'Im Zeichen der Seraphim' - Seiten 165 - 341

  • Dank der Tatsache, daß Mr. Pelican den Computer gestern abend zu musikalischen Zwecken in Beschlag hatte, bin ich mit diesem Abschnitt auch schon fertig und kann hier zumindest sagen, daß ich das Buch richtig genieße. :-]


    Meine Kommentare dazu, mache ich später, und geh jetzt erst mal neue Bücher und Brötchen verdienen. :grin

  • In diesem Abschnitt kommt das historische Umfeld erst zur Geltung wie z. B. die Auseinandersetzung zwischen Spiritualen und Konventualen und wechselnde Machtverhältnisse (vergangene Auseinandersetzung zwischen Welfen und Staufern und die Trennung zwischen westlicher und östlicher Kirche.


    Conrad sucht die Edeldame Donna Giacoma auf, die eine enge Freundin von San Francesco war, und erhofft sich von ihr Hilfe bei der Lösung des Geheimnisses, das mit Fra Leos Briefen aufgeworfen wurde. Donna Giacoma erscheint mir leider als etwas zu modern. Aber sie ist zweifellos eine Sympathieträgerin im Roman und bildet den ruhenden Gegenpol zu den handelnden Personen.


    Sehr gut gefällt mir der leise Humor, der gezielt gesetzt, immer mal wieder aus John Sacks Zeilen herausblitzt.


    Insgesamt ist dieser Part deutlich handlungsorientierter als der erste Teil des Roman, was aber bedingt, daß die Zahl der interessanten Gedankenansätze und Bilder hier nicht ganz so hoch ist. Nach wie vor liest sich der Roman aber flott und flüssig.


    In dieser Passage hatte ich eigentlich schon richtig damit zu kämpfen, daß ich vor lauter Wunsch, zu wissen, wie es weitergeht, immer schneller gelesen habe! Im Laufe dieses Abschnitts hat sich bei mir auch eine Idee eingestellt, was es mit dem Geheimnis auf sich hat...


    Die parallel geführten Handlungsstränge mit Conrad und Orfeo finde ich immer noch belebend. Ich finde es eigentlich recht mutig, daß John Sack mit Orfeo einen Handlungsstrang eingebaut hat, bei dem man verhältnismäßig lange nicht weiß, inwieweit er mit dem eigentlichen Geschehen in Verbindung steht.


    So, jetzt muß ich hier leider abbrechen, um arbeiten zu gehen. Fortsetzung folgt also, denn ein paar Punkte zu diesem Abschnitt habe ich ja noch gar nicht angesprochen.

  • Zitat

    Original von Pelican
    Donna Giacoma erscheint mir leider als etwas zu modern. Aber sie ist zweifellos eine Sympathieträgerin im Roman und bildet den ruhenden Gegenpol zu den handelnden Personen.


    Komisch, ausgerechnet die patente Giacoma haut nach meinem Verständnis hin! :lache
    Sie ist lebensklug, hat Mutterwitz, versteht sich durchzusetzen und vermittelt genau die Fähigkeiten, die einem gläubigen Menschen des Mittelalters wohl anstehen.


    Was Orfeo angeht, habe ich vermehrt das Gefühl, Sack bauscht diesen Handlungsstrang immer wieder auf, ohne daß eine Notwendigkeit besteht, weil er den Jungen eigentlich erst sehr spät im Roman braucht ...

  • Zitat

    Original von Iris
    Komisch, ausgerechnet die patente Giacoma haut nach meinem Verständnis hin! :lache
    Sie ist lebensklug, hat Mutterwitz, versteht sich durchzusetzen und vermittelt genau die Fähigkeiten, die einem gläubigen Menschen des Mittelalters wohl anstehen.


    Ich denk nochmal drüber nach, was mir bei ihr so modern vorkam.


    Zitat

    Was Orfeo angeht, habe ich vermehrt das Gefühl, Sack bauscht diesen Handlungsstrang immer wieder auf, ohne daß eine Notwendigkeit besteht, weil er den Jungen eigentlich erst sehr spät im Roman braucht ...


    Wobei über diesen Handlungsstrang aber auch viel vom historischen Umfeld erzählt wird. Ich hoffe auch, da kommt noch einiges. Gregor X. war ja bis 1276 Papst und hat ja einiges in dieser Zeit angestoßen. Vielleicht kommen wir ja im Verlauf des Romans bis dahin. Mal sehen!

