Hallo Doc, hallo Büchereulen!
Vergiss nicht, dass der Film aber zum Schluss kam, die Waffengesetze wären nicht die Ursache für die Gewalt in Amerika. Mich hat der Vergleich mit Canada völlig fasziniert, wo es genauso viele Waffen gibt, aber nur einen Bruchteil der Kriminalität.
Das Fazit des Films war, dass die US-Amerikaner in ständiger Angst leben. Angst vor Schwarzen, Angst vor Kommunisten, Angst vor Kriminellen, Angst vor Krokodilen im Abwassersystem und jetzt noch verstärkt in Angst vor Terroristen aus bösen islamischen Ländern. Diese Angst wird von Politik und Medien geschürt. Und Angst führt zu Gewalt.
Aber (und ich glaube, jetzt setzt meine Interpretation ein, ich weiß nicht mehr ob Bowling for Columbine auch zu diesem Schluss kam), mit der Bildung hast du natürlich Recht! Es ist bekannt, dass z.B. Ausländerfeindlichkeit eher bei weniger gebildeten Menschen auftritt.
Politik und Wirtschaft, die ja in den USA noch viel mehr Hand in Hand gehen als bei uns (und das stellt Moore ja auch in seinen Büchern heraus, richtigerweise), fahren mit ihrem ungebildeten patriotischen Volk sehr gut. Wenn mal Unzufriedenheit aufkommt, lenkt man schnell mit etwas anderem ab, mit einem Krieg gegen den Iran, Afghanistan oder wenn einem sonst nichts mehr einfällt, gegen den Irak. Und schon steht das Volk geschlossen hinter der Regierung mit Ausnahme einiger weniger, die tot-gebuht werden, siehe die Dixie Chicks. Und da müssen dann auch die Gebildeteren Angst haben. Denn eines ist klar: In den USA kann es einem das öffentliche Genick brechen, wenn man zu offen kritisch ist.
Leider sieht es mit der Bildung hierzulande nicht soo viel besser aus. Ich unterrichte junge Leute (18 bis 22), die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben und jetzt einen kaufmännischen Lehrgang absolvieren. Zum Glück bin ich nur einmal in der Woche da und unterrichte Englisch. Das sind keine Hauptschulabgänger, alle haben die mittlere Reife, viele auch die Höhere Handelsschule, einige Fachoberschulreife. Es ist unglaublich, wie ungebildet diese Leute fast alle sind, bzw. wie wenig sie ihr Gehirn benutzen.
Mein Lieblingsbeispiel: Sie sollten Sätze bilden wie Brigitte Bardot is French. Dazu sollten sie sich aus verschiedenen Ländern jeweils eine prominente Person überlegen. Statt USA hatte ich Nordamerika vorgegeben, weil ich vermutete, dass sie zwischen kanadischen und us-amerikanischen Promis nicht würden unterscheiden können. Ich bin drei- oder viermal angesprochen worden "ich kenne niemanden in Nordamerika, wen soll ich denn da nehmen?" und auf meine entsetzte Frage "Sie kennen niemanden aus der USA oder vielleicht Kanada?" bekam ich dann von allen zu hören "ach so, USA ist in Nordamerika". Ich war baff, vor allem, weil das so viele fragten. Aber auch die Erlebniswelten sind so eingeschränkt. Ich wurde neulich von vielen Kursteilnehmern gefragt, was denn ein Farn sei.
Und auch wenn kurzfristig, z. B. nach der PISA-Studie oder der Schießerei in Erfurth, viel öffentlich überlegt wird, was man denn tun könnte, so wird das Geld, das dann vielleicht kurzfristig bewilligt wurde, ganz schnell wieder abgezogen, wenn das Thema nicht mehr in der Presse breitgetreten wird.
In Brühl soll jetzt wahrscheinlich eine der (oder sogar die einzige?) Einrichtungen für Hochbegabte im Rhein-Sieg-Kreis geschlossen werden, aus Geldmangel. Jeder, der sich ein bißchen mit dem Thema beschäftigt hat, weiß, dass Hochbegabte, wenn sie nicht genügend gefördert werden, massive Probleme haben. Im besten Fall langweilen sie sich in der Schule einfach zu Tode und schaffen es vielleicht aus eigener Kraft, sich in einigen Themen weiterzubilden. Viele werden verhaltensauffällig, landen in Sonderschulen, werden falsch gegen Hyperaktivität behandelt etc. Was für ein Blödsinn ist esdenn, wenn unsere Politiker einerseits Geld für eine Elite-Universität herausrücken wollen, andererseits aber die Leute, die diese Universität bevölkern könnten, im Kindesalter so hemmen, dass sie wahrscheinlich eher als Sozialfälle enden, denn als hervorragende Wissenschaftler?
Das gilt natürlich nicht nur für Hochbegabte. Viele unserer Kindergärten sind eher Kinderaufbewahrungsstätten als Orte, in denen Kinder, die ja in dem Alter wirklich alle noch begeisterte kleine Lernmaschinen sind, angemessen zu fördern.
Ich habe selbst keine Kinder, aber ich finde, die Sorge um Kinder müsste die absolute Priorität unter allen politischen Themen haben. Es geht ja nicht nur darum, ob wir später wirtschaftlich mithalten können, es geht auch um Kriminalität, soziales Miteinander - alles, was jetzt und später wichtig ist.
Wenn ich dann sehe, wie zig Millionen in so ein Projekt wie arbeitsagentur.de gesteckt werden (und dort versickern, weil man es einfach nicht gebacken kriegt), wie das Finanzamt zig Millionen in eine Software steckt, die dann nach ein-einhalb Jahren Arbeit aber doch nicht gefällt und auf Eis gelegt wird, wie unsere Europa-Abgeordneten neben ihren Diäten monatlich mühelos nochmal 20.000 Euro an Tagegeld- und Reisepauschalen abstauben können, dann frage ich mich wirklich, wie es sein kann, dass kein Geld für die Verbesserung des Schulsystems oder die Förderung von Hochbegabten da ist.
Schon jetzt gibt es kaum noch einen Gymnasium-Abgänger, der die Rechtschreibung halbwegs fehlerfrei beherrscht. Unsere Realschüler kennen keine Farne und wissen nicht, dass sich die USA in Nordamerika befindet. Ich glaube nicht, dass unser Bildungssystem so viel besser ist als das der USA. Und falls das jetzt noch der Fall ist, sehe ich schwarz für die nächsten zehn, zwanzig Jahre.
Viele pessimistische Grüße
Jaleh