F.M.Dostojewski - Die Brüder Karamasoff

  • Zum Inhalt:


    Der Inhalt des Buches ist schwer zusammenzufassen, da es sich um ein sehr komplexes Werk handelt. Als roten Faden kann man jedoch die Begebenheiten rund um die „Familie“ Karamasoff benennen. Das Oberhaupt, Fjodor Pawlowitsch Karamasoff, ein selbstsüchtiger „Possenreißer“, wie er sich gerne selbst bezeichnet, mit ausschweifendem Lebensstil, der auch mal gerne vergisst, dass er Söhne hat (und zwar tatsächlich vergisst) und seine drei Söhne, Alexei, Dimitrij und Iwan, die unterschiedlicher nicht sein könnten.


    Alexei, der Feinfühlige, gutgläubige Mönch (wird vom Wesen her verglichen mit Voltaires Candide), Dimitrij, der Soldat, und Iwan, der Intellektuelle, der nicht an Gott glaubt und die Meinung vertritt, „alles sei erlaubt“.


    Durch die Aufzeichnung dieser grundverschiedenen Charaktere, unternimmt Dostojewski tiefgehende Exkurse in die Bereiche Psychologie, Religion, Philosophie und vieles mehr.


    Eines der wichtigsten Kapitel stellt das des „Großinquisitors“ dar. Hier wird das sog. Theodizee-Problem (s. Leibniz) beleuchtet (Wenn Gott der Allmächtige ist, der Allgütige, warum lässt er Böses auf der Welt zu?).


    Neben diesen ausgeprägten Charakterstudien der einzelnen Familienmitglieder fädelt Dostojewski einen Mord ein, der zu einer Verurteilung und dem damit zusammenhängenden Gerichtsverfahren führt. Auch hier finden sich wieder Passagen, die, neben der herkömmlichen Handlung weit tiefgründigere Thematiken aufgreifen.


    Dies grob umrissen der Inhalt des Buches


    Zum Autor:


    Fjodor Michailowitsch Dostojewski, geb. 18 21 in Moskau, gest. 1881 in St. Petersburg Sohn eines Arztes, der später ermordert wurde. Die Mutter starb bereits1837.


    Sein Debut „Arme Leute“ (erschienen 1846) machte ihn über Nacht berühmt. Nachdem er einer revolutionären Gruppe beigetreten war, wurde er später zum Tode durch Erschießung verurteilt, jedoch auf dem Richtplatz noch von Zar Nikolaus I. begnadigt und zur Zwangsarbeit in Sibirien befohlen, später Militärdienst. Während dieser Zeit erste Anzeichen von Epilepsie.


    In den Brüdern Karamasoff spiegeln sich diese Dinge wider (Zwangsarbeit Sibirien Dimitrij, Epilepsieanfälle des Dieners Smerdjakoff).


    Weitere Werke D.s sind z. B. „Schuld und Sühne“(bzw. „Verbrechen und Strafe“), „Der Idiot“ oder „Der Spieler“. Wobei die Brüder Karamasoff als sein letztes Werk auch das Komplexeste darstellt.


    Meine Meinung:


    Ich habe für das Buch (1300 Seiten) knapp 1 Monat gebraucht. Es war so, dass ich maximal 2 Kapitel am Stück lesen konnte, danach Pause machen musste. Das Buch fordert ein hohes Maß an Konzentration. Ich habe mir einige Hintergrundinfos dazu geholt (Theodizee-Problem, „Der Großinquisitor“ etc.), was mir sehr beim Verständnis des Buches geholfen hat, und ich dadurch die philosophisch/religiösen Passagen mit großem Interesse gelesen habe. Den Schreibstil fand ich erst gewöhnungsbedürftig, ließ sich dann aber gut lesen.


    Die häufig erwähnten Schwierigkeiten mit den vielen komplizierten Namen konnte ich jetzt so nicht feststellen. Zur Hilfe gabs auch ein Namensregister am Ende des Buches.


    Fazit: ein Buch, für das man auf jeden Fall viel Zeit und Muße einplanen sollte. In einer Tiefgründigkeit geschrieben, die ich so bisher noch nicht gelesen habe.


    Der Eindruck über das Buch wird noch lange nachhallen, bin irgendwie immernoch etwas überwältigt von soviel Input. Aber meine grauen Zellen wurden auf jeden Fall durchtrainiert :grin. Kann es nur jedem empfehlen, es zu wagen, Literatur auf höchstem Niveau. :anbet

  • ..also jetzt bin ich mit diesem Klassiker auch durch, und so wie mina habe ich knapp einen Monat gebraucht zum Durchkommen..


    Tja, was soll ich über diesen Klassiker sagen: unglaublich vielschichtig - mit vielen eingestreuten Geschichten - man eindrücklichsten ist mir auch die Geschichte "der Großquisitors" erschienen.
    Aber ich habe mich schwer getan - die Personnen haben viele verschiedene russische Namen, die ein Mitkommen zusätzlich erschweren. Der Stil ist sehr weitschweifend und zwischendrin war ich mehrmals versucht, das Buch abzubrechen.
    Die "Grund-Geschichte" selber - "Vatermord" ist interessant - aber mir kommt es vor das einfach zuviel mit hineingepackt wurde.


    Interessant für Leute mit viel Geduld und Beharrlichkeit. :wave

  • Ich bin auch grade bei dieses Buch zu lesen.


    Ich finde es schon erstaunlich, denn ich bin schon auf Seite 500, dass von dem eigentlichen Thema (es soll ja eigentlich ein "Gerichtsroman" sein und es soll ja um den Tod des Vaters gehen) noch nicht wirklich viel angeschnitten wurde.
    Allerdings hat mich das Buch auch in dieser ca. 500 Seiten umfassenden einleitenden Phase auch schon in den Bann gezogen und es liest sich wirklich sehr gut und nicht irgendwie schwierig.
    Dem Vorredner kann ich auf jeden Fall zustimmen, diese eingeflochtenen Geschichten der Personen sind wirklich klasse. Obwohl mir die Geschichte des Großinquisitors zwar nicht so gut gefallen hat, aber die Lebensgeschichte des Starez Sossima fand ich richtig gut.


    Also ich bin schon gespannt, wie es weitergeht und sich die Geschichte weiterentwickelt...
    Jedenfalls ist es auch mal wieder schön einen Klassiker zu lesen.


    Ich lese übrigens diese Ausgabe hier, die gefällt mir ganz gut und wird von vielen wegen ihrer modernen Übersetzung von Swetlana Geier hochgelobt.
    Diese Fischer Ausgabe gefällt mir so gut, dass ich mir wohl die anderen Bücher dieser Neuübersetzung (Böse Geister, Verbrechen und Strafe, Aufzeichnungen aus dem Kellerloch, Der Idiot) auch holen werde.

  • Dieses Buch ist eine Offenbarung! Habe es nahezu verschlungen, mitgelitten, mitphilosophiert, mitgefühlt und konnte an einigen Stellen sogar lachen. Besonders beeindruckt hat mich die Tatsache, dass Dostojewski viele Szenen mit einer Dramatik aufgebaut hat, wie man sie aus Theaterstücken kennt. Nicht wenige Gedanken wurden mit einer Heftigkeit vorgetragen, die fast ins lächerliche abzudriften drohte und gleichzeitig reges Interesse weckte und nie übers Maß hinausschoss.
    Besonders großartig dargestellt waren die einzelnen Charaktere, derer es eine Menge gab und die bewiesen, das Dostojewski - als Autor zumindest- nichts Menschliches fern gewesen ist. Im Gegenteil kein einziger Charakter dieses Romans könnte als flach bezeichnet werden. Vielmehr entführt uns der Autor in die Breiten+Tiefen der menschlichen Psyche. Er spielt mit unser Wahrnehmung, mit den Motiven hinter unseren Handlungen, unserem religiösem und Weltverständnis. Auf dieser Reise durch die fiktive Welt der Gebrüder Karamassow werden wir gezwungen uns selbst Fragen über unseren Glauben, die Kirche, unsere Werte, unsere Gesellschaft, unsere Psyche, unser Wesen, unsere Ansichten in Hinblick auf Gerechtigkeit, Güte und Verbrechen zu stellen.
    Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen der etwas mehr über sich selbst erfahren möchte....

    [*Mögen Licht und Liebe auf alle, die diese Zeilen lesen niederregnen und ihr Leben mit Freude und positiven Gedanken füllen* :knuddel1

  • Dem kann ich mich nur anschließen. Vor allem die Dialoge, und ja sehr oft eher Monologe finde ich ungemein faszinierend, das gehört bei Dostojewski zum Besten was ich bisher gelesen habe, und gelingt ihm scheinbar so mühelos.


    Was für ein Werk! Nur unendlich schade, das er es offenbar nicht mehr vollenden konnte, und so für meinen Geschmack am Ende zuviel offen bleibt. Habe es innerhalb von 5 Tagen gelesen, und werde dies bei zukünftigen Dostojewski-Romanen berücksichtigen müssen, wie bei kaum einem anderen Autor ist es mir hier geradezu unerträglich, das Buch auch nur zum Schlafen aus die Hand legen zu müssen.


    Inwiefern ist übrigens Aljoscha der "Held" der Geschichte, wie es vom Autor ja mehrmals angegeben wird? Habe ich da ein falsches Begriffsverständnis oder ist mir etwas entgangen?

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -

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  • Niemand schafft derart plastische, tiefgründige Charaktere wie Dostojewskij. Am gelungensten vollführt er dieses Kunststück in seinem letzten Werk "Die Brüder Karamasow". Aljoscha, Dimitrij und Iwan sind nicht einfach nur Romanfiguren; sie begleiten den Leser auch lange nach Beendigung der Lektüre noch im Alltag.


    Darüber hinaus kreiert Dostojewskij eine vielschichte, komplexe und über die volle Distanz spannende (Kriminal-)Handlung, die philosophische, theologische (siehe z. B. "Der Großinquisitor), sowie psychologische Diskurse auf aller höchstem Niveau bietet. Der Gerichtsprozess am Ende des Buches ist im übrigen so ziemlich das Großartigste, das ich je lesen durfte.


    Die Neuübersetzung von Swetlana Geier kommt lebendig daher und liest sich flüssig. Alles in allem halte ich "Die Brüder Karamasow" für Dostojewskijs komplettestes und berauschendstes Werk. Einmal in die Hand genommen fällt es enorm schwer, das Buch wieder wegzulegen. Wer auch nur ein kleines bißchen für russische Literatur des 19. Jahrhunderts übrig hat, kommt um diesen epochalen Roman nicht umher.


    Warum ist Aljoscha nun der Held der Geschichte?


    Meiner Einschätzung nach fällt die Identifikation mit selbigem dem Leser am leichtesten, weil Aljoscha der Moral Dostojewskijs entsprechend handelt. Genau wie der Autor identifiziert sich Aljoscha mit christilichen Werten und handelt diesen entsprechend. Das macht ihn für den Autor zum Helden.


    Durch Iwans durch und durch atheistische Weltsicht und insbesondere die Tatsache, dass er letztlich dem Wahnsinn verfällt (besonders beeindruckend hier: der Dialog mit dem Teufel), versucht Dostojewskij einer Identifikation des Lesers entgegenzuwirken; ebenso durch das auf voller Handlungsdistanz hochgradig "unmoralische" Handeln Dimitrijs.

    -Wir alle, die wir träumen und denken, sind Hilfsbuchhalter, wir führen Buch und erleiden Verluste- :write

  • Als ich in meiner Jugendzeit in Vaters Bücherschrank auf "Die Brüder Karamasow" stieß, riet er mir mit der Bemerkung "Lauter Verrückte" ab.
    In gewisser Weise hatte er Recht, denn in dem Roman kommen jede Menge Personen vor, die man nicht als normale Durchschnittsmenschen bezeichnen würde. Aber gerade das macht die Faszination des Buches aus: Es werden viele sehr unterschiedliche Charaktere bis ins Innerste der Seele beschrieben.


    Außerdem konfrontiert der Autor den Leser mit Themen wie
    - Sünde
    - Freiheit selbst zu entscheiden, was gut und böse ist
    - Er lässt einen mittelalterlichen Großinquisitor mit Jesus zusammentreffen.
    - Was passiert, wenn die Menschen nicht mehr an Gott glauben?
    - Gedanken des Teufels
    Wenn man Lust hat, sich auf diese ausführliche Gedankengänge einzulassen, bedeutet dieses Buch eine große Bereicherung.


    Auch der Schluss hat mich zutiefst berührt. Ein Junge, der wegen seines zwar sehr liebevollen, aber schwachen und gedemütigten Vaters viele Hänseleien seiner Mitschüler tapfer abwehrte, erkrankte an Tuberkulose. Während des Krankheits- und Sterbeprozesses lernen sie ihn besser kennen, bewundern und lieben. Aljoscha, der jüngste der Karamasow-Brüder, schwört nach der Beerdigung die Schüler darauf ein, sich immer an ihren toten Freund und ihre Liebe zu ihm zu erinnern, egal was für Menschen aus ihnen werden würde, ob gute oder schlechte. Denn "eine schöne, heilige Erinnerung, die man aus der Kindheit bewahrt hat, ist vielleicht die allerbeste Erziehung. Wer viele solche Erinnerungen mit ins Leben nimmt, ist fürs ganze Leben gerettet."