'Mimosen in Hosen' - Seiten 001 - 082

  • Zitat

    Original von magali
    Der Umstand, daß man Männer regelrecht dazu prügeln muß (in Heeren so ab dem späten 17. und im ganzen 18. Jahrhundert wurde vor der Schlacht Branntwein ausgeschenkt und hinter den Soldaten, die da auf Schlachtengemälden so männlich vorwärtsstürmen, standen Feldwebel, die sie vorwärts geprügelt haben!) spricht aber doch gegen die genetisch/hormonell angelegt männliche Gewalt, oder nicht?


    Liebe magali,


    Um richtig zornig zu werden braucht es eben einen triftigen Grund, die Habgier irgendwelcher Potentaten des 17. und 18. Jhd. mag für den einzelnen Sodalten nicht immer ausgereicht haben.


    Mein Großvater väterlicherseits war K&K Offizier im ersten Weltkrieg, er bekam als Akademiker ein polnisches Regiment zugeteilt. Sie wurden nach Osten and die Front geschickt. Es gab keine Probleme mit Deserteuren und keiner der Soldaten musste angetrieben werden - ganz im Gegenteil. Einmal verlor er sogar die Kontrolle über sein Regiment, weil die Fuhrwerke mit den Gulaschkanonen davonfahren wollten, bevor die Soldaten gegessen hatten. Die Männer verfolgten die Kutscher und prügelten sie von den Böcken. Es gab kein Halten mehr. Gib einem Mann einen guten Grund (Hunger) und seine Aggression stellt sich ganz selbstverständlich ein. Ist ein lebenserhaltendes Prinzip.


    Für jene, die nachlesen wollen, mein Großvater, Josef Maria Riedl, hat seine Lebenserinnerungen schriftlich festgehalten und letztes Jahr wurden sie publiziert im Peter Lang Verlag "Josef Riedl. Künsterlbiographie". Opa war nämlich Bildhauer im zivilen Beruf :-) Gerade die Geschichten über die Kriesgjahre sind sehr aufschlussreich. Immerhin hat er zwei Kriege erlebt, wobei er zu seinem Glück im zweiten Weltkrieg schon zu alt für den Wehrdienst war. Da musste mein Vater ran (er war 17) und er hat nie etwas erzählt. Nur bei dem Lied "ich hat' einen Kameraden..." fing er regelmäßig zu weinen an. Ihn musste man wohl prügeln zum Dienst mit der Waffe.


    Auf der anderen Seite habe ich lebhaft seine Zornausbrüche in Erinnerung, sie waren legendär, entluden sich aber immer an Gerät, nie an Personen. So hat er einmal ein Telephon an der Wand zerschellt nach einem unangenehmen Anruf und als dann der Reparaturdienst kam mit Schraubenzieher und anderem Werkzeug um das schadhafte Gerät zu begutachten, sah er ungläubig in eine Schuhschachtel gefüllt mit Scherben.


    Vater hat gelernt mit seinem Zorn umzugehen. Man sah ihm immer an, wenn es mit ihm durchging, dann wurde er ganz weiß um die Nase. Aber er wandte sich ab, ging in den Keller und dort hörte man dann Dinge zu Bruch gehen. Für mich als Kind sehr amüsant. Heut habe ich Hochachtung dafür. Er hat ein Ventil gefunden für seine Aggressionen und hat es geschafft nie gegen Menschen Gewalt anzuwenden.


    Übrigens sind Aggressionen auch Frauen angeboren, ganz klar. Frauen drücken nur all ihre Gefühle leichter verbal aus als Männer. Während Vater sich im Keller austobte, konnte Mutter endlose Schimpfkannonanden loslassen.


    LG Barbara

  • Zitat

    Original von magali
    Widersprechen muß ich bei den Hexen. Das war keine organisierte Form der Vernichtung des Wissens um Schwangerschaftsverhütung.
    Von einem sogenannten 'geheimen Wissen der Frauen' kann man nicht ausgehen.
    Verhütung war immer problematisch, Frauen in der Schwangerschaft und bei der Geburt eine höchstgefährdete Gruppe und Opfer gab es genug.
    Hebamme war zudem immer ein angesehener und staatlich geförderter wie kontrollierter Beruf vom Ende des 15. bis weit ins 17. Jahrhundert, also eben zu Zeiten der Hexenverbrennung.


    Hi magali,


    Die Sache mit den Hebammen unterschreibe ich, aber neben den Hebammen brauchte man sicher auch Ärzte und Apotheker (so wie heute auch). Die Hexenverfolgungen galten kräuterkundigen Frauen, also Frauen die heilkundliches Fachwissen hatten und die gerufen wurden, wenn jemand erkrankte. Es wurden also sehr absichtsvoll gebildete Frauen umgebracht. Es sollte nicht sein, dass neben der katholischen Kirche anderes Fachwissen existierte. Diese Rechnung ist aufgegangen.


