Jugend und Bildung; Allgemeine Diskussion über Schulsystem, Ziele, Urs

  • Hallo,


    da in einer anderen Diskussion zum Thema Jugend und Bildung abgeschweift wird, und ich dieses Thema höchst interessant finde, eröffne ich hier einen passenden Thread.


    Als Basis der Diskussion sind die letzten Beiträge von Jaleh und Doc Hollywood heute um 10:54 Uhr und 11:23


    Bitte hier klicken !!!


    Steht es wirklich so schlecht um die Bildung?


    Wenn ja, wie kann man das ändern?


    Lernt unsere Jugend in der Schule das Falsche? Oder ist nicht nur die Schule schuld an der Bildungsmisere?


    Was sind die Ursachen der angeblichen Bildungsmisere?


    Freue mich auf eine spannende Diskussion.


    mfg

  • Mein Freund, es ist nicht so einfach auf dieses Thema eine allgemeingültige Antwort zu geben, wie ja bei den meisten deiner Themen. Ich sehe hier vor allem ein gesellschaftliches Problem, das seit Jahrzehnten ungelöst vor sich her geschoben wird.
    Unsere Gesellschaft hat sich verändert in die Richtung, daß der Familienverband, der früher durch die Integration der Alten und Jungen auch die Erziehung und Vorbereitung auf das Leben ganz selbstverständlich regelte, nicht mehr existiert. Wir sind heute so geld- und karrieregeil geworden, daß wir die Alten, von denen man noch so viel lernen könnte, in die Heime abschieben, die Jungen in die Horte oder Ganztagsschulen und die Erziehung weitgehend fremden Menschen überlassen.
    Aber weder die Horte noch die Schule sind darauf vorbereitet, im Gegenteil, sie lehnen es zum Teil ab, den Ersatz für ein intaktes Elternhaus zu spielen. Gleichzeitig werden zum Teil politisch motiviert haarsträubende, angeblich pädagogische Experimente durchgeführt, die lediglich dazu dienen, bestimmte Lerninhalte zu vermitteln, andere wieder zu vernachlässigen. Das in den alten Volksschulen übermittelte Grundwissen gibt es heute nicht mehr. Und genau diese Defizite zeigen sich leider an den Hochschulen als Endpunkt der Ausbildung.
    Soviel erst mal zur Eröffnung der Debatte. Ich erwarte jetzt jede Menge Widerspruch. :bruell

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Hallo!


    Hier erstmal meine Antwort auf Docs Beitrag in dem anderen Thread:


    Zitat

    Nun, ich habe Kinder und kann deswegen nicht nur von den Erfahrungen aus meiner (zugegebenermassen schon etwas zurückliegenden) Schulzeit berichten, sondern habe im Laufe der letzten Jahre so ziemlich Alles erlebt, was die Kinder heutzutage bildungstechnisch erwarten kann. Das fängt beim Kindergarten an und ist im Moment bei meiner Grossen im Gymnasium angelangt. Natürlich sind das subjektive Erfahrungswerte, aber so schlimm sehe ich die Sache nicht.


    Ja und nein. Es gibt ausgezeichnete Kindergärten und Schulen in Deutschland, keine Frage. Ich habe eine gute Freundin, die zwei Kinder hat (4 und 20 Monate) und diese wunderbar erzieht. Sie hat sich bereits über Kindergärten informiert und wird mit Sicherheit auch gute Schulen aussuchen. Sollte die Schule, die der Wohnung am nächsten ist ihr und ihrem Mann nicht gefallen, werden sie Mittel und Wege finden, damit eine bessere gefunden wird. Wenn/falls sie wieder berufstätig wird, wird sie sich um eine gute Versorgung für ihre Kinder kümmern.


    Da mache ich mir keine Sorgen. Aber es gibt in Deutschland genügend Schulen, da ist der Ausländeranteil bei 80 Prozent und einige von diesen Schülern sprechen überhaupt kein Deutsch. Es gibt Lehrer, die erzählen, dass morgens die Kinder hungrig, unausgeschlafen und in zu dünner Kleidung frierend zum Unterricht erscheinen. Es gibt Klassen, da sind so viele Kinder verhaltensauffällig, dass die Lehrer hauptsächlich damit beschäftigt sind, die Kinder zu beruhigen, mit ihnen Gymnastik- und Entspannungs-Übungen zu machen, damit sie sich danach ein wenig konzentrieren können.


    Ich weiß nicht, wieviel Prozent aller Schulen es so schwer haben, aber ich weiß, dass es viel zu viele Schulen sind.


    Zitat

    Man sollte vielleicht auch davon abrücken, dass die Bildungsverantwortung alleine in den Händen von Schule und Lehrern liegt.


    Das sehe ich auch so. Die meiste Zeit verbringen Kinder zu Hause und dort sollte alles stimmen (soweit das möglich ist). Aber was machst Du, wenn es eben nicht in Ordnung ist?


    Wenn ich Straßenbahn fahre oder in den Supermarkt gehe, kriege ich das kalte Grauen. Wenn ich Eltern mit ihren Kindern sehe, erlebe ich so häufig, dass Kinder auf Fragen keine Antwort bekommen, dass Kleinkinder, die auf dem Bürgersteig stehenbleiben, um eine Blume anzugucken angeschnauzt werden, dass Kinder im Supermarkt für ganz normale Verhaltensweisen zurechtgewiesen werden. Wenn ich dann mal Eltern sehe, die mit ihren Kindern liebevoll, respektvoll umgehen, bin ich völlig begeistert. Aber das ist eher die Ausnahme. Gut, die hysterischen Eltern mit ihren zwangsläufig ebenfalls hysterischen Kindern fallen natürlich mehr auf, trotzdem sind es viel zu viele.


    Ich glaube auch nicht, dass das Hauptproblem in den Schulen zu suchen ist. Da könnte, nein, da müsste vieles verbessert werden, aber die Ursache ist schon, dass die Kinder auch von ihren Eltern allein gelassen werden, nicht gefördert werden. Aber wenn das so ist, muss dieses Problem gelöst werden.


    Und wenn viele Kinder schon zu Hause nichts geboten bekommen, ist es dann sinnvoll, dass in Deutschland die Erzieherinnen in den Kindergärten zu den schlechtausgebildetsten europaweit gehören? Fast überall sonst haben Kindergärtnerinnen studiert. Bei uns findet man an diesen Stellen viele junge Frauen, die selbst ungern zur Schule gegangen sind und eine schlechte Allgemeinbildung haben.


    Meine Kollegin sagte neulich, ihre Kinder hätten im Kindergarten immer das gleiche Programm. Erst wird Osterdekoration gebastelt, dann Sommerdekoration, dann Weihnachtsdekoration, dann Karnevalsdekoration und dann ist wieder Ostern an der Reihe.


