Christoph Hein - Landnahme

  • Klappentext (der Bertelsmann-Ausgabe):


    Christoph Hein erzählt die Lebensgeschichte Bernhard Habers über fast 50 Jahre aus der Sicht und mit den Stimmen von fünf Wegbegleitern. Es ist der Lebenslauf eines Außenseiters in der Provinz, der mit der großen Geschichte scheinbar nichts zu tun hat und doch ihren Verlauf von der Nachkriegszeit bis zur Jahrtausendwende exemplarisch spiegelt.


    "Wenn er mich minutenlang ansah und dann meine Hand nahm, bekam ich sofort ein Fell, denn alle meine Härchen auf meinem Arm standen augenblicklich aufrecht. Er blickte einen unverwandt und freundlich in die Augen, und auf der Stelle roch ich diesen Geruch, er verströmte einen Duft von Kraft und Entschlossenheit"


    "Endlich, der große Deutschlandroman: Christoph Hein hat mit Landnahme das Buch geschrieben, auf das in der Wendezeit so heftig gewartet wurde. Seine Geschichte des fiktiven Orts Guldenberg zeichnet ein Sittenbild des exemplarischen Sachsen" (TAZ)


    "Literatur im besten Sinne. Es ist das pralle Leben darin, alles Tragische und Komisches auch, Emotion und Nachdenklichkeit. Der Roman zeigt nur einmal mehr: Christoph Hein gehört in die erste Reihe der großen deutschen Erzähler der Gegenwart" (Süddeutsche Zeitung)


    Über den Autor: (Quelle: Perlentaucher)
    Christoph Hein, geboren 1944 in Heinzendorf/Schlesien, aufgewachsen in Döbeln/Sachsen, konnte als Pfarrerssohn in der DDR das Abitur nicht ablegen. Er besuchte deshalb - vor dem Mauerbau - ein Gymnasium in Berlin (West). Nach dem Mauerbau arbeitete er in verschiedenen Berufen und studierte. Hein hat zahlreiche Romane, Novellen, Erzählungen, Theaterstücke und Essays veröffentlicht und ist mit renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet worden.



    Meine Meinung:
    Es geht um Bernhard Haber, der als Junge nach dem Krieg als Vertriebener mit seinen Eltern nach Guldenberg kommt. Sein Leben wird von fünf Personen geschildert:


    Thomas Niclas, sein Banknachbar in der Schule,
    Marion Demutz, die 3 Jahre seine Freundin war bis zum Ende der Ausbildung,
    Peter Koller, der mit ihm "Geschäfte" gemacht hat
    Katharina Hollenbach, deren Schwester er schließlich geheiratet hat
    Sigurd Kitzerow, sein Freund und Nachbar, als er zu den einflußreichsten Bürgern Guldenbergs gehört


    Aus diesen Perspektiven erfährt man, wie aus dem vertriebenen Jungen, der aufgrund seiner Herkunft gehetzt und beschimpft wurde, aufgrund seiner Starrsinnigkeit, es ihnen allen zu zeigen, schließlich einer der einflußreichsten Bürger des Orts wurde. Und er fand heraus, dass es ein anderer Bürger Guldenburgs war, der seinen Vater und seinen Hund ermordet hat. Belächelt als Sohn des einarmigen Tischlers, in der Schule eher schlecht als recht durchgeschleust, in den ersten Jahren der DDR als Agitator dabei, um die selbständigen Bauern in die Genossenschaft zu treiben.


    Für mich eine eindrucksvolle Schilderung, wie Vertriebene sich gefühlt haben müssen in der damaligen DDR, ebenso, wie aus einem Nichtsnutz doch etwas werden kann, wie Korruption auf diesem Weg hilft.


    Gut zu lesen, aber nicht unbedingt für eben mal so.

  • Darauf warte ich auch, bzw. darauf, dass ich es aus der Bücherei ausleihen kann. :wave


    Ich fand die Lesung so klasse, dass ich Landnahme einfach mitnehmen musste, als ich es als reduziertes HC gefunden hab. Und ich wurde nicht enttäuscht :-)

  • Leider war ich von Heins " Landnahme " etwas enttäuscht! Von der TAZ wurde das Buch hochgelobt als " Deutschlandroman, auf den man seit der Wende gewartet hat ". Dafür fand ich die Gewichtung der einzelnen Abschnitte der geschilderten Zeit von 1950 bis ca. 1995 zu unausgegoren. Manche Zeiträume werden sehr breit ausgewalzt wie z.B. die Erzählung Kollers über seinen Weg bis zur Fluchthilfe, und oft habe ich mich gefragt, was das eigentlich mit der zentralen Person des Bernhard Haber zu tun hat, von einer rein handlungsbedingten Verbindung mal abgesehen. Das Ende des Buches nach der Wendezeit kam mir zu abrupt; liegt es daran, dass Hein im Westen lebt und sich in die ostdeutsche Befindlichkeit nach 89 nicht so richtig einfühlen kann?
    Schade, ich hatte mir mehr davon versprochen!

  • Im Zuge der Alt-SUB-Beräumungsmaßnahme bin ich auf dieses Buch gestoßen und habe es völlig regelwidrig gleich durchgelesen.


    Dabei halte ich dieses Buch keineswegs für den Deutschlandroman, im Gegenteil, eher hatte ich den Eindruck, dass dieses wirklich spannende Thema, Vertriebene in der DDR, verschenkt wurde.
    Das mag an der gewählten Perspektive liegen: fünf "Weggefährten" schildern den Protagonisten Bernhard Haber aus ihrer Sicht, angefangen in seiner Kindheit bis zu seinem Leben als angesehener, wohlsituierter Bürger in der sächsischen Kleinstadt. Dummerweise hat keiner dieser Erzähler eine wirklich tiefe Beziehung zum Helden, weshalb dieser merkwürdig hölzern bleibt, ein Abziehbild, dessen Motive für sein Handeln zwar erklärt werden, aber dennoch nicht so richtig nachvollziehbar sind.


    Da die Geschichte aus der Sicht eher einfacher Leute erzählt wird, ist auch die Sprache sehr schlicht bis hin zu einer konsequenten Vermeidung des Konjunktivs und einer recht unorthodoxen Verwendung der verschiedenen Zeiten. Das sollte wohl authentisch wirken, nur leider ist dadurch die literarische Qualität der Lektüre eher bescheiden.


    Auch die Schilderung einer Kleinstadtdynamik in der frühen DDR kommt über Gemeinplätze nicht hinaus: man verachtet die Vertriebene und sorgt sich über die Länge, oder eher Kürze, der Röcke der Mädchen. Jaja, so stellt man sich die fünfziger Jahre vor.


    Auch dieses war also mal wieder ein Buch, dass man zwar ziemlich gut weglesen kann, dass einen aber am Ende etwas unbefriedigt zurücklässt

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)