Hat die Eu noch Zukunft?

  • Nur noch wenige Stunden bis zur EU-Osterweiterung. Große Freude bei den Politikern, doch der Schein trügt:


    EU-Verfassungs-Referendum in Großbritannien, immer mehr Unmut über EU in der Bevölkerung, zweifelhafte Gesetze wie "Man darf nicht mehr Marmelade sagen, sondern Konfitüre", genaue Maßnahmen, wie lang oder krumm eine Banane sein soll, große Länder dürfen Unfug machen (Österreich bekommt Sanktionen, wohingegen Italien-Berlusconi, der wirklich rechts u. gefährlich ist, unsanktioniert bleibt - Deutschland und Frankreich dürfen sich verschulden, ohne bestraft zu werden ...) und, und und.


    Jedenfalls herrscht immer mehr Skepsis, wie es nun weiter gehen soll. Hat die EU noch Zukunft? Wie können Eu-skeptische Bürger wieder gewonnen werden?


    mfg

  • Ich denke, dass es für eine echte Bestandsaufnahme und eine richtige Bewertung der EU noch viel zu früh ist. Zweifellos gibt es jede Menge Probleme politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art, und die werden sicherlich auch nicht so einfach zu lösen sein, aber man muss das vielleicht auch in einem wesentlich längeren Zeitraum, über viele Generationen hinweg betrachten.


    Ein grosser und auch wichtiger Schritt war sicherlich eine gemeinsame Währung zu schaffen. Auch wenn viele Menschen das anders sehen, so schafft man damit ja auch schon eine Grundlage sich näher zu kommen und Europa auch für den Rest der Welt auf eine breitere gemeinsame Basis zu stellen.


    Der Grundgedanke der EU ist gut und erstrebenswert. Europa ist dadurch im Laufe der Jahrzehnte ein gutes Stück zusammengerückt und so schlecht kann das nicht sein. Bis allerdings der Baum Europa reife Früchte tragen wird, muss noch viel getan werden und ich bin mir fast sicher, dass selbst die Kinder unserer Kinder den noch nicht richtig ernten können. Aber ein Anfang wurde gemacht.


    Gruss,


    Doc

  • Hallo Doc,
    das sehe ich doch ein wenig anders. Eine Währung ist ein Instrumentarium, das nur von einer Regierung gespielt werden kann, ohne daß eine Katastrophe aufzieht. Die ersten Probleme haben wir ja auch schon mit Frankreich und Deutschland.
    Solange die Bürger der beteiligten Staaten nicht jenen Reifestand erreicht haben, daß sie ihre eigene Regierung gegen eine gesamteuropäische eintauschen wollen , solange ist die Sache ein totgeborenes Kind.
    Grundlage für ein gesundes Europa sind gemeinsame gleiche Gesetze, die alle Unterschiede ausbügeln, und ein gemeinsamer gleicher Lebensstandart. Solange das nicht aufgebaut ist, werden einige Mitglieder ungerecht zu Zahlungen herangezogen, während andere sich ebenso ungerecht bedienen.
    Erst müssen die Voraussetzungen stimmen, dann kann es ein gemeinsames Europa geben. Heute ist das aber nur eine Illusion. Wie sagte Helmut Schmidt einmal: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Hallo Demosthenes,


    sehe mir bitte meinen "jugendlichen" Idealismus nach, den ich mir bis heute bewahren konnte. ;) Wie meist, steckt in Deinen Worten viel Überlegung und viel Wahres, doch jeder Anfang ist nun mal schwer. Vor 100 Jahren war an eine EU oder gar gemeinsame Gesetze, Normen, Regelungen, Grenzöffnungen etc. doch noch gar nicht zu denken. Da sind wir doch heutzutage ein gutes Stück weiter, und das wahrscheinlich auch wegen einigen Visionen, die Helmut Schmidt so sarkastisch bedacht hat.
    Wie ich schon geschrieben habe, werden wir alle miteinander hier nicht mehr erleben, dass nationale Grenzen in Europa auch faktisch keine Bedeutung mehr haben, aber der Weg dorthin ist eingeschlagen und das ist doch auch schon mal was...selbst wenn es noch ein paar hundert Jahre dauern sollte.


