Sind Kritik am Text und Kritik an der Person trennbar?

  • Zitat

    Original von Tom
    Obwohl ich früher gegenteiliger Meinung war, halte ich die Behauptung, eine Kritik an einem Text würde sich nicht gegen den Autor richten, inzwischen für Quatsch mit Soße. Anders gesagt: Wer einen Text verreißt, verreißt auch den Menschen dahinter - als Autor. Und ein Autor ist eben auch ein Mensch. Deshalb ist negative Kritik immer verletzend. Da kann man nichts machen, und das muß man wissen, bevor man mit Texten an die Öffentlichkeit geht. Denn "Dies ist ein Scheißtext" heißt immer auch: "Du bist ein Scheißautor."


    Ich finde das Thema sehr interessant und wollte es deswegen loslösen von einem eingestellten Text.


    Tom, "Dies ist ein Scheißtext" muss doch nicht zwangsläufig auf "Du bist ein Scheißautor" hinauslaufen. Jeder kann einen Scheißtext fabrizieren, die Kritik am Text heißt doch in vielen Fällen auch: "Das kannst Du besser machen, wenn Du die und die Fehler vermeidest."
    Wenn ein Autor soweit kommt, daß er Kritik annehmen kann, sich nicht gleich persönlich angegriffen fühlt und dadurch tatsächlich aus dem Scheißtext einen guten Text machen kann, dann kann das auch heißen "Du bist ein Autor, der zwar einen Scheißtext abgeliefert hat, aber daraus lernt."


    Gruss,


    Doc

  • Ups. Das wollte ich nicht. :-)


    Wenn jemand über einen (veröffentlichten oder zur Diskussion gestellten) Text dieses - in der Threadüberschrift genannte - Urteil fällt, steht die genannte Implikation immer zumindest im Raum. Denn wer sonst sollte einen Scheißtext verfassen als ein Scheißautor? Mag sein, daß das Urteil (später) falsifiziert wird, aber ebenso, wie jemand, der einen guten Text abgeliefert hat von denjenigen, die den Text als gut empfinden, für einen guten Autor gehalten wird/werden darf, muß der Umkehrschluß zumindest in Erwägung gezogen werden. Es scheint mir - obwohl das Beispiel von mir stammt - nicht nötig, die zitierte Titulierung zu wählen, aber inhaltlich dürften auch ihre Abschwächungen zum gleichen Ergebnis führen.

  • Also ich denke, das man natürlich verletzt ist wenn man gesagt bekommt, Das ist ein Scheißtext! Aber ob unbedingt der Autor auch scheiße ist, denke ich nicht.
    Man lernt aus seinen fehlern und kann sich verbessern. Dem einen fällt es schwerer dem anderen leichter.
    Ich kann da nur von Stephen King, Schlaflos erwähnen. Ein absolut besch... Buch! Aber trotzdem ist Herr King einer der besten Schriftsteller, jeder verreißt Texte, jeder macht viele Fehler, aber der Mensch ist deswegen nicht unbedingt ein schlechter Autor.

  • In dem Moment aber, wo die Sache mit dem "Scheiß-Text" ein zweites oder gar drittes, viertes, fünftes...hundertstes Mal passiert, wird sich der Verfasser höchstwahrscheinlich denken "Ich bin eben ein Scheiß-Autor."


    Und da jeder Autor davor doch die größte Angst hat, denkt er sich vorsorglich beim ersten Mal schon "Ich bin ein Scheiß-Autor", träfe oben beschriebenes Schreckensszenario ein, würde es ihn wenigstens nicht eiskalt erwischen, oder?


