Englische Originalausgabe: “The impressionist”
Übersetzer: Benjamin Schwarz
Das Buch ist als Hardcover unter dem Titel “Die Wandlungen des Pran Nath” erschienen!
Zum Buch
Agra, 1918. In einem Haus unweit des Taj Mahal führt der fünfzehnjährige Pran Nath ein angenehmes Leben. Seine Mutter Amrita ist bei seiner Geburt gestorben, sein Vater, ein angesehener Anwalt, ist mehr bei Gericht anzutreffen als zu Hause, und Pran Nath wächst weitgehend unbehelligt von elterlicher Fürsorge auf. Bei der Dienerschaft hat er es sich mit seinem losen Mundwerk längst mit allen verscherzt, und so ist es auch kein Wunder, dass die Gerüchte über seine Herkunft, die seit seiner ominösen Geburt im Umlauf sind, nicht verstummen. Denn an einem besteht kein Zweifel: Pran Nath ist nicht nur ein bildhübscher Bursche, sondern – ein Mischling.
Die Grippeepidemie des letzten Kriegsjahres bereitet den unbeschwerten Zeiten Pran Naths ein jähes Ende. Als sein Vater der Krankheit trotz einer radikalen Zwiebelkur erliegt, enttarnt eine Dienerin den Jungen endgültig als englischen Bastard, und er landet höchst unsanft vor den Toren des elterlichen Hauses. Für Pran Nath beginnt eine abenteuerliche Reise durch die düsteren und bizarren Welten des indischen Subkontinents. In einem Bordell lernt er die ersten harten Lektionen seines Lebens; am Hofe des Nawab von Fatehpur wird er zum begehrten Köder in einer Palastintrige. Doch erst in Bombay, wo er Unterschlupf bei dem heillos zerstrittenen Missionarsehepaar Macfarlane findet und als Pretty Bobby Karriere im Rotlichtviertel macht, verspürt er immer stärker den Drang, als Engländer zu gelten. Und so ist es ein glücklicher Zufall, dass er den jungen Jonathan Bridgeman kennen lernt, der gerade auf dem Weg nach London ist, um sein Erbe anzutreten. Schiffsticket und Pass werden herrenlos, als Bridgeman bei einer Schlägerei getötet wird, und Bobby sieht seine Chance gekommen.
Zum Autor
Hari Kunzru wurde 1969 als Sohn einer Engländerin und eines Inders geboren und lebt in London. Für seinen Debütroman „Die Wandlungen des Pran Nath“ (2002 bei Blessing; als Taschenbuch: „Die Farben dieser Welt“) erhielt er den Somerset-Maugham-Preis. Er schreibt für zahlreiche Zeitungen und Magazine, darunter „The Economist“, „The Guardian“, „London Review of Books“, „Wired“, „Mute“ und „Wallpaper“. Sein zweiter Roman „Greyday“ erschien im Februar 2005 als Hardcover und wird im Oktober 2006 als Taschenbuch herauskommen.
Meine Meinung
Das Buch schildert die verzweifelte Suche des Pran Nath nach einer eigenen Identität. Seltsamerweise wird die Hauptfigur weit weniger genau beschrieben als die Lebensumstände und Motive der Nebenfiguren, sowie die jeweiligen Handlungsorte oder auch nur das Papageienmuster einer herumliegenden Decke. Die Hauptfigur selbst bleibt irgendwie wenig greifbar. Ich glaube, das ist Absicht, den Pran Nath bleibt so ein undefinierbares Zwitterwesen: weder als Inder noch als Weißer geht er trotz größter Bemühungen so richtig durch, er schlüpft wie ein Chamäleon von einer Rolle in die andere, er blendet sich in den Hintergrund ein, wird so unauffällig wie möglich, es bleibt aber doch immer ein Restzweifel, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmt, und am Ende bleibt eigentlich nur eine leere Hülle von ihm übrig.
Das Buch ist zum größten Teil im Präsens aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben. Obwohl ich eigentlich eine Abneigung gegen im Präsens geschriebenen Büchern habe, ist es mir bei diesem Buch aber kaum aufgefallen. Vielleicht, weil der Leser nicht auch noch direkt angesprochen wird wie zum Beispiel in „Das karmesinrote Blütenblatt”. Der Autor verwendet hin und wieder seltsame Stilmittel, zum Beispiel beschreibt er einmal ein Ereignis, indem er die Standorte der beteiligten Personen mit Koordinaten (x,y) versieht. Oder er lässt in einem Absatz sämtliche Satzzeichen weg. Die Sprache ist wortgewaltig, die Sätze lang und verschlungen und der Ton geht von leicht ironisch bis hin zu bitterböse. Loben möchte ich an dieser Stelle auch den Übersetzer.
Das Buch spielt auf den ersten 300 Seiten in Indien und dann 150 Seiten in England und auf den letzten 50 Seiten in Afrika. Man erfährt viel über Indien nach dem ersten Weltkrieg und die Auswüchse englischer Kolonialpolitik, sowie die kulturelle Überheblichkeit der Engländer. Eulen, die ein Buch wie „Der Palast der Winde” oder „Wer Liebe verspricht” suchen, werden vermutlich enttäuscht sein. Das Buch hat mich eher vage an „Der talentierte Mr. Ripley“ erinnert, wobei der Vergleich aber auch wieder hinkt, denn während Ripley trotz der Rollen, die er gespielt hat, immer noch eine eigene Identität hatte, zerbricht Pran Nath langsam daran, dass er überhaupt nicht mehr weiß, wer er ist oder welche Wünsche er hat.
Was soll ich sagen: Ein ungewöhnliches Buch, manchmal vielleicht ein bisschen zu detailfreudig, aber ich hab’s verschlungen. Nur den Schluss fand ich etwas seltsam. Weiß aber auch nicht, was ich mir da erhofft hatte.
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