  • So, dann fang ich mal an mit der Forsetzung.


    Ich war in diesem Teil richtig froh, mal eine Weile eine längere Amata-freie Passage lesen zu dürfen. Gegen Ende hin, taucht sie dann aber doch wieder auf... Mein Eindruck, daß John Sack sie als Hilfsfigur benötigt, vertieft sich immer mehr. Mit ihrer Geschichte trägt er m. A. nach zu dick auf (Cinderella ist dagegen ja wirklich gar nichts). Amatas Ambitionen Conrad gegenüber finde ich absolut unglaubwürdig.


    Die Tatsache, daß Conrad auf seiner Flucht geschnappt und eingekerkert wird, deutet leider auch daraufhin, daß ich auf diesen interessanten Charakter wohl eine Weile verzichten muß. :cry

  • Die Episoden um Fra Jaboba fand ich sehr nett; darin wird sehr deutlich die Diskrepanz zwischen der im Grunde sehr reinlichen Mentalität des Hohen Mittelalters und den Auswüchsen der Armuntsbewegung gezeigt. Auch die Möglichkeiten einer begüterten Frau sind in ihrer Gestalt gut eingefangen.
    Allerdings gerät er bei Giacomas Äußerungen über die Liebe ein bißchen ins Schleudern (S. 190 - 192), wo er das schier unmögliche versucht, die differenzierte mittelalterliche Vorstellung von Liebe unter Menschen zu entfalten: Die damalige Sprache unterschied noch deutlich zwischen der erotischen Liebe (éros, amor), der Liebe unter Verwandten und Gleichgesinnten (philía, amicitia) und der Nächstenliebe (agapé, caritas).


    Witzig auch, daß ein Amerikaner daherkommen muß, um zu zeigen, wie stark die damalige italienische Gesellschaft noch durchdrungen von antiken Vorstellungen war ("Hades"). :lache
    Das war nämlich tatsächlich so: Die heidnischen Welt war als Welt der Dämonen durchaus präsent in den religiösen Vorstellungen. Ähnlich gilt das für die deutschsprachigen Gebiete, wo regionale (keltisch-germanische) vorchristliche Vorstellungen in der Bevölkerung wachblieben.


    Hübsch ist auch die bewußte Verwechslung der beiden Thomas (da Celano und d' Aquino). :lache

  • Zitat

    Original von Iris
    Die Episoden um Fra Jaboba fand ich sehr nett; darin wird sehr deutlich die Diskrepanz zwischen der im Grunde sehr reinlichen Mentalität des Hohen Mittelalters und den Auswüchsen der Armuntsbewegung gezeigt.


    Das war auch eine Stelle, die durch feinen Humor und ein leichtes Augenzwinkern besticht.


    Zitat

    Allerdings gerät er bei Giacomas Äußerungen über die Liebe ein bißchen ins Schleudern (S. 190 - 192), wo er das schier unmögliche versucht, die differenzierte mittelalterliche Vorstellung von Liebe unter Menschen zu entfalten: Die damalige Sprache unterschied noch deutlich zwischen der erotischen Liebe (éros, amor), der Liebe unter Verwandten und Gleichgesinnten (philía, amicitia) und der Nächstenliebe (agapé, caritas).

    Ich überlege gerade, wie das in der deutschen Sprache ihren Niederschlag findet. :gruebel


    Zitat

    Witzig auch, daß ein Amerikaner daherkommen muß, um zu zeigen, wie stark die damalige italienische Gesellschaft noch durchdrungen von antiken Vorstellungen war ("Hades"). :lache

    Das fand ich auch sehr schön!


    Zitat

    Das war nämlich tatsächlich so: Die heidnischen Welt war als Welt der Dämonen durchaus präsent in den religiösen Vorstellungen. Ähnlich gilt das für die deutschsprachigen Gebiete, wo regionale (keltisch-germanische) vorchristliche Vorstellungen in der Bevölkerung wachblieben.

    Das hat Dagmar Trodler in der Waldgräfin schön herausgearbeitet.


    Zitat

    Hübsch ist auch die bewußte Verwechslung der beiden Thomas (da Celano und d' Aquino). :lache

    Vor allem war das auch für mich eine überraschende Wendung, was mich sehr gefreut hat, bei soviel doch voraussehbaren Elementen.

