'Im Zeichen der Seraphim' - Seiten 001 - 164

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    Original von Iris
    John Sacks Roman hat definitiv Schwächen -- typisch amerikanische Schwächen, was die historischen Aspekte angeht, aber der Vergleich mit Dan Brown ist kompletter Quark. So sehr hat sich nicht mal der Verlag an diesen Verschwörungstrend gehängt. :pille


    Danke @ Iris, das ist ungemein beruhigend. Über die typisch amerikanischen Schwächen kann man ja notfalls hinweg sehen, wenn das Buch ansonsten lesbar ist.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Es sind halt die typischen Anachronismen drin, die eine oder andere Konzession an den allgemeinen Lesegeschmack dort. Ich gebe allerdings unumwunden zu, daß er über viele Realien bestens informiert ist und seine Spekulationen nicht die wildesten Blüten treiben. :wave

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    Original von Iris


    Ich fürchte eher, es ist der nächste typische Amerikanismus: In Punkto "Religion" ist alles, was nicht Reformation ist, grundsätzlich schlecht, korrupt, böse. Zum Katholizismus habe viele US-Amerikaner ein gestörtes Verhältnis, das erstens an den Gründungsmythen über die Pilgerväter liegt, zweitens an den territorialen Auseinanderstzungen mit Spanien bzw. später Mexiko, drittens am Sezessionskrieg und viertens an der notorischen Angst vor Überfremdung durch die (ärmeren) Latinos (wobei hier auch wieder der puritanischen Prädestinationsglaube greift und die in vielen Köpfen geisternden Vorstellungen eines bevorstehenden Armageddon).


    Entweder glaubt Sack wirklich, daß Franziskus ein Vorreiter der Reformatoren war oder er sieht keine andere Möglichkeit, seinen Landsleuten erklärlich zu machen, daß die Spiritualen unter den franziskanischen Minderbrüdern doch Gute sind, die das Richtige wollen.


    Ich denke eher letzteres. Aus einem Interview, das man über einen Link der Homepage zum Buch erreicht, geht übrigens hervor, daß John Sack katholisch aufgewachsen ist, insofern dürfte er eigentlich nicht die gleichen Probleme mit dem Katholizismus haben wie viele andere Amerikaner.


    Zitat

    Daß sie das Leben einer Ehefrau dem einer Nonne vorzieht, ist komplett unglaubwürdig: Als Nonne hatte sie damals weitaus mehr Unabhängigkeit und vor allem das Recht, selbst über ihren Körper zu bestimmen. Bis weit in die Neuzeit hinein waren gerade Frauenklöster als Lebensform (und auch als Arbeitgeber) so begehrt, daß sie vollständige Mitgiften als Eintrittsvoraussetzungen verlangen konnten. Ehe und Familie galten für Frauen als Schicksal, oft biblisch als Sühne für Evas Schuld begründet -- keineswegs als erstrebenswert wie heute. Das sind sehr junge, bürgerliche Vorstellungen!


    Hm. Ich habe das bis hierher auch gar nicht so verstanden, daß sie das Leben einer Ehefrau dem einer Nonne vorzieht. Mir schien es bisher eher so, daß sie in ihrem bisherigen Leben bisher nur wenig positives gesehen hat und daher etwas glorifiziert, was sie eigentlich nur aus Erzählungen kennt.

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    Original von Iris
    Enrico erweist sich als "Katalysator", ich weiß aber nicht, ob es sinnvoll war, dafür eine Figur einzuführen, die keine 30 Seiten lang aufgebaut wird, um dann zu sterben -- das die Enthüllung um Jacopone hätte man m.A.n. auch geschickter darstellen können.


    Wie ich oben schon sagte, der Überfall wäre auch ohne die beiden hinzukriegen gewesen. Aber die Gespräche mit Jacopone sind ganz schön.