    Gruss,


    Doc

  • Hallo, Demosthenes!


    Zitat

    Original von Demosthenes
    Wie sagte Helmut Schmidt einmal: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.


    Ja, das sagten die auf den Bäumen hausenden Urmenschen auch zu den jungen Spinnern, die sich auf dem Boden ein paar Hütten um ein Feuer bauten. ;o)


    Und mein Vater zu meinem damaligen Freund und jetzigen Gatten, als der 1985 angesichts von Gorbatschows Glasnost und Perestroika meinte, dass es mit dem Kalten Krieg und dem Eisernen Vorhang wohl auch nicht mehr Jahrzehnte dauern könne.


    Ohne die Visionäre säßen wir in der Tat noch auf den Bäumen.


    Herzliche Grüße


    Iris

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Grundlage für ein gesundes Europa sind gemeinsame gleiche Gesetze, die alle Unterschiede ausbügeln...


    Kannst du das mal etwas präzisieren? Ich bin der Meinung, dass man aus den vielen unterschiedlichen Staaten keinen Euro-Einheitsbrei kochen kann und es ist aus meiner Sicht auch nicht notwendig, alles durch gleiche Gesetze zu regeln. Da stellt sich doch die Frage, ob man einen einzigen Staat "Europa" haben will, oder ein Staatenbündnis mit einigen Gemeinsamkeiten. Dazwischen liegt doch ein unendlich weites Feld. Je mehr Staaten man ins Boot holt, umso undurchführbarer scheint mir das zu sein. Wie will man das denn hinkriegen, einen ähnlichen Lebensstandard zu schaffen, ohne dass Ausgleichszahlungen laufen? Geht doch gar nicht.


    Ich kriege in meinem Umfeld eine Menge Unzufriedenheit mit, die sicher teilweise auch aus mangelnder Information resultiert. In erster Linie wird das EU-Parlament als ein unnützer Verein wahrgenommen, der seine Zeit hauptsächlich mit dem Erlaß unzähliger Gesetzen und Verordnungen totschlägt, die so wichtige Dinge wie die Größenklassen von Tomaten festlegt und sich so ganz nebenbei dafür noch zusätzliche Diäten ergaunert, während innerstaatlich die Belastungen immer mehr steigen.


    Ganz sicher hast du aber recht mit den immensen Schwierigkeiten, die eine gemeinsame Währung nach sich ziehen. Da müssen einheitliche Wirtschafts- und angepasste Steuergesetze her.

  • Laß mich dir mit einem kleinen Beispiel antworten, Idgie. Wenn du das Rheintal kennst zwischen Mainz und Koblenz, dann sind dir im Frühjahr auch herrlichen blühenden Obstfelder dort ein Begriff. Durch das extreme Lohngefälle zwischen unserem durch soziale Netze geplagten Land und den südlichen Mitgliedstaaten kam es dazu, daß dieser ganze Landstrich nach und nach verödet, weil die Bauern aufgeben müssen. Die Ernte des hochwertigen Obstes lohnt sich nicht mehr und der Unterhalt der Flächen verschlingt mehr, als sie einnehmen. So wird eine großartige Kulturlandschaft zum Opfer der Europäisierung. Ähnliche Anzeichen findest du heute auch in der Westpfalz. Da ist es noch nicht so schlimm, weil dort nach und nach der extensive Anbau um sich greift, aber natürlich damit auch die Anbauvielfalt zerstört. Die Liste läßt sich beliebig fortsetzen.
    Gerade für unser weit entwickeltes Land bedeutet Europa einen großen Verlust auf vielen Gebieten. Das muß man auch mal sehen. Mit Visionen allein kann das nicht kompensiert werden. Gefragt ist hier eine solide Arbeit, die sich schrittweise und überlegt an die Realisierung herantastet.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Hi Demosthenes,
    Um dein Beispiel vom Obstanbau aufzunehmen:
    Da bliebe ja nur ein europäisch verordnetes Lohnniveau, so dass kein Preisgefälle stattfinden kann um so regulierend einzugreifen. Meinst du das, mit gleichen Gesetzen? Was ist mit den Subventionen für die Landwirtschaft die oft den Anschein erwecken, in bodenlosen Löchern zu versinken, statt zu helfen?
    Wenn es die EU aber nicht gäbe, dann wäre so etwas nur durch erhöhte Zölle für Importwaren möglich, die so für einheitliche Werte hierzulande sorgen würden. Ähnlich müsste man mit Firmen verfahren, die ihre Produktion ins Ausland verlegen um so die Herstellungskosten zu minimieren und gleichzeitig hier die Arbeitslosenzahlen nach oben treiben. Eine Art Ausgleichsabgabe. Also so rein theoretisch und ganz vereinfacht betrachtet, gibt es mit und ohne EU ein paar Regulierungsmöglichkeiten. Meine wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse sind da eher rudimentär und sicher nicht ausreichend um diese Wechselwirkungen staatlicher Eingriffe genauer beurteilen zu können. Du darfst mir da also gern noch ein wenig auf die Sprünge helfen. ;)