  • Zitat

    Original von Pelican
    Ich überlege gerade, wie das in der deutschen Sprache ihren Niederschlag findet. :gruebel


    "amicitia" ist das, was in der deutschen Übersetzung als "Kameradschaft" übersetzt wird. Was im Original steht, weiß ich nicht ...


    Zitat

    Iris, wie fandest Du eigentlich diese merkwürdige Szene im Kerker, die dazu führte, daß Zefferino seine Gefangenen in vollkommen anderem Licht sah?


    Offen gestanden, aus meiner rudimentären Erfahrung mit den Techniken von Meditation und Kontemplation, erscheint mir das als subjektive Wahrnehmung überhaupt nicht abwegig. Zumal Mönche darin weitaus geübter waren. Denk bloß mal an die vielen Gebetszeiten rund um die Uhr, dazu Gregorianische Choräle ...

  • Zitat

    Original von Iris


    Offen gestanden, aus meiner rudimentären Erfahrung mit den Techniken von Meditation und Kontemplation, erscheint mir das als subjektive Wahrnehmung überhaupt nicht abwegig. Zumal Mönche darin weitaus geübter waren. Denk bloß mal an die vielen Gebetszeiten rund um die Uhr, dazu Gregorianische Choräle ...


    Mir vom Prinzip her auch nicht. Nur die Tatsache, daß Zefferino diese Wahrnehmung teilt... hm, ich weiß nicht.

  • Da fragste aber mal indische Yogis, buddhistische Mönchen und Nonnen oder kontemplativ lebende katholische Ordensleute! :wow


    Daß die alle nur spinnen, haben computertomographische Untersuchungen der TU München letzten Jahr widerlegt, bei denen die Gehirnaktivitäten bei intensiver Meditation/Kontemplation untersucht wurden ([URL=http://www.sueddeutsche.de/,tt5m3/wissen/artikel/970/49921/]Mönche in der Magnetröhre[/URL], SZ vom 22.03.2005).

  • Zitat

    Original von Pelican
    Donna Giacoma erscheint mir leider als etwas zu modern. Aber sie ist zweifellos eine Sympathieträgerin im Roman und bildet den ruhenden Gegenpol zu den handelnden Personen.


    Donna Giacoma war für mich bisher die am besten gezeichnete Figur neben Conrad und modern erschien sie mir nicht. Aber auch hier hätte den Dialogen etwas gefehlt, wenn es Amata in diesem Roman nicht geben würde.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Zitat

    Original von Pelican
    Aber deshalb erzeugen die doch noch lange kein Licht! (Und wenn, wäre das ein äußerst interessanter Ansatz für die heutige Energieproblematik :grin)


    :grin
    Ich fand diese Szene auch ein wenig merkwürdig und für mich nicht nachvollziehbar.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Was Sack rüberzubringen versucht, ist das Phänomen der "Lichterscheinung", das in allen kontemplativen Glaubensformen beschrieben wird und sich weder physikalisch noch psychologisch erklären läßt. Es ist vollkommen richtig, daß objektiv kein Licht erzeugt wird, sondern das, was gemeinhin auch Erleuchtung genannt wird.
    Ganz gleich wie man dazu steht, ist es auffallend, daß solche Wahrnehmungen in allen Kulturregionen beschrieben werden, allerdings immer nur im Bezug auf eine kontemplativ-meditative Religionsausübung. Es gibt ausreichend Belege für "gemeinsame" Lichterscheinungen mehrere Personen (speziell im sehr rationalen Theravada-Buddhismus ist das sehr verbreitet)


    Um in der Welt zu bleiben, die er beschreibt, erklärt er dieses Phänomen nicht, sondern läßt es einfach geschehen.

  • Zitat

    Original von Iris
    Um in der Welt zu bleiben, die er beschreibt, erklärt er dieses Phänomen nicht, sondern läßt es einfach geschehen.


    Ich bemängel ja auch nicht, dass Sack dies einfach geschehen lässt, denn Erklärungen helfen mir dabei auch nicht weiter. Das gehört vermutlich zu den Dingen, mit denen ich generell ein Problem habe - die man vielleicht erst selber erlebt haben muss, um verstehen zu können.


    Viele Grüße
    Kalypso