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'Im Zeichen der Seraphim' - Seiten 001 - 164
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Hallo Iris und Pelican,
ich habe eure Beiträge aus dem Thread "Ich lese gerade" abgekoppelt, da die Minileserunde dort später nicht mehr wieder zu finden ist. Ich richte euch die Leserunde gerne richtig ein, sowie ihr mir die Einteilung schickt.Das Buch ist bei Droemer/Knaur als lieferbar gemeldet, also könnt ihr auch eine offizielle Leserunde daraus machen
Da sich die Beiträge nach Datum im jeweiligen Thread einsortieren, möchte ich euch bitten eure Beiträge aus dem zweiten Thread hier hinein zu kopieren, damit ich anschließend den zweiten Thread löschen kann. (Sonst steht der Eröffnungsbeitrag von uns mitten im Thread.)
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Da Pelican schon Exemplare hat liegen sehen und der Verlag das Buch auf seiner Website (Produktseite John Sack, Im Zeichen der Seraphim) als lieferbar angibt, fangen wir jetzt doch mal an.
Vorab etwas zur Aufmachung. Die Einbandgestaltung ist gelungen, auch wenn sie mich sehr an Kate Mosse' enttäuschenden Roman Das verlorene Labyrinth erinnert.
Das Tau ist von Franziskus nicht wegzudenken und als augenfälliges "Logo" geradezu perfekt.
Hübsch sind auch die kleinen Zeichnungen, die die Kapitelnummern zieren. Es gibt Karten im hinteren Einband, die m.A.n. leider nicht ausführlich genug sind, und dem Text vorangestellt sind ("drucktechnisch "ausgewaschene) Wiedergaben zweier Dokumente von Franziskus' Hand: einer Segnung seines Freundes und Gefährten Leo und eines Briefes an selbigen. Meiner Ausgabe war ein Lesezeichen mit den allermeisten auftretenden Figuren beigegeben, was im Grunde schon zuviel war, denn tatsächlich sind nur wenige Figuren wirklich wichtig.Franziskus war (allen überlieferten Quellen nach) auf dem Boden einer kleinen Kapelle, der Portiuncula (<- Link zu italienischen Wikipedia!) bei Assissi, im Beisein seiner engsten Gefährten verstorben. Er wurde heimlich bestattet, und die Grabstelle war bis 1818 unbekannt, da man Reliquienräuber fürchtete (wenn man sich die Quellen zu Tod und Bestattung der Hl. Elisabeth 1231 anschaut, mit gutem Grund, denn deren Leiche wurde auf dem Weg zum Grab schier in Stücke gerissen). Aus diesem Umstand konstruiert John Sack das "Geheimnis" hinter seinem Roman.
Der Prolog beschreibt eine (m.W. nicht überlieferte) Umbettung des Franziskus, in deren Verlauf eine Verschwörung (offenbar geht es nicht ohne) die Gebeine des Heiligen raubt und in der noch nicht fertiggestellten Basilika zu Assissi in einem heimlich vorbereiteten Grab bestattet. Treibende Kraft hinter dieser Gewalttat ist Franziskus' Schüler Elias. Der Grund bleibt rätselhaft.
Die eigentliche Geschichte zeigt die Hauptfigur, Conrad da Offida, zunächst als zurückgezogen lebenden Spiritualen. Der Streit zwischen Spiritualen (= umherziehenden oder asketisch lebenden Bettelmönchen) und Konventualen (= "normalen" Klosterbrüdern), der auch in Umberto Ecos Der Name der Rose zu Sprache kommt, ist voll entbrannt, die Spiritualen sehen sich in einigen Regionen der Verfolgung durch dominikanische Brüder als Vertreter der Inquisition ausgesetzt.
In dieser Situation im Jahre 1271 erhält Fra Conrad Besuch von einem Novizen, der ihm ein Schreiben des inzwischen verstorbenen Fra Leo, eines engen Vertrauten des Franziskus, überbringt, das in rätselhaften Worten besagt, Conrad möge die Wahrheit hinter den Legenden suchen.
Während Conrad noch mit der Entscheidung ringt, ob er sich auf den Weg nach Assissi machen soll, bemerkt er, daß der junge Mönch ein Mädchen ist, Amata.
