Offene Fragen ...

  • Angel hat in der Leserunde zur Silberschmiedin folgende Frage aufgeworfen:


    Zitat

    Original von Angelcurse
    Muss ein gutes Buch so geschrieben sein, dass eigentlich keine Fragen für einen selbst auftauchen, die nur der Autor selbst/ andere Leser beantworten können? Ich meine, dass man sich Fragen während des Lesens stellt ist schon klar und soll ja auch so sein - nur dass Fragen offen bleiben am Ende des Buches (oder auch während des Weiterlesens), muss das sein? Stört euch das?


    (Original)


    Die ich jetzt mal einfach so in den Raum werfe -- als Leser/in und als Autor/in an Leser/innen und Autor/innen.

  • Ich persönlich mag Bücher, die mich nach Beenden etwas ratlos zurücklassen...Ein offener Schluss ist mir tausendmal lieber, als ein eindeutiges Ende. Am schlimmsten finde ich ein Happy End!
    Denn danach lege ich das Buch weg und muss eigentlich nicht weiter drüber nachdenken, was ja zwischendurch mal ganz nett sein kann, aber ich erwarte von einem Buch, dass es mich da abholt, wo ich grade stehe, ein Stück mitnimmt um mich dann irgendwo ratlos wieder auszusetzen, so dass ich mich anstrengen, mir Gedanken machen muss. Und das gewährleisten für mich meist die Bücher, die Fragen offen lassen.

  • Für mich müssen auf jeden Fall Fragen offen bleiben. Hat Platon doch schon so gemacht. Oder aktueller: "Der Unberührbare" von John Banville, da sind Grisel und ich immer noch am denken. Wenn ich am Ende keine Fragen mehr hab, dann ist das wahrscheinlich eins von den Büchern, die mir auch nicht lange im Gedächtnis bleiben, während ein Buch, bei dem Fragen offenbleiben, mir noch lange im Kopf herumspukt. :wow

  • ... und liefere auch gleich meine Antwort dazu:


    Ich brauche offene Fragen am Ende eines Buches, denn offene Fragen sind Denkanstöße. Sie nehmen Einfluß auf mein Leben, sie helfen mir, mein Leben zu gestalten.
    Wenn ich ein Buch am Ende der Lektüre zuklappe, und es hocken dann keine Fragen irgendwo in meinem Inneren und nagen und bohren, dann war es für mich vergeudete Zeit. Dann habe ich in dieser Zeit eigentlich z.B. nur zugeschaut, wie etwas geschieht, war Voyeur, auch wenn es noch so unterhaltsam war. Dann ist der Kaugummi am Ende fadgekaut, wird ausgespuckt. Getonnt.


    Oder um Selims kluge Wort zu zitieren:

    Zitat

    Original von Selim
    Ich glaube ja, daß die guten Texte, die man irgendwie hinkriegt, schlauer sind, als man selber und somit einen auch überraschen können. Manchmal schreibt man mehr rein, als man vorhatte oder wollte oder einem bewußt war.
    Und gleichzeitig finde ich das nicht so wahnsinnig wichtig, auch deswegen, weil ich persönlich keine Bücher mag, die eine deutlich erkennbare Intention haben. Wenn es keine Absicht in Sinne einer Botschaft oder Lehre oder Moral oder sonstwie gibt, dann ist es nicht weiter tragisch, wenn der eine oder andere das eine oder andere nicht versteht. Autor mitinbegriffen.

  • Bei mir kommt das auf das Buch an....


    aktuell bei der Mansarde bleiben tausend Dinge ungesagt oder offen, es stört mich aber nicht, sondern es regt mich an mir meine eigenen Gedanken zu machen.


    Ohne, daß ich jetzt ein akutelles Beispiel nennen könnte, stört es mich bei Krimis oder Thrillern massiv, wenn gewisse Dinge ungeklärt bleiben oder einfach unlogisch erscheinen. Offene Fragen in der Handlung eines Krimis oder Thrillers empfinde ich immer als Logikfehler oder undurchdachte Schreibweise.

