Poesie und Leben

  • Du beobachtest sie, wie sie so wunderschön aussieht. Sie ist eine Sammlung an Gemälden; mal höchst geheimnisvoll wie Tizians Venus von Urbino oder Giorgiones Tempestà, geprägt von etwas, das ruhig und mächtig in ihr ruht und nach außen strahlt, in der nächsten Sekunde schon verharrt sie vor deinem inneren Auge in höchster Spannung, wie ein Bild des Barock, eine gefrorene Explosion Caspar David Friedrichs. Du lächelst das Lächeln eines tauenden Herzens, das sich warm und weich in den gesamten Körper ergießt.
    «Schönheit,» denkst du. In der Küche verrührst du in zwei Gläsern etwas Campari mit Prosecco und reichst ihr eines, als du in das Zimmer zurückkehrst.


    Während deiner Abwesenheit ist sie an den Computer gegangen und hat Sisters of mercy von Leonard Cohen in iTunes ausgewählt.
    Sie steht in der Mitte des Raumes, schließt die Augen. Das Köpfchen leicht in den Nacken gelehnt, ihren Drink in der Hand wiegt sie ihren Körper ruhig zur Musik, die geile Sau. Es ist ihr Becken, in dem die Bewegungen geboren werden, nicht ihre Gedanken.
    Wo sind ihre Gedanken?
    Du weißt es nicht.
    Du stellst dich an das Fenster. Eine tanzende Prinzessin in deinem Rücken, eine Königin, eine Göttin des Augenblickes, schaust du hinaus. Schneeflocken fallen. In den Wolken, die auch nachts den Himmel bedecken, lagern sich feinste Tropfen untergekühlten Wassers an so genannten Kristallisationskeimen wie zum Beispiel Staubteilchen an und gefrieren. Die so entstehenden Eiskristalle, weniger als 0,1mm groß, fallen durch ihr steigendes Gewicht langsam nach unten, bedecken den Boden, tanzen sinnentleert für dich im Licht der Straßenbeleuchtung, überziehen die kahlen Bäume und Sträucher mit einem weißen, romantischen Gewand. Im Laufe des nächsten Tages werden sie unter der Sonne schmelzen, sich wieder in ihre Bestandteile auflösen: Wasser und Dreck.


    Du spürst, wie sich zwei Arme um dich legen. Der Song hat inzwischen zu Who by fire gewechselt und du spürst ihr Haar an deinem Hals, warmen Atem am Ohr. Du senkst deinen Kopf und betrachtest ihre Hände. Warme, weiche Hände, die halten. Warme, weiche Hände die beten. Trösten. Die sich auf deine Brust legen, genau dort wo darunter dein Herz liegt, und sagen «Ich bin da.»
    «Du bist nicht allein.»
    «Bleibe noch einen Augenblick. Ich werde dich vermissen, wenn du weiterziehst.»


    «Kennst du dieses Gefühl,» flüstert sie. «Kennst du das Gefühl extrem geschärfter Sinne? Das Gefühl einer Vorahnung? Ein Gefühl, als ob diese extreme Schärfe deiner sinnlichen Wahrnehmungen kurz davor steht, eine Umwälzung der philosophischen Wahrnehmung der Welt auszulösen?»
    «Anders gesagt,» antwortest du ihr lächelnd. «Anders gesagt befindest du dich inmitten der Poesie.»
    «Es gibt das Leben,» antwortet sie dir ebenfalls lächelnd. Sie hat sich jetzt an dir vorbei geschoben, versperrt dir die Sicht auf all die winterliche Scheiße vor deinem Fenster. Sie schaut dir in die Augen. «Es gibt die Poesie, Chris.» Du spürst ihren Blick über deine Synopsen gleiten, suchend. Wonach? «Dazwischen gibt es Ähnlichkeiten, sonst nichts.»
    «Bist du verliebt in mich?» fragt sie und von einer Sekunde zur anderen ist der Schlafzimmerblick, den sie sonst stets zur Schau trägt wie ein Neglige, wie weggewischt. Ihr Blick ist hart, nüchtern und doch zugleich kristallin.
    «Nein,» antwortest du ohne lange nachzudenken, direkt aus dem Bauch heraus. «Ich glaube nicht.»
    «Willst du mich ficken?»
    «Ich denke schon.»


    Sie lächelt.
    «Und du?» fragst du. «Bist du in mich verliebt.»
    «Nein,» antwortet sie. «Ich war es.»
    «Wann?» möchtest du wissen. Ja, du möchtest es wirklich wissen.
    Es interessiert dich.
    «Noch vor wenigen Sekunden,» antwortet sie.



