Leseprobe
"Als Myk still im Mondenschein seinem Leib den Geist für immer entzog, führte sein Sohn Ogam seine Sammlung fort.
Er lockte aus den Südwüsten jenseits des Eldbergs den Löwen Gules, der mit seinem Fell von der Farbe eines Königsschatzes so manchen Unvorsichtigen zu unüberlegten Abenteuern verführt hatte. Vom kosigwarmen Herdplatz einer Hexe außerhalb Eldwold stahl er die große schwarze Katze Moriah, deren Kenntnisse an Zaubersprüchen und Beschwörungen einst in ganz Eldwold berühmt gewesen waren. Der blauäugige Falke Ter, der die sieben Mörder des Zauberers Aer in Stücke gerissen hatte, schoss wie ein Blitz aus dem Himmel auf Ogams Schulter hinab. Nach einem kurzen, aber heftigen Geisteskampf, da blaue in schwarze Augen starrten, lockkerten sich die schmerzhaften Krallen. Der Falke nannte seinen Namen und beugte sich Ogams überlegener Macht.
Mit einem schiefen, harten Lächeln, einem Erbteil seines Vaters Myk, rief er eines Tages auch die älteste Tochter des Lords Horst von Hilt zu sich, als sie zu nahe am Berg vorbeiritt. Sie war eine kindhafte, zarte Frau von großem Liebreiz, die sich vor dem Schweigen und den wundersamen Tieren fürchtete, die sie an die Bilder auf den Gobelins in ihres Vaters Haus erinnerten. Auch vor Ogam mit seiner verborgenen stillen Macht und seinen rätselvollen Augen fürchtete sie sich. Sie gebar ihm ein Kind - und starb. Unerklärlicherweise war das Kind ein Mädchen. Es dauerte eine beachtliche Weile, bis Ogam sich von diesem Schock erholte und seiner Tochter den Namen Sybel gab."
Die Zauberin Sybel hätte wohl einfach familiäre Tradition des Sammelns magischer Tiere fortgesetzt, wäre nicht eines Tages der jüngste Sohn des Hauses Sirle vorbeigekommen, um ihr ihren Neffen Tamlorn aufzudrängen, den Erben des Königs von Eldwold. So wird Sybel in den Kampf um die Macht in Eldwold einbezogen, und sie lernt Tamlorn lieben wie ein eigenes Kind, und sie verliebt sich in Coren, doch der will Tamlorns Vater um jeden Preis töten.
Sie muss erkennen, dass ihre Verbindungen zu anderen sie angreifbar machen, so verletzbar, dass sie fast sich selbst verliert. Das lässt sie auf Rache sinnen, und Rache braucht weltliche Macht, und so spielt sie die Parteien gegeneinander aus, bis sie am Ende ganz knapp davor steht, alles zu verlieren, ihre Tiere, Coren, Tamlorn, und sich selbst.
"The Forgotten Beasts of Eld" erschien 1974 und gewann den gerade aus der Taufe gehobenen World Fantasy Award (gut, das ist typisch amerikanisch, sich für die ganze Welt zu halten. Aber die können auch über den Tellerrand gucken, in den 80ern wurde Patrick Süsskinds Roman "Das Parfüm" mit dieser jährlich vergebenen Auszeichnung bedacht).
Ich habe McKillip immer dafür geliebt, wie märchenhaft ihre Geschichten daherkommen. So ist Coren von Sirle natürlich nicht nur ein Prinz, sondern auch der siebte Sohn eines siebten Sohnes - natürlich sieht so einer die Welt anders als seine prosaischen Brüder, die bloß die Macht in Eldwold erringen wollen. Und der erweckt ein magisches Dornröschen für die Welt - nur sind weder Sybel noch die Welt darauf vorbereitet. Weshalb am Ende alles auf dem Spiel steht. Aber in einer überraschenden Weise gut ausgeht - schließlich sind wir hier im Märchen!
Vorsicht: Diese Geschichte hat eine Moral!