Hallo,
in dem Thread über Verfilmungen die besser als ihre Literaturquelle sind ist es mir mittlerweile ein bißchen zu wirr. Ich finde, dass wir da auch fehl am Platze sind. Deshalb habe ich beschlossen, einfach mal einen neuen Thread zum Thema Sprache aufzumachen und fange gleich mit dem Beitrag von anne_jette an, die es mir hoffentlich nicht übel nimmt, dass ich sie mitgenommen habe.
ZitatOriginal von anne_jette
Hmm kurz dazu das deutsch keine schöne Sprache ist, ich kenne mich damit nicht so gut aus wie manch andere hier im forum, doch meiner Meinung nach kann man sich im deutschen wunderbar ausrücken, wir haben im Englisch Unterricht mal das Gedicht " Der Panter von Rainer Maria Rilke durchgenommen, im englischen endet es einfach mit " and dies " im deutschen aber " und hört im Herzen auf zu sein " ich finde das ist 1000mal besser ausgedrückt....
Ob einem die deutsche Sprache gefällt oder nicht ist natürlich reine Geschmackssache. Ich finde, sie klingt nicht schön, aber ich finde auch, dass Italienisch nicht schön klingt und stehe damit relativ allein da.
Dein Beispiel sagt nichts über die Sprachen an sich aus, sondern eher über Übersetzungen. Es ist schon völlig unmöglich, einen ganz normalen Text, z. B. aus einem Roman wirklich genau zu übersetzen und zwar auch bei Sprachen, die so nahe verwandt sind wie das Deutsche und das Englische. Bei Gedichten, die einen Rhythmus und Reime haben, ist es natürlich noch viel, viel schwieriger! Man könnte "und hört im Herzen auf zu sein" auch mit "and his heart fades away" übersetzen, was dem Original viel näher käme (und auch schön klingt, oder?), aber dann reimt es sich nicht oder folgt nicht der Melodie. Deswegen sind übersetzte Gedichte meiner Meinung nach ebenso das Werk des Übersetzers wie des Autoren. Nicht umsonst haben viele Dichter als Übersetzer anderer Dichter gearbeitet. Fontane z.B. hat etliche englische Gedichte übersetzt.
Ich will auch überhaupt nicht bestreiten, dass man sich auf Deutsch genau oder schön ausdrücken könnte. Ich würde schon eher behaupten, dass man sich auf Englisch ganz besonders genau ausdrücken kann, weil das Englische oft für ein deutsches Wort viele englische Wörter hat, deren Bedeutung sich nur in Nuancen unterscheidet. Soweit mein Halbwissen reicht, liegt das daran, dass auf den britischen Inseln besonderns viele Völker gelebt haben, die alle sprachliche Spuren hinterlassen haben. Auch ist Englisch den romanischen Sprachen näher als Deutsch (was man an der Struktur der Grammatik oft gut erkennen kann, aber natürlich auch an den vielen Vokabeln, die erkennbar noch lateinischen Ursprungs sind) - das hat mir gute Dienste beim Spanisch-Lernen geleistet.
Ganz feste glaube ich daran (auch wenn jetzt Iris vielleicht wieder behauptet, ich hätte das von Creative-Writing-Dozenten oder sonstwem aufgeschnappt), dass es in jeder Sprache, in jedem Volk, in jeder Literatur bestimmte Traditionen gibt, die mehr oder weniger ausgeprägt sind. Ich liebe Wortspiele und den Mut mit Wörtern kreativ umzugehen. Deutsche Autoren arbeiten sehr wenig damit. Amerikanische schon viel mehr. Englischsprachige Inder aber, die ja fast alle zwei- oder dreisprachig aufgewachsen sind, haben sehr oft einen starken Hang dazu. Das beste Beispiel ist The God of Small Things von Arundhati Roy. (Wenn ich dieses Buch hätte übersetzen müssen, wäre ich weinend zusammengebrochen!)
He drove the thought away angrily. It returned and sat outside his skull. Like a dog.
She could have let her fingers stray to the base of his flat stomach. Carelessly, over those burnished chocolate ridges. And left patterned trails of bumpy gooseflesh on his body, like flat chalk on a blackboard, like a swathe of breeze in a paddyfield, like jet streaks in a blue church-sky.
Estha, der eine Frisur mit Elvis-Tolle trägt (a puff) und seine Mutter und Schwester gehen ins Kino und schauen zum x-ten Mal "The Sound of Music". In einer Szene, in der Nonnen den Julie-Andrews-Charakter schelten (in einem Lied) passiert folgendes:
There was a voice from outside the picture. [...] It was Estha who was singing. A nun with a puff. An Elvis Pelvis Nun. He couldn't help it.
Rahel saw that her eyes were a redly dead.
Now they were. Old enough. Old. A viable die-able.age.
So etwas kenne ich nicht aus der deutschen Sprache. Ich staune auch, dass Iris schreibt, Wortschöpfungen seien bei uns so sehr akzeptiert. Hast Du Beispiele?
Ach, es gäbe noch viel dazu zu sagen... Vielleicht sagt's ja jemand!