Die beiden machen sich auf den beschwerlichen Weg über den Appennin.Eingebunden wir die Geschichte des Orfeo Bernardone, eines (fiktiven) Neffen des Franziskus, der sich in Akkon von seinem Freund Marco Polo verabschiedet, als dieser sich mit Vater und Onkel auf den Weg zu Kublai Khan macht. Orfeo ist ausersehen, den frisch gewählten Papst Gregor X, Teblado Visconti, auf dem Weg vom Heiligen Land nach Rom zu begleiten.
Conrad ist eine schön gezeichnete Figur, was sicherlich nicht zuletzt John Sacks Erinnerungen an seine Zeit in einem Trappistenkloster (Our Lady of Gethsemane) zu verdanken ist. Gerade die Unsicherheiten, die Conrad nach Aufgabe seines Eremitendaseins plagen, seine mangelnde Umgänglichkeit und sein Entsetzen angesichts der Erkenntnis, daß der Novize eine Frau ist.
Amata erscheint mir einen Tick zu modern, eben wie eine dieser Frauen, die heutzutage historische Romane bevölkern, damit die Leserinnen wohl etwas haben, mit dem sie sich identifizieren können?
Daß sie und Orfeo im ungefähr gleichen Alter sind, läßt Rückschlüsse auf den weiteren Verlauf der Geschichte zu.Schaun wir mal weiter ...
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Eigentlich lag folgender Text noch vor Iris Posting, aus technischen Gründen jetzt hier danach.
___________________________________________________________Gefreut hat mich doch gleich mal, daß im Einband eine Karte von Italien um 1270 enthalten ist und dieses Lesezeichen mit den Namen der wichtigsten Figuren finde ich recht geschickt. Auch die Aufmachung mit den Aquarellzeichnungen italienischer Landschaften am oberen Rand jedes neuen Kapitels finde ich recht ansprechend.
Verwundert war ich über die Anzahl der Übersetzer: 6 Übersetzer für ein Buch von 575 Seiten! Ich bin mal sehr gespannt, ob wir da Stilbrüche feststellen werden.
Den Prolog fand ich im ersten Moment ein wenig verwirrend, das könnte aber auch meiner gesundheitlichen Verfassung zuzuschreiben sein. Verwunderlich finde ich, daß John Sack als Aufsatzpunkt seiner Geschichte nicht den Mai 1230 nimmt, in dem angeblich die Gebeine von Franziskus in die neue Basilika umgebettet wurden, sondern den März 1230. Vielleicht wollte er damit aber einfach bewirken, daß dem Leser klar wird, daß seine Geschichte Fiktion ist.
Conrad als Protagonist des Romans gefällt mir sehr gut. Ein Charakter mit Ecken und Kanten, der auf der einen Seite sehr intelligent ist, sich aber auf der anderen Seite auch oft selbst im Weg steht und ohne es zu wollen aus seiner Einsiedelei gerissen wird, womit er natürlich auch ganz schön zu kämpfen hat. Bis jetzt finde ich diesen Charakter auch schön ausgearbeitet und authentisch. Amata hingegen, dieses aufsässige junge Mädchen, würde ich als eher nicht zeitgemäß einstufen - allerdings genieße ich ihre kleinen Wortgefechte mit Conrad.
Was das "Geheimnis" angeht, um das es wohl geht, tappe ich völlig im Dunkeln - was mich aber nicht im geringsten stört.
Welche Rolle Orfeo spielen wird, ist mir auch noch vollkommen unklar, aber seine Einführung in Akkon ist ein interessanter Ortswechsel und verleiht der Geschichte zusätzliches Flair. Das Auftauchen von Marco Polo empfand ich dabei als netten Gag am Rande der Story.
Sprachlich empfinde ich den Roman bisher als flüssig und angenehm zu lesen. Die Sätze könnten ein bißchen länger sein (Du kennst ja meine Marotte ), aber an und für sich ist die Sprache angemessen. Da oder dort habe ich sogar einige schöne Bilder gefunden oder interessante Gedanken des Protagonisten.
Ein Lapsus ist entweder dem Autor oder den Übersetzern bei der Erzählung über Conrads Vergangenheit unterlaufen. Kekse gab es zur damaligen Zeit m. E. definitv nicht... Ansonsten sind mir aber keine weiteren Fehler aufgefallen.
Bis jetzt sieht es nach guter Unterhaltung mit ansprechendem Niveau aus! Ich bin schon gespannt, wie's weiter geht.