    Die Kindern, die zu Hause ihr Wissensbedürfnis stillen können, deren Eltern, wie du Doc, mit ihnen ins Planetarium und ins Museum gehen, die ihnen Fragen beantworten, vorlesen und mit ihnen über ihre schlechten Träume sprechen, die basteln dann halt die Dekorationen und es ist egal. Aber die, die zu Hause vor den Fernseher gesetzt werden, weil die Eltern es auch nicht besser können, oder weil sie nach ihrer Arbeit zu kaputt sind oder warum auch immer, die haben, wenn sie in die Grundschule kommen bereits die Lust am Lernen und die Fähigkeit dazu verloren.


    Meine Schüler, die nicht wissen, dass die USA in Nordamerika liegen, würden es Dir auf dem Globus vielleicht richtig zeigen. Aber was in ihrem Gehirn nicht funktioniert, ist die Fähigkeit, Schlüsse zu ziehen. Oder die Fähigkeit, sich genug zu konzentrieren, um eine Aufgabenstellung zu begreifen. Ich muss die einfachsten Aufgabenstellungen immer wieder wiederholen, weil die Information entweder nicht ankommt, oder nicht richtig verarbeitet wird. Und der Grundstein dazu wird bestimmt bereits im Kleinkindalter gelegt.


    Zitat

    Kinder müssen er"leben", das Bildung vorallem Spass machen kann und man die Welt dadurch viel bewusster wahrnimmt, als wenn man eben nur stundenlang vor der Playstation sitzt oder sich mit seinen Kumpels an der Tanke zusammenrottet.


    Ich glaube, Kinder müssen gar nicht erleben, dass Lernen Spaß macht - es ist sogar so, dass kleine Kinder gar nichts anderes tun, als zu lernen. Der Mensch ist so konstruiert, dass er lernen will, vor allem als Kind. Spielende Kinder lernen ja ununterbrochen. Du musst nur mal meinem zukünftigen Patenkind beim Spielen zuschauen, er macht dann, was wir sein "Arbeitsgesicht" nennen: Zusammengezogene Augenbrauen, höchste Konzentration! Ganz freiwillig. Und so geht das eigentlich weiter. Leider sind aber viele Umgebungen so, dass sie den Kindern das systematisch aberziehen.


    Da sind natürlich Erwachsene, die Schule blöd fanden, die Lesen als Blödsinn abtun und es wichtig finden, möglichst viel Bier in ganz kurzer Zeit zu trinken, ein schlechtes Vorbild, denn ein großer Teil des Lernens geht natürlich auch über die Nachahmung und Kinder sind darauf angewiesen, sich anzupassen. Sie bilden sehr schnell Muster, um in ihrer Umgebung zurechtzukommen. Das kann totale Anpassung sein oder auch das Gegenteil, agressives Verhalten, um irgendeine Art von Aufmerksamkeit zu erregen.


    Wenn das nicht alles in einer Teufelsspirale enden soll, die nach unten führt, muss man jetzt irgendwas ändern. Gut wäre es natürlich auch, die Eltern zu ändern. Da gibt es auch Projekte. Ich habe neulich im Fernsehen etwas über ein Projekt gesehen, das nannte sich "Starke Eltern, starke Kinder". Hauptziel der Kurse ist es, das Selbstvertrauen der Eltern als Erzieher zu stärken und die Kommunikation in der Familie zu verbessern. Mehr darüber hier:
    WDR


    Das funktioniert aber nur bei Eltern, die überhaupt merken, dass ein Problem da ist, die die Kraft haben, etwas zu ändern, die genug Deutsch können usw.


    In den Fällen, in denen die Eltern nichts ändern können oder wollen, sollte wenigstens der Kindergarten oder die Schule oder eine andere Stelle einen Ausgleich schaffen können.


    Haarsträubend finde ich es dann, wenn ausgerechnet im Erziehungswesen immer wieder Kosten reduziert und Stellen gestrichen werden. Denn, ich sage es hier auch nochmal, meiner Meinung nach sollte die Sorge um Kinder die höchste Priorität in der Politik haben.

  • "Die Sorge um Kinder sollte die höchste Príorität haben."


    Hallo Jaleh,
    diesen Satz kann man bedenkenlos unterschreiben. Aber er hat leider in vielen Bereichen mit der Lebenswirklichkeit nicht mehr viel zu tun. In einer Gesellschaft, in der Eltern die Entscheidung für Kinder zunehmend schwer gemacht wird, und denen, die sich trotz der schlechten Ausbildungs- und Beschäftigungschanchen dennoch für Kinder entscheiden, soviele Steine in den Weg gelegt werden, wie nur möglich, darf man sich nicht wundern, wenn ein Großteil entnervt aufgibt. Das fängt ja schon im Kleinkindalter an. Da erkennt man als Mutter bei den standardisierten Vorsorgeuntersuchungen, dass das Kind vielleicht ein gesundheitliches Problem hat und kann dankbar sein, dass man in Zeiten der Sparwelle im Gesundheitssystem ein offenes Ohr beim Kinderarzt findet. Förderung von Schwachen und auch wie du im anderen thread schon geschrieben hast, Fordern von leistungsstarken Kindern ist zwar schön, funktioniert aber oft nur in der Theorie. In der Praxis ist man als Eltern oft alleingelassen und muss selbst sehen, wie man sich im Dickicht möglicher Fördermöglichkeiten für sein Kind zurechtfindet. Ich schreibe dies aus eigener leidvoller Erfahrung.


    Im Kindergarten verbessert sich die Situation keineswegs. Da trifft man wie schon gesagt auf teils sehr unmotivierte Kräfte, die ihr Programm automatisch jahreszeitenangepaßt abspulen. Das setzt sich dann so fort mit nach meiner Erfahrung reichlich Unterrichtsausfall.


    Sicher hast du recht, dass die Schule dies alles nicht auffangen kann, aber auch Unterstützung habe ich nicht allzuviel erfahren. Wer nicht funktioniert wird ausgesondert und zwar mit erschreckender Geschwindigkeit. Das System verträgt eben nur konformes Verhalten. Keine Zeit, keine Lust, sich um "schwierige" Kinder jedweder Couleur zu kümmern. Und zwar auf der ganzen Linie.


    Ich frage mich nur, was man dagegen tun kann? Zum Beispiel durch bessere Rahmenbedingungen, eine bessere Ausbildung von Erziehern, bessere Ausstattung an den Schulen und vor allem bessere Unterstützungsmöglichkeiten für die Eltern. Zur Zeit herrscht auch in den Jugendämtern eher ein Phlegma, wenn es darum geht, unterstützend einzugreifen. Jedenfalls habe ich das in meiner Berufslaufbahn leider oft erfahren müssen.


