fast gefastet, oder: Sinn und Unsinn des Verzichtens

  • Ich habe gerade bei einem Blick auf meinem Kalender und dem Wort "Fastnacht" daran denken müssen, dass ja ab Aschermittwoch die Fastenzeit beginnt. Als Kind wurde ich so erzogen, dass man in der Fastenzeit keine Süßigkeiten essen darf. Seit ich kein selbiges mehr bin, ist mir die Fastenzeit eigentlich völlig egal.


    Ich habe aber gerade über Sinn und Unsinn des Fastens nachgedacht. Auf was man theoretisch verzichten könnte oder würde, was der Sinn gerade dieses Verzichts wäre, wie lange eine Fastenzeit dauern sollte...


    Es gibt ja Menschen, die ab und zu Heilfasten machen, wahrscheinlich auch um ihrem Körper etwas Gutes zu tun. Allerdings nur in etwa eine Woche lang und nicht unbedingt in der Fastenzeit, sondern wenn sie eine Woche Urlaub haben.



    Eigentlich wäre es gar nicht uninteressant sich mal wieder auf so ein Experiment einzulassen und auf etwas zu verzichten, dass mal wieder den Blick fürs Wesentliche schärft oder das die Zeit sinnvoller nutzen lässt. Man müsste ja nicht unbedingt auf etwas völlig verzichten. Zum Beispiel ist meiner Meinung nach ein 100%iger Fernsehverzicht nicht unbedingt nötig, aber man könnte sich auf bestimmte Sendungen oder ein bestimmtes Zeitbudget beschränken. Auch das Einkaufsverhalten könnte überdacht werden und nicht nur im Bezug auf Bücher. Auch im Bereich Essen gäbe es verschiedenste Möglichkeiten...



    Mich würde mal interessieren wer von euch aus welchen Gründen schon gefastet hat und auf was verzichtet wurde. Und ob jemand jetzt in der Fastenzeit fasten möchte.

  • Ich gönne mir auch unter dem Jahr nicht alles, worauf ich eben Bock habe. Da ist meistens mein jeweils letzter Kontoauszug dran schuld. :cry


    Also sehe ich, der ich vor bald zehn Jahren aus der Kirche ausgetreten bin (und auch all die Jahre vorher mit der staatlich subventionieren Sekte nichts anfangen konnte) nicht ein, noch mehr zu fasten.


    Wollen sich nicht alle außer denen, die Fasten mit (manchmal wirklich nötiger ;-) ) Gewichtsabnahme verbinden, durch die Fasterei/Pseudoverzichterei ein reines Gewissen erschleichen???


    Provokativ aber ernst gemeint gefragt...


    Gruß Hurz --> fastet nicht :-]

  • Hm..Fastenzeit hat mich noch nie wirklich interessiert. Weder als Kind noch jetzt.


    Heilfasten mache ich allerdings schon ab und an mal.
    Allerdings auch nur im Urlaub oder wenn ich mal 3-4 Tage frei habe. Mein Gejammer möchte ich da nämlich niemandem an tun und mein Gegrummel im Bauch auch nicht... *lacht sich untern Tisch*


    Außerdem ist man natürlich nicht ganz so leistungsfähig, wie in der Zeit in der man normal ißt.

  • Zitat

    Original von hurz


    Also sehe ich, der ich vor bald zehn Jahren aus der Kirche ausgetreten bin (und auch all die Jahre vorher mit der staatlich subventionieren Sekte nichts anfangen konnte) nicht ein, noch mehr zu fasten.


    Das ist mir jetzt aber völlig neu. Meines Wissens subventieren weder der Bund noch die Länder die jeweiligen Landeskirchen. Für eine entsprechende Quellennennung wäre ich Dir sehr dankbar.


    Und unter einer Sekte versteht man doch etwas anderes, oder irre ich mich da?

  • Zitat

    Original von hurz


    Wollen sich nicht alle außer denen, die Fasten mit (manchmal wirklich nötiger ;-) ) Gewichtsabnahme verbinden, durch die Fasterei/Pseudoverzichterei ein reines Gewissen erschleichen???


    Provokativ aber ernst gemeint gefragt...