    Deine Hand auf ihrem Bauch gräbt sie ihren Hintern in deinen Schritt und beginnt einzuschlafen. Er ist straff und warm und unter seiner Hitze beginnt dein Schwanz schon wieder leicht zu erigieren. Deine Hand geht nach oben, umfasst eine ihrer kleinen Brüste. Du versuchst ebenfalls zu schlafen. Ihr Schweiß riecht noch nach Sex und klebt überall auf ihrem Körper. Deine Nase streift ihr Haar, taucht hinein. Es riecht nach L’Oréal Regenium. «Ihre Haare werden gekräftigt,» wirbt man dafür auf der Verpackung. «…glänzen und erhalten sichtbar Dichte und Fülle zurück.»


    Sie ist eingeschlafen. Dein Penis ist inzwischen wieder erschlafft. Sie schnarcht leise, ganz leise und du findest das niedlich. In der Art wie man kleine Katzen niedlich findet vielleicht. Du selbst lächelst. Du spürst lächelnd die Wärme ihres Körpers, seine Vertrautheit, obwohl es eure erste gemeinsame Nacht ist. Vielleicht hast du auch Angst einzuschlafen. Angst davor am nächsten Morgen aufzuwachen und nichts zu finden als ihren Abdruck in den Kissen, Schemen einer verblassenden Erinnerung.
    Kurz spielst du mit dem Gedanken, zwei Benzos zu nehmen und sie mit dem restlichen Campari in der Küche hinunterzuspülen.
    Du stehst auf, versuchst, sie nicht zu wecken. Sie bewegt sich leicht, als wolle sie einen schlechten Traum abschütteln, ihr leises Schnarchen erlischt, aber sie wacht nicht auf.
    «Eine Prinzessin,» denkst du. «Eine Königin.» Wie schön sie ist, die Züge ihres Gesichtes, ihr Haar, ihr Körper. Die unschuldige, leere, oberflächliche Schönheit der Jugend. Einer erst Zwanzigjährigen.
    Und dennoch. Dennoch ist da etwas…


    In der Küche zündest du dir eine Zigarette an, schaust auf den Hof hinaus, frierst. Es schneit immer noch.
    Als du sie vor sechs Jahren kennen gelernt hattest, ließ sie sich rücklings in den Schnee fallen, bewegte lachend ihre Arme auf und ab, zeichnete einen Schneeengel. «Schmetterling» hatte sie ihn genannt. «Schneeschmetterling.»
    Mitte letzten Jahres hattet ihr euch dann getrennt. «Die verlorenen Gegenstände im Dunkel der Küche sind Relikte des gescheiterten Traumes einer gemeinsamen Zukunft,» denkst du, während sich die Arme deiner Bettgefährtin von hinten um dich legen. «Hallo Bettgefährtin,» denkst du und nimmst einen Zug von deiner Zigarette. «Bessere Hälfte meiner selbst .»


    «Mach dir keine Sorgen,» sagst du. «Ich konnte nicht einschlafen und bin in die Küche gegangen, um zu rauchen. Jetzt denke ich an meine Ex und meine gescheiterte Beziehung.» Im Glas der Balkontür sieht sie dein gezwungenes Lächeln.
    «Damals, bei *, bin ich oft in die Küche gegangen, wenn ich nicht schlafen konnte,» sagt sie. Du spürst ihre Hände auf deinem Bauch, ihre Brüste an deinem Rücken.
    «Es sind schöne Brüste,» denkst du.
    Sie sagt, er sei dann meist ebenfalls aufgewacht. «Einfach weil er gespürt hat, dass ich nicht da bin. Er ist in die Küche gekommen, genau wie ich jetzt, hat seine Arme von hinten um mich gelegt und mich einfach festgehalten, während ich meist geweint habe, ohne dass er es merkte.»
    Du wagst es nicht, ihr deinen Kopf zuzudrehen. Du fürchtest dich vor dem, was du sehen könntest.
    «Weißt du, dass sich bereits nach einem halben Jahr der Herzschlag dem des Partners anpasst,» sagt sie und du hörst, dass ihr Lächeln ebenso gepresst ist, wie deines eben. «Die Herzen beginnen nachts synchron zu schlagen. Es ist nahezu unmöglich Gesicht an Gesicht zu schlafen, da auch der Atem sich aufeinander eingestellt hat und man sich so ständig gegenseitig die Luft zum atmen stiehlt.»


