'Venuswurf' - Seiten 001 - 162

  • Ich habe mich gerade auf Tanja´s Homepage umgesehen und eine Auflistung demnächst stattfindender Venuswurf-Lesungen gefunden. Schaut doch mal rein.
    :wave Tanja, ich freu mich schon, dich zu sehen!
    (Leider kann ich den link hier nicht anführen, ich beherrsche noch nicht alle Funktionen und übe noch :grin)
    lg Eli

  • Auch wenn meine Römerneugier erst vor einiger Zeit erwacht ist, freue ich mich, einen historischen Roman aus der Zeit des Princeps Augustus lesen zu dürfen, die Verbannung Ovids ist zweifellos ein interessantes Thema. Insgesamt gibt es eigentlich eher wenige historische Romane über das alte Rom und noch weniger von deutschen Autoren. Statt dessen gibt es (wie ich am Samstag in der Buchhandlung mal wieder sehen durfte), Berge von Romanen zum Thema Hexenverfolgung, Hebammen, Heilerinnen, etc.. Ich will damit nicht sagen, daß das schlechte Romane sind. Aber in der Masse ist das einfach nur noch langweilig!


    Als erstes habe ich bei Venuswurf mit Freude den ausführlichen Anhang angeschaut. Der Stammbaum ist eine echte Erleichterung, aber überdies hinaus gibt es noch viel mehr wissenswertes zu Themen wie Kaufkraft, Situation der Sklaven, etc. Solche Anhänge finde ich bei historischen Romanen immer sehr gut und wichtig.


    In ersten Teil , den wir hier diskutieren, habe ich also die Zwergin Tertia / Andromeda kennengelernt und erfahre, wie sie sich in Rom einlebt. Als Leserin fühle ich mich dabei schon fast wie bei einem Reiseführer oder sogar wie ein (japanischer, ständig Bilder knipsender) Tourist, d.h. es hat für mich fast etwas voyeuristisches. Ich gehe mit Tertia durch Rom und sehe eine schillernde bunte Welt vom Markttreiben über Garküchen, Badehäuser, Bordelle, Gauklertruppen, Beerdigungszüge. Zweifellos hat Tanja Kinkel viel recherchiert, was sich hier zum Ausdruck bringt.


    Tertia / Andromeda selbst ist für mich leider nicht greifbar. Ich kann am Anfang noch sehr gut nachvollziehen, daß sie verdrängt, als Sklavin verkauft worden zu sein. Aber später erstaunt mich immer wieder, daß sie gelegentlich sehr clever ist und in anderen Momenten eher dümmlich - naiv. Das paßt für mich einfach nicht zusammen. Auffallend ist für mich auch, daß etliche Szenen, bei denen ich erwarten würde, etwas über den Charakter Andromeda zu erfahren, plötzlich aus der Sicht einer anderen Figur geschildert werden (z. B. die Szenen mit dem Auftritt der Gauklertruppe, die von Stichus erzählt werden).


    Frage an Tanja Kinkel: Warum mußte eigentlich Tertia eine Zwergin mit normalen Proportionen sein?

  • Ich bin auch dabei. :-)


    Der Autorin gelingt es, ein sehr lebendiges Bild vom damaligen Rom zu zeichnen. Ich habe die Gebäude, die Menschen, die Gerüche, die Geräusche förmlich vor Augen.


    Ich glaube schon, daß Andromeda clever ist: Sie lernt sehr schnell. Das wurde bereits in der Szene deutlich, als Ovidus Nasos (ist das tatsächlich Ovid?) ihr den Namen "Tertia" ausredete. Beim zweiten Fragen sagte sie sofort ihren neuen Namen: Andromeda.


    Die zeitweise vordergründig zu sehende Naivität führe ich auf die mangelnde Ausbildung zurück, die sie in ihrem Dorf genossen hat.