    In einer Gesellschaft, die Mittel im Bildungsbereich immer weiter kappt, Eltern allein läßt, Schulen nicht ausstattet und statt dessen fröhlich vor sich hin reformiert und sich begeistert auf neue Versuche mit den Objekten Kindern stürzt, wird man auch in Zukunft noch Fachleute aus dem Ausland mit green cards anlocken müssen, während der eigene Nachwuchs das Denken und Lernen weiter einstellt.
    Eine der Bildungskapriolen in NRW ist die letztjährige Abschaffung der bewährten Vorschule. Nicht ganz. Nein, die Kinder werden jetzt normal eingeschult und stundenweise aus den Klassen gezogen, um dann separat gefördert zu werden. Komischerweise verspricht man sich davon bessere Ergebnisse. Die ersten Erfahrungen einer befreundeten Lehrerin sprechen da leider eine ganz andere Sprache. Ich kann nur sagen, ich bin heilfroh, dass meine Tochter die Vorschule noch in der alten Form besuchen durfte.

  • Hallo,


    Demosthenes:


    Zitat

    Unsere Gesellschaft hat sich verändert in die Richtung, daß der Familienverband, der früher durch die Integration der Alten und Jungen auch die Erziehung und Vorbereitung auf das Leben ganz selbstverständlich regelte, nicht mehr existiert.


    Ich hoffe, keine Frau ist mir jetzt böse, dass ich jetzt folgendes sage: Mich hegt oft der Gedanke, ob nicht die Emanzipation die negative Folge hat, dass einige Kinder nun letztlich absolut keine erzieherische Hand mehr
    haben.


    Ich habe nichts gegen die Emanzipation, ich bin sogar froh, dass es sie gegeben hat. Jede Frau soll sich selber verwirklichen dürfen. Nur war es doch früher so, dass mindestens ein Elternteil, meistens die Mutter, daheim war, und so viel Kontakt und Zeit mit den Kindern verbrachte und hatte. Die Mutter ist schließlich die wichtigste Person für ein Kind im Leben.
    Nun sind oft beide Elternteile berufstätig, und das Kind wird zur Oma, in die Kinderstätte etc. abgeschoben. Aber man sollte zur Fairness sagen, dass die Lebenserhaltungskosten mittlerweile so hoch sind, so dass viele Eltern förmlich gezwungen sind beide ganztags zu arbeiten.


    Zitat

    Wir sind heute so geld- und karrieregeil geworden, daß wir die Alten, von denen man noch so viel lernen könnte, in die Heime abschieben, die Jungen in die Horte oder Ganztagsschulen und die Erziehung weitgehend fremden Menschen überlassen.


    Früher sind die Kinder mit den Großeltern aufgewachsen, bis Tod der Alten. Sie lernten ihre Erfahrung und Lebensweisheit kennen, ihre erste Erfahrung mit Tod, die ich sehr wichtig finde. Nun fürchtet man sich ja, Abschied von den Toten wird gemieden, die Kinder völlig abgeschottet.


    Zitat

    Aber weder die Horte noch die Schule sind darauf vorbereitet, im Gegenteil, sie lehnen es zum Teil ab, den Ersatz für ein intaktes Elternhaus zu spielen.


    Wenn doch die Lehrerausbildung etwas wirklich praktisch pädagogisches an sich hätte ...


    mfg

  • Zitat

    Und wenn viele Kinder schon zu Hause nichts geboten bekommen...


    Die Kindern, die zu Hause ihr Wissensbedürfnis stillen können, deren Eltern, wie du Doc, mit ihnen ins Planetarium und ins Museum gehen, die ihnen Fragen beantworten, vorlesen und mit ihnen über ihre schlechten Träume sprechen, die basteln dann halt die Dekorationen und es ist egal. Aber die, die zu Hause vor den Fernseher gesetzt werden, weil die Eltern es auch nicht besser können, oder weil sie nach ihrer Arbeit zu kaputt sind oder warum auch immer, die haben, wenn sie in die Grundschule kommen bereits die Lust am Lernen und die Fähigkeit dazu verloren.


    Hallo Jaleh,


    vieles was du schreibst ist richtig und auch in meinen Augen sinnvoll.


    Aber wenn du schreibst, dass die Kinder zu Hause nichts geboten bekommen, weil die Eltern zu kaputt von der Arbeit nach Hause kommen, dann leuchten bei mir alle Arlarmglocken.


    Ich oder besser gesagt wir versuchen, trotzdem wir beide Berufstätig sind, mit unseren Kindern eigentlich viel zu machen. Ich höre mir ihre Sorgen an, wenn es um Hausaufgaben geht, wir versuchen die Probleme immer so zu regeln, dass das gemeinsame Reden bevorzugt wird usw.


    Aber wenn wir beide nun Arbeiten sind, geht das nicht, da muss ich mich drauf verlassen können, dass sie es selber hinbekommen. Und wenn wir nicht Arbeiten würden, oder einer von uns beiden das aufgeben würde, bekommen wir das nächste Problem. Dann nämlich können wir unseren Kindern bestimmte Sachen einfach nicht mehr bitten (infolge Geldmangel). Es ist nun mal eine Tatsache, dass mit dem Geld alles steht oder fällt. Ob das nun richtig ist, steht ja erstmal auf einen anderen Blatt.


    Und da ich das nicht einsehe, weil wie Idgie schon sagt der Staat in Punkto Kinder, der Kinderfeindlichste in ganz Europa ist, bin ich mir auch bewusst, dass wir in bestimmten Maße "Rabeneltern" sind.


    Und was unser Schulsystem angeht, kann ich nur sagen - ES IST EINE KATASTROPHE.


    Infolge Lehrermangel fallen massenhaft Stunden aus. An unserer Schule sind Lehrer beschäftigt, die bis an die Schule ca. 60 km zu fahren haben. Damit will ich nicht sagen, dass ich diese Lehrer verurteile, was ich verurteile ist das Kultusministerium, welches solchen Schwachsin duldet und vor allem fördert. Denn wie kann ein Lehrer der 60 km fahren muss, früh um halb acht ausgeschlafen und fröhlich bereit sein, den Lernstoff unseren Kindern zu vermitteln?


    Unsere Schule muss sich mit Materialkürzungen herumschlagen, dass einen die Haare zu Berge stehen. Es ist von seitens der Stadt nicht mal mehr Geld da, um die Klassenzimmer mit einen neuen Farbanstrich zu versehen. Da kann man nur noch mit den Kopf schütteln.


    Und so zieht sich das ganze durch alle Bereiche.



    Tschüß Micha !!!

    Auf dem Dachboden lebten wir vier, Christopher, Carrie, Cory und ich.
    Nur drei gehen wieder fort von hier.


    V.C. Andrews

  • Hallo Historikus!


    Ich finde das Thema auch sehr interessant, gerade weil ich zu der betroffenden Gruppe gehöre - bin ja selbst noch Schüler.


    Ich denke, dass es den meisten Schülern an Motivation fehlt, sich für das Lernen oder für Bildung im Allgemeinen zu interessieren.


    Ich zum Beispiel lerne sehr gerne Fremdsprachen, lese freiwillig jeden Tag die Frankfurter Allgemeine Zeitung, schaue NAchrichten, so oft es geht, lese freiwillig Klassiker und habe in der Schule extra Kurse belegt, wie zum Beispiel eine dritte Fremdsprache. Ich hätte sogar noch eine vierte dazugenommen, wenn dieser Kurs zustande gekommen wäre.
    Aber wieso bin ich so ehrgeizig? An der Erziehung meiner Eltern liegt es sicherlich nicht, wurde ich doch eher nach dem "lass-sie-doch"-Prinzip erzogen.