  • BJ, ich meinte nicht Fehler in der Dramaturgie, Brücher in der Charakterzeichnung oder ähnliches. Ich meinte wirklich das Gefühl, daß einen nach dem Lesen Fragen beschäftigen, die das Lesen aufgeworfen hat.


    Das muß gar nichts Großes sein, und ich mache das auch nicht an einem glücklichen oder tragischen Ende fest. Es gibt viele "happy endings", die eigentlich keine sind, und tragische Enden, die aus dem Text heraus wie eine Erlösung wirken (da fällt mir sofort Jan Costin Wagners Eismond ein).


    Z.B. wenn ich mir nach Feuchtwangers Jüdin von Toledo die Frage stelle, ob sich denn seit damals in den entscheidenden Problemen, die angesprochen wurden, wirklich viel geändert hat? Wie gehen wir heute mit Aufhetzung um?

  • Welche Aufgabe hat die Literatur?


    Huh, ein Riesenthema, aber ich möchte auch nur einen Ausschnitt davon unter die Lupe nehmen.
    Meiner Meinung nach hat Literatur u.a. die Aufgabe, Fragen zu stellen. Möglichst Fragen, die vorher noch nicht bekannt waren, Fragen, die etwas Feststehendes "in Frage stellen".
    Jeder, der liest, denkt auch. Warum also soll ein Autor einem denkendem Leser Antworten geben, die er sehr gut auch allein und für sich passend finden kann?

  • meine antwort ist ja. und nein.


    es gibt bücher, da wäre alles andere als ein offenes ende falsch. über antje rávic strubels "tupolew 134" habe ich ja schon an anderer stelle rhapsodiert. aber in diesem roman werden die fragen selbst ja zum thema, respektive die unmöglichkeit, die wahrheit an sich zu finden, wird es.
    wenn ein roman mir allerdings "nur" ein bis drei geschichten erzählen will, dann will ich auch, dass die erzählt werden. klar ist es schön, wenn ich sie mitdenken kann und das ganze nicht zur abendunterhaltung für einschlafunwillige missrät. soll heißen: ich will die geschichte(n) weiterdenken, nicht zu ende.


    schöne grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Das kommt für mich ganz aufs Buch an. Wenn offene Fragen offen bleiben, weil der Autor offenbar keine Lust hatte, sich Gedanken darüber zu machen, finde ich das etwas billig. (So gesehen zB bei Hohlbeins "Das Siegel" oder Sheas "Das Kreuz und die Laute")
    Ansonsten kann ein Buch für mich durchaus ein offenes Ende haben oder, Banville ist wirklich ein gutes Bsp., ungeklärte Fragen hinterlassen. Aber der Leser sollte eine Chance haben, für sich durch Überlegen oder Diskutieren mit anderen zu einer oder mehreren Antworten zu kommen. Genau das macht ja den Reiz mancher Bücher aus.

  • Das kommt immer auf den Einzelfall an. Ich darf nur nicht das Gefühl haben, der Autor habe vergessen, ein paar Enden miteinander zu verknoten.


    Manchmal ist es spannend, noch darüber zu sinnieren, welches Ende die Story wohl genommen haben könnte - dann hat der Autor gute Arbeit geleistet.


    Ist es aber so, daß man das Gefühl hat, irgendwas wäre zu kurz gekommen, irgend was würde fehlen - dann ist beim Buch etwas schiefgegangen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Mhmm... da wird ja von einem "guten Buch" gesprochen.


    An und für sich mag ich es, wenn ein Buch/Geschichte in sich rund ist und zu einem Abschluß kommt, und sei es nur "er ritt dem Sonnenuntergang entgegen, nachdem alles gesagt, alles getan war, was notwendig erschien".


    Aber stöbert ein Buch in mir Fragen auf, die mit mir zu tun haben, mit meiner Sicht, meiner Einstellung zu etwas, dann ist es für mich erst ein "gutes Buch".


    Eigentlich ist das Grund, warum ich lese.


    Aber irgendwie paßt das wohl nicht hierher?


