Bonhoeffer-Biographie "Dem Rad in die Speichen fallen" von Renate Wind

  • Am 6. Februar 2006 jährte sich Dietrich Bonhoeffers Geburtstag zum 100. Mal. Aus diesem Anlass wurde in einer Kirche in einer Bonhoeffer Nacht ein Musiktheater mit Szenen aus der Lebensgeschichte Dietrich Bonhoeffers aufgeführt. Im Anschluss an diese hervorragende Aufführung wurde nach einer Pause (mit Büchertisch) in der Kirche der Film "Die letzte Stufe" mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle gezeigt. Vom Büchertisch habe ich die Biographie von Renate Wind ausgewählt.



    Kurzbeschreibung (von Amazon)


    Dietrich Bonhoeffer - dieser Name steht für Zivilcourage, gelebtes Christsein, politischen Widerstand. Sein kurzes Leben war geprägt durch die Beschäftigung mit der Bibel und sein Interesse an den Menschen. Dabei gab es für ihn weder konfessionelle noch nationale oder soziale Grenzen. Bonhoeffer propagierte nicht nur, er lebte das, was er forderte und schloss sich folgerichtig dem deutschen Widerstand an. Dies wurde ihm 1945 zum Verhängnis, als er nach zweijähriger Haft im KZ Flossenbürg umgebracht wurde. Renate Wind lässt in ihrer engagierten Biographie das Bild eines Menschen entstehen, der zeitlebens hin und her gerissen war zwischen Selbstsicherheit und Selbstzweifel, der seinen Platz in der Welt suchte und getrieben war von der immer wieder offenen und ständig neu zu beantwortenden Frage: "Wer bin ich?"


    Über die Autorin


    Renate Wind geboren 1950 in Hamm/Westfalen, Dr. theol., Pfarrerin. 1993 wurde sie für ihre Bonhoeffer- Biographie mit dem >Evangelischen Buchpreis< ausgezeichnet. Seit vielen Jahren ist sie Mitglied der Friedensbewegung, hält Vorträge und Seminare und veröffentlicht Texte zur sozialgeschichtlichen Bibelauslegung und Kirchengeschichte. Sie lehrt als Proffessorin an der evangelischen Fachhochschule in Nürnberg.


    Meine Meinung


    Der Autorin gelingt mit der Biographie ein Einblick in das Leben eines Mannes, der als die zentrale Widerstandsfigur der evangelischen Christen fast jedem geläufig ist. Sie schafft es in dieser Biographie, dem Leser den Menschen Bonhoeffer nahezubringen, der nicht nur als Held und Widerständler, sondern auch als Mensch mit Ängsten und Sorgen greifbarer wird. Sie begleitet Bonhoeffer durch seine Kindheit, erzählt von der großbürgerlichen Familie, der Kindheit, in der Gefühlsausbrüche verpönt waren und einschneidenden Erlebnissen, wie dem Tod des Bruders im ersten Weltkrieg und den beinahe unbegreiflichen Umgang der beiden Elternteile mit diesem Verlust. Diese Zurückhaltung im Gefühlsleben lässt Dietrich zeitlebens als etwas reserviert seinen Mitmenschen gegenüber erscheinen, zeigt dabei auch seine Entschlußkraft, seinen Weg für ihn selbst kompromißlos bis zum Ende zu gehen. Er knickt nicht ein vor der Übermacht des Staates, die sich der Kirche als Institution und ihrer Pfarrer als willfähriger Helfer skrupellos bedient. Es wird deutlich, welchen schwierigen Weg Dietrich im Widerstand gehen muss, da er auch im Ausland bei kirchlichen Einrichtungen oft allein steht und nur schwer überzeugen kann, dass nicht jeder kritiklos die Hymnen der Nazionalsozialisten mitsingt. Renate Wind schafft es durch ihre manchmal leise, einfühlsame, aber auch deutliche Art aus seinen Lebensstationen zu erzählen, dass nicht nur das Bild des Wissenschaftlers im theologischen Elfenbeinturm von Bonhoeffer bleibt, sondern ein Mensch, dessen Weg im Laufe seines Lebens immer klarer wird, für den es keinen Abzweig gibt und der für sich zu Recht am Ende seines Lebens sagt: "Das ist das Ende, für mich jedoch der Beginn des Lebens. Ich glaube an die universelle Brüderlichkeit über alle nationalen Interessen hinweg und ich glaube, dass uns der Sieg sicher ist."