    «Als wir hier einzogen, bin ich eines Nachts in die Küche gekommen, weil * nicht mehr neben mir lag,» sagst du. «Es herrschte absolute Finsternis. Sie saß auf dem Boden, hier an die Spüle gelehnt, ein Steakmesser in der Hand. Zwei blutige Striemen verliefen parallel auf ihrem linken Unterarm.» Du drehst dich um und sie zeigt dir ihre Unterarme.
    «Wir alle schneiden uns einmal,» zeigt sie dir eine kleine Narbe. «Versehentlich, aus Absicht, mit einem Messer, mit unseren Gedanken.»
    «Sie hat halbherzig versucht das Messer hinter ihrem Rücken zu verstecken, als sie mich sah. ‹Alles in Ordnung,› versuchte sie zu lächeln. Sie versuchte hastig das Blut von ihrem Arm zu wischen, verschmierte es dabei zu einem rothkoischen Farbverlauf auf der Leinwand ihrer Haut. Sie griff nach meinen Zigarette, fischte eine Luckie aus der Schachtel, befeuchtete sie mit ihren Lippen und reichte sie mir. ‹Hier, Schatz.›»


    «Wir hatten uns gestritten,» erzählt sie dir. «Eines Nachts kurz vor unserer Trennung hatten wir uns gestritten und ich hatte mich im Bad eingeschlossen. Ich hatte seinen Rasierspiegel zerbrochen, um mir mit einer der Scherben diese Narbe zu schneiden. Er stand vor der Tür, klopfte, klopfte, und klopfte, hörte scheiße-noch-einmal nicht auf damit zu klopfen, bis ich die Tür öffnete. Er sah auf meinen Arm und fragte mich ‹Weshalb schneidest du dich?› Ohne Regung in seiner Mimik, ganz nüchtern als würde er nach der Uhrzeit fragen. ‹Ich bin unglücklich,› habe ich geantwortet. ‹Ich verspüre eine tiefe Unzufriedenheit und ich kann scheiße-noch-einmal nicht sagen, woher sie rührt.› ‹Aber wir sind glücklich,› hat er daraufhin gesagt. ‹Wir lieben uns.›»



    «Ich habe das getan, weil ich unzufrieden bin,» schlug * die Tür zu. «Ich hab mich erst von hinten ficken lassen, bis ich gekommen bin und dann habe ich ihn zum Abschied einen geblasen, weil sein Schwanz so gut schmeckt,» schrie sie dich an. «Ich sage dir das, weil ich dir wehtun möchte! Ich habe das getan, weil ich mich verletzen wollte. Weil ich mich klein fühlen wollte! Eine kleine Schlampe, die sich von großen, fremden Jungs durchvögeln lässt, weil sie die Fähigkeit verloren hat, noch ein Gefühl mit ihren Worten zu verknüpfen, wenn sie nach sechs Jahren Beziehung ‹Ich liebe dich› sagt!›»


    «Ich verspüre eine tiefe Unzufriedenheit und ich kann scheiße-noch-einmal nicht sagen, woher sie rührt,» sagte sie.
    «Aber wir sind glücklich,» antwortete *. «Wir lieben uns.»
    «Tun wir das?» schrie sie. «Was ist das, diese ‹Liebe›?! Ein ‹Schlaf schön, Schatz. Süße Träume.› Abend für Abend? Ein ‹Guten Morgen› am Tag darauf, Sonntagmorgens ein Frühstück ans Bett gebracht mit einem treudoofen Gesicht, als hättest du gerade eine Heldentat vollbracht? Ein Lächeln, unsicheres Händchenhalten auch noch nach Monaten, ein Kuss, tief, mit einer Zunge auf der Suche nach einer Erinnerung in der Mundhöhle des anderen?»