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    Original von Kalypso
    Ausschnitt aus der Amazon-Rezi:
    "Noch etwas hat Sacks Buch mit den Thrillern von Brown gemein: Auch Im Zeichen der Seraphim ist auf berauschende Art und Weise gut recherchiert -- so gut, dass man manche Ungereimtheit dafür gern in Kauf nimmt. Mystery meets History: Eine Kombination, die bei Im Zeichen der Seraphim hundertprozentig überzeugt"



    Ich hab mir's grad angeschaut. Kalypso, ich habe beides gelesen und ich bin der Ansicht, daß beide Bücher nichts gemein haben. Höchstens, daß es bei beiden im weitesten Sinne um ein Geheimnis geht, das haben sie dann aber mit tausenden von Büchern gemein. :pille


    Im Zeichen der Seraphim ist übrigens eindeutig ein historischer Roman. Dan Brown würde ich eher unter Actionthriller einsortieren.

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    Original von Iris
    Amata versucht den jungen Novizen Enrico zu verführen, indem sie ihm die Geschichte von Alibech und Rustico aus Boccaccios Decamerone (3,10, s.u.!) erzählt; die Wanderer werden überfallen,


    Und ich hab' die ganze Zeit überlegt, "die Geschichte kenn ich doch, die Geschichte kenn ich doch". Das Decamerone habe ich in sehr guter Erinnerung, ich müßte es nach zwanzig Jahren aber vielleicht nochmal lesen... :grin


    Zitat

    Was Amatas Verhalten angeht, sagte ich ja schon, daß diese Figur eine anachronistische Identifikationspuppe für die heutige Leserin ist. :pille Mich nervt sie kollossal. :rolleyes


    Ich habe schon überlegt, ob die Geschichte auch mit einem Novizen statt Amata funktionieren würde. Aber es würde doch einiges fehlen... Ich sehe Amata mittlerweile durchaus auch als Hilfsfigur, um Conrads Charakter zu zeigen und etwas Humor in den Roman zu bringen.

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    Original von Pelican
    Ich denke eher letzteres. Aus einem Interview, das man über einen Link der Homepage zum Buch erreicht, geht übrigens hervor, daß John Sack katholisch aufgewachsen ist, insofern dürfte er eigentlich nicht die gleichen Probleme mit dem Katholizismus haben wie viele andere Amerikaner.


    Naja, er ist auch in amerikanische Schulen gegangen, und deren "Geschichtsunterricht" ist schon ganz anders als unserer. Wenn man nicht selbst ein äußerst reges Interesse und Fremdsprachenkenntnisse (!) hat, dann wird das nix. Die tatsächlichen Erkenntnisfortschritte im geisteswissenschaftlichen Bereich gehen definitiv nicht vom englischsprachigen Raum aus -- die schmoren bloß im eigenen Saft. :rolleyes


    Zitat

    Hm. Ich habe das bis hierher auch gar nicht so verstanden, daß sie das Leben einer Ehefrau dem einer Nonne vorzieht. Mir schien es bisher eher so, daß sie in ihrem bisherigen Leben bisher nur wenig positives gesehen hat und daher etwas glorifiziert, was sie eigentlich nur aus Erzählungen kennt.


    Sagen wir mal so: Wenn ich mir anschaue, was noch so alles aus ihrer Biographie zutage tritt, dann wird diese Glorifizierung geradezu bizarr! Amata ist m.A.n. mißlungen -- sie ist nur dazu da, möglichst alles Identifikationspotenzial für "die moderne Leserin" zu transportieren, und dabei gerät er in krasse Widersprüche, die sogar als Oxymora nicht mehr durchgehen. :grin

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    Original von Iris


    Naja, er ist auch in amerikanische Schulen gegangen, und deren "Geschichtsunterricht" ist schon ganz anders als unserer. Wenn man nicht selbst ein äußerst reges Interesse und Fremdsprachenkenntnisse (!) hat, dann wird das nix. Die tatsächlichen Erkenntnisfortschritte im geisteswissenschaftlichen Bereich gehen definitiv nicht vom englischsprachigen Raum aus -- die schmoren bloß im eigenen Saft. :rolleyes


    Aber zumindest erwarte ich keinen extremen Antikatholizismus!

  • Zitat

    Original von Pelican
    Aber zumindest erwarte ich keinen extremen Antikatholizismus!