    Meine Motivation erfolgt ganz allein durch die Erziehung, die ich in meiner Schule kennengelernt habe. Ich gehe auf ein privates Klostergymnasium und habe jeden Tag bis vier Uhr Schule, ab dem Sommer dann sogar bis halb sechs.
    Außerdem bietet meine Schule für jüngere Kinder, deren Eltern berufstätig sind, die sogenannte Tagesheimschule an, in der die Kinder ein anständiges Essen aus der Klosterküche bekommen und dannach von Lehrern bei ihren Hausaufgaben betreut werden. Des weiteren gibt es zahlreiche AG's, von Sport - Ag's über Sprach-und Bio- AG's bis hin zu naturwissenschaftlichen Ag's und Astonomie ist alles dabei. Auch die große Schulbibliothek, die größer als unsere Stadtbibliothek ist, unterstüzt den Lernantrieb.


    Außerdem gibt es an unserer Schule keine Ausländer, da nur Katholiken aufgenommen werden. Der Religionsunterricht nimmt einen großen Teil ein, es wird jedoch nicht damit übertrieben.
    An unserer Schule werden also noch viele christiliche Werte vermittelt, die auch das Sozialverhalten beeinträchtigt - ich habe noch NIE in meinem Leben, eine Schlägerei auf dem Schulhof gesehen - auf manchen Schulen ist das fast Alltag.


    Auch haben wir mehrere Schulpsychologen, die sich um die Schüler kümmern.


    Warum ich dies alles erzähle? Nun, ich denke, es gibt sie noch: Schüler, die nicht den ganzen Tag vor dem PC oder Fernseher hocken, sondern wirklich etwas aus ihrem Leben machen wollen. NAtürlich spielt da die Erziehung eine große Rolle, aber auch die beste Erziehung nützt nichts, wenn in der Schule dann eine Null - Bock Stimmung herrscht. Ich habe Freunde, die auf staatliche Schulen gehen und mir erzählen, dass der Lehrer schon keine Lust hat, Unterricht zu machen und sie die ganze Stunde dann Spiele wie Daumen drücken spielen.


    Schüler und Lehrer müssten mehr motiviert sein. Unsere Lehrer sind motiviert, weil sie keine Beamten sind und somit auch gekündigt werden könnten, sollten sie nicht kompetent genug sein.Und wir Schüler sind motiviert, weil die Lehrer motiviert sind.
    Der Unterricht ist Abwechslungsreich und macht meistens sogar richtig Spaß. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, wie überall.
    Aber im generellen denke ich auch, dass der Schüler einfach mehr Lust hat, zu lernen, wenn er es für einen Lehrer tut, vor dem er Respekt hat, aber dem er auch Sympathie entgegenbringen kann. Auf den meisten Schulen ist die Schüler-Lehrer - Beziehung einfach zu anonym geworden, das heisst, es gibt außer dem Schulunterricht keinerlei Kontakte zwischen beiden Parteien, was mir persönlich sehr fehlen würde. Bei mir steht da vorne an der Tafel nicht der verhasste Mensch, der mir schlechte Noten gibt, sondern ein Mensch, den ich respektiere und zu dem ich eine Beziehung habe, für den wir Schüler alle auch wichtige Menschen sind und der uns nicht nur als MIttel zum Geldverdienen ansieht.
    Ich WILL bei diesem Menschen gute Noten schreiben, damit er sieht, dass man etwas bei ihm gelernt hat.


    Die großen Schwerpunkte sind meiner Meinung nach also Motivation und Ehrgeiz - und beides kann man Schülern nahe bringen und damit wieder Freude an Bildung wecken.


    Denn so wie es an manchen Schulen im Moment zurecht geht, ist wirklich eine Zumutung und man sollte unbedingt etwas dagegen tun!


    Ich wollte mit meinem Beitrag keine staatlichen Schulen schlecht machen, es gibt bestimmt auch gute staatliche Schulen!!!!!!!!!


    Hoffentlich bin ich niemandem zu nahe getreten!


    Viele herzliche Grüße


    Verena

    I live in my own little world.But that's okay, everyone knows me here.
    Glaube ist Hoffnung.
    Aus Hoffnung entstehen Taten.
    Taten verändern Dich ...
    und Du veränderst die Welt.

  • Hallo Verena,


    da kann man mal sehen, das Schulen die nicht dem Staat unterstellt sind, bessere Möglichkeiten haben.


    Nur bekommen wir dann schon wieder das nächste Problem, wer kann sich solche Schulen leisten. Bei uns gibt es ein kirchliches Gymnasium, dort muss man Schulgeld zahlen. Für das nächste Schuljahr haben sich ganze 14 Kinder angemeldet und das liegt bestimmt nicht daran, weil alle Schüler dämlicher geworden sind.


    Es liegt ganz einfach am Geld, denn welche durchschnittliche Familie, vor allem in den neuen Bundesländern, ist in der Lage rund 1000 € Schulgeld im Jahr abzudrücken.



    Tschüß Micha !!!

    Auf dem Dachboden lebten wir vier, Christopher, Carrie, Cory und ich.
    Nur drei gehen wieder fort von hier.


    V.C. Andrews

  • Zitat

    Original von Historikus
    Ich hoffe, keine Frau ist mir jetzt böse, dass ich jetzt folgendes sage: Mich hegt oft der Gedanke, ob nicht die Emanzipation die negative Folge hat, dass einige Kinder nun letztlich absolut keine erzieherische Hand mehr
    haben.


    Der Zerfall der Familie hat nichts mit Emanzipation oder Selbstverwirklichung zu tun. Wenn du die Werbung von Vorwerk kennst, in der jene junge Frau selbstbewußt sagt, sie leite ein kleines aber erfolgreiches Familienunternehmen, dann ist es das, was ich unter Emanzipation und Selbstverwirklichung verstehe. Diese Frau erkannte eine Aufgabe und erfüllt sie nach bestem Können. In Wirklichkeit ist diese Jobmanie in den meisten Fällen nichts anderes, als purer Egoismus. Mit dem zusätzlichen Geld wird der Zweit- oder Dritturlaub im Jahr finanziert, werden Statussymbole aufgebaut.

    Zitat


    Die Mutter ist schließlich die wichtigste Person für ein Kind im Leben.
    Nun sind oft beide Elternteile berufstätig, und das Kind wird zur Oma, in die Kinderstätte etc. abgeschoben.


    Genau das trifft den Knackpunkt. Das Aufwachsen ohne das Gefühl, ein wichtiger Teil der Familie zu sein.

    Zitat


    Früher sind die Kinder mit den Großeltern aufgewachsen, bis Tod der Alten. Sie lernten ihre Erfahrung und Lebensweisheit kennen, ihre erste Erfahrung mit Tod, die ich sehr wichtig finde. Nun fürchtet man sich ja, Abschied von den Toten wird gemieden, die Kinder völlig abgeschottet.