    «All die kleinen Dinge!» schrie *, während sie das kleine Alpenveilchen in Richtung Mülleimer warf, das du ihr am Nachmittag zuvor vom Discounter mitgebracht hattest. «All diese kleinen verfickten Dinge,» zerschellte es an der Wand darüber und Blütenblätter, Stängel, Erde und Scherben ergossen sich Richtung Boden. «Kleine Aufmerksamkeiten, gekauft sicherlich mit guter Absicht, mit romantischer Absicht, während man all die gewohnten Dinge besorgt hat, auf die man sich so im Laufe der Jahre einstellte. Die Stammzahncreme, die bevorzugte Konfitürensorte! Und während der eine all die Dinge pflichtbewusst organisiert, damit alles seinen geordneten Lauf geht, lässt sich der andere durchficken! Wir haben es ohne Kondom getrieben, weißt du. Es war meine Idee und als Mann war er natürlich nicht gerade abgeneigt, aber ich wollte ihn einfach in mir haben. Ich wollte keinen sauberen, klinischen Fick, ich wollte ihn in mir spüren. Fernab all der Ordnung, der political correctness, von Sicherheit und Verantwortung! Und ich will, dass du dir das vorstellst, wie das so ist. Dass du uns siehst vor deinem inneren Augen, wie wir es treiben, während du ein dämliches Alpenveilchen kaufst und denkst, da ist noch Liebe. Liebe, an die doch keiner mehr glaubt im Laufe der Zeit, wenn er endlich den Mumm findet, aufzuhören sich selbst zu belügen!»


    Ihr Kopf flog hart zurück, als * zuschlug. «Ich liebe dich, du verdammte Schlampe!» schrie er. Tränen standen ihm ins Gesicht. «Du bist alles, was ich habe! Du bist meine Muse, verdammt noch einmal. Du bist erst der verdammte Grund weshalb ich Morgen für Morgen aufstehe, kapierst du das nicht? Du bist meine Liebe! Ich kann doch verdammt noch einmal nichts dafür, dass du noch zu jung bist zu verstehen, was das ist: Liebe. Dass ein Kuss dir nichts bedeutet, einfach, einfach … Dass du zweifelst, dass du solche grausamen Dinge denkst, weil du die Größe noch nicht…»



    Ihr Gesicht ist voll Tränen, als du ihr sanft eine Strähne ihres Haares daraus streichst und hinter ihr Ohr schiebst. Sie packt dich grob im Nacken und zieht deinen Kopf zu sich. Sie drückt ihren Mund auf deinen und schiebt dir brutal die Zunge in den Mund, beißt dir auf die Unterlippe, so dass du den Eisengeschmack von Blut wahrnimmst. Ihre Zunge schlingt sich suchend durch deine Mundhöhle.
    «Manchmal glaube ich, ich würde den Geschmack der Liebe gar nicht mehr erkennen,» versucht sie dann zu lächeln. «Manchmal glaube ich, die Erinnerungen sind alle verdrängt oder waren nie da und es ist gut so.»
    Auf dem Regal hinter ihr stehen sauber aufgereiht Gläser von Leonardo, der «inspiration of modern living». Dich überkommt das Gefühl einer Vorahnung.
    «Es gibt die Poesie, es gibt das Leben,» wiederholst du sie. «Dazwischen gibt es Ähnlichkeiten, sonst nichts.»


    Sie verlässt die Küche, um sich anzuziehen. Dann hörst du die Wohnungstür und draußen fällt immer noch der Schnee, die alte, weiße Scheiße.



    2006 Christoph Baumer
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  • Die Perspektive gefällt mir. Die Figuren gefallen mir. Der ganze Text.
    Allerdings stört mich da was, habe aber noch nicht rausgefunden, was für mich da nicht passt...


    EDIT: Erinnert mich auch an Sylvia Plath, an Zoran Drvenkar...
    Zumindest, was das zerstörerische Element angeht, das dem Text anhaftet, das Wechselspiel von Masochismus und Sadismus...

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

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  • Hm...vielleicht sollte ich als einfacher Leser und Nichtkritiker ganz einfach meine 2 Cents dazu besser nicht abgeben, aber mir gefällt der Text überhaupt nicht ... und zwar nur aus folgendem Grund:


    Ich kann mir einfach keinen Menschen vorstellen, der das denkt: << Die verlorenen Gegenstände im Dunkel der Küche sind Relikte des gescheiterten Traumes einer gemeinsamen Zukunft,» denkst du, ...>>


    ...und in den nächsten Minuten das: <<Dann hörst du die Wohnungstür und draußen fällt immer noch der Schnee, die alte, weiße Scheiße.>>


    Und mit diesem Satz: «Es gibt die Poesie, es gibt das Leben,» wiederholst du sie. «Dazwischen gibt es Ähnlichkeiten, sonst nichts.» kann ich überhaupt nichts anfangen, weil es für mich so aussieht, als seien sowohl "Poesie" als auch "Leben" dadurch idealisiert und dadurch irgendwo in kosmische Weiten katapultiert, die es nicht gibt.


