(Sorry, vielleicht etwas lang Aber es lässt sich schwer in Kürze zusammenfassen, weil mich viele Dinge so nachhaltig beeindruckt haben, dass ich einige Passagen hier rauspicken möchte)
Josef K. wird am Morgen seines 30. Geburtstages von einem Aufseher und zwei Wächtern, die von drei Bankbeamten begleitet werden, verhaftet. Ohne Begründung, K. ist sich keiner Schuld bewusst. Ihm wird auch im Laufe der Handlung niemals mitgeteilt werden, was genau der Grund für seine Verurteilung ist.
Das Buch beginnt skurril, beklemmend und genauso wird es weiter geführt. K. darf weiterhin auf freiem Fuß bleiben, begegnet den seltsamsten Persönlichkeiten, die über eine höhere Macht und tuschelnd über K.s Verbrechen genauestens Bescheid zu wissen scheinen.
Manche Umschreibungen erinnern an Traumsequenzen, so unlogisch sind sie: Gerichtsgebäude, die sich auf schäbigen, engen, stickigen Dachböden befinden (auf denen die Vermieter teilweise ganz normal ihre Wäsche aufhängen ), Räumlichkeiten, in denen man sich nur gebückt fortbewegen kann. Endlos lange Treppen, Verzweigungen Zimmer, deren Einrichtung sich beim zweiten Betreten ändert, Betten, über die man steigen muss, um durch eine Tür zu gelangen und nicht zuletzt die zwielichten Verhaltensweisen mancher Personen.
Besonders nachhaltig blieb mir diese Szene im Kopf: K. schaut in eine Besenkammer. Dort befinden sich die zwei Wächter, die von einem Dritten ausgepeitscht werden. Sie flehen K. an, ihm zu helfen. K. schließt später schockiert die Tür. Am nächsten Tag schaut er aus Neugierde wieder in die Besenkammer. Die Szene mit den Wächtern, die Dialoge, alles spielt sich haargenau und wortgetreu wie am vorherigen Tag ab. Wie ein Film, der zurückgespult wurde
Als roter Faden zieht sich der bevorstehende Prozess, der über allen Handlungen K.s schwebt, aber nie wirklich greifbar wird, durch die Handlung.
Über den Autor:
Kafka wurde am 3. Juli 1883 als Sohn jüdischer Eltern in Prag geboren. Zwei seiner Brüder starben im Säuglingsalter, seine drei Schwestern wurden Anfang der 40er Jahre im Konzentrationslager getötet.
Jurastudium (daneben Interesse für Germanistik/Kunstgeschichte/Chemie) in Prag, währenddessen lernt er Max Brod kennen, mit dem er viele Reisen unternimmt und der sein engster Vertrauter wird. Brod nimmt an Kafkas Werken teil, ihm werden Passagen vorgetragen, Brods Überredungskünsten verdankt Kafka, dass er überhaupt Werke zu Lebzeiten veröffentlicht hat. Nach Kafkas Tod (3. Juni 1924) publiziert Brod den „Prozeß“ – entgegen der testamentarischen Verfügung Kafkas – der das Skript verbrannt wissen wollte.
Weitere Werke sind z. B. Das Urteil, Der Verschollene (1927 von Brod unter dem Titel Amerika herausgegeben), Die Verwandlung, Das Schloß
Meine Meinung:
Ich fing an zu lesen und dachte mir: erst mal das Ganze zulassen, so wie es geschrieben ist, hinnehmen, wirken lassen. Nicht unbedingt versuchen, logisch nachzuvollziehen. Und das Buch hat mich gerade deshalb so in den Bann gezogen. Es entbehrt jeglicher Kontrolle, Logik wird hier häufig ausgeblendet. Teilweise hab ich mich gefragt, ob Kafka unter Drogeneinfluss stand Die ganze Situation ist so grotesk, unglaublich fast, wie rational K. teilweise noch handeln kann. Habe ich erst befürchtet, dass für mich der Schreibstil das größte Hindernis darstellt, muss ich jetzt sagen, dass es sich ganz wunderbar lesen ließ. Flüssig und klar. Seine Art zu schreiben also keineswegs unlogisch oder undurchsichtig.
Es gibt tausend-und-eine Interpretationsmöglichkeiten. Einige habe ich mir angeschaut und durch den Kopf gehen lassen. Manches war mir zu weit hergeholt. Fakt ist, dass „Der Prozeß“ nicht fertiggestellt wurde und die Fragmente teilweise im Nachhinein von Brod zusammengefügt wurden.
Wer bereit ist, sich auf ein mal ganz anderes, befremdliches, verstörendes Leseerlebnis einzulassen, dem möchte ich das Buch wärmstens ans Herz legen. Es gehört ab sofort zu meinen absoluten Lieblingsbüchern, wenn nicht sogar das Liebste.
„Richtiges Auffassen einer Sache und Missverstehen der gleichen Sache schließen einander nicht vollständig aus.“ Kafka, Der Prozeß