Karnevalsvorbereitungen

  • Ich dachte ich verfasse mal was passend zur närrischen Zeit.....


    Kostümkäufe...


    Skeptisch betrachte ich die Regale vor mir, neben mir meine Freundin Paula. Unser Kumpel Holgi steckt irgendwo am Eingang bei den Wühlkisten fest und kann sich nicht losreißen. Paula streckt die Arme aus und probiert einen der buntglitzernden Haarreifen auf. Sie sieht mich an und wackelt mit dem Kopf, so dass die an dem Haarreifen befestigten Spiralen samt Glitzerkugeln beginnen zu wippen. Ich gröhle los: „Die musst du unbedingt kaufen, die sind gut!“ Sie wackelt noch ein wenig mit dem Kopf und nimmt sie dann ab. „Nä, ich brauch Kuhhörner oder aber neue Teufelshörnchen, irgendwie so was.“
    Ich nicke und versenke meine Arme in dem Regal vor uns und den dort liegenden Haarreifen. Nach kurzem Wühlen ziehe ich zwei schwarze Reifen mit roten, pailettenbesetzten Teufelshörnchen und schwarzen Federn daran hervor. Paula sieht mich an, schnappt sich eins und betrachtet sich im Spiegel.
    „Hm…das ist doch schon mal was“, sagt sie und drückt mir den anderen Reifen auf den Scheitel.


    Ich sehe betreten zu Boden. „Aber dann gehen wir im Partnerlook? Ähm…also nicht das mich das stören würde…Aber vielleicht…ähm….du erinnerst dich noch, als wir als Schweinchen gegangen sind?“
    „Schnickschnack, das war ein einmaliges Malheur. Mittlerweile hat sich mein Charakter gefestigt“ Damals waren wir in rosa Plüsch gewandet und mit Schweinenasen auf einer Karnevalsfeier aufgetaucht. Irgendein Witzbold gröhlte dann volltrunken über die Lautsprecheranlage, was denn die Fette mit der Geilen Sau zu schaffen hätte. Paula war daraufhin für den Rest des Abends im Klo verschwunden und ich stand außerhalb der Kloräume und versuchte sie davon zu überzeugen, daß der Kerl bestimmt nicht uns gemeint hätte. Sämtliche Versuche sie heraus zu locken und die anderen Damen, welche dringendst zum Klo müssten, zu beruhigen schlugen leider fehl. Ich seufze und stelle mich auf ein eher unspaßiges Karnevalsfest ein, als wir wieder auf Holgi stoßen. Der steht unschlüssig mit einem abgerissenen blutigen Plastikbein und einer handvoll glibberiger Augäpfel vor einer Auswahl an Totenköpfen.
    „Guck mal was wir haben,“ kräht Paula.
    Holgi blickt uns fragend an und übersieht die Hörnchen natürlich. Dann hält er uns die Augäpfel hin.
    „Soll ich mir die an einer Kette um den Hals hängen oder lieber das Bein mit mir herumtragen.“
    Paula ist für das Bein, aber meine Kettenargumente (Man hat die Hände frei für Bier) sind stichhaltiger, also stopft er die Augäpfel samt Schnur in unseren Einkaufskorb, in dem auch schon die Hörnchen von Paula und mir liegen.