    Sorry für den laienhaften Philosophieversuch von mir, aber ich würde den Tipp geben, lieber die angesprochenen "Ähnlichkeiten" zu beschreiben...und vielleicht auch zu leben (?), dadurch wird der Text u.ä. nicht weniger leidenschaftlicher m.E.


    :wave
    Ikarus

  • Zitat

    Original von Ikarus
    ...weil es für mich so aussieht, als seien sowohl "Poesie" als auch "Leben" dadurch idealisiert und dadurch irgendwo in kosmische Weiten katapultiert, die es nicht gibt.


    Sorry für den laienhaften Philosophieversuch von mir, aber ich würde den Tipp geben, lieber die angesprochenen "Ähnlichkeiten" zu beschreiben...und vielleicht auch zu leben (?), dadurch wird der Text u.ä. nicht weniger leidenschaftlicher m.E.


    Nicht sowohl als auch. Die Poesie ist unzureichend das Leben abzubilden, der prosaische Text sowieso. Das gilt für die Fülle des Lebens wie für dessen Tristesse. Während Prosa oder Poesie stets dazu verdammt sind, sich auf wenige Aspekte eines Geschehens festzulegen, gleichen die Details und Grausamkeiten des Lebens Fraktalen, deren Komplexität mit jedem Zoomlevel nahezu gleich ist. Mit dem Gleichsetzen von sinnlicher Schärfe und Poesie am Anfang des Textes wird also zwangsweise aufs Naivste idealisiert. Später findet dann die Aufklärung dieser romantischen Lüge statt: Es gibt die Poesie, es gibt das Leben… Wir befinden uns inmitten von Ernüchterung, die jeglicher Wahrheit nun einmal anhaftet. Selbst die Flucht in eine vereinfachte Welt, eine Welt der Klar- und damit Schönheit, in die Welt der Poesie ist den Charakteren verbaut. Sie haben die Fähigkeit verloren, sich selbst zu belügen: sie müssen damit existieren, dass ihr Leben sinnentleert ist. Und ihr Tod ebenfalls. Sie empfinden den Schmerz (z.Bsp. einer Entzweiung; «Die verlorenen Gegenstände im Dunkel der Küche…»), parallel dazu jedoch auch dessen Bedeutungslosigkeit («Dann hörst du die Wohnungstür und draußen fällt immer noch der Schnee, die alte, weiße Scheiße.»), was es auch nicht gerade leichter macht.


    C.

  • Zitat

    Original von Christoph
    Sie haben die Fähigkeit verloren, sich selbst zu belügen: sie müssen damit existieren, dass ihr Leben sinnentleert ist. C.


    Hallo Christoph,


    ich wollte Dich auch keineswegs in Deiner schriftstellerischen Entfaltung und Freiheit stören, begreife vermutlich auch, was Du ausdrücken willst, allerdings stört mich persönlich eben an Deiner Kurzgeschichte eben genau dies, was in Deinem obigen, von mir nochmal zitierten Satz wiedergegeben und komprimiert ist.


    Es wäre halt m.E. einfach richtiger, es so auszudrücken (noch besser wäre: zu erleben, fühlen): "Sie haben die Fähigkeit verloren, die kleineren Dinge und deren Schönheiten auch wahrzunehmen."


    Das Leben als auch die Poesie ist halt erst dann sinnentleert, wenn man`s wirklich nicht mehr tut...und damit beides (alles?) als Lüge ansieht und in Frage stellt, oder?!


    Hm, Du merkst gewiß selbst schon: ich bin wirklich kein guter Kritiker :grin.


    Gib net allzu viel auf meine Meinung...und viel Erfolg weiterhin für Dich :-)


    :wave
    Ikarus

  • Ein neuer Beitrag aus der beliebten Serie:


    "Eins, zwei, drei, an keinem Klischee vorbei!"




    Poesie ist unzureichend, das Leben abzubilden?


    Soll Poesie denn das Leben abbilden?


    Magali , mal wieder mit den Grundfragen des Daseins kämpfend. ;-)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Der Text ist fürchterlich überladen mit Nichtigkeiten und monströsen Formulierungen. Die Hälfte des Textes kann bedenkenlos gestrichen werden, was übrig bleibt ist immer noch langweilig genug.
    Die Story erzeugt einen schauderhaften "Ton" bei mir und ist nur unter Mühen bis zum Ende lesbar. Eine Ansammlung an Möchtegern-kunst-sätzen, (hölzern, verschachtelt, bemüht) die besser in der Schublade bleiben.


    Luc