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Zitat
Original von Iris
Vorab etwas zur Aufmachung. Die Einbandgestaltung ist gelungen, auch wenn sie mich sehr an Kate Mosse' enttäuschenden Roman Das verlorene Labyrinth erinnert.Iris, hier fand nochmal eine Veränderung statt. Das Tau bleibt erhalten, ist aber farblich feuerrot, der Hintergrund crème-marmoriert, nicht mehr so dunkel wie beim Leseexemplar. Auch der Rücken ist jetzt crème-marmoriert und nicht bordeaux. Ich vermute, man wollte den Roman freundlicher wirken lassen. Anders war aber m. E. die Ausstrahlung mittelalterlicher, weil der Farbton des Umschlags an alte Gemäuer erinnert hat.
ZitatMeiner Ausgabe war ein Lesezeichen mit den allermeisten auftretenden Figuren beigegeben, was im Grunde schon zuviel war, denn tatsächlich sind nur wenige Figuren wirklich wichtig.
Ich hab's ja vermutet, aber bisher konnte ich das noch nicht sicher wissen...
ZitatFranziskus war (allen überlieferten Quellen nach) auf dem Boden einer kleinen Kapelle, der Portiuncula (<- Link zu italienischen Wikipedia!) bei Assissi, im Beisein seiner engsten Gefährten verstorben. Er wurde heimlich bestattet, und die Grabstelle war bis 1818 unbekannt, da man Reliquienräuber fürchtete (wenn man sich die Quellen zu Tod und Bestattung der Hl. Elisabeth 1231 anschaut, mit gutem Grund, denn deren Leiche wurde auf dem Weg zum Grab schier in Stücke gerissen). Aus diesem Umstand konstruiert John Sack das "Geheimnis" hinter seinem Roman.
Der Prolog beschreibt eine (m.W. nicht überlieferte) Umbettung des Franziskus, in deren Verlauf eine Verschwörung (offenbar geht es nicht ohne) die Gebeine des Heiligen raubt und in der noch nicht fertiggestellten Basilika zu Assissi in einem heimlich vorbereiteten Grab bestattet. Treibende Kraft hinter dieser Gewalttat ist Franziskus' Schüler Elias. Der Grund bleibt rätselhaft.
Sehr interessant, die Umbettung (natürlich nicht räuberisch) habe ich doch in vielen Internetlinks gefunden und einige von denen erschienen mir recht glaubwürdig (z. B. eine Seite vom Franziskanerorden in der Schweiz, den ich jetzt partout nicht mehr finde).
ZitatDaß sie und Orfeo im ungefähr gleichen Alter sind, läßt Rückschlüsse auf den weiteren Verlauf der Geschichte zu.
He, ich weiß ja bis jetzt noch gar nicht, wozu wir diesen Orfeo im weiteren gut sein soll und ob die sich überhaupt treffen!
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Zitat
Original von Pelican
Conrad als Protagonist des Romans gefällt mir sehr gut. Ein Charakter mit Ecken und Kanten, der auf der einen Seite sehr intelligent ist, sich aber auf der anderen Seite auch oft selbst im Weg steht...
Eigentlich wollte ich dieses Buch ja nicht lesen, aber gerade solche Figuren liebe ich nahezu.ZitatOriginal von Pelican
Bis jetzt sieht es nach guter Unterhaltung mit ansprechendem Niveau aus! Ich bin schon gespannt, wie's weiter geht.Ich werde diese Minirunde jedenfalls im Auge behalten
Viele Grüße
Kalypso -
Ich sammel hier mal noch ein paar Links zum Buch:
- Produktseite zum Buch mit Trailer
- Das Zitat von Bertrand Russell aus dem Vorspann des Romans müßte wohl von diesem Bertrand Russell sein.
- Zu Ernest Raymond, von dem das zweite Zitat aus dem Vorspann stammt, habe ich leider nichts gefunden.
- Seraphim
- Franz von Assisi
Dazu gibt es natürlich eine Vielzahl von Websites. -
Zitat
Original von Pelican aus dem anderen Thread
- Das Zitat von Bertrand Russell aus dem Vorspann des Romans müßte wohl von diesem Bertrand Russell sein.Von ihm habe ich vor längerer Zeit dieses Buch gelesen. Zwar etwas einseitig, aber trotzdem sehr interessant und leicht verständlich.