    Was ich generell sehr interessant fand: Die gesetzlichen Reglementierungen. Tagfahrverbote für Kutschen. Kein offenes Feuer in Holzhäusern.


    Mir gefällt auch die Darstellung des wirtschaftlichen Geflechtes in Rom: Steuerhinterziehung war also auch damals ein Thema, genau wie Bestechlichkeit und Protegismus.


    Ich bin gespannt auf Julillas männlichen Zwerg. Mal sehen, wie dieser in die Geschichte eingeflochten wird.


    Ich freue mich aufs Weiterlesen.


    :wave

  • Guten morgen!


    Leider konnte ich erst gestern abend mit dem Buch beginnen und befinde mich jetzt im Circus Maximus auf Seite 77.


    Bis jetzt gefällt mir die Geschichte ganz gut, jedoch konnte mich bisher nicht wirklich für Andromeda erwärmen. Bin gespannt, wie sie sich noch weiterentwickelt. Gerade eben schlägt sie Purzelbäume und tritt dabei Passanten in den Allerwertesten.


    Was ist mit Lycos? Auf den ersten Seiten lernen wir ihn kennen, wir wissen, dass er Sorgen hat, er ist auch immer am Rande präsent, doch der Handlungsstrang erscheint abgebrochen.
    Ebenso wie die kurze Episode mit Ovidius Naso (s. 32, 33, 34). Das Treffen mit Vipsania Jullia scheint wichtig, aber dann kommt nichts mehr darüber.
    Ich warte gespannt ab.


    Herrlich finde ich die Beschreibungen des täglichen Lebens in Rom. Und bei einigen Namen musste ich schmunzeln: Cloaca Maxima - sowas konnten sich nur die alten Römer ausdenken!


    Bis dann,
    Gruß,
    Mariegod

  • Zitat

    Original von Friderike
    Ich glaube schon, daß Andromeda clever ist: Sie lernt sehr schnell. Das wurde bereits in der Szene deutlich, als Ovidus Nasos (ist das tatsächlich Ovid?) ihr den Namen "Tertia" ausredete. Beim zweiten Fragen sagte sie sofort ihren neuen Namen: Andromeda.


    Das finde ich eigentlich weder clever noch denke ich, daß das Ergebnis einer Lernleistung ist! :wow

  • Dass es sich bei Ovidius tatsächlich um DEN Ovid handelt, habe ich auch erst später kapiert ;-) Ich finde es toll, wenn in einem historischen Roman auch "echte" historische Persönlichkeiten auftauchen und zwar nicht nur aus weiter Ferne, sondern in unmittelbarem Kontakt mit den Romanfiguren, und mit Ovid ist es einer mehr *freu*



    Zitat

    Original von Friderike
    Die zeitweise vordergründig zu sehende Naivität führe ich auf die mangelnde Ausbildung zurück, die sie in ihrem Dorf genossen hat.

    Habe ich auch so empfunden :write

  • Auf "den Ovid" bin ich noch gar nicht gekommen. Danke, dass ihr das erwähnt, da wäre ich bestommt gar nicht drauf gekommen. Das finde ich auch total interessant, wenn man in Romanen von Gestalten hört, die man sonst nur aus guten Geschichtsbüchern kennt.

  • Sie mußte nicht - darüber steht nichts in der Passage bei Plinius, die sie erwähnt, dort ist nur ihre und Conopas' Größe festgehalten - aber es schien mir die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, daß Lycus sie als gutes Geschenk für Julilla betrachtet.

  • Ich hab mir gestern das Hörbuch zum Venuswurf geschnappt und bin jetzt am Ende der 2. CD - Man ist gerade im Hause des Ovid.


    Obwohl Andromeda mir nicht gleich ans Herz gewachsen ist, wie Richard oder auch Eleonore von Aquitanien oder Marie aus den Schatten von La Rochelle, macht es Freude ihrem Werdegang zu folgen.