    Reines Gewissen? Du meinst solche, die aus religiösen Gründen fasten und trotzdem Arsc*löcher sind? Vielleicht. Möglich wäre es. Ich habe allerdings noch nie aus religiösen Gründen gefastet. Als Kind konnte ich das noch nicht so sehen. Da war das eher der Druck der Eltern.


    Wenn ich jetzt auf etwas verzichten würde, dann nicht aus religiösen Gründen, sondern um den Blick für das Wesentliche zu schärfen. Ich würde z.B. sehr gerne mal eine zeitlang in einer Hütte leben, ohne großen Luxus. Ohne Fernsehen, ohne Strom, ohne die Möglichkeit etwas schnell im Internet zu bestellen und Abends in die Kneipe zu gehen. Einfach mal eine Auszeit aus unserer Konsum- und Luxusgesellschaft nehmen. Das wäre einfach eine Sache, die ich für mich gerne einmal ausprobieren würde. Alleine oder mit Freunden zusammen. Ähnliche Erfahrungen macht man ja beim Zelten oder wenn man mal einen Abend draußen verbringt, am Lagerfeuer, ohne Toilette, ohne Wände um einen herum und dann unter freiem Himmel schlafen. Das sind so Momente in denen einen manche Dinge wieder bewusster werden. Das wäre für mich ein Grund auf etwas zu verzichten.

  • M.A.n. bringt diese Diskussion überhaupt nichts außer den üblichen verhärteten Fronten und bestärkten (Vor-)Urteilen. :grin


    Ronja, genau das, was du anführst, sind jene "religiösen Gründe": Das Fasten (das man nicht übertreiben soll) dient schlicht und einfach der Abwendung von eben jener Konsumgesellschaft (dem "weltlichen Leben") und der Konzentration auf etwas Wesentliches, um eben diese Erfahrung von etwas Esentlichem zu machen.


    Was dieses Wesentliche nun sei, darüber kann man wieder herrlich streiten.

  • Zitat

    Original von Iris
    M.A.n. bringt diese Diskussion überhaupt nichts außer den üblichen verhärteten Fronten und bestärkten (Vor-)Urteilen. :grin



    Doch, sie könnte etwas bringen, wenn man nicht sofort wieder das Thema (kath.) Kirche ausgraben und mit Wörtern wie "Sekte" um sich schmeißen würde. Ich will hier nicht um die Kirche oder den christlichen Glauben diskutieren. Wenn jemand aus religiösen Gründen fastet und das hier schreibt, dann finde ich das interessant. Und Punkt. Es wird doch hier wohl mal möglich sein ein Thema zu diskutieren, ohne gleich wieder - wie schreibst du immer: RKK-Bashing zu betreiben! Herrschaftszeiten!!!



    Zitat

    Ronja, genau das, was du anführst, sind jene "religiösen Gründe": Das Fasten (das man nicht übertreiben soll) dient schlicht und einfach der Abwendung von eben jener Konsumgesellschaft (dem "weltlichen Leben") und der Konzentration auf etwas Wesentliches, um eben diese Erfahrung von etwas Esentlichem zu machen.


    Was dieses Wesentliche nun sei, darüber kann man wieder herrlich streiten.



    Nenne es, wie du willst. Dann müsste / könnte man das aber auch als "naturreligiöse" Gründe bezeichnen. Zumindest der Bereich, der mich interessieren würde.


    Wir sollten vielleicht die Begriffe "religiös", "christlich" etc. vermeiden, wenn das sofort wieder ein Strohfeuer entfachen würde.



    Anderes Beispiel: Ihr kennt mit Sicherheit die Doku-Serien, die vor einiger Zeit auf der ARD liefen: Gutshaus 1900, Abenteuer Sommerfrische 1927, Windstärke 8. Aus welchen Gründen leben moderne Menschen freiwillig 6 Wochen in einer Zeit, die wesentlich schwieriger ist, als die heutige. Warum arbeiten sie freiwillig 17 Stunden am Tag und machen sich zu Gesinde, das von den Herrschaften abhängig ist? Erfahrungen sammeln? Grenzen ausloten? Sich des Luxus bewusst werden, den wir heute haben?