Viele Grüße
Kalypso -
Zitat
Original von Pelican
Ich vermute, man wollte den Roman freundlicher wirken lassen. Anders war aber m. E. die Ausstrahlung mittelalterlicher, weil der Farbton des Umschlags an alte Gemäuer erinnert hat.
Das schau ich mir im Laden mal an.ZitatSehr interessant, die Umbettung (natürlich nicht räuberisch) habe ich doch in vielen Internetlinks gefunden und einige von denen erschienen mir recht glaubwürdig (z. B. eine Seite vom Franziskanerorden in der Schweiz, den ich jetzt partout nicht mehr finde).
Autsch, da habe ich mich mistverständlich ausgedrückt! Die Umbettung von der Portiuncula in die Basilika hat stattgefunden, allerdings heimlich, um den Leichnam vor Reliquienräubern zu schützen, wegen derer man die kleine Kapelle offenbar unentwegt bewachen mußte. Das Grab blieb versteckt, wurde 1818 (glaube ich) dann aber entdeckt.ZitatHe, ich weiß ja bis jetzt noch gar nicht, wozu wir diesen Orfeo im weiteren gut sein soll und ob die sich überhaupt treffen!
Och komm! Zwei hübsche junge Menschen in zwei verschiedenen handlungsfäden -- was schließt du daraus? -
Eine schöne Stelle habe ich auf S. 61 gefunden, in einem Gespräch, daß Conrad und Amata unterwegs führen:
»Erst in diesen Bergen, Schwester, habe ich endlich angefangen, Gott zu sehen -- noch immer "durch ein dunkles GLas" wie San Paolo sagt, aber vielleicht doch so klar, wie man es sich auf Erden erhoffen kann. Du fragst dich vielleicht, wie ich das schaffe. Ich sitze. Sonst nichts. Ich sitze einfach. Ich lehne mich an die Wand meiner Klause und lasse Gott zu mir kommen. Wenn ich mit geschlossenen Augen dasitze, erscheint er in mir. Wenn ich die Augenöffne, sehe ich ihn in jedem Geschöpf, das an meiner Tür vorbeiläuft oder -kriecht. Er ist in jedem Baum und Strauch, in jeder ...«
Der Bezug ist das 13. Kap. von Paulus' 1. Korintherbrief:
» Jetzt schauen wir in einen Spiegel
und sehen nur rätselhafte Umrisse, (oft übersetzt als "dunkles Wort")
dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.« -
Im weiteren Verlauf des Abschnitts treffen Conrad und Amata auf Jacopone und Enrico. Zumindest zu diesem Zeitpunkt hatte ich als Leserin den Eindruck, daß dieses Aufeinandertreffen und die weitere gemeinsame Reise nicht zwingend mit der eigentlichen Geschichte verbunden sind (der Überfall wäre als Szene auch ohne die Erweiterung der Reisegruppe möglich gewesen).
Allerdings ergeben sich aus diesem Zusammentreffen interessante Einblicke auf die Charaktere und weitere Verwicklungen.
Insbesondere Kapitel IX trägt eigentlich gar nicht zur Handlung bei, hat mir aber mit den Geschichten, die sich die Beteiligten erzählen, sehr gut gefallen.
Sag mal, Iris, ich kann ja weder Latein noch italienisch, aber aus meinen Französisch- und Spanischkenntnissen heraus hätte ich "Chi non fa, non falla" , S. 153 eher mit "Wer nichts tut, fehlt nicht" übersetzt und nicht wie im Buch angegeben mit "Wer nichts tut, macht auch keine Fehler". Das ändert zwar den Sinn der Aussage nicht, paßt aber m. E. besser.
Ich erkenne übrigens jetzt schon, daß das für mich ein Buch zum Mehrfachlesen ist. Ich neige momentan dazu, immer schneller zu lesen, weil es mir sehr gefällt und weiß, ich muß nochmal dran, um die Feinheiten genießen zu können. Aber das ist ja eigentlich nichts Schlechtes
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Zitat
Original von Iris
Autsch, da habe ich mich mistverständlich ausgedrückt! Die Umbettung von der Portiuncula in die Basilika hat stattgefunden, allerdings heimlich, um den Leichnam vor Reliquienräubern zu schützen, wegen derer man die kleine Kapelle offenbar unentwegt bewachen mußte. Das Grab blieb versteckt, wurde 1818 (glaube ich) dann aber entdeckt.Fragt sich also lediglich, wie zuverlässig die Angabe Mai 1230 für die Umbettung ist, die ich in etlichen Websites gefunden habe und auf Basis welcher Dokumente man das im Nachhinein herausgefunden hat.