    LG von der hobbypsychologisierenden Sarah

  • gut, dann setz ich das auch hier rein:


    also, wenn der koch in dem wirtshaus, in das ich gehe, nicht kochen kann, dann ist er zwar wahrscheinlich ein scheißkoch, aber vielleicht doch ein total liebenswerter mensch. vielleicht wollte er ja nicht koch werden und wurde von seinen eltern gezwungen, das lokal zu übernehmen, oder er kostet sein essen nicht, bevor er es serviert. oder aber er kennt einfach nix anderes, weil er selbst nie in gute lokale essen geht.


    vielleicht singt er aber total schön im kirchenchor. und vielleicht kann er stricken und hat lauter selbstgestrickte kochmützen zu hause. glatt und verkehrt. vielleicht arbeitet er in seiner freizeit ehrenamtlich in der hospizbewegung, engagiert sich gegen rechte recken und ist ein durch und durch guter kerl.


    die frage ist: darf ich dem koch sagen, dass das essen erbärmlich schmeckt, oder ist das unsensibel? weil ich ihn damit verletze? natürlich wird er sich kränken. vielleicht aber - wenn er fertig ist mit heulen - vielleicht belegt er dann einen kochkurs. oder er schmeißt den löffel hin und eröffnet eine strickstube und ist mir auf immer und ewig dankbar.


    die testsiegerin

  • Worauf ich hinauswollte, das war eigentlich etwas völlig anderes. Wenn immer wieder behauptet wird, man wolle nur den Text kritisieren, aber keinesfalls die Person dahinter, erliegt man m.E. (und dies ist eine extrem subjektive Einschätzung!) einem Trugschluß. Negative Kritik an einem künstlerischen Produkt, aber - liebe Testsiegerin - auch an sonstigen Erzeugnissen betrifft, trifft und verletzt immer die kritisierte Person. Das ist doch anders auch kaum möglich. Dickfelligkeit hin oder her, wer einen Text veröffentlicht, der glaubt selbstverständlich daran, einen verdammt guten Text zu veröffentlichen. Wenn die Reaktionen aber darauf schließen lassen, daß die Leser das so ganz und gar anders sehen, muß selbst jemand, der im Hochsommer Eiswürfel pißt, be- und getroffen sein. Das war eigentlich alles, was ich sagen wollte. Es hindert mich nicht daran, Texte trotzdem ehrlich zu kritisieren. Aber es sollte dem Kritikaster bewußt sein. Und dem Kritikanden erst recht. :grin

  • testsiegerin


    ich bin der meinung, das man das auf jedenfall sagen sollte, und deswegen soll man sich dann hilfe holen.
    Der Koch einen Kochkurs, die Näherin einen Nähkurs usw. deswegen sag ich ja dem einen fällt es leichter dem anderen schwerer.

  • Wenn ich eine Bekannte treffe, die ich zu dick finde, weil bei meinem Schönheitsideal dick bei einer Größe von 1,70 und einem Gewicht von 65Kg beginnt und sie mich fragt, ob ich nicht auch finde, dass sie etwas zugenommen hat, sage ich dann: "Ja echt, Du bist richtig fett geworden" oder doch lieber "zugenommen hast Du schon, aber wenn Du Dich damit unwohl fühlst, könntest Du doch.... dagegen unternehmen?


    Hat den Vergleich jetzt jemand verstanden? *mit eingezogenemgenickerwartewasdakommt*

  • Ja, einen Wink mit dem Zaunpfahl, aber ich denke das geht in eine andere Schiene, Berufe oder Hobbys gehören in eine andere Kategorie.
    Das ist ihr Leben wenn sie so dick sein möchte dann ist das ok
    aber beim schreiben kann man durch konstruktive kritik doch einiges lernen.