    Könntet ihr euch so etwas vorstellen? Ob mit oder ohne Kamera, das spielt jetzt keine Rolle. Und ohne Bezahlung?

  • Zitat

    Original von Ronja
    Könntet ihr euch so etwas vorstellen? Ob mit oder ohne Kamera, das spielt jetzt keine Rolle. Und ohne Bezahlung?


    Vorstellen kann ich mir das durchaus, ebenso wie ein sehr langes Trekking fernab der "Zivilisation" oder ein paar Wochen in einer karg eingerichteten Klosterzelle -- allerdings nur ohne Bezahlung und Kamera. Ich bin doch keine Laborratte! :lache
    Wenn, dann ginge es um "Selbstfindung" oder wie man das neudeutsch nennt. Ich habe keine Ahnung, was man da findet, ob es ein "Selbst" ist oder ob man überhaupt etwas findet. Aber einen Versuch ist es allemal wert.


    Ich werde diese 40 Tage zu Anlaß nehmen, Dinge zu vereinfachen, überflüssig Erscheinendes zu meiden. Es geht nicht so sehr um "Verzicht" als um Fokussierung. Mal sehen, was dabei herauskommt.

  • Zitat

    Original von Iris


    Vorstellen kann ich mir das durchaus, ebenso wie ein sehr langes Trekking fernab der "Zivilisation" oder ein paar Wochen in einer karg eingerichteten Klosterzelle -- allerdings nur ohne Bezahlung und Kamera. Ich bin doch keine Laborratte! :lache



    Natürlich! Das mit der Kamera währe eine ganz andere Erfahrung, die ich allerdings nicht machen möchte! Gar nie nicht!





    Zitat

    Ich werde diese 40 Tage zu Anlaß nehmen, Dinge zu vereinfachen, überflüssig Erscheinendes zu meiden. Es geht nicht so sehr um "Verzicht" als um Fokussierung. Mal sehen, was dabei herauskommt.



    Eben. Fokussierung, davon rede ich ja die ganze Zeit. Den Blick für das Wesentliche schärfen. Es geht um Erfahrungen, um einen selbst...

  • Ronja,
    das ist ein interessantes Thema, hat aber viele Facetten.


    Fastenzeit, religiös bedingt:


    Ich habe und hatte im Bekanntenkreis Personen, männlich wie weiblich, die Fastenzeiten einhalten, vor Ostern etwa oder im Ramadan.
    Dem einen kann ich dann vor Ostersamstag keine Schokolade mehr schicken, der anderen kein Obst oder Kaffee anbieten vor Sonnenuntergang, der dritte ißt Schokolade, geht aber frühestens am Ostersamstag wieder mit auf Glas Wein, weil er sich Alkoholverzicht auferlegt hat ab Aschermittwoch.
    Wieder andere haben besondere Regeln bezüglich Pessach oder vor Yom Kippur.
    Alle verbindet, gleich ob sie streng oder weniger streng fasten, daß sie sich damit in Übereinstimmung mit ihren religiösen Überzeugungen befinden, eine Unterwerfung unter bestimmte Gebote akzeptieren, um sich einem Gott gegenüber gehorsam zu zeigen.
    Ich habe damit keine Probleme, ich guck auf den Kalender und weiß Bescheid. Zum Mitmachen hat mich noch keine/r gewzungen, ja, nicht einmal aufgefordert.
    Aus metphysischen Gründen zu fasten resp. auf etwas zu verzichten ist mir fremd.


    Was ich noch kennengelernt habe, ist eine Art 'fasten', um Geister zu beschwören. Ich formuliere das salopp, meine es aber ernst. Darauf gestoßen bin ich während meiner Jahre an der Uni, in Examenszeiten, und zwar sowohl als Kandidatin wie später auf der anderen Seite des Tischs, als Prüferin.