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Wenn das Buch kein ordentliches Ende, keinen richtigen Abschluss hat, wenn am Schluss noch irgendwelche Fragen aufgeworfen werden, dann bin ich meist unzufrieden!
    Ich mag es, wenn ein Buch am Schluss konkret wird :] !!
    Wenn ich nicht weiß, wie es weitergeht, dann werde ich nervös und das mag ich überhaupt nicht! :-(
    Es muss auch kein Happy End sein! Einfach irgendwas, wo ich weiß, woran ich bin *lol*


    + Wenn du dich ein Leben lang versteckst, findest du dich irgendwann gar nicht mehr +
    (aus Sommersturm)

  • Die Thematik der Geschichte/ des Buches ist für mich das Entscheidende.


    Bei einem Krimi oder Thriller würde ich richtig wütend werden, wenn nicht alles am Ende aufgedeckt wäre.
    Geht es ein wenig ins Drama oder philosophische über, wie z. B. beim "Das Buch der Illusionen" von Paul Auster", dann finde ich das Nachdenken über verschiedene Möglichkeiten für den Ausgang der Story einfach ideal.
    In Büchern, wie z. B. Nora Roberts sie schreibt, gibt es ja immer das sogenannte Happy End. Bei dieser Art Buch finde ich es passend.
    So hat jeder Roman, jede Geschichte am Ende einen anderen Blickwinkel. Es gibt entweder Happy Ends (kitschige oder ernstere) oder der Leser beschäftigt sich mit möglichen phantasiegefüllten Varianten des Ausgangs der Geschichte.

  • Eine interessante, aber auch persönliche Geschmacksfrage denke ich.


    Für mich mache ich es kurz und bündig: Fragen dürfen bleiben, das Ende darf offen sein, aber bei bedrückenden Büchern wünsche ich mir, dass mir als Leser die gedankliche Möglichkeit einer positiven Lösung/eines guten Ausgangs bleibt.

  • Zitat

    Original von Angelcurse
    Muss ein gutes Buch so geschrieben sein, dass eigentlich keine Fragen für einen selbst auftauchen, die nur der Autor selbst/ andere Leser beantworten können? Ich meine, dass man sich Fragen während des Lesens stellt ist schon klar und soll ja auch so sein - nur dass Fragen offen bleiben am Ende des Buches (oder auch während des Weiterlesens), muss das sein? Stört euch das?


    Ratlos in dem Sinne, dass der Autor etwas weiß, mir aber die entscheidende Information vorenthält, will ich nicht zurückgelassen werden. Zum Denken angestoßen werden – ja. Manche Antworten kann ich als Autorin dem Leser gar nicht geben. Ich lebe schließlich nicht sein Leben.
    Offene Fragen, oder nicht – es muss zum Buch passen.


    Liebe Grüße
    Solas :write

  • Ich mag auch Bücher, bei denen Fragen aufkommen. Denn ohne diese, wäre ja jede Leserunde recht langweilig. Gerade wenn Fragen aufkommen in einem Buch, setzt man sich auch mehr damit auseinander. Zumindest geht es mir so. Und ich finde es auch immer gut, mit anderen diese Fragen zu erörtern. Also ein Buch, bei dem alles vollkommen scheint und gar keine Unklarheiten, Fragen oder so aufkommen, fände ich persönlich sehr langweilig und darüber würde ich wohl auc h nicht mehr lange nach dem Lesen des Buches nachdenken :-)

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

  • Mmm....... Es kommt ganz darauf an.


    Wenn ein ganz offenes Ende besteht mag ich es nicht, aber wenn ein paar Fragen aufkommen (zum Beispiel, ob sie ihr Ziel erreicht, ob sie doch zusammenkommen, usw) mag ich das schon, so kann ich mir zusammenträumen, wie ich es gerne hätte. (Und ich hoffe, das es vielleicht einen zweiten Teil gibt).

  • ich mag keine bücher,die am ende noch ungelöste fragen haben.
    bei büchern ,die allerdings eine fortsetzung haben , finde ich es gut , wenn zusätzliche fragen offen bleiben .