    Stimmt natürlich, aber das ist, wie ich schon erwähnte, typisch Mainstream in den USA -- obwohl sie sich in Hollywood bei jeder Gelegenheit fleißig dort bedienen. :lache

  • Zitat

    Original von Iris
    Conrad ist eine schön gezeichnete Figur, was sicherlich nicht zuletzt John Sacks Erinnerungen an seine Zeit in einem Trappistenkloster (Our Lady of Gethsemane) zu verdanken ist. Gerade die Unsicherheiten, die Conrad nach Aufgabe seines Eremitendaseins plagen, seine mangelnde Umgänglichkeit und sein Entsetzen angesichts der Erkenntnis, daß der Novize eine Frau ist..


    Ich bin noch nicht sehr weit, aber Conrad gefiel mir auf Anhieb :-]
    Wenn er so bleibt, dann liegt Pelican mit ihrer Vermutung goldrichtig, dass dieses Buch für mich passt.


    Amata konnte ich bisher erfolgreich ignorieren :grin


    Viele Grüße
    Kalypso

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    Original von Pelican
    Ich habe schon überlegt, ob die Geschichte auch mit einem Novizen statt Amata funktionieren würde. Aber es würde doch einiges fehlen... Ich sehe Amata mittlerweile durchaus auch als Hilfsfigur, um Conrads Charakter zu zeigen und etwas Humor in den Roman zu bringen.


    So sehe ich das auch. Amata ist zwar einerseits das Haar, aber andererseits auch das Salz in der Suppe, denn ohne sie wären die Dialoge und Conrads Charakter vermutlich nicht so wirksam gewesen.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Zitat

    Original von Iris
    Amata ist m.A.n. mißlungen -- sie ist nur dazu da, möglichst alles Identifikationspotenzial für "die moderne Leserin" zu transportieren, und dabei gerät er in krasse Widersprüche, die sogar als Oxymora nicht mehr durchgehen. :grin


    Als misslungen würde ich Amata nicht unbedingt bezeichnen, aber auch nicht als Identifikationsfigur. Der Leser lernt dieses Mächen zunächst mit seinem tatsächlich nervigen "losem Mundwerk" und Ansichten kennen und erfährt erst im Laufe der Geschichte von den Schicksalsschlägen, die es schon hinter sich hat. Schlüssig finde ich also schon, dass Amata sich nach Wärme, Geborgenheit oder Liebe sehnt, aber gleichzeitig auch eine riesige Angst vor weiteren Rückschlägen hat, was diese Figur zunächst ein wenig verquer aussehen lässt, da es eben erst so nach und nach verständlich wird.


    Viele Grüße
    Kalypso

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    Original von Kalypso
    Als misslungen würde ich Amata nicht unbedingt bezeichnen, aber auch nicht als Identifikationsfigur.


    Naja, sie ist schon die typische Identifikationsfigur mit Mitleidspotenzial, ...
    [sp]... als Opfer von Männergewalt in jedweder Form.[/sp]
    Mir erscheint es einfach unglaubwürdig, daß eine damaliges Mädchen, das in einem Kloster Zuflucht gefunden hat, ich nichts Besseres vorstellen kann, als sich wieder dem Risiko, mißbraucht zu werden, auszusetzen.


    Das kann man mir auch nicht mit dem Hinweis auf psydchische Traumata schmackhaft machen, das ist schlicht und einfach anachronistisch. :rolleyes

  • Zitat

    Original von Iris
    Naja, sie ist schon die typische Identifikationsfigur mit Mitleidspotenzial, ...
    [sp]... als Opfer von Männergewalt in jedweder Form.[/sp]


    :grin Na ja, daran hatte ich jetzt gar nicht mehr gedacht, denn ich meinte eher die Tragödie, die ihrer Familie zugestoßen ist;



    ...das Thema "Männergewalt in jedweder Form" geht mir sowieso auf den Senkel, aber ich kann es in einem ansonsten schönen Buch erfolgreich ignorieren.


    Zitat

    Original von Iris
    Das kann man mir auch nicht mit dem Hinweis auf psydchische Traumata schmackhaft machen, das ist schlicht und einfach anachronistisch. :rolleyes


    Ich will diese Figur ja auch gar nicht schönreden :grin, dennoch hätte ohne sie in dem Roman etwas gefehlt. Natürlich hätte der Autor es anders machen können, aber dann hätten wir ja nichts zu meckern :grin


    Viele Grüße
    Kalypso