    Es ist eine vor allem bei jungen Frauen verbreitete, offenbar instinktive Reaktion auf den Streß 'Prüfung', genau in der Vorbereitungszeit auf Examina mit einer Diät zu beginnen.
    Ich habe lange gegrübelt, ob das eine Art Selbstbestrafung ist, wenn man in geistig anstrengenden Zeiten auch noch aufs Essen verzichtet und oft noch auf den Schlaf. Es wird im Lauf der Wochen zu einer Rundum-Kasteiung. ich habe aber keinen schlüssigen Grund gefunden, warum eine sich dann bestrafen sollte.
    Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß auch dieses Verhalten metaphysische Gründe hat. Wie beim religiöses Fasten, soll hier die Zurückdrängung der Körperlichkeit den 'Geist' in den Vordergund rücken und so zum Gelingen der Prüfung beitragen.
    Sicher nicht meine Art, eine Prüfung vorzubereiten.


    Der dritte Bereich: Konsumverzicht


    Unserer Warenwelt kritisch gegenüber zu stehen, sollte Voraussetzung für mündige Bürger zu sein. Die Folgen der Überproduktion sind bekannt, wir erleben sie 24/7. ;-)
    Das ist der Bereich, in dem ich 'faste'. Konkret heißt das, daß ich mir genau überlege: brauche ich das- brauche ich das nicht.


    Es ist erstaunlich, wie wenig eine von dem, was angeboten wird, braucht.
    Im Lauf der Zeit verändert sich der Blick auf die Welt vollkommen.


    In eine Zeit VOR elektronischem Strom, beheizten Wohnungen, Krankenkassen und Müllabfuhr zurückzukehren, halte ich aber für einen romantischen Traum, auch wenn ich selber Aufzüge erst ab dem 5. Stockwerk benutze und keinen Fernseher besitze.


    Menschen, die in vermeintlich mittelalterlichem Ambiente einige Zeit zubringen, tun das aus Abenteuergeist, Sensationslust, einmal im Mittelpunkt stehen wollen, etwas Anderes tun wollen. Just for fun.
    Sie tun es vor allem, weil sie wissen, daß sie wieder zurückkönnen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Thema Konsumverzicht:


    Nette Sache, aber überlegt ihr wirklich jedesmal, ob ihr etwas braucht und entscheidet dann, ob ihr es kauft, oder lieber doch nicht? Wenn das jeder täte, läge die Wirtschaft völlig am Boden, denn wir kämen mit enorm viel weniger Dingen und Luxus aus. :grin
    Es gibt aber einige Dinge, von denen ich genau weiß, dass ich sie nicht unbedingt haben muss, sie mir aber ganz bewußt (meistens, nicht immer :grin ) gönne, denn auch das Genießen macht einen Großteil Lebensqualität aus. Ich tauge nicht zu einem bedingungslosen Asketen, andererseits bin ich auch kein Konsumjunkie und kann auf vieles ganz gut verzichten, ohne dass ich kreuzunglücklich durchs Leben schleiche, oder mich total toll finde, weil ich so selbstlos verzichten kann. Da muss halt jeder für sich ausloten, wo der sinnvolle Verzicht anfängt.


    Diese Pseudozeitreisedokus finde ich nur bedingt geeignet, sich ein Bild von der damaligen Lebensweise zu machen. Das meiste davon ist halt fernsehgerecht aufbereitet und entsprechend abgefedert. Wer will auch ernsthaft ausprobieren, ob man eine schlimme Infektion ohne die moderne Medizin überstehen kann, oder wochenlang hungern, weil das mit der Nahrungsbeschaffung schwieriger ist, als ursprünglich angenommen. Solange man das im abgesicherten Modus spielt, ist es halt nicht mehr als ein Spiel.

  • Ich mache eigentlich jedes Jahr bei "7 Wochen ohne" mit. D.h. man verzichtet auf etwas, was einem schwer fällt - und merkt dabei, wie abhängig man eigentlich davon ist, bzw. wieviel Schmacht man danach hat. Sich für eine überschaubare Zeit mal seinem Willen und nicht seinen Gelüsten zu unterwerfen, finde ich ganz sinnvoll. Nachher bin ich auch immer ganz stolz, wenn ich durchgehalten habe. Ich verzichte auf Süßigkeiten und Alkohol. Wobei ich es allerdingsnicht so sklavisch sehe. Wenn auf einen Geburtstag angestoßen wird, kann ich auch mal ein Glas Sekt mittrinken oder bei meiner Mutter ein Stück Kuchen essen, damit sie nicht noch extra für mich was Herzhaftes auftischt.


    grüße von missmarple, die sich gleich noch ein letztes Stück Schokolade gönnt

    "Ein Archäologe ist der beste Ehemann, je älter eine Frau wird, um so mehr interessiert er sich für sie."
    Agatha Christie

  • Zitat

    Original von Ronja
    (...)