    Heute staunen wir über das Fachwissen der Amazonas Indianer, Ärzte und Chemiker rücken aus um die Heilkräfte der Pflanzenwelt zu studieren unter Anleitung der eingeborenen Heiler. Ob es bei uns nicht auch so ein Fachwissen gegeben hat? Das ist aber - ich gebe es zu - eine ganz private Theorie die ich auch nicht publiziert habe, weil ich keine Belege dafür finden konnte. Aber was nicht ist, kann ja noch werden :-)


    LG Barbara

  • Nein, nein, Barbara,


    so war das wirklich nicht. Bei Hexenverfolgung geht es nicht um Vernichtung von Wissen, sondern, so krude das klingt, um einen Generalangriff auf das Geschlecht Frau.


    Wir haben es mit Krisenzeiten zu tun, in denen das Geschlechterverhältnis unablässig diskutuiert wird. Ab dem ausgehenden Mittelalter sind die menschlichen Gesellschaften in Europa ständigen Erschütterungen ausgesetzt. Bevölkerungswachstum, veränderte Wirtschaftformen, neue Technologien, neuer Blick auf die Welt durch die Entdeckungsfahrten nach Übersee und vor allem neue Denkweisen müssen verarbeitet werden.
    Die Menschen mußten plötzlich Riesenschritte auf allen Gebieten zurücklegen.
    Das ist ein Prozeß, der seine 250 Jahre dauert. Die ersten Stimmen gegen Hexenverfolgung werden prompt ab dem späten 17. Jh. laut.


    Vor allem das Denken verändert sich, die christliche Religion, die kulturprägend ist, ist nicht mehr sicher, kein geschlossener Kosmos mehr. Mit so etwas haben Menschen die größten Schwierigkeiten. Da werden sie wild und schlagen um sich. Das ist bis heute so.
    Im Prozeß der ideologischen Neuorientierung wurde die Frau mehr als zuvor 'das Andere', denn das Zentrum, das, was gut und richtig war, war der Mann. Das Denken, das bloße Sein der Frau, ihr Körper, ihre Sexualität wurden, ideologisch gesehen, 'fremd'.


    Auf Fremdes reagieren Menschen mit Ausgrenzung und schließlich Vernichtung, wenn es zu Krisensituationen kommt.
    Eine Krisensituation tritt ein bei Mißernten. Bei Seuchen. Und während und nach der Reformation, wenn die beiden neuen Religionen (zuweilen drei, es gab ja zwei evangelische) nebeneinander existieren müssen. Diese Zeiten sind auch immer die Hochzeiten der Hexenverbrennungen, die meisten finden in Territorien statt, in denen Katholiken und Protestanten auf engem Raum lebten. Toleranz war nicht.


    Hebammen wurden genau in den Fällen herangezogen, zu denen sie ausgebildet waren: bei Schwangerschaft und Geburt. Andere Aufgaben durften sie schon gesetzlich nicht übernehmen. Wenn sie es taten und erwischt wurden, mußten sie die gesetzlich festgelegte Strafen zahlen bzw. erhielten Berufsverbot. Das ist ja heute genauso.
    Ebenso geregelt waren Arzt - und Apothekerberuf.


    Anklagen wegen Hexerei aus Konkurrenzneid gab es bestimmt. Auch aus Sexualneid, Geldgier, was immer. Frauen haben Frauen angezeigt.
    Wenn der Tiger mal losgelassen ist, holt ihn so schnell keiner ein.


    Es ging nicht um Vernichtung von Wissen, sondern um Vorherrschaft des Mannes. Vornehmlich in Gestalt der Kirche. Das ist tatsächlich ein umfassender Versuch einer Organsiation, die für Ideologie zuständig war, ihre Macht über den Menschen aufrechtzuerhalten.
    Nicht unbedingt aus rein bösartigem Antrieb. Es ging hier um das Seelenheil, das war den Menschen wichtig, sehr, sehr wichtig, auch wenn wir das heute nicht mehr verstehen.
    Per definitionem war die Frau halt in die Nähe des Teufels gerückt und da hatten wir dann die Bescherung.


    Ja, sicher gab und gibt es Wissen über die Wirkunsgweisen von Pflanzen überall auf der Welt. Menschen leben ja lange genug mit den Pflanzen zusammen, um dahinter zu kommen, wie etwas wirkt.
    Wie man das Wissen qualifiziert, ist wieder eine andere Frage. Wir dürfen den Bereich der Magie nicht vergessen. da wird ja nicht studiert und im modernen Sinn geforscht, das wird als Einfluß höherer Mächte interpretiert. Und deshalb liegt da sehr oft richtig neben falsch.
    Gerade Heilwissen ist eine wilde Mischung aus der 'richtigen' Droge und einer Menge Zeugs, das man, pflanzenchemisch gesehen, gar nicht bräuchte, das aber dazu gehört, weil es den jeweiligen magischen Vorstellungen entspricht.
    Das ist ein sehr weites Feld!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus


  • Öhm, ich war das gestern in der Eile. ;-)


    Es war ja nicht nur dort so, gibt noch wesentlich mehr ehemalige sozial. Länder, in denen es ebenso war. Ob nun Tschechien, Polen, Russland..... und da hats auch nicht schlagartig aufgehört.
    Ich finde viele Aussagen sehr spekulativ und eher "unterhaltsam" als tatsächlich.

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Zitat

    Original von magali
    Was ist schon tatsächlich?
    :grin


    Dein Kaffee-Durst und der herrliche Sonnenschein momentan. :grin


    So langsam werd ich neugierig auf das Werk. :lache

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Wo se recht hat, hat se recht!


    :lache :lache :lache


    PS.: Wo Du das Buch besichtigen kannst, weißt Du ja.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Original von magali
    Bei Hexenverfolgung geht es nicht um Vernichtung von Wissen, sondern, so krude das klingt, um einen Generalangriff auf das Geschlecht Frau.


    Liebe magali,


    Danke für die tolle Zusammenschau über Hexenverbrennungen, ich habe in dieser Perspektive noch keine Abhandlung zu diesem Thema gelesen - ich vermute Du bist Historikerin, jedenfalls Geisteswisssenschaftlerin (brauchst darauf nicht antworten ;-)). Ich würde gerne darüber lesen, kannst Du was Einschlägiges empfehlen? Schon für das nächste Buch wäre das ganz wichtig.


    Liebe Grüße


    Barbara

  • Hallo Heaven,


    Ich liebe das Zitiat mit dem Frosch! Ich fühle mich als solcher und krabble ständig an glitschigen Wänden ringsum und wenn ich es endlich geschafft habe und meine Saugnapffinger krallen sich an den Brunnenrand, ich könnte also gleich einen Blick über diesen Rand werfen, haut mir jemand aus dem Nachbarbrunnen auf die Finger und ruft: das ist mein Revier! Und ich sage - während ich zurückplatsche - aber du könntest doch bei mir auch mal reinschauen. Das interessiert den Nachbarfrosch aber nicht - anderer Brunnen? Uninteressant!


    LG Barbara

  • Zitat

    Original von Hazel
    andererseits gibt es mir die Hoffnung, dass diese Themen noch mehr und noch ausführlicher in einem anderen Buch behandelt werden - oder?


    Hallo Hazel,


    Jetzt habe ich Dich sträflich vernachlässigt, ich hoffe Du kannst mir verzeihen.


    Danke für das Stichwort. In der Tat arbeiten wir bereits am nächsten Buch. Es wird ein Buch über Frauen und ihr "natürliches" Verhalten, das in meinen Augen durch das Patriarchat ziemlich pervertiert worden ist.


    Es steckt noch in der Phase den Entwurfes, ich recherchiere gerade Fälle von aggressiver weiblicher Gattenwahl im Tierreich. Eine afrikanische Antilopenart z.B. kämpft tatsächlich um begehrte Männchen, sie stören auch deren Paarung mit anderen Weibchen. Hoch interessant! Wenn jemand Literatur dazu kennt, oder Ideen hat, freue ich mich sehr über Anregungen.


    Diesmal gibt es auch noch keinen Titel á la Mimosen in Hosen. Auch hier freue ich mich über Ideen :-)


    Liebe Grüße


    Barbara

  • Barbara,


    ich bekenne mich schuldig <schäm>


    Die Bessenheit mit 'Kontext' verrät frau immer, ich muß mir mal einiges über Mimikry und Tarnung anschauen. :lache


    Ich bin aber keine Fachfrau für Hexen, ehrlich gesagt meide ich das Thema wie die Teufelin das Weihwasser. Die Sache mit den 'weisen' Frauen war mal eine heiße Diskussion und die Ideen sind verlockend.
    Trotzdem ist das eine hochkomplexe Problemlage und ich konnte es nicht stehen lassen, irgendwo greift doch so etwas wie Berufsethos, ist ja bei Euch nicht anders.


    Ich suche mal etwas zusammen und schicke Dir eine PN resp. mail.
    Hier ist das Thema wirklcih OT (off topic), ich will auch nicht die Diskussion übers Buch sprengen.


    Denn das Buch ist mir hier wichtig, weil ich die Rolle von Männern grundsätzlich wichtig finde. Und mal die biologisch-genetische Seite ins Blickfeld zu nehmen, ist für mich eine neue Erfahrung.
    Da kommt Euer Buch ganz recht.
    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus