Der große Schlaf - Raymond Chandler

  • OT: The Big Sleep
    auch erschienen unter: Der tiefe Schlaf


    Kurzbeschreibung nach amazon:
    Zuerst scheint alles ganz harmlos, doch dann wird Philip Marlowe in brutale Abenteuer - Mordfälle, Schlägereien, Verführung, Erpressung - verstrickt "General Sternwood, ein alter invalider Kapitalist (Öl), hat sich eine gewisse Integrität bewahrt. Seine Tochter Carmen wird bereits zum zweiten Mal erpreßt, und Marlowe soll der Sache ein Ende machen. Marlowe entdeckt zuerst eine pornographische Leihbibliothek, kurz darauf den Leichnahm des Besitzers. Carmen schmuggelt sich in Marlowes Zimmer und erwartet den Detektiv im Bett. Sie ist Kind und Teufel in einem; sie hat keine sexuellen Hemmungen und säuft bis zur Bewußtlosigkeit - ein geeignetes Objekt für Porno-Photographen und Erpresser." (Reclams Kriminalromanführer)


    Über den Autor:
    Raymond Chandler (1888-1959) gilt als einer der Begründer des Hardboiled-Genres. Ausführliche Infos geben wikipedia oder die krimi-couch


    Meine Meinung:
    Einer DER großen Klassiker des Krimi-Genres aus der Feder des berühmtesten Hardboiled-Autoren. Leider ging er an mir fast komplett vorüber. Die vielzitierte Lakonie schimmerte zwar durch, aber statt ihrer beherrschte eine teilweise sehr ermüdende, nicht enden wollende Anhäufung von Detailbeschreibungen die Szenerie. Bestimmt ein Drittel verbringt Chandler damit, die Deckenbalken oder Teppiche zu beschreiben, was bei mir zumindest ab der dritten Wiederholung eher Langeweile als Faszination hervorrief. Möglicherweise habe ich deshalb den Verwicklungen des eigentlichen Falles nicht ganz folgen können, und ich häufig zurückblättern musste. Vielleicht war es nicht das richtige Buch zur richtigen Zeit, aber für mich war es eine Enttäuschung, schade!

  • Aufgrund der vielen Schauplätze, der vielen Charaktere und Handlungsstränge fand ich die Lektüre des Buches sehr mühsam. Auch am Ende blieben für mich einige Fragen offen, die wohl nur ein Re-Read klären würde.


    Sehr gut gefallen hat mir die Figur des Privatdetektivs und „Schnüfflers“ Philip Marlowe. Er hat wohl schon viel erlebt und wurde so zu einem abgebrühten Menschen, stets ein Glas Whisky in der Hand, versehen mit schwarzem Humor und es kann ihn eigentlich nichts aus der Ruhe bringen. Heute würde man wohl „cool“ dazu sagen. Beruflich steht er selber fast mit einem Bein im Gefängnis, d.h. er nimmt die Gesetze nicht ganz so genau und verheimlicht auch mal wieder Indizien.
    Moralisch aber ist Marlowe unbestechlich, er hat seine Prinzipien und diesen ist er treu.


    Bei diesem Buch ist das Hauptaugenmerk weniger auf die Handlung als vielmehr auf die Figur des Philip Marlowe zu legen.


    Das Buch stammt aus dem Jahr 1939 und wirkte für mich auch etwas „angestaubt“. Es ist wohl ein Klassiker der Kriminalliteratur, hat Chandler doch einen ganz besonderen Charakter des „Schnüfflers“ erfunden.


    Verfilmt wurde das Buch mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall in den Hauptrollen. Schon während des Lesens habe ich natürlich immer wieder Bogart vor Augen und ich denke, diese Rolle ist ihm auf den Leib geschrieben!

  • Als Fan des Noir Krimis Genres möchte ich Chandler hier ein wenig verteidigen. Ich finde auch keines seiner Bücher im eigentlichen Sinne unterhaltsam, es kostet ein wenig Mühe, sie zu lesen. Die Bücher sollten aber unter Berücksichtigung ihrers Alters und ihrer Bedeutung für das Genre beurteilt werden! Die Marlowe-Romane gehören mit zu den Büchern, die das Genre der Detektivromane begründet haben. In der Zwischenzeit gibt es unzählige Buchreihen, die sich von Chandler und Hammett haben inspirieren lassen. Natürlich sind viele dieser modernen Nachfolger besser geschrieben, logischer und klarer aufgebaut und nicht zuletzt auch unterhaltsamer und angenehmer zu lesen. Wie in vielen Bereichen sind eben auch bei Büchern die Ansprüche gestiegen, ganz besonders was den Aspekt Unterhaltung angeht. In einer Leserunde hat mal jemand gesagt, dass Chandler heute keinen Verleger finden würde, und das stimmt wahrscheinlich, weil es heute einfach viel mehr Autoren gibt, die viel mehr Arbeit in ihre Texte stecken. Chandler war ein Lebenskünstler und Parties und Alkohol nicht abgeneigt