    „Ich will aber auch nen Schwanz,“ flüster ich Paula zu. Offenbar trotzdem zu laut, denn der Kerl neben uns, der sich soeben eine Hannibal-Lector Maske übergezogen hat, sieht mich irrtiert an. Ich grinse und flitze hinter Holgi her in den nächsten Gang. In diesem Gang herrscht das reinste Schwanzparadies. Lange Schwänze, kurze Schwänze, Puschelschwänze, biegsame und starre Schwänze, Kuhschwänze, Hasenschwänze und da in der letzten Reihe erblicke ich sie: rote, pailettenbesetzte, spitze Teufelsschwänzchen, mit einem Draht innen drin, damit man sie hoch und runter biegen kann. Schwanzschwenkend geselle ich mich zu Holgi, der schon wieder unschlüssig vor den Regalen steht und diesmal eine Rastaperücke und einen blonden VokuHila in den Händen hält.
    „Welsche findescht du bescher?“ Er dreht sich zu mir um und ich mache erstmal einen Satz rückwärts.
    „Was zum Geier hast du da im Maul?“
    Er grinst.
    „Dasch schin falsche Zähne!“
    Ach, was er nicht sagt, mir wär gar nicht aufgefallen, dass er seit neustem eine Zahnspange von gigantischen Ausmaßen und Brötchenreste von vor 3 Jahren an den Zähnen hat. Ich schüttel mich.
    „Mach das weg, das ist widerlich.“
    „Nein, dasch isch mein Koschtüm“ Er grinst wieder und mir wird langsam schlecht.
    „So geh ich mit dir nirgendwohin.“
    „Mir eschal, isch hab die Karten. Ohne misch komscht du nirschendwo rein.“ Er grinst wieder.
    Ich grinse zurück.
    „Mit den Dingern im Mund kann man aber kein Kölsch trinken.“
    Ich kann sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitet. Dann sieht er sich verstohlen um und schiebt das Gebiss wieder ins Regal.


    „Na gut, dann nicht. Und welche Perücke nehm ich nun?“
    Er probiert den Vokuhila an, als Paula um die Ecke schielt.
    „Cool, du siehst aus wie Dieter Bohlen.“
    Sofort reißt sich Holgi das Perückending vom Kopf und blickt sich panisch um. Seine letzte Freundin hieß Estefania (nein, nicht die echte, aber ein ähnliches Exemplar) und sie hat ihn nicht nur den letzten Nerv, sondern auch das letzte Hemd gekostet. Beruhigend klopfe ich ihm auf die Schulter.
    „Alles gut! Niemand da!“
    „Mach das nie wieder!“ Faucht er Paula an, die sich beleidigt in den hinteren Regalbereich zurück zieht und Netzstrümpfe begutachtet.
    Ich schleiche mich neben sie und schaue unbeteiligt.
    „Die find ich gut,“ seufzt sie und hält mir eine Packung der Netzstrümpfe mit den größten Löchern hin, die man in solche Strümpfe machen kann.
    „Ja, ganz nett.“ Ich nicke und betrachte eine rote Strumpfhose mit Loch im Schritt und kleinen Teufelchen auf den Arschbacken, während ich mich frage, wer so was nur kauft, springt plötzlich ein Gnom aus dem Regal. „Kann ich ihnen behilflich sein,“ fragt er und verbeugt sich vor mir. Dabei fällt ihm fast sein mit Glöckchen verziertes Hütchen vom Kopf. Er lacht, macht eine Rolle vorwärts und läuft dann auf den Händen um uns herum.
    „Äh ja, ich hätte gern die hier. In XL!“ Paula hält ihm die Netzstrümpfe hin. Der Gnom, legt den Kopf in den Nacken, nachdem er wieder auf den Füßen steht und betrachtet sie von oben bis unten.
    Dann schüttelt er den Kopf.
    „Davon würde ich abraten, es sei denn sie wollen als eingeschnürte Salami gehen.“ Er kichert und flitzt an der fluchenden Paula vorbei aus dem Gang. Ich muß schmunzeln und nehme mir zwei Packungen Netzstrümpfe mit kleinen Löchern, eine für mich und eine für Paula.

    Dann betrete ich den nächsten Gang, wo Paula vor einem Regal steht und nach oben schaut. Der Gnom hopst auf dem obersten Regalbrett und schneidet ihr Grimassen.
    „Ach laß den doch.“ Holgi hat einen Arm um sie gelegt und die Rastaperücke etwas schief auf dem Kopf.
    „So eine Frechheit. So eine bodenlose Frechheit.“ Paula murmelt leise vor sich hin. Der Gnom fällt vor Lachen fast von seinem Regalbrett und Holgi bewaffnet sich mit einem Plastikschwert und zwei Minirevolvern. Ich bin mir nicht ganz schlüssig, ob er damit Paula vor dem Gnom oder den Gnom vor Paula beschützen will. Vorsichtshalber wechsele ich aber in den nächsten Gang, denn ich benötige noch ein wenig an Schminke.
    Rotflammender Lippenstift, rote Glitzercreme, rote Sternchen und rotes Glitzerhaarspray landen in meinem Korb. Aus dem Gang nebenan ertönen Kampfgeräusche. Ich schalte die Ohren auf Durchzug und packe auch noch ein wenig Kunstblut und ein paar künstliche Spinnweben in meinen Korb.


    Da die Ohren immer noch auf Durchzug stehen, bemerke ich erst kurz vorm Zusammenstoß, dass neben mir eine ältere Dame steht und mit mir bereits Konversation betreibt. Naja, Konversation ist gut. Sie führt einen Monolog und ist wohl der Meinung, ich lausche ihr andächtig. Es geht um selbstgenähte Karnevalskostüme und ähnliches. Ich lächele sie nett an und begutachte weiter die Schminksachen. Sie redet weiter unerschütterlich, von kleinen schwer anzunähenden Bärenohren, Rüschenunterhöschen von Tanzmariechen und von den gemeinen Zickzacknähten an Zigeunerkostümen. Ich lächele wieder nett und als sie grad nicht hinguckt klettere ich durch die Regale in den nächsten Gang.
    „Schnell Rückzug!“ Zischt mir Holgi zu und weicht einem von dem Gnom geworfenen Totenschädel aus.
    Während wir durch die Gänge fliehen, stopfe ich schnell noch eine rote Federboa in unseren Korb. Paula, die eine Abkürzung durch die an Stangen hängenden Kostüme genommen hat, erwartet uns an der Kasse und schwingt ein Laserschwert.
    „DIE MACHT IST MIT MIR!“
    „Jaja, schnell laß uns zahlen, bevor der Gnom uns findet.“
    „ICH SPÜRE DIE DUNKLE SEITE IN DIR!“
    Wieder schwingt sie das Laserschwert, dann schaltet sie das Leuchten ab und hält mir einen Umhang hin.
    „Hier den zieh ich an!“ Ich nicke. Etwas leiser fügt sie hinzu: „Nur den, sonst nichts!“
    Ich reiße die Augen auf und sie guckt zufrieden.
    Ich beschließe rasch, dann doch lieber nicht mit ihr im Partnerlook zu gehen und lege ihre Netzstrumpfhose ebenfalls zum Zahlen auf den Tresen. Wer weiß, vielleicht will sie sie zu Hause ja doch noch haben.

  • Seltsamerweise hat der Text einen eher unheimlichen Unterton und nicht den oberflächlich albernen von Fasnacht.
    Komische Stellen hat er trotzdem.


    Er wirkt ein wenig surreal, vielleicht solltest Du die Seite herausarbeiten.


    Manches ist noch zu steif.
    Im zweiten Satz würde ich 'irgendwo' weglassen. das ist aber ein Klaps von mir, ich kann diese 'irgend...'-Kombinationen nicht ausstehen.
    Für den surrealen Touch wäre es andererseits nicht schlecht, weil das wort das Unbestimmte betont. Holgi ist nicht faßbar, grad vorübergehend verlorengegangen.
    Der zweite bis vierte Satz hat jeweils eine 'und' -Verbindung der Handlung, wirkt eintönig. Änderung der 'und' Folge auch im sechsten und in den nächsten Sätzen erwägenswert.


    Im nächsten Abschnitt wird der Text steif durch die Wortwahl.
    'dann' im Witzbold-Satz, gefolgt durch ein 'daraufhin' im Paula-Satz, Worte wie 'Kloräume', die Damen müssen viel kürzer müssen :grin - das ist zu schwerfällig, allein durch das 'welche'. Unspaßig?


    Die Augäpfel sind nicht wirklich glibberig, die sehen bloß so aus.


    Beim Kettenargument-Man hat Hände frei für Bier wäre die Frage, ob man hier nicht mit Man-Mann spielt, weil die Kette ein weibliches Element hereinbringt und das Spiel mit den Assoziationen ebenso wie die Verkleidungsthematik, Verwandlung, andere Realität, Surealität vertiefen könnte.
    man kann natrülich einwenden, daß das zu abgedroschen ist. Bei Kurztexten ist Überfrachtung immer eine Gefahr.
    Schwanzparadies finde ich genial.
    Den ironischen 'Ach'-Satz würde ich weglassen. Erklärung geben erst nach der Forderung 'Mach das weg...', z.B. durch: Ich starre angewidert auf.. gigantiche Ausmaße, Speisereste...


    dadurch könnte man auch das erzählöende Ich etwas zurücknehmen udn die LeserInen mit eigenen Augen sehen lassen.



    Die Sache mit den Gängen (Labyrinth-Motiv) sehr gelungen, kann man noch mehr draus machen. Der Gnom umwerfend.


    Daß Paula nur 'Frechheit' sagt, führe ich darauf zurück, daß heute Sonnntag ist.
    'Schmunzeln' ist hier als Reaktion zu schwach.


    Einen Satz der lautet: ich benötige noch etwas Schminke nehme ich Dir nicht ab.
    Ich meine, lies das mal laut! Spricht das Paulas Erbtante?


    Kunstblut - künstliche Spinnweben: hier wird zu früh verraten, daß es 'fake' ist, laß da mal die vermeintliche andere Wirklichkeit noch walten. Noch sind wir in der schilernden Anders-Welt, man weiß, daß sie künstlich ist, aber im Monet herrscht das Unechte vor.


    Auch die Ironie in Abschnitt mit der alten Dame würde ich zurücknehmen. Es gehört einfach dazu, daß da eine steht, die Merkwürdiges redet udn daß dieses Merkwürdige zugleich in der 'surrealen Welt' real ist. Paßt. Hingehört.


    Den Schluß kann man zuspitzen, er hat noch zu wenig Tempo. Will sagen, man sieht sie rennen, Boas quellen in Einkaufskörbe hinein udn drängen wieder heraus, Lichtschwerter flammen auf, Umhänge wehen.
    Aber es sind noch zuviele Wörter da.


    Ein höchst eigenartiges Stück Text, mit einer aufregenden Grundstimmung.
    So langsam wird wieder geschrieben im Haus BJ


    :wave


    Darth Magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    So langsam wird wieder geschrieben im Haus BJ


    :lache
    Geschrieben wird hier schon die ganze Zeit....ich halte mich nur an den Rat einer gewissen Eule und behalte die ganz schrecklichen Dinge lieber in der Schublade :lache .


    Fein, daß ich mich wieder steigere... deine Änderungsvorschläge lasse ich mir mal durch den Kopf, bzw. die Finger gehen. Ich bin noch nicht sicher, ob ich alles verstanden habe... aber ich gebe mir Mühe. :-]


    Dankeschön.

  • Für deine Schreibe kann ich mich begeistern, praller Sprachstil, lebendig, klingt echt. Was mir fehlt, ist eine erzählenswerte Geschichte. Ich habe mich beim Lesen gefragt: Was will sie die Autorin mir eigentlich sagen. Ein ziemliches Geschwätz, das ganze. Ohne Lachen oder sonstiges bei mir auszulösen. Mir hat es dennoch gefallen, weil man auf deinen Worten segeln kann. Danke. Weiter so!


    Luc

  • @ Luc danke! Viel Spaß beim Segeln... wenn du hier ein wenig suchst, findest du bestimmt auch ein paar Geschichten von mir mit erzählenswerter Storyline.




    Aber um mal eine Behauptung in den Raum zu stellen... nicht jede Geschichte muß bedeutungsschwanger, morallastig und sinnvoll sein, oder?

  • BJ, echt!


    Ich habe mit Mühe die zweite Tasse Kaffee intus und Du kommst schon mit 'bedeutungsschwanger, morallastig und sinnvoll'.
    Schauder.


    Nein, KEINE Geschichte soll bedeutungsschwanger sein. Sie kann aber Bedeutungen beinhalten.


    Morallastig ist christliche Erweckungsliteratur, moralisch dürfenTexte durchaus sein.


    Sinvoll: ja, einen SINN haben müssen alle und jederzeit.


    Allerdings dürfen Autorin und Autor bestimmen, was in ihrer jeweiligen Welt 'Sinn' ist.
    Klingt leicht, ja?
    Ist aber einer der Gründe, warum Schreiben so schwer ist.


    (Noch so eine Frage und ich geh wieder ins Bett!!)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Gut... allerdings wollte ich dich jetzt mit einer weiteren fiesen Frage ins Bett treiben, dummerweise fällt mir grade nichts gemeinnachdenkliches ein. :cry