskriegen könnte.
    Sie zersprang in zwei große und zwei Millionen kleine Teile, die sich unter anderem auch fröhlich auf meinem schwer erkämpften Gugelhupf verteilten.
    Noch immer hoffend, wenigstens einen optisch ansprechenden, wenngleich ungenießbaren Gugelhupf präsentieren zu können, löste ich ihn mit dem Fingern Stück für Stück von seiner gläsernen Hülle - so lange, bis ich ein Stück separat in der Hand hatte...


    Jetzt war die Zeit gekommen, um aufzugeben, zumal ich mir mit der zerbrochenen Form den Daumen zerschnitten hatte und das Blut fröhlich auf den lieben Gebackenen runtertropfte.
    Ich riß mir ein Stück von einer Stelle ab, die von Blut und Splitterregen verschont geblieben war, und konnte so wenigstens feststellen, daß das mißlungene Miststück ausgesprochen flaumig und köstlich war.


    Nun ja, so hatte ich Richard wenigstens etwas Positives mitzuteilen...
    Inzwischen aber machte ich mich daran, meiner Stiefmutter über das Gelingen meines Erstversuches per Sms Bericht zu erstatten.


    L.: "g. ist total flaumig und lecker. leider mußte ich die form meucheln, um ihn herauszubekommen. jetzt besteht er aus zwei leicht zerstörten teilen und ist etwas angeblutet...ich habe ihn also im blute meiner finger gemacht..."
    St.: "toll lia, ich bin stolz auf dich!"!
    L.: "willst mich jetzt pflanzen??? der kerl ist im eimer! kann ja nicht einen zweigeteilten und zerfledderten geburtstagskuchen hegeben! nein, nein - ich werde auch weiterhin auf andere art für sein leibliches wohl sorgen müssen...*fett grins*"
    St.: "und wozu gibt es uhu alleskleber? hast geglaubt, nur zum spielen?"
    L.: "aso!!!! aber was mach ich mit den splittern, die drinstecken, weil ich ja die form zertrümmern hab müssen, weil sie unfair gekämpft hat und meinen kuchen nicht hergeben hat wollen? und mit den teilen, die ich gekostet hab? bitte jetzt KEINE ungustiösen vorschläge - bin kein wiederkäuer!!!"
    St.: "mein gott, muß man dir alles sagen! dann ist es eben ein mandelsplitterkuchen!!!"
    L.: "splitter,ok! aber woher soll ich am sonntag abend bitte mandeln nehmen??? sehen wir es positiv- ich erspare es mir, morgen in der früh puderzucker zum bestreuen zu kaufen..."
    St.: "also gut, aber heb mir ein winzstückchen von deinem kunstwerk zum kosten auf. sollten wir uns nicht persönlich sehen, schick es bitte per post zu mir in die steiermark."
    L.: "einen der vielen einzelteile (unverdaut) werde ich dir in einem päckchen schicken. wenn wir glück haben, ist es ein teil ohne glas. ich wünsche dir einen schönen abend und trotzdem danke für die hilfe. bussi lia"