    Anderes Beispiel: Ihr kennt mit Sicherheit die Doku-Serien, die vor einiger Zeit auf der ARD liefen: Gutshaus 1900, Abenteuer Sommerfrische 1927, Windstärke 8. Aus welchen Gründen leben moderne Menschen freiwillig 6 Wochen in einer Zeit, die wesentlich schwieriger ist, als die heutige. Warum arbeiten sie freiwillig 17 Stunden am Tag und machen sich zu Gesinde, das von den Herrschaften abhängig ist? Erfahrungen sammeln? Grenzen ausloten? Sich des Luxus bewusst werden, den wir heute haben?


    Könntet ihr euch so etwas vorstellen? Ob mit oder ohne Kamera, das spielt jetzt keine Rolle. Und ohne Bezahlung?


    hallo ronja....zählt auch 10 tage urlaub in den bergen knapp unter der baumgrenze ohne fliessend warmen wasser, ohne strom, ohne tv, ohne luxus...?
    gut, wir haben uns zu futtern mitgebracht, anders ging das gar nicht... aber es war ganz interessant zu sehen, dass ich doch nicht so ein luxus-weibchen bin, wie ich bisher immer gedacht habe...
    hat mir richtig gut gefallen und ich werde das auf jeden fall wiederholen...


    gruss
    die_kleene_




  • Meinst du mit "in dem ich ´faste'", dass du das eine bestimmte Zeit lang machst oder immer?



    Zitat

    In eine Zeit VOR elektronischem Strom, beheizten Wohnungen, Krankenkassen und Müllabfuhr zurückzukehren, halte ich aber für einen romantischen Traum,



    Ich weiß nicht, wie romantisch der Traum für viele ist - auch für die, die ihn versuchen umzusetzen. Dennoch ist es eine Möglichkeit zu versuchen der Realtität ein Stückchen weit näher zu kommen, zu versuchen herauszufinden, wie es damals in etwa gewesen sein
    könnte. Mehr kann man auch kaum möglich machen, außer man geht wirklich in ein anderes Land, in dem die Verhältnisse den damaligen bei uns ähnlich sind oder in eine Hütte auf einen Berg und lebt über lange Zeit so, wie es dort üblich ist. Natürlich hat man heute die Möglichkeit zurückzukehren, was die Sache einfacher macht. Im Gegensatz dazu waren die Menschen damals noch nicht an den Luxus gewohnt, den wir heute haben und die Dinge, die man nicht kennt, vermisst man auch nicht.




    Zitat

    Menschen, die in vermeintlich mittelalterlichem Ambiente einige Zeit zubringen, tun das aus Abenteuergeist, Sensationslust, einmal im Mittelpunkt stehen wollen, etwas Anderes tun wollen. Just for fun.
    Sie tun es vor allem, weil sie wissen, daß sie wieder zurückkönnen.


    Auch das ist klar. Ich muss manchmal schon über Freunde und Bekannte von mir schmunzeln, die mit ihrem Verein relgemäßig auf Mittelaltermärkte gehen und dort alle möglichen Regeln befolgen wollen oder von den Veranstaltern aus befolgen müssen, damit ein Hauch von Authentizität vorhanden ist. Trotzdem braten sie fröhlich jeden Tag ihr Fleisch und gehen zum Rauchen ihrer Gauloises hinters Zelt. Und nicht mal jeder von ihnen ist sich bewusst, dass sie im damaligen Leben in dieser Stellung wohl eher Hirsebrei gegessen hätten. Trotzdem verstehe ich, dass sie versuchen wollten nachzufühlen wie z.B. das Laufen in den Schuhen ist, das Schlafen auf Fellen, das Baden im Zuber etc.



    Nur weil man das damalige Leben nicht 1:1 nachempfinden kann, muss man ja nicht darauf verzichten es zu versuchen.

  • Zitat

    Original von Idgie
    Thema Konsumverzicht:


    Nette Sache, aber überlegt ihr wirklich jedesmal, ob ihr etwas braucht und entscheidet dann, ob ihr es kauft, oder lieber doch nicht? Wenn das jeder täte, läge die Wirtschaft völlig am Boden, denn wir kämen mit enorm viel weniger Dingen und Luxus aus. :grin



    Nein, das tue ich bei Weitem nicht. Deshalb würde ich es ja gerne einmal so handhaben. Ich bin zwar nicht verschwenderisch, aber ich gönne mir auch gerne einmal etwas, das ich mich Sicherheit gerade nicht brauche und freue mich dann einfach darüber. Bei mir hängt das Nicht-gönnen einfach oft mit meinem Dasein als Studentin und meiner anerzogenen Sparsamkeit zusammen.



    Zitat

    Es gibt aber einige Dinge, von denen ich genau weiß, dass ich sie nicht unbedingt haben muss, sie mir aber ganz bewußt (meistens, nicht immer :grin ) gönne, denn auch das Genießen macht einen Großteil Lebensqualität aus.



    Unbedingt! Ich habe nie den Knauserer verstanden, der immer mit einem kleinen Glas Wasser bei uns in der Kneipe gesessen ist. Und er war damals mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit der mit dem größten Kontostand. Der Satz: "Von den Reichen lernt man das Sparen." stimmt schon verflixt oft!





    Zitat

    Diese Pseudozeitreisedokus finde ich nur bedingt geeignet, sich ein Bild von der damaligen Lebensweise zu machen. Das meiste davon ist halt fernsehgerecht aufbereitet und entsprechend abgefedert. Wer will auch ernsthaft ausprobieren, ob man eine schlimme Infektion ohne die moderne Medizin überstehen kann, oder wochenlang hungern, weil das mit der Nahrungsbeschaffung schwieriger ist, als ursprünglich angenommen. Solange man das im abgesicherten Modus spielt, ist es halt nicht mehr als ein Spiel.



    Sehe ich schon genauso. Aber wie oben schon geschrieben ist es zumindest das Annhähern, das heute u.U. möglich ist. Eine gewisse Grenze können und wollen wir i.d.R. nicht überschreiten.

    Ronja



    "Braucht's des?!"
    (Gerhard Polt)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Ronja ()

  • Zitat

    Original von die_kleene_


    hallo ronja....zählt auch 10 tage urlaub in den bergen knapp unter der baumgrenze ohne fliessend warmen wasser, ohne strom, ohne tv, ohne luxus...?
    gut, wir haben uns zu futtern mitgebracht, anders ging das gar nicht... aber es war ganz interessant zu sehen, dass ich doch nicht so ein luxus-weibchen bin, wie ich bisher immer gedacht habe...
    hat mir richtig gut gefallen und ich werde das auf jeden fall wiederholen...



    Klar zählt das! :lache

  • ich faste generell nicht , für mich ist der Aschermittwoch eigentlich ein Tag wie jeder andere


    und von wegen Fernsehen , ich schau eh nich viel Fernsehen

  • Ronja, Idgie,


    ja, ich überlege immer. Ich handle nicht immer 'richtig', ich bin den Verführungen genauso ausgesetzt.
    Es ist eine selbstgewählte Lebensform seit Jahr und Tag. Ich sehe keinen Grund, sie aufzugeben.
    (ja, ich esse von Tellern, benutze gelegentlich Lippenstift und trinke Öko-Wein nur, wenn mir einer die Pistole an die Stirn hält)


    Die- Wirtschaft- liegt- am- Boden-wenn- ich- nicht- konsumiere, ist für mich kein überzeugendes Argument. Auf der anderen Seite stehen Umweltzerstörung, Veramung, das Elend der Dritten Welt, Kriege.


    Es geht ja nicht darum, gar nichts zu kaufen, sondern zu fragen: was ist mein Bedürfnis und was drückt mir die Werbung als vermeintliches Bedürfnis auf.