  • Ich schließe mich geli73 an!
    Danke Idgie, ich habe bereits nach einer schönen Biographie über Bonhoeffer gesucht, da mich der Mann sehr beeindruckt. Kommt gleich auf meine Wunschliste (kann die eigentlich auch aus allen Nähten platzen?) :-)

  • Durch das Buch über Weihnachten bei den Bonhoeffers ist mir wieder eingefallen, daß ich mir ja schon vor einiger Zeit diese Biographie über das Leben des Dietrich Bonhoeffer ausgeliehen habe.


    Ich habe mich nun also endlich auf die Spuren dieses interessanten Mannes begeben. Ein intelligenter, junger Mann ist das, der einem großbürgerlichen Haus entstammt und eigentlich alle Voraussetzungen für ein einflußreiches Leben und eine Karriereposition mitbringt. Doch Dietrich entscheidet sich für ein Theologiestudium. Sperrig erscheint er einem schon damals. Nachdenklich, vieles für sich in Frage stellend und immer nach dem richtigen Weg suchend. Dennoch auch geradlinig und unbeirrt auf seinem Weg.


    Wie Idgie bereits schrieb, läßt uns die Autorin Renate Wind leise und unaufdringlich die einzelnen Stationen des Lebens von Dietrich Bonhoeffer passieren und wir spüren, daß es für ihn letztendlich keinen anderen Weg geben konnte, als den von ihm eingeschlagen. Dabei kommt uns dieser ruhige Mann nicht wie ein Held oder gar Märtyrer vor, der er wohl auch nicht sein wollte. Die Autorin vermittelt das Bild eines Mannes, der nur seiner (Christen-)Pflicht nachgekommen ist, auch wenn dies letztendlich seinen eigenen Tod zur Konsequenz hatte.


    Das Buch regt zum Nachdenken an und es wirft viele diskussionswürdige Fragen auf. Es zeigt uns die Lebensgeschichte eines mutigen Mannes.... und nicht zuletzt berührt es tief durch die zurückhaltende Art und Weise, in der sein Leben und Tod beschrieben wurden. Interessant und sehr, sehr lesenswert.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Es freut mich sehr, dass es dir gefallen hat. Im Augenblick beschäftigt sich meine Tochter im Konfirmandenunterricht gerade mit Bonhoeffer. Sie ist genau wie ich damals ziemlich nachdenklich geworden.

  • Es ist ein Buch, das einen wahrhaft zum Nachdenken anregen kann - und auch sollte.


    Über einige der Themen haben wir zufällig schon vor einiger Zeit sehr intensive und hochspannende Diskussionen geführt.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Stimmt, darüber kann man sich mehr als abendfüllend unterhalten. Wir hatten auch eine Diskussionsrunde mit dem Thema: Christsein - nur ein Lippenbekenntnis, oder doch mehr? Es ist ziemlich erstaunlich, wie tiefschürfend man mit Kindern und Jugendlichen darüber reden kann.

  • Finde ich gut! Vor allem auch mit Jugendlichen über solche Themen zu diskutieren finde ich immer wieder sehr spannend. Soviel Flausen wie die Teenies oft im Kopf haben, da treten oft sehr vernünftige und interessante Ansichten zutage.