  • Diese Diskussion begleitet mich, seitdem ich mich mit anderen Autoren auseinandersetze - in direkter Form. Sie hat viele Nebenstränge (Was ist ein guter Text, was ist ein schlechter Text? Kann man schreiben lernen? Kann man sich maßgeblich verbessern, wenn man (zunächst) schlechte Texte verfaßt? Was ist konstruktive Kritik? Wie kann man jemandem helfen, der nicht so gut schreibt? Undsoweiter undsofort), und sie hat kein Ergebnis. Metaphern und Vergleiche helfen da auch nicht. Ein Koch, der nicht gerne kocht, wird nie ein guter Koch werden. Ein Koch, der kein besonderes Gefühl für die Zubereitung von Speisen hat, keine Originalität, kein .... Scheiße, ich will dieses Wort eigentlich nicht benutzen ... Talent hat, der wird es nicht zum Sterne-Koch bringen. Und wer schlecht kocht, ist ein schlechter Koch. Vielleicht vorübergehend, vielleicht nur in diesem Einzelfall, aber genauso wahrscheinlich ganz grundsätzlich. <tomsschulternzuckenrhythmisch> Wenn ich dem Koch sage: "Mensch, das hat aber nicht geschmeckt. Um ehrlich zu sein, ich mußte die wenigen Bissen, die ich überhaupt genommen habe, herunterwürgen." Dann sage ich: Du kannst nicht kochen. Vielleicht hast Du nur einen schlechten Tag. Aber ermangels eines Gegenbeispiels steht dieses Urteil zunächst. Wer weiß, vielleicht hätte er nicht Koch werden dürfen - oder versuchen sollen, Koch zu sein. Vielleicht ist es generell honorabel, zu versuchen, Koch zu sein, und man sollte einfach alle Menschen, die derlei unternehmen, mit gutem Willen behandeln und alleine für den Versuch loben und respektieren. Vielleicht aber auch nicht, vor allem nicht in dem Fall, wenn man den Fraß vorgesetzt bekommt und sich damit ernähren soll.
    Natürlich kann der Koch noch einen Kurs besuchen, sich in die Meisterschule begeben, jahrelang durch die Welt tingeln und in alle möglichen Töpfe schauen. Vielleicht wird er danach ein guter, vielleicht sogar ein exzellenter Koch sein. Aber wir urteilen nicht für die Zukunft, sondern in der Gegenwart.

  • In dem Fall nicht verstanden:


    Schönheitsideal als Bild für eigene, (auch geschmacksbedingte) Maßstäbe bei der Bewertung von Texten.


    "Du bist echt fett geworden", d.h. "Dein Text ist scheiße"


    "Etwas zugenommen hast Du...", d.h. "Der Text hat für mich diese und jene Mängel, aber Du könntest versuchen, dran zu arbeiten, indem Du..."

  • Hallo, Seestern.


    Zitat

    oder doch lieber "zugenommen hast Du schon, aber wenn Du Dich damit unwohl fühlst, könntest Du doch.... dagegen unternehmen?


    Das ist eine weitere Nebendiskussion unter der Überschrift "Der Ton macht die Musik" (zzgl. diverse Variationen). Wenn Deine Freundin Dich fragt, ob Du glaubst, daß sie fett ist, und Du antwortest mit einer Verniedlichung, einer Umschreibung, vielleicht sogar ausweichend, antwortest Du überhaupt nicht. Genausogut könntest Du schweigen. Du tust das, weil Du Deine Freundin nicht verletzen willst. Vielleicht verletzt Du sie durch diese sanfte Form der Unehrlichkeit noch viel mehr - oder setzt sie späteren Verletzungen durch andere aus.


    Laberfasel. Hatten wir das alles nicht schon mal? :grin

  • Ich denke doch, für die Autoren gibt es zwei Sorten von Kritiken.
    Die eine, die proletisch das Geschriebene zerreisst, ohne auf Gründe oder irgend welche Argumente einzugehen, oder es gibt eine andere, tiefgründigere, die ein Autor auch vielleicht in sein nächstes Schaffenswerk mit einbeziehen kann.
    Ich persönlich hab auch schon in diesen 1.5 Jahren viel lernen können, wie man Literatur betrachten kann. (Von der Schule her hab ichs ja leider wieder verlernt) :knuddel1

    Gruss Hoffis :taenzchen
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    :lesend Der fünfte Tag - Jake Woodhouse
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  • Tom : Nur weil sie mich fragt, muss das doch nicht heißen, dass sie eine ehrliche, schonungslose Antwort hören WILL...


    Das hier ist doch vor allem ein Forum für Leser und HOBBYautoren (dachte ich bisher zumindest), meinst Du nicht, dass durch allzu ehrliche Kritik, die sich in harschen Worten äußert, manchem, der eigentlich keinerlei Ambitionen hat, der SPAß an der Sache vermiest wird?