Georg Büchner - Woyzeck

  • mal wieder traktiert die Schule mich mit einem Buch, welches ich freiwillig nie anrühren würde...


    Ich verstehe kaum worum es geht. Und wie ich gelernt habe, geht es den Wissenschaftlern, die versuchen Büchners kryptische Zeichen zu deuten, ebenso.


    Hat jemand ein bisschen mehr von diesem Werk verstanden und will mich von seinem Wissen profitieren lassen?

  • Du armes geplagtes Menschenkind!


    Woyzeck! Ein Fragment. Nie fertig geschrieben. Nicht mal die Reihenfolge der Akte und Szenen war vom Autor ordentlich in eine Reihe gebracht.


    Und nun müssen sich SchülerInnen damit abplagen.


    Die Schwächsten in der Hierarchie. Der niedrigste Stand in der Hand der Obrigkeit. Kein freier Wille, alles determiniert.
    Vom Kultusministerium, dem Oberschulamt, den Lehrplänen und LehrerInnen.


    Vom Herrn Hauptmann, vom Arzt, von der Kirche und der herrschenden Moral.


    Sind wir frei? Können Menschen frei handeln? Oder ist alles bestimmt? Der Geist wie der Körper? Alles meßbar, nach Regeln ablaufend. Der einfache Mensch nur ein Versuchskaninchen, ein Gegenstand der medizinischen Beobachtung?


    Der Mensch ist gebunden an den Körper, an die äußeren Bedingungen - seinen Stand. Unabwendbar. Sagt dieses Stück.


    Es liegt in niemands Gewalt, kein Dummkopf oder kein Verbrecher zu werden


    Man ist, was man ist. Man kann nichts ändern.


    Das Stück ist materialistisch, es ist fatalistisch, es ist grausam. Die Handlung ist es, ebenso wie der Blick auf die Welt. Die Sätze tun weh. Auch wenn sie, bedingt durch den Einfluß des Hessischen heute mehr als sperrig daherkommen.


    Sie sind so widerspenstig wie das Thema, für uns brave, glückliche, im milden Sonneschein lebende Heutige. ;-)


    Die bürgerliche Moral, die im Stück vorkommt, ist böse Karikatur.
    Der Woyzeck ist ein guter Mensch, aber er hat keine Moral sagt der Haputmann irgendnwann (ich zitiere frei.)
    Vom Gutsein kann man nicht leben. Einfach lieben geht auch nicht. Sich wehren geht nicht, man kann ja nur handeln, wenn man eine Alternative hat, die gibt es nicht. Man ist gefangen, da, wo man lebt und festgelegt auf die Art, wie man lebt.


    Die herrschende Moral bietet keine Alternative. es ist eine Welt ohne Hoffnung, nur düster. Am Ende stehen folgerichtig ?
    Mord und Tod.


    Vor dem Existenzialismus, der fast hundert Jahre später einsetzt, hat keiner so wilde Gedanken gehabt.
    Ein irres Stück.


    Voll daneben, aber so was von erschreckend!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Batty,
    ganz einfach:
    ich habe mit Büchner umgerührt ;-)
    Da ist offenbar was hängengeblieben.


    Das Stück ist klasse, aber sehr schwer.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • danke dir, magali, ein bisschen besser, denke ich, versteh ich das jetzt. Hab einfach keinerlei Intention darin verstanden/gefunden. Zwar habe ich das Gefühl, dass meine Deutschlehrerin das nicht so interpretiert, aber ich bin sehr einverstanden mit jener Deutung, sie passt auch irgendwo zum Leben Büchners. Wieso muss man nur ein Werk lesen, das niemand versteht? Niemand kann es vollständig entziffern, kennt die Reihenfolge, weiß das richtige Ende... und dennoch soll ich, als Schülerin der 12ten klasse eine interpretative Klausur darüber verfassen... Das ist doch ein Scherz der Ministerien auf Kosten Kinder anderer (die eigenen dürfen ja in die Schweiz auf Privatschulen, so wette ich.


    :gruebel.oO(wär auch ein schöner thread, aber ich schätze den gibts/gabs schon...)




    Zitat

    Original von Batcat
    Ich frage mich, was magali heute in ihrem Kaffee hatte. Aber eines steht fest: Ich möchte auch so einen! :lache


    Harry und Sally?
    "Ich möchte das, was sie da hat!" :lache

  • danke delphin :knuddel1


    ich hatte nur noch nich angefangen danach zu surfen, weil ich die klausur noch nicht schreibe, und gehofft hatte persönliche erklärungen würden mir mehr weiter helfen als internet-erklärungen, aber es hilft ja nix, das buch hat niemand wirklich begriffen :-(

  • Zitat

    Original von Spreequell70
    Manchmal ist man eigentlich nur froh, nicht mehr zur Schule gehen zu dürfen.


    Zu dürfen? Nicht mehr dorthin gehen zu MÜSSEN... :lache Andererseits geht man ja täglich durch die Schule des Lebens :grin

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Zu dürfen? Nicht mehr dorthin gehen zu MÜSSEN... :lache Andererseits geht man ja täglich durch die Schule des Lebens :grin


    Ich meinte schon "dürfen". Wie unbeschwert waren wir einst! Keine Verantwortung auf unseren Schultern. Nur die Verantwortung, für unser eigenes Tun verantwortlich zu sein.
    Irgendjemand sagte in meiner Schulzeit zu mir: Du wirst der Zeit noch nachtrauern.


    :bruell Laßt mich weider rein!!!

  • :wow Woyzeck?? Ach du Schreck, damit wurde ich auch in der Schule gequält ... Mein Mitgefühl! Fast noch schlimmer als diese Fragmentsammlung fand ich allerdings die Verfilmung mit Klaus Kinski (nichts gegen Kinski!!) *grusel* Das einzige, was ich bislang nicht vollständig verdrängt habe, sind die Erbsen... Es waren doch Erbsen??? :gruebel

  • Ich wurde auch mit Woyzeck gequält - und wurde so zum Büchner-Fan. Insofern, gibt's von mir leider kein Mitleid, Ironie. Ich hab' dann sogar freiwillig eine Facharbeit zum Thema "Kritische Analyse der Texte zum 100. Todestag von Georg Büchner" geschrieben (jetzt kannst Du Dir ausrechnen, wann ich in der Oberstufe war :grin). Leider habe ich meine Aufzeichnungen nicht mehr, sonst würde ich sie Dir sofort schicken.


    Aber vielleicht hilft Dir folgender Link, der auch weitere Links enthält.


    Magali hat Büchner übrigens m. E. sehr gut verstanden!

  • ja, ist bei mir auch so: hab ich in der Schule gelesen...aber NIX wirklich NULL ist hängen geblieben *tztztz*


    dafür fand ich magalis Interpretation umso köstlicher, wenn das mal damals so in der Schule rübergebracht worden wäre, dann wär in meinem Gedächtnis weitaus mehr hängen geblieben :grin


    ich weiß, völlig off topic. Tut mir leid, Ironie, dass ich nix Konstruktiveres hier beifügen konnte :-(

  • Woyzeck musste ich auch in der Schule lesen und momentan für das Abitur wiederholen. Anfangs war das Buch für mich auch nicht mehr als einfach nur eine Qual, aber die Moral, die dahinter steckt und die Intention Büchners sind schon klasse. Hierbei verweise ich auf Magalis Interpretation.


    Lg,
    ImmI!

  • Du Arme.
    Tust mir echt total Leid.


    Wir hatten das sogar in die Matura verpackt. Mich grauts noch jetzt.
    Ich hab das Buch dreimal (!) gelesen, bis ich endlich gescheckt hab, dass einer (Hauptmann?) dem Woyzeck gesteckt hat, dass Marie nicht ganz treu ist :wow


    Dass Einzige, was mich an dem Buch interessiert hat, war die Entstehungsgeschichte und dass es Woyzeck wirklich gab und die Tatsache, dass die Frage der Zurechnungsfähigkeit erst geklärt werden musste.
    Habe nachgedacht, darüber (hehe: Der Fall Woyzeck) mal meine Diplomarbeit zu schreiben, aber ja nix Literarisches.


    In Österreich können ja die Lehrer frei entscheiden, welche Bücher sie lesen (lassen), nur Woyzeck und Faust I sind Pflicht und ich frag mich echt, warum Woyzeck auch?


    Aber einige Zitate gefallen mir ganz gut daraus, z.B. "Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schindet einem, wenn man hinab sieht."


    Sorry, off topic, aber ich hatte gerade das Bedürfnis, das zu schreiben!

  • Anscheinend wurden mit diesem Buch wirklich alle gequält. Dieses Buch ist auf der Liste, derjenigen Bücher, die ich nicht verstehe auf dem sicherem Platz Nummer Eins. Das tragische daran ist ja, dass man merkt, dass die einzelnen Szenen in keiner richtigen Reihenfolge sind, was der Verständlichkeit nicht wirklich hilft.

  • Ich selbst kenne das Buch nicht - zum Glück anscheinend, wenn ich mir Eure Kommentare hier so durchlese, aber mein jüngster Sohn hatte es im Deutschunterricht durchgenommen und, als er heute morgen hier mitlas, sich regelrecht geschüttelt.


    Furchtbar, dass es solche Menschen gibt, ebenso furchtbar, dass man Schüler mit so einem Machwerk auch noch traktiert!

  • Zitat

    Original von Spreequell70
    Ich frage mich noch immer, was Magali in ihrem Kaffee hatte???!!! :gruebel


    Gruß Spreequell70


    Spreequell und all:


    Die Milch macht's!


    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ist bei mir noch gar nicht so lange her, dass ich das Buch hatte, weiß aber trotzdem nicht mehr viel.


    Marie - ich glaub so hieß Woyzecks Geliebte- ist auf jeden Fall sehr materialistisch angehaucht und lässt sich deshalb auch vom Major verführen. Dazu trägt bei, dass der Major und Woyzeck Gegensatzfiguren sind.


    Woyzeck selbst wird vom Hauptmann als Fussabtreter und vom Arzt als Versuchstier gesehen - er hat also in ihren Augen keinen Wert als Menschen, was sie z.B. damit stützen, dass er an die Wand pinkelt und ein uneheliches Kind hat.


    Woyzeck erträgt die körperliche und psychische Erniedrigung (Erbsenkur, Stress, ständige Ermahnungen seitens Doc und Hauptmann) dank der Liebe zu Marie und dem Kind. Als er erfährt, dass Marie ihn betrogen hat bricht seine Psyche vollkommen zusammen und er hört die Stimme (Unterbewusstsein), die ihm den einzigen Weg zeigt, sich für alle Erniedrigungen (zu oben kommt hier noch Maries Verrat hinzu) zu rächen.


    Zusammenfassend ist das Werk eine Kritik an der Gesellschaft.


    Schade, dass es nur ein Fragment ist, hätte mich intressiert wies zu Ende geht : Bringt man Woyzeck um oder Selbstmord? Was wird aus dem Kind?

    Mögest du immer Wind im Rücken haben
    und Sonne im Gesicht,
    auf das die Schicksalsstürme dich hinauftragen,
    damit du mit den Sternen tanzt.