    Wie ich oben schreibe, halte ich das für eine Voraussetzung des Etiketts 'mündige' Bürgerin, mit dem man sich doch so gerne schmückt.


    Ronja


    wenn man sich eine Zeit ohne Strom und fließend Wasser gönnen will, soll man das tun. <schulterzuck>
    Sicher lernt man dadurch eine andere Realität kennen, sich selbst, seinen Körper.
    Trotzdem ist es für mich das typische Verhalten von Menschen, die eigentlich im Luxus und Überfluß leben. Verwöhnte Kinder, die 'arm' spielen wollen. Weil ihnen ihr Leben grad mal langweilig ist.


    In den Jahren, in denen ich in Rom lebte, fiel öfter mal der Strom aus, die Müllabfuhr kam nicht, das Wasser war zuweilen abgestellt. Moderne europäische Großstadt 80er Jahre. Es war manchmal lustig, man latschte mit dem Kanister zur Quelle im Hof.
    Das will ich aber nicht mein Leben lang tun, für jeden Tropfen, den ich trinke.
    Ganz abgesehen davon, daß ich die Sauberkeit des Wassers vorausgesetzt habe, ohne darüber nachzudenken und mir nie Gedanken machen mußte, daß die Quelle mal versiegt.
    Das sind Realitäten, die westliche Europäer nicht gern kennenlernen würden.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 3 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Zitat

    Original von magali
    Ronja


    wenn man sich eine Zeit ohne Strom und fließend Wasser gönnen will, soll man das tun. <schulterzuck>
    Sicher lernt man dadurch eine andere Realität kennen, sich selbst, seinen Körper.
    Trotzdem ist es für mich das typische Verhalten von Menschen, die eigentlich im Luxus und Überfluß leben.



    Natürlich. Arme Menschen kämen wohl kaum auf die Idee. Aber ist es den Luxus-Menschen zu verübeln?



    Zitat

    Verwöhnte Kinder, die 'arm' spielen wollen. Weil ihnen ihr Leben grad mal langweilig ist.



    Natürlich sehen es manche nur als spannenden Abenteuerurlaub, aber das dieses Verhalten nur auf Langeweile beruht finde ich etwas hart ausgedrückt. Und wenn? Vielleicht langweilt sie der ganze Luxus und sie möchten als Abenteuer nicht noch mehr Luxus, sondern mal lieber etwas weniger.



    Zitat


    Das sind Realitäten, die westliche Europäer nicht gern kennenlernen würden.


    Jein. Natürlich nicht als alltäglichen Standart. Aber es muss ja auch für dich einen Grund gegeben haben, warum du diese Umstände auf dich genommen hast und dafür etwas anderes bekommen konntest, etwas anderes machen konntest, das hier nicht möglich war. So schlimm kann es also nicht gewesen sein oder eben ein Preis, den du zu zahlen bereit warst.

  • @ magali...


    ich fühle mich jetzt ein klein wenig angesprochen und "rechtfertige" mich mal eben...
    was ich absolut genossen habe in den bergen, war die ruhe.... keine autos, keine strassenbahn, kein telefon, kein fernseher, kein gar nichts... nur das schreien der adler und das gebimmel der kuhglocken... :grin
    abends ist man zeitig zu bett und morgens, fast schon direkt mit der sonne, aufgestanden (spätestens dann, wenn die terror-kuh wieder losgebimmelt hat)... ich bin auf berge geklettert, habe ca 4 dicke wälzer gelesen und bin den ganzen tag in der sonne gelegen, habe mich darum gekümmert, dass unser herd nicht ausgeht und habe "unseren bauern" besucht und beim melken geholfen, so dass wir frische kuhmilch bekamen und frische butter und auch mal ne flasche hausgebrannten schnaps...
    zugegebener massen, die sanitären umstände sind nicht so gewesen, dass ich so immer leben möchte (plumpsklo, eiskaltes quellwasser) aber es war zu ertragen...


    und schon allein wegen der ruhe will ich das unbedingt wieder machen...


    was auch toll war, ich sass (zwar in der hütte) mitten in einem gewitter... um uns rum die wolken und blitze und donner...


    gigantisch *schwärm*