ZitatOch komm! Zwei hübsche junge Menschen in zwei verschiedenen handlungsfäden -- was schließt du daraus?
Na ja, daß ich eigentlich einfach noch nicht schließen will! Da ich aber Amata keinen Vaterkomplex wünsche... kann ich mit diesem Schluß leben, so lange mir die Love Story nicht in epischer Breite dargelegt wird.
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Zitat
Original von Kalypso
Eigentlich wollte ich dieses Buch ja nicht lesen, aber gerade solche Figuren liebe ich nahezu.
Ich werde diese Minirunde jedenfalls im Auge behaltenKalyyyyyyyyyyypso... einkaufen, marsch, marsch.
Das ist eindeutig ein Kalypso-Buch (meine Meinung nachdem ich jetzt mehr als die Hälfte schon gelesen habe) und bis zu Deinen geplanten Neukäufen bei den Neuerscheinungen ist doch noch ein bißchen Zeit, oder nicht?
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Zitat
Original von Pelican
Kalyyyyyyyyyyypso... einkaufen, marsch, marsch.Ist ja schon gut - es steht bereits auf der Liste!
ZitatOriginal von Pelican
.... und bis zu Deinen geplanten Neukäufen bei den Neuerscheinungen ist doch noch ein bißchen Zeit, oder nicht?Damit liegst du goldrichtig, denn ich habe nur noch 400 Seiten vom "Caesar" vor mir und dann fast nichts mehr zu lesen. Bis zu den geplanten Neuerscheinungen brauche ich unbedingt noch Stoff zur Überbrückung
Viele Grüße
Kalypso -
Unterwegs nach Assissi erzählt Amata Conrad vom Schicksal ihrer Familie. Ein Bauer nimmt sie ein Stück des Weges mit, und sie beziehen im Kloster von Gubbio auf Drängen des dortigen Abtes Quartier. In Gubbio begegnen sie anderntags dem Büßer Jacopone; außerdem schließt sich ihnen der angehende Novize Enrico an.
O wei, es wird doch etwas "amerikanisch": Mittelalter à la Wild Wild West. Sooo einfach war es nun doch nicht, eine adlige Familie auf ihrem Stammsitz auszulöschen, dafür war die Gesellschaft zu überschaubar und die Lehnsverhältnisse zu deutlich strukturiert. Diese Aktion wäre niemals folgenlos geblieben!
Auch die moralischen Zustände in Sant' Ubaldo sind ein ziemlicher Anachronismus. Es ist richtig, daß im späten 15. und 16. Jh. reiche Klöster als luxuriöse Bewahranstalten für die überzähligen Kinder des Adels auch aufgrund des allgemeinen Rückgangs der religiösen Rückbindung ziemlich lockere Sitten herrschten -- das für das 13. Jh. anzunehmen, ist ziemlich dreist.
Es ist richtig, daß konkurrierende Orden einander mit allen Mitteln der Rhetorik bekämpften und vor Verleumdung nicht zurückschreckten; aber obwohl Rauch meist auch Feuer anzeigt, verbirgt sich nicht hinter jeder grauen Fahne ein Steppenbrand.
Warum Jacopone nicht in italienischer Schreibweise gedruckt wird (Giacopone), ist mir ebenfalls schleierhaft.Man erfährt zwar viel in diesen Kapiteln, aber ohne gute Kenntnisse über die Welt des 13. Jhs. wird man ziemlich desinformiert. Ich weiß nicht, ob man das dem Autor wirklich anlasten kann (in den USA herrschen außerhalb einige Fachinstitute an renommierten Universitäten über die Zeit vor dem Sezessionskrieg und vor allem über die europäische Geschichte ziemlich "phantastische" Vorstellungen), aber dennoch finde ich solche anchronistischen Verallgemeinerungen reichlich krude. Man meint, die rettenden Reformatoren aus dem nächsten Busch hüpfen zu sehen, und es ist deutlich zu spüren, daß Sack zumindest die Spiritualen als Vorläufer der Reformationsbewegung ansieht.
Vielleicht kam es mir deshalb vor, als hätte dieser Teil trotz meist kluger Dialoge auch die eine oder andere Länge ...