    Was mich allerdings etwas irritiert hat, waren ein paar Dinge, die ich in diesem Buch vorgefunden habe: Ein Blatt Klopapier als Lesezeichen... und ein Foto. :wow

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Hallo,


    als ich den Titel las kam mir ein anderes Buch in den Sinn:


    "Dem Rad in die Speichen fallen" von Pete Hämmerle, Thomas Roithner (Hrsg)Erscheinungsort:A- 4053 Haid, 1. Auflage, Oktober 2003,
    ISBN 3-9502098-5-9
    Verlag Thomas Roithner, Verkaufspreis: EUR 15,00


    Es ist ein Arbeitsbuch zum Frieden.
    Betrachtet man den gegenwärtigen Zustand der Welt, so scheint eine Kultur der Gewalt und des Krieges ungebrochen und weithin akzeptiert ihren Lauf zu bestimmen. Sei es in zwischenmenschlichen Beziehungen und im alltäglichen Umfeld, sei es im großen durch Strukturen der Ungerechtigkeit,der Unterdrückung und Diskriminierung oder in vielen aktuellen Krisengebieten, überall wird Gewalt angewendet und überall werden Menschen Opfer von Gewalt.


    Dennoch gibt es viele Bestrebungen und Initiativen die erfolgreich versuchen, "dem Rad (der gewalt) in die Speichen zu fallen". Viele davon haben sich aus Anlass der Dekaden für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit für die Kinder der Welt (Uno) und zur Überwindung der Gewalt (Weltkirchenrat) 2001-2010 zu Netzwerken zusammen gefunden. Dieses Arbeitsbuch stellt Stimmen von Friedensnobelpreisträgerinnen und von österreichischen Inititativen vor, die selbst Schritte zu Frieden und Gewaltfreiheit gehen und auch andere dazu ermutigen wollten.


    Mit Beiträgen von Kofi Annan, Irmgard Ehrenbergerm, Elke Renner, Thomas Roithner, ua.


    Zofie

  • Angeregt durch viele Texte und Zitate, die mir in letzter Zeit von Dietrich Bonhoeffer über den Weg gelaufen sind, fand ich es an der Zeit, mich mit diesem Theologen näher zu beschäftigen. Meine Wahl fiel auf das Buch von Renate Wind, ein schmales Bändchen, das es aber in sich hat.


    In prägnanten Kapiteln werden die einzelnen Stationen in Bonhoeffers Leben nachgezeichnet, und trotz der Kürze kann man verstehen, warum der Bürgerliche, der alle Voraussetzungen zu einer großen Karriere in der Politik oder beim Militär gehabt hätte, sich für die Theologie entscheidet und schlußendlich so endet, wie er endet: Hingerichtet im KZ Flossenbürg, aber mit sich und der Welt im Reinen.


    Bonhoeffers Weg über Berlin nach New York, London und kurz vor Kriegsbeginn zurück nach Deutschland hinterläßt mich tief bewegt über einen Mann, der konsequent seinen Überzeugungen folgte und auch bereit war, dafür die Konsequenzen zu tragen.


    Als Einstieg ein gut geeignetes Buch, aber ich glaube, ich brauche noch was Tiefergehendes.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Nun war die Zeit und die Ruhe da für dieses Buch.


    Sehr interessant, beeindruckend, hat mir den Menschen Dietrich Bonhoeffer näher gebracht. Interessant fand ich auch die Schilderung der Rolle der Kirche während der Hitlerzeit, vor allem auch, wie sehr sich die Kirche angepasst und untergeordnet hat. Spannend, wie früh der Widerstand sich formiert hat, wie sehr sich aber jeder bedeckt hielt.


    Was ich nur überflogen habe, weil ich es teilweise nicht verstanden habe, waren die theologischen Absätze, da müsste ich tiefer einsteigen.


    Für mich haben sich mit diesem Buch auch einige Fragen geformt, über die ich gern mehr lesen würde. Gut ist der Anhang des Buchs, in dem die Quellen genannt werden, aus denen die Autorin zitiert hat. Daraus kann ich bestimmt noch einiges ziehen.


    Spannendes Thema, Kirche während der Nazizeit.


    Abgerundet wurde das Buch durch einige Fotos, gerade als ich mich fragte, ob wohl welche enthalten sind. Das berühmteste Gedicht, aus dem oft der letzte Absatz zitiert wird, darf natürlich auch nicht fehlen.


    Berührendes Buch, beeindruckend, interessant, hat mir sehr gut gefallen.