    Die Kleine beisst sich durch und die Beschreibungen der ganzen Sitten und vor allem das Haus mit den drei Delphinen, erinnern mich ein wenig an 'Die Geisha', die ich damals als das Buch frisch war, verschlungen hatte. Die Ausbildung von Andromeda und das langsame Hineinwachsen in ihre Arbeit - da sehe ich die Verbindung.


    Im Moment warte ich jedoch noch ein wenig darauf, wo mich die Geschichte hinführt. Wird es 'NUR' eine Biografie werden? Das wäre mir mittlerweile zu wenig. Oder wird uns auch noch eine zusätzliche Geschichte erzählt werden? Ist Andromeda nur da, damit wir zusammen mit ihr kurzweilig ein wenig über das Rom kurz nach Cäsar lernen?


    Ich hoffe einfach, das das nicht so ist. Aber es liegen ja auch noch 6 CDs vor mir.

    Binchen
    :write
    Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält. (William Somerset Maugham) ;-)

  • Ja. Das nicht Weißwaschen und Verschönern des Sklavenstatus und erzählerische Ironie. Andromeda hatte während ihrer ersten Monate in diesem Sinn Glück, aufgrund ihrer Größe; wäre sie normal gewachsen gewesen und hätte Lycus sie gekauft, um z.B. Sosia zu ersetzen, wäre ihr nichts anderes übrig geblieben, als Prostituierte zu werden. Sklaven hatten kein Recht auf den eigenen Körper. Überhaupt keins.


    (Daß Andromeda dieser Aspekt des Sklavendaseins nun just einholt, als sie von der Subura auf den Palatin kommt, oder, wie Ovid es ausdrückt, aus der Unterwelt in den Olymp, ist, war, wie gesagt, Ironie.)


    Etwas, das mir bei vielen Romanen, Filmen und TV-Serien im Magen liegt: die Heldinnen werden zwar öfter in gefährliche Situationen gebracht - und je nach Genre kann das Entführung durch Piraten/Sklavenhändler/Räuber/Schurke-der-Woche sein - aber in der Regel werden sie in letzter Sekunde davor gerettet, die Konsequenz dieser Gefahr in vollem Ausmaß zu spüren. Das kommt mir heuchlerisch vor. Eine Sklavin zu schildern, der diese Konsequenz des Sklavendaseins erspart bleibt, wäre meiner Ansicht nach ähnlich heuchlerisch gewesen.

  • Ich hatte wohl früher ein völlig falsches Bild von Sklaven. Ich hätte nie gedacht, dass manche Herren früher ihre Sklaven auch freie Tage gegeben haben. War das im alten Rom öfter üblich oder war das eine Besonderheit von Julilla?

  • Das kam auf die Herrschaft an. Sie waren nicht dazu verpflichtet. Aber in größeren Haushalten in der Stadt (nicht auf dem Land) war es durchaus üblich; viele Sklaven nutzten diese Zeit zu Nebeneinkünften.


    Als Sklave konnte man entweder als Muränenfutter enden, aus purer Laune des Herrn heraus, wie das mit den Sklaven des Augustus-Zeitgenossen Pollio geschah (diese Geschichte ist nicht erfunden), oder freigelassen und Minister werden, wie es Pallas und Narcissus unter Augustus' Enkel Claudius wurden. Zwischen den beiden Extremen war alles möglich.

  • Zitat

    Original von Tanja Kinkel
    (Daß Andromeda dieser Aspekt des Sklavendaseins nun just einholt, als sie von der Subura auf den Palatin kommt, oder, wie Ovid es ausdrückt, aus der Unterwelt in den Olymp, ist, war, wie gesagt, Ironie.)


    Ovid ist eine interessante Figur für den Roman. Du wirfst über ihn Fragen auf, kommentierst, philosophierst. Eigentlich hätte er für meinen Geschmack ruhig noch öfter auftreten dürfen!