Das schiebe ich aber nicht "Beschreibungen" -- irgendwie funktioiert die Figurenführung in diesen Kapiteln nicht, und die geschilderte Faustrechtgesellschaft wirkt auf mich unglaubwürdig. -
Zitat
Original von Iris
O wei, es wird doch etwas "amerikanisch": Mittelalter à la Wild Wild West. Sooo einfach war es nun doch nicht, eine adlige Familie auf ihrem Stammsitz auszulöschen, dafür war die Gesellschaft zu überschaubar und die Lehnsverhältnisse zu deutlich strukturiert. Diese Aktion wäre niemals folgenlos geblieben!Tststs, erst stiftet sie mich an "Ich, Claudius, Kaiser und Gott" zu schauen und dann nennt sie so etwas amerikanisch... Du könntest auch sagen, da ging's zu wie bei den alten Römern und das glaubst Du nun doch nicht!
ZitatWarum Jacopone nicht in italienischer Schreibweise gedruckt wird (Giacopone), ist mir ebenfalls schleierhaft.
Das habe ich mich auch schon gefragt.
ZitatMan meint, die rettenden Reformatoren aus dem nächsten Busch hüpfen zu sehen, und es ist deutlich zu spüren, daß Sack zumindest die Spiritualen als Vorläufer der Reformationsbewegung ansieht.
Vielleicht sieht der Autor diese Anachronismen aber auch als notwendige Übertreibungen, um den Streit zwischen Konventualen und Spiritualen erklären zu können (auch wenn's so nicht richtig ist).
ZitatVielleicht kam es mir deshalb vor, als hätte dieser Teil trotz meist kluger Dialoge auch die eine oder andere Länge ...
Das schiebe ich aber nicht "Beschreibungen" -- irgendwie funktioniert die Figurenführung in diesen Kapiteln nicht, und die geschilderte Faustrechtgesellschaft wirkt auf mich unglaubwürdig.Ich denke eher, daß die Länge entsteht, weil man sich fragt, was Jacopone & Co. eigentlich mit der Geschichte zu tun haben.
Wenn Du Dich mit Faustrechtgesellschaft auf die Auslöschung dieser Adelsfamilie beziehst, ist der Grund wohl einfach Amata als armes, vom Schicksal völlig unverdient und unschuldig geplagtes Mädchen darstellen zu wollen. -
Zitat
Original von Pelican
Tststs, erst stiftet sie mich an "Ich, Claudius, Kaiser und Gott" zu schauen und dann nennt sie so etwas amerikanisch...
Claudius is very very British, my dear.
Außerdem tut er nichts anderes als die alte Klatschtante Sueton auszuschlachten -- das ist legitim.ZitatDu könntest auch sagen, da ging's zu wie bei den alten Römern und das glaubst Du nun doch nicht!
Nein, Wilder Westen ist eine andere Form der Anarchie (äußerst prägend für das Verhältnis der Landbevölkerung zu "Staat" an und für sich) als die "Zuständen im Alten Rom", die eher US-amerikanische Vorstellungen von Europa wiedergibt.ZitatVielleicht sieht der Autor diese Anachronismen aber auch als notwendige Übertreibungen, um den Streit zwischen Konventualen und Spiritualen erklären zu können (auch wenn's so nicht richtig ist).
Ich fürchte eher, es ist der nächste typische Amerikanismus: In Punkto "Religion" ist alles, was nicht Reformation ist, grundsätzlich schlecht, korrupt, böse. Zum Katholizismus habe viele US-Amerikaner ein gestörtes Verhältnis, das erstens an den Gründungsmythen über die Pilgerväter liegt, zweitens an den territorialen Auseinanderstzungen mit Spanien bzw. später Mexiko, drittens am Sezessionskrieg und viertens an der notorischen Angst vor Überfremdung durch die (ärmeren) Latinos (wobei hier auch wieder der puritanischen Prädestinationsglaube greift und die in vielen Köpfen geisternden Vorstellungen eines bevorstehenden Armageddon).Entweder glaubt Sack wirklich, daß Franziskus ein Vorreiter der Reformatoren war oder er sieht keine andere Möglichkeit, seinen Landsleuten erklärlich zu machen, daß die Spiritualen unter den franziskanischen Minderbrüdern doch Gute sind, die das Richtige wollen.