  • Ich stehe der EU sehr zwiegespalten gegenüber. Die Idee des "geeinten und gemeinsamen" Europa klingt schon verlockend, auch der gegenseitige Beistand, die Währungsunion: alles schöne Gedanken.


    Allerdings ist die Realität doch nicht so rosig, wie es uns die gut versorgten EU-Mandatare weismachen wollen. Und solange es in der EU solche gibt, die diktieren und solche, die nur alles hinnehmen und schweigend finanzieren dürfen, ist noch ein weiter Weg zu gehen.


    Ich habe gestern ein Interview mit einer Politikerin aus Lettland gehört. Auch dort ist man skeptisch. Einerseits hat man natürlich große Erwartungen an die Völkergemeinschaft (inklusive Wirtschaftsaufschwung), andererseits fürchtet man, die schwer errungene Unabhängigkeit wieder aufgeben zu müssen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Hallo Alice,


    noch ein interessanter Aspekt:


    Viele Staaten der neuen Eu bzw. kleinere Staaten haben Angst, von den großen Industriestaaten als minderwertig betrachtet zu werden, weil das Wort "Ost" schon alleine anscheinend einen negativen Unterton hat.


    So zählen viele die Allianz Deutschland-Frankreich auf, wobei die kleinen Staaten bei Entscheidungen unter die Räder kommen.


    Gerade da erwarte ich mir in der Zukunft Konfliktspotenzial.


    Allgemein bin ich jedoch sehr positiv zur EU eingestellt.


    mfg

  • Zitat

    Original von Historikus


    Allgemein bin ich jedoch sehr positiv zur EU eingestellt.


    Das bin ich auch. Ich möchte nicht wieder zur EU-losen Zeit zurück.


    Aber man muss auch die zum Teil sehr berechtigten Sorgen der "Kleinen" verstehen. Und die Osterweiterung weckt auch Ängste. Dass das schon mit der Wortwahl "Ost-" zu tun hat, scheint mir sehr plausibel. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Zitat

    Original von Idgie
    Um dein Beispiel vom Obstanbau aufzunehmen:
    Da bliebe ja nur ein europäisch verordnetes Lohnniveau, so dass kein Preisgefälle stattfinden kann um so regulierend einzugreifen. Meinst du das, mit gleichen Gesetzen?


    Nein, ich meine die gesamte Struktur. Wir haben Sozialgesetze, die es nur bei uns gibt, wir haben Gewerkschaften, die nur bei uns die Tarife aushandeln, wir haben Umweltgesetze, die nur bei uns die Wirtschaft belasten und und und. Hier sollten die Bedingungen für alle gleich sein. Dann gibt es auch keine Billiglohnländer mehr in Europa.
    Ebenso ist es mit den Finanzgesetzen, den Bauvorschriften, dem Strafrecht und dergleichen mehr. Du siehst, ohne eine einheitliche Staatsstruktur "Europa" unter einer einzigen Regierung und auf einer gemeinsamen Verfassung beruhenden einheitlichen Gesetzgebung stehen uns katastrophale Verhältnisse ins Haus. Wir werden das bald feststellen dürfen.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Und wie lange sollen wir darauf warten, wenn man sich nicht mal in Deutschland darüber einig ist?


    Micha !!!

    Auf dem Dachboden lebten wir vier, Christopher, Carrie, Cory und ich.
    Nur drei gehen wieder fort von hier.


    V.C. Andrews

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    ...wir haben Gewerkschaften, die nur bei uns die Tarife aushandeln...


    ...Gewerkschaften, die mittlerweile reine Karnevalsgesellschaften geworden sind. Da werden realtitätsfremde Tarife und Bedingungen ausgehandelt, die gerade mal in einem Bruchteil der deutschen Firmenlandschaft so auch noch umgesetzt werden (können). Die Gewerkschaften haben sich Lichtjahre von den Betrieben vor Ort entfernt, tun aber immer noch so, als ob sie wüssten, was Sache ist!


    Sorry für den themenabweichenden Zwischenruf, aber das ist ein Reizthema für mich. ;)


    Gruss,


    Doc

  • Hallo Doc,
    so themenabweichend ist dein Zwischenruf auch nicht. Dazu wäre wirklich eine Menge zu sagen und es hat auch mit der EU zu tun.
    Aber es ist auch eine Bestätigung, daß durch ungleichen Bedingungen dieses Gebilde EU hinten und vorne nicht richtig funktioniert. Und wenn ich dann daran denke, mit welchem Unsinn sich die Abgeordneten des EU-Parlamentes beschäftigen, welche weltfremden Entscheidungen dort gefällt werden, dann frage ich mich täglich, was das überhaupt soll.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Und wenn ich dann daran denke, mit welchem Unsinn sich die Abgeordneten des EU-Parlamentes beschäftigen, welche weltfremden Entscheidungen dort gefällt werden, dann frage ich mich täglich, was das überhaupt soll.


    Das beruhigt mich doch ungemein, dass ich mit meiner zeitweiligen Verwirrung zu diesem Thema nicht allein dastehe.

  • Es ist ja schon lustig. Überall finden schon die Werbeveranstaltungen für die EU-Wahl am 13.6. statt. Aber mal ehrlich, weshalb soll ich an einer Wahl für ein Gremium teilnehmen, das installiert wurde, ohne daß ich dazu gefragt wurde. :bonk
    Unter dem Strich heißt das doch, wir machen hier ein teures Parlament - egal ob du das willst oder nicht - aber dafür hast du gefälligst die von uns vorgesehenen Typen auch zu wählen. Hirnrissiger geht es wirklich nicht mehr. Ich jedenfalls werde denen etwas husten. :gruebel

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Es ist ja schon lustig. Überall finden schon die Werbeveranstaltungen für die EU-Wahl am 13.6. statt. Aber mal ehrlich, weshalb soll ich an einer Wahl für ein Gremium teilnehmen, das installiert wurde, ohne daß ich dazu gefragt wurde.


    Das heißt, du nimmst an keiner Wahl teil? Oder wurdest du bei der Einrichtung unseres (deutschen) Parlaments gefragt?

    ToniO



    Betrachte nicht den Krug, sondern dessen Inhalt.
    Rabbi Me'ir


    Coincidence is God's way of remaining anonymous.
    Albert Einstein

  • Falsch, da nehme ich nicht teil, weil ich keine (Aus)Wahl habe. Um mich nur zwischen Dreck und Mist zu entscheiden, dafür ist mir meine Zeit zu schade. Hinzu kommt, daß du die Spitzennieten ohnehin nicht abwählen kannst, weil die übere sichere Listenplätze stets ihr Schäfchen im Trockenen haben. Das ganze ist also nur eine Farce. Übrigens, unser Oberbürgermeister tritt als CDU-Kandidat für den Stadtrat an, obwohl er das Mandat gar nicht annehmen kann und darf. So kann man auch die Wähler behumsen.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.