  • Zitat

    Original von Tanja Kinkel
    Als Sklave konnte man entweder als Muränenfutter enden, aus purer Laune des Herrn heraus, wie das mit den Sklaven des Augustus-Zeitgenossen Pollio geschah (diese Geschichte ist nicht erfunden), oder freigelassen und Minister werden, wie es Pallas und Narcissus unter Augustus' Enkel Claudius wurden. Zwischen den beiden Extremen war alles möglich.


    Ich muß den armen Asinius Pollio in Schutz nehmen -- er war 's nicht! Der Begründer der ersten öffentlichen Bibliotheken in Rom hatte mit dem sprichwörtlichen Geldsack nur den Nachnamen gemein! Der Mann mit den Muränen hieß Publius Vedius Pollio, war ein steinreicher Freund des Augustus und möglicheise auch identisch mit einem in Ciceros Briefen (eine Fundgrube für Klatsch und Tratsch aus dieser Zeit -- Leseetip!) erwähnten gleichnamigen Freund des Cn. Pompeius Magnus. Er gehörte zu den wenigen, die sich mit Augustus' Duldung noch nach der Reform der Provinzverwaltung brutalst in ihrem Verwaltungsbezirk bereicherten (Nachtrag: Pollio war offenbar ohne offiziellen Auftrag in der Verwaltung der Provinz Asia -- h. Türkei -- tätig).


    Die Notiz über das Verfüttern von Menschenfleisch an Muränen findet sich bei Plinius d.Ä. (Nat.hist. 9,77 -- Mitte 1. Jh. n.Chr.), Tertullian (de pallio -- 2. Hälfte 2. Jh. n.Chr.) und Cassius Dio (Hist.Rom. 54,23,2 -- 1. Hälfte 3. Jh.n.Chr.), die offenbar voneinander abhängig sind; sowohl der christl. Autor Tertullian als auch der griechische Heide Dio haben sich fleißig bei Plinius d.Ä. bedient.
    Solche Hinweise sind immer mit großer Vorsicht zu behandeln, denn derlei wurde auch jedem mißliebigen Vasallenfürsten nachgesagt, es ist ein klassischer Topos politischer Propaganda. Diese Feststellung wäscht den Herrn Pollio sicherlich nicht rein, es bedeutet nur, daß nicht jede Perversion, die einem skrupellosen und verschwendungssüchtigen Geldsack zugeschrieben wird, auch den Tatsachen entsprechen muß -- sie kann durchaus ein reines Gerücht gewesen sein. Ich kann jedenfalls nicht entscheiden, ob solche Meldungen erfunden sind oder nicht.

  • Ich kann mich zwar nicht erinnern, irgendwo Asinius Pollio statt Publius Vedius Pollio genannt zu haben, aber bin froh, daß die Frage der Propaganda angesprochen wurde; natürlich sind gerade in Ungnade gefallenen Prominenten gerne jede Menge Schandtaten angehängt worden, aber relevant für Andromeda speziell ist nur, daß diese Geschichte eine war, die sie mit Sicherheit von anderen Sklaven gehört hat, und daß sie ihr auf drastische Weise die rechtlosigkeit der Sklaven vor Augen führt. (Für den Leser gilt natürlich das Gleiche.)

  • 'Tschldigung, das ist der klassische Philologen-Reflex. Fällt der Name Pollio im Zusammenhang mit Augustus, denkt man sofort an den Pollio -- Asinius Pollio. Der Mann hat sich seinerzeit um die Literatur sehr verdient gemacht, wurde oft erwähnt, war hochgeehrt, eine echte Berühmtheit weit über seinen Tod hinaus.
    Der Vedius P. ist bei all seinem Reichtum kaum mehr als eine Randnotiz, die man grad mal wegen einiger Absonderlichkeiten "kennt", aus denen erst mancher neuzeitliche Autor (allen voran Edward Gibbon) eine typisch römische Dekadenz zu konstruieren versuchte.