ZitatIch denke eher, daß die Länge entsteht, weil man sich fragt, was Jacopone & Co. eigentlich mit der Geschichte zu tun haben.
Naja, das wird ja doch schon sehr früh ausreichend angedeutet. Diese Welt ist sehr klein, es geht ja auch nur um ein paar Ortschaften in der Toskana/Umbrien.ZitatWenn Du Dich mit Faustrechtgesellschaft auf die Auslöschung dieser Adelsfamilie beziehst, ist der Grund wohl einfach Amata als armes, vom Schicksal völlig unverdient und unschuldig geplagtes Mädchen darstellen zu wollen.
Es gibt aktuell im Historischen Roman zwei extrem bevorzugte Frauentypen: die patente Cinderella und den schlauen Rosenkavalier (ein typisch deutsches Literaturphänomen). Amata ist eine Cinderella.Daß sie das Leben einer Ehefrau dem einer Nonne vorzieht, ist komplett unglaubwürdig: Als Nonne hatte sie damals weitaus mehr Unabhängigkeit und vor allem das Recht, selbst über ihren Körper zu bestimmen. Bis weit in die Neuzeit hinein waren gerade Frauenklöster als Lebensform (und auch als Arbeitgeber) so begehrt, daß sie vollständige Mitgiften als Eintrittsvoraussetzungen verlangen konnten. Ehe und Familie galten für Frauen als Schicksal, oft biblisch als Sühne für Evas Schuld begründet -- keineswegs als erstrebenswert wie heute. Das sind sehr junge, bürgerliche Vorstellungen!
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Nachdem wir Orfeo ein Weilchen auf seiner Reise mit dem Papst nach Venedig begleitet haben, geht es wieder um unsere Wanderer. Amata versucht den jungen Novizen Enrico zu verführen, indem sie ihm die Geschichte von Alibech und Rustico aus Boccaccios Decamerone (3,10, s.u.!) erzählt; die Wanderer werden überfallen, dabei kommt Enrico ums Leben, und Conrad wird klar, daß seine Mission gefährlich ist. Sie erreichen Assissi.
In diesem Teil ist hübsch was los!
Was Amatas Verhalten angeht, sagte ich ja schon, daß diese Figur eine anachronistische Identifikationspuppe für die heutige Leserin ist. Mich nervt sie kollossal.
Enrico erweist sich als "Katalysator", ich weiß aber nicht, ob es sinnvoll war, dafür eine Figur einzuführen, die keine 30 Seiten lang aufgebaut wird, um dann zu sterben -- das die Enthüllung um Jacopone hätte man m.A.n. auch geschickter darstellen können.
Ansonsten gab es zahllose liebenswürdige Details z.B. alter Glaubensvorstellungen wie der, daß die Gegenwart des geheiligten Brotes einem sakralen Gebäude Schutz verleihe.
Was die "Franciscan Conspiracy" angeht, kommen wir nicht weiter, wohl aber scheint Fra Bonaventuras Arm sehr weit zu reichen, wenn er die benediktinischen Brüder von Sant' Ubaldo zu Überfällen auf Reisende veranlassen kann. -
Ausschnitt aus der Amazon-Rezi:
"Noch etwas hat Sacks Buch mit den Thrillern von Brown gemein: Auch Im Zeichen der Seraphim ist auf berauschende Art und Weise gut recherchiert -- so gut, dass man manche Ungereimtheit dafür gern in Kauf nimmt. Mystery meets History: Eine Kombination, die bei Im Zeichen der Seraphim hundertprozentig überzeugt"
Um Dan Brown habe ich bisher einen weiten Bogen gemacht, da mir solche Literatur einfach nicht liegt.Also werde ich erst einmal auf euer endgültiges Urteil warten...
Viele Grüße
Kalypso -
Diese Besprechung zeigt deutlich, daß der Rezensent entweder Sakrileg oder Im Zeichen der Seraphim nicht gelesen hat -- oder sogar beide nicht. Dan Browns Romane sind krude Kolportage in Salamitechnik auf der Basis abgeschmackter Verschwörungstheorien, die sei dem Ende des 19. Jhs. vermehrt aufgekommen sind.
John Sacks Roman hat definitiv Schwächen -- typisch amerikanische Schwächen, was die historischen Aspekte angeht, aber der Vergleich mit Dan Brown ist kompletter Quark. So sehr hat sich nicht mal der Verlag an diesen Verschwörungstrend gehängt.