    Eben, Tod und Krankheit sind Dinge, die einem ja den Spass verderben können. Das paßt nicht mehr in unsere Zeit, ist altmodisch, eben nicht mehr "in".

    Zitat


    Wenn doch die Lehrerausbildung etwas wirklich praktisch pädagogisches an sich hätte ...


    Da machst du es dir ein wenig leicht. Gewiss, ich vermisse auch in vielen Fällen die Pädagogen unter den Lehrern, aber die Schule kann nun mal nicht den Ersatz für die Familie darstellen. Eltern sind nicht ersetzbar, auch wenn unsere jobgehetzten Kindererzeuger das so gerne hätten. Als Elternsprecher hatte ich das zweifelhafte Vergnügen festzustellen, daß gerade Kinder, die zu Hause wenig Zuwendung durch den Job ihrer Eltern fanden, auch in den schulischen Leistungen zu Extremen neigten. Die einen hatten schlechte Noten, flüchteten sich sogar in psychosomatische Krankheiten, die anderen versuchten sich selbst in der Leistung zu überholen, alles nur, um die Aufmerksamkeit ihrer Erzeuger auf sich zu lenken. In aller Regel vergebens. Darüber sollten wir vielleich mal nachdenken. Der Ruf nach mehr Staat, um das alles zu regeln, ist meines Erachtens der falsche Weg, der in eine katastrophale Spirale mündet.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zum Thema Bildungskapriolen fällt mir noch ein, dass es jetzt in der Grundschule schon Englischunterricht gibt.


    Versteht mich nicht falsch, ich finde, Sprachunterricht kann gar nicht früh genug anfangen. Ich finde es allerdings eine Schnapsidee, dass Lehrer dieses neue Fach unterrichten, ohne dafür ausgebildet zu sein. Da sind Leute, die haben vor 5, 10 oder 20 Jahre mal ein paar Jahre Schulenglisch gehabt und unterrichten diese Sprache jetzt? Hallo?


    Bitte sagt mir, dass alles, was ich gehört habe falsch ist und dass die Lehrer, die Englischunterricht in den Grundschulen geben, vorher entweder entsprechend geprüft wurden oder aber eine Fortbildung gemacht haben!


    Da ich aber weiß, dass auch in Gymnasien Lehrer Englisch unterrichten, die dieses Fach niemals studiert haben, gehe ich mal davon aus, dass ich richtig informiert bin.

  • Hi Verena,


    mensch, das kling ja nach einer Traumschule!


    Zitat

    Ich zum Beispiel lerne sehr gerne Fremdsprachen, lese freiwillig jeden Tag die Frankfurter Allgemeine Zeitung, schaue NAchrichten, so oft es geht, lese freiwillig Klassiker und habe in der Schule extra Kurse belegt, wie zum Beispiel eine dritte Fremdsprache. Ich hätte sogar noch eine vierte dazugenommen, wenn dieser Kurs zustande gekommen wäre.


    Das klingt wie eine Kopie von mir. Mir ging es in der Schulzeit ähnlich, ich las schon in der Hauptschule immer eine qualitative Tageszeitung, viele tolle Bücher, lernte jeden Tag etc. Allerdings war ich in zuerst in einer normalne Hauptschule, und dann Handelschule.
    Derzeit mache ich die Abendmatura.
    Ich war weit und breit der einzige, der Ehrgeiz und Motivation hatte ...
    Und galt bei manchen als Streber, aber jene konnten mich kreuzweise, und wenn man sieht wo jene Bezeichner jetzt stehen, bin ich froh, viel getan zu haben.


    Zitat

    Meine Motivation erfolgt ganz allein durch die Erziehung, die ich in meiner Schule kennengelernt habe. Ich gehe auf ein privates Klostergymnasium und habe jeden Tag bis vier Uhr Schule, ab dem Sommer dann sogar bis halb sechs.


    Klingt ganz nach einer sogenannten Ganztagsschule? Bei uns in Österreich brennt immer wieder die Diskussion auf, ob es nicht besser wäre, mehr Ganztagsschulen einzuführen.


    Zitat

    Auch haben wir mehrere Schulpsychologen, die sich um die Schüler kümmern.


    Meiner Meinung nach müssten noch viel mehr Psychologen an großen Schulen sein, die die psychischen Sorgen der Schüler UND Lehrer anhören.


    Zitat

    Warum ich dies alles erzähle? Nun, ich denke, es gibt sie noch: Schüler, die nicht den ganzen Tag vor dem PC oder Fernseher hocken, sondern wirklich etwas aus ihrem Leben machen wollen.


    Ich kannte jedenfalls keinen aus meiner Umgebung. Es war deshalb für mich richtig schwer, Freunde zu finden, die meinen Ehrgeiz teilten. Sich sinnlos zusaufen interessierte mich genauso wenig, wie einfach nur "abhängen".


    Zitat

    Aber im generellen denke ich auch, dass der Schüler einfach mehr Lust hat, zu lernen, wenn er es für einen Lehrer tut, vor dem er Respekt hat, aber dem er auch Sympathie entgegenbringen kann.


    Ich glaube am Respekt hängt vieles ab. Wenn der normale Respekt für die Lehrer zurückkommen würde ...


    Dein Beitrag ist jedenfalls sehr beeindruckend.


    mfg

  • Zitat


    Da machst du es dir ein wenig leicht. Gewiss, ich vermisse auch in vielen Fällen die Pädagogen unter den Lehrern, aber die Schule kann nun mal nicht den Ersatz für die Familie darstellen.


    Da stimme ich dir ja zu, Demosthenes. Aber es ist doch so, dass die Lehrer mittlerweile mehr mit den psychischen Problemen der Kinder zu tun haben, als mit ihrer eigentlichen Arbeit: Lehren!


    mfg

  • hallo:)


    Ja, ich bin auch sehr froh, auf dieser Schule zu sein. Iwe gesagt, ich gehe ja gerne hin .. :)


    Nein, es ist keine Ganztagsschule. Die 5. und 6. Klassen haben jeden Tag nur von halb acht bis 12:30 Uhr Schule, ab der 7. hat man dann erst Nachmittagsunterricht. Auch in meinem Jahrgang gibt es welche, die nur 3 mal die Woche bis 14:55 Uhr Schule haben, weil sie keine Zusatzfächer gewählt haben. Also nicht bei jedem ist der Stundenplan so voll :)


    Wenn du magst, kannst du hier mal ein paar Bilder von meiner Schule sehn - man sieht auch ein Bild vor dem großen Neuumbau und wie es heute aussieht. Besodners auf die Bibliothek bin ich stolz :) Leider sieht man hier nur einen Bruchteil davon..



    http://www.kreuzburg-gymnasium…abe_det.php?id=1044344254


    http://www.kreuzburg-gymnasium…ungen/bibliothek/leer.jpg


    http://www.kreuzburg-gymnasium…ungen/bibliothek/voll.jpg



    Viele Grüße


    Verena

    I live in my own little world.But that's okay, everyone knows me here.
    Glaube ist Hoffnung.
    Aus Hoffnung entstehen Taten.
    Taten verändern Dich ...
    und Du veränderst die Welt.

  • Eure Antworten sind alle miteinander lesens- und bemerkenswert. Ein einfaches und realisierbares Patentrezept wird es wohl für die Mißstände nicht geben. Ich für meinen Teil werde also weiterhin Alles mir Mögliche tun, damit meine Kinder weiterhin wissbegierige Menschen mit Freude am Leben bleiben und sich so weiterentwickeln, wie sie das Gott sei Dank zu meiner Riesenfreude schon getan haben und immer noch tun.


    Auch wenn ich z. B. den unüberlesbaren Missmut und die pessimistische Sichtweise von Jaleh durchaus verstehe und zum Teil auch nachvollziehen kann, so ist es mit Sicherheit keine Lösung Alles negativ und im Keller zu sehen. Das hilft auch Niemanden weiter und lässt bloss jene mutloser werden, die eh schon schwarz sehen.


    Wer bewusst Kinder in die Welt setzt trägt Verantwortung. Die lässt sich weder auf einen Kindergarten, noch auf eine Schule abschieben. Ich habe mir immer vor Augen gehalten: wie wärst Du gerne erzogen worden, was hat Dir an Deiner Kindheit nicht gefallen und was davon sehr gut? Das hilft sehr gut weiter, wenn man sich mal hängen lässt und die Kinder nerven (oh ja, dass können die! ;) ). Das manche Eltern völlig überfordert mit der Erziehung ihrer Kinder sind, ist leider eine traurige Tatsache. Letztendlich kann man nur mit gutem Beispiel vorangehen und damit dann mit dem einen oder anderen Hinweis in seinem Umfeld auch auf andere Erziehenden positiv einwirken.


    Selbst Lehrkräfte können durch ein eindringliches und fair geführtes Gespräch manchmal auf ihre eigenen schwachen Leistungen aufmerksam und mit sichtbaren Erfolg auf einen anderen Weg gebracht werden. Sowas ist schwer, lohnt sich aber im Interesse der Kinder allemal.


    Aber vielleicht gehört einfach zum Kinder erziehen auch eine grundsätzlich optimistische Einstellung zur Sache dazu - das macht es auf jeden Fall leichter. :-)


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Aber vielleicht gehört einfach zum Kinder erziehen auch eine grundsätzlich optimistische Einstellung zur Sache dazu - das macht es auf jeden Fall leichter. :-)


    Ja, das tut es. So eine hübsche positive Lebenseinstellung kombiniert mit einer gehörigen Portion Humor erleichtert mir das Leben und ganz speziell die wirklich spannende Phase im Leben meiner Tochter. Sie pubertiert grad fröhlich vor sich hin und läßt mich mitunter verzweifeln. Dann wäge ich kurz ab, ob ich lieber heulen oder lachen soll und entscheide mich fürs Lachen. Treu nach dem Motto: Lieber Lachfalten als Tränensäcke.


    Aber ich schweife vom Thema ab. Eines ist mir an dieser Stelle noch besonders wichtig. Ihr vergleicht immer die früher doch hochgelobten besseren Zustände, als Mama sich noch ordentlich um Kinder, Haus und Garten und die kranken alten Großeltern gekümmert hat, statt sich im job selbst zu verwirklichen. Habt ihr eine nostalgische Ader?


    Man kann heutige Lebensumstände nicht mehr unbedingt mit dem früher üblichen Leben vergleichen. Ich bin selbst in einer Familie mit berufstätigen Eltern (sie waren selbständig) aufgewachsen und es hat mir nicht geschadet. Ich bin ein sozialer, verantwortungsbewußter und einigermaßen gebildeter Mensch geworden, den man unbesorgt auf die Gesellschaft loslassen kann. Das gebe ich meinen Kindern weiter so gut ich kann.


    Zu sagen, Kinder, deren Eltern arbeiten haben schon mal von vorn herein schlechtere Startbedingungen, ist gefährlich und stimmt auch nicht. Ich hab was gegen solch pauschale Aussagen. Frauen müssen sich heute glücklicherweise nicht mehr rechtfertigen, wenn sie einer Berufstätigkeit nachgehen und so ganz nebenbei für ihre eigene Altersversorgung sorgen, grade bei den heutigen Scheidungsraten. Darunter leiden Kinder wohl eher, als unter berufstätigen Müttern. Eure Aussagen klingen fatal nach traditionell verteilten Verantwortungen. Es ist mir zu einfach, Frauen da die alleinige Verantwortung zuzuschieben, wenn die Kinder nicht so spuren, wie zu Opas Zeiten.

  • Zitat

    Auch wenn ich z. B. den unüberlesbaren Missmut und die pessimistische Sichtweise von Jaleh durchaus verstehe und zum Teil auch nachvollziehen kann, so ist es mit Sicherheit keine Lösung Alles negativ und im Keller zu sehen. Das hilft auch Niemanden weiter und lässt bloss jene mutloser werden, die eh schon schwarz sehen.


    Naja, aber man muss auch mal Missstände aufzeigen, sie ins Bewusstsein rücken. Sonst passiert wohl nichts.


    Das beste, was man wohl machen kann, ist das was Du tust: Deinen eigenen Kindern eine möglichst schöne Kindheit zu ermöglichen.


    Ich selbst möchte keine eigenen Kinder haben. Aber es macht mir großen Spaß, die Kinder meiner Freundin heranwachsen zu sehen, mit ihnen zu spielen, und es tut mir richtig gut, zu sehen, dass sie in einer so wohltuenden Umgebung aufwachsen.


    Ich habe aber schon als Kleinkind Ungerechtigkeit gehasst und deswegen möchte ich, dass Missstände, wie sie in unserer Gesellschaft vorhanden sind und die meiner Meinung nach auch eher schlechter als besser werden, wenigstens bekannt sind. Wenn viele Leute davon gar nichts wissen, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass etwas unternommen wird.


    Abgesehen davon, meine Freundin mit ihren Kindern tatkräftig zu unterstützen, sehe ich mich momentan nämlich nicht in der Lage, etwas anderes für die Verbesserung der derzeitigen Verhältnisse zu tun. Außer eben auf die Tatsachen hinzuweisen, die ich kenne.


    Hat eigentlich jemand von Euch das interessante Buch von Petra Gerster und ihrem Mann gelesen? Nach kurzen Einstiegsproblemen (ich finde den Anfang missverständlich) habe ich das Buch fasziniert verschlungen. Das zweite Buch der beiden habe ich allerdings noch nicht gelesen.

  • Zitat

    Historikus:
    Ich hoffe, keine Frau ist mir jetzt böse, dass ich jetzt folgendes sage: Mich hegt oft der Gedanke, ob nicht die Emanzipation die negative Folge hat, dass einige Kinder nun letztlich absolut keine erzieherische Hand mehr


    Ich bin Dir nicht böse, es ist ja auch insofern etwas wahres dran, als es sicher vielen Kindern besser bekäme, wenn die Mutter zu Hause wäre. Stattdessen werden sie von der Oma zur Nachbarin geschickt oder sitzen eben vor dem Fernseher oder der Playstation.


    Nur war die Emanzipation absolut notwendig und ehrlich gesagt, nehme ich die heutigen Bedingungen gerne in Kauf, wenn die Alternative ist, so zu leben wie es selbst vor 50 Jahren noch der Fall war, geschweige denn vor hundert Jahren! Damals wuchsen 50 Prozent der Bevölkerung, nämlich die Mädchen unter häufig unzumutbaren Bedingungen auf, heute verteilen sich die schlechten Bedingungen auf beide Geschlechter. Und ob die Erziehung für Jungen zur Zeit meiner Eltern so optimal war - oh je, da habe ich auch meine Zweifel - auch wenn die Kinder damals in Rechtschreibung besser waren... ;-)


    Und es gibt ja auch Beispiele aus anderen Ländern, wo es kein Problem (oder jedenfalls ein viel geringeres Problem) für Frauen ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Da gibt es firmeninterne Kinderhorte und Kindergärten. Da gibt es Ganztagesschulen und dass die nicht schlecht sein müssen, sehen wir ja an Icyangels Bericht, auch wenn sie darauf besteht, dass es sich nicht um eine Ganztagsschule handelt. Mir ist's egal, wie man's nennt, aber die Kinder/Jugendlichen können dort jedenfalls bis 16 Uhr oder länger bleiben. :-)


    Zitat

    Demosthenes: In Wirklichkeit ist diese Jobmanie in den meisten Fällen nichts anderes, als purer Egoismus. Mit dem zusätzlichen Geld wird der Zweit- oder Dritturlaub im Jahr finanziert, werden Statussymbole aufgebaut.


    Diese Behauptung finde ich unverschämt. Es gibt zahllose Haushalte, in denen die Kinder nicht versorgt werden könnten, wenn nicht beide Eltern arbeiten gingen. Es gibt sogar Haushalte, in denen ein Elternteil mehrere Jobs machen muss, damit die Familie über die Runden kommt. Aber selbst wenn das "zusätzliche" Geld nicht unbedingt nötig wäre, gehen doch viele Frauen arbeiten, weil sie irgendwann fürchten, zu verblöden, wenn sie fast ausschließlich von ihren Kindern umgeben sind. So entzückend und bereichernd der Umgang mit Kindern ist, so sehr kann man sich sicherlich auch mal nach einer anderen Umgebung sehnen.


    Weiterhin ist unsere westliche Gesellschaft ja nun auch so gestrickt, dass der Wert einer Person zu einem großen Teil an ihrer Arbeit gemessen wird. Nicht nur wegen des Geldmangels kommen viele Arbeitslose mit ihrer Situation so schlecht zurecht oder viele Rentner. Zwar ist es schon lange nicht mehr politisch korrekt, zu einer Frau zu sagen, sie sei "nur Hausfrau", aber dieses "nur" ist in vielen Köpfen noch vorhanden. Da kommt sich eine Frau dann leicht minderwertig vor, wenn sie "nur" zu Hause ist und auf ihre Kinder aufpasst. Was sie tut ist falsch - bleibt sie zu Hause, wird sie mitleidig angeschaut und nicht ernstgenommen, geht sie arbeiten, gilt sie als Rabenmutter.


    Historikus, das wäre doch auch ein interessantes Thema: Warum wird in unserer Gesellschaft der Beruf für so wichtig erachtet?


    Zurück zu Kindern/Erziehung/Bildung. Einige Dinge, die ich mir wünschen würde, wären:


    - besser ausgebildete Erzieherinnen in den Kindergärten
    - mehr Projekte der Art "Starke Eltern, starke Kinder" für Eltern, die bereit und in der Lage sind, Ratschläge anzunehmen
    - Deutschunterricht für ausländische Kinder, ehe sie in eine deutsche Schule gehen
    - Schulprojekte, in denen Jugendliche lernen, was es bedeutet, Kinder zu haben
    - bessere Hochbegabtenförderung und auch besser qualifizierte Lehrer oder Psychologen in den Schulen, die in der Lage sind, festzustellen, warum sich ein Kind auffällig benimmt
    - mehr schulpsychologische Beratungsstellen für Eltern und Kinder und eine große Aufklärungskampagne, die Eltern und Schüler veranlasst, psychologische Hilfe als etwas ganz normales, wie einen Hausarztbesuch zu sehen und nicht als etwas unnatürliches, peinliches
    - eine andere Ausbildung für Lehrer, die von Anfang an Bezug zur Praxis hat (es gab vor einigen Monaten einen spannenden Spiegel-Artikel, der sagte, dass über 50 % aller Lehrer frühzeitig in Rente gehen oder krank geschrieben sind, weil sie unter dem Burnout-Syndrom leiden. Die Ursachen wurden einerseits an den schlechten Bedingungen in den Schulen gesehen, andererseits daran, dass viele Menschen diesen Beruf ergreifen, weil sie teilweise von zu Hause aus arbeiten können und viel Ferien haben und somit viel Zeit z. B. für eigene Kinder, nicht aber, weil sie Spaß daran haben, mit Kindern pädagogisch zu arbeiten und ihnen ein bestimmtes Thema zu vermitteln)
    - Supervision und ständige Fortbildungen für Lehrer


    Viele meiner Vorschläge setzen doch im öffentlichen Bildungssystem an, weil ich nicht weiß, wie die Bedingungen in den Familien verbessert werden können. Da wäre eine bessere wirtschaftliche Situation nötig, die den Stress minimiert und eine größere Bildung der Eltern. Das lässt sich beides noch schwieriger umsetzen als meine obigen Ideen.


    Es gibt auch Projekte, die den Familien helfen. In dem Buch von Gerster/Nürnberger (siehe oben) war z. B. eine Schule, die hatte nachmittags aufgemacht und Eltern und Kinder eingeladen. Ich weiß nicht mehr genau, wie es ging, aber da waren dann die Eltern eingebunden, einige Mütter haben Vorhänge genäht, andere AGs mit den Kindern gemacht und ein großer Erfolg war, dass viele ausländische Eltern, die vorher der Schule sehr misstrauisch gegenüberstanden, jetzt völlig involviert waren und sich ihr positives Verhältnis dazu natürlich auch auf ihre Kinder übertragen konnte.


    Im Radio habe ich von Modellversuchen gehört, die Schulen erlauben, ihre Finanzen eigenständig zu verwalten. Jede Schule erhält ein Budget und was sie damit macht, ist ihre Sache. Da gibt es dann auch sehr kreative Ideen und viele Schulen können viel einfacher mal etwas umsetzen, als wenn sie jeden Euro einzeln genehmigen lassen müssen. Schlechte Erfahrungen hatte es scheinbar nicht gegeben.


    Es geht schon sehr viel.... und gerade deswegen ärgert es mich so, wenn einerseits so viel Geld zum Fenster hinausgeworfen wird und andererseits gerade im Bildungssystem so viel gekürzt und eingespart wird.


    Uff. Vielleicht sollte ich auch mal ein Buch über dieses Thema schreiben. Dann müsste ich Euch hier nicht so zumüllen, äh, -mailen. ':cool'


    So, nun geht's ab in die Heia! Gute Nacht!
    Jaleh

  • Im Radio habe ich von Modellversuchen gehört, die Schulen erlauben, ihre Finanzen eigenständig zu verwalten. Jede Schule erhält ein Budget und was sie damit macht, ist ihre Sache. Da gibt es dann auch sehr kreative Ideen und viele Schulen können viel einfacher mal etwas umsetzen, als wenn sie jeden Euro einzeln genehmigen lassen müssen. Schlechte Erfahrungen hatte es scheinbar nicht gegeben.


    Das gibt es, an der Schule, wo meine Kinder hingehen ist dies der Fall. Nur ist der Hacken daran, dass das Geld für die Selbstverwaltung auch von der Stadt oder irgendeiner staaatlichen Einrichtung kommt. Und da diese ebenfallls kein Geld haben, so wird das Budget gekürzt und die Schulen müssen weiterhin mit wenig Geld auskommen.


    Ein ewiger Teufelskreis.




    Tschüß Micha !!!

    Auf dem Dachboden lebten wir vier, Christopher, Carrie, Cory und ich.
    Nur drei gehen wieder fort von hier.


    V.C. Andrews

  • Hallo,


    Icyangel:


    Zitat

    Wenn du magst, kannst du hier mal ein paar Bilder von meiner Schule sehn - man sieht auch ein Bild vor dem großen Neuumbau und wie es heute aussieht. Besodners auf die Bibliothek bin ich stolz Leider sieht man hier nur einen Bruchteil davon..


    Danke für die tollen Links. Wenn ich doch auch solch eine Schule hätte genießen dürfen ...


    Idgie :


    Zitat

    Zu sagen, Kinder, deren Eltern arbeiten haben schon mal von vorn herein schlechtere Startbedingungen, ist gefährlich und stimmt auch nicht. Ich hab was gegen solch pauschale Aussagen.


    Dann ist es eben eine Pauschalaussage. :-)


    Jedenfalls habe ich kennengelernt, wieviel meiner ehemaligen Mitschüler verwahrlost und vernachlässigt wurden. Die meisten Eltern von denen wussten ja nicht einmal, wie dreckig es denen in der Schule geht.


    Ich finde es einfach besser, wenn sich zB ein Elternteil wenigstens nur auf einen Halbtagsjob festsetzt, und sich den halben Tag nur den Kindern widmet. Dies wäre sicher fruchtbarer.


    Jaleh :




    Zitat

    Und es gibt ja auch Beispiele aus anderen Ländern, wo es kein Problem (oder jedenfalls ein viel geringeres Problem) für Frauen ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Da gibt es firmeninterne Kinderhorte und Kindergärten. Da gibt es Ganztagesschulen und dass die nicht schlecht sein müssen, sehen wir ja an Icyangels Bericht, auch wenn sie darauf besteht, dass es sich nicht um eine Ganztagsschule handelt. Mir ist's egal, wie man's nennt, aber die Kinder/Jugendlichen können dort jedenfalls bis 16 Uhr oder länger bleiben.


    Es für mich einfach darum, dass die heutige Jugend kaum Rückhalt von den Eltern hat. Eltern sollten nicht nur Eltern sein, sondern bester Freund bzw. Freundin zugleich. Dies wäre für mich der Idealzustand.


    mfg

  • Zitat

    Original von Historikus
    Dann ist es eben eine Pauschalaussage. :-)


    Jedenfalls habe ich kennengelernt, wieviel meiner ehemaligen Mitschüler verwahrlost und vernachlässigt wurden. Die meisten Eltern von denen wussten ja nicht einmal, wie dreckig es denen in der Schule geht.


    Ich finde es einfach besser, wenn sich zB ein Elternteil wenigstens nur auf einen Halbtagsjob festsetzt, und sich den halben Tag nur den Kindern widmet. Dies wäre sicher fruchtbarer.


    Dann sei wenigstens fair und knüpfe das nicht allein an die Berufstätigkeit von Eltern. Das stimmt so nicht, und ich kann das unmöglich so unkommentiert stehen lassen.
    Es hängt daran, wie wichtig Eltern ihre Aufgabe nehmen und wieviel sie dafür zu tun bereit sind. Etwa wie Doc mit seinen Museumsbesuchen, oder was ich in meiner Freizeit mit den kids unternehme. Es gibt einen Haufen Fälle, bei denen ein oder beide Elternteile zu hause sind, und sich noch viel weniger um ihre Kinder kümmern, als arbeitende Eltern. Obwohl das Betreuungsangebot für arbeitende Eltern in diesem Land eher suboptimal ist, um es mal höflich zu formulieren, gibt es einen Reihe von Möglichkeiten für Eltern, ihre Kinder betreuen zu lassen, oder selbst aktiv zu werden. Leider muss ich einschränken, dass diese Möglichkeiten bei höherem Einkommen sehr viel leichter sind.
    In meinem Bekanntenkreis gibt es einige Familien, die mit au-pairs gute Erfahrungen gemacht haben. Jetzt hör ich schon wieder den Aufschrei, wenn die Mutter nur für die Betreuung arbeitet, kann sie genausogut selbst zu hause bleiben und sich ihrer Verantwortung stellen. Das ist aber nur ein Aspekt. Nicht zu unterschätzen ist die soziale Komponente bei diesem Betreuungsmodell. Die kids kriegen relativ früh einen Einblick in andere Mentalitäten, gehen offen mit anderen Kulturen um und lernen so ganz nebenbei noch Toleranz und Offenheit.


    Ich habe wieder halbtags angefangen zu arbeiten, als mein jüngstes Kind 7 Jahre alt war. Es war meine Entscheidung, in den ersten Jahren ganz zu hause zu bleiben und ich war in der glücklichen Lage, mir das leisten zu können. Jetzt arbeite ich halbtags und ich behaupte mal aus eigener Erfahrung, dass zumindest meine Kinder überaus selbständig sind und daraus auch eine Menge Selbstsicherheit ziehen. Ganz praktische alltägliche Dinge, die ihren Klassenkameraden mit Hotel Mama nicht im Traum einfallen würden, praktizieren sie und profitieren davon. Ich bereue das nicht und es ist mir wichtig, meinen Kindern auch vorzuleben, dass man vieles erreichen kann. Unter anderem eben auch, dass auch Mädchen und Frauen sich nicht gezwungen sind, sich zwischen Kindern und Beruf zu entscheiden. Es ist in meinen Augen auch eine volkswirtschaftliche Überlegung, Frauen, die Jahre in Schule und Studium investiert haben, nach der Geburt ihrer Kinder auf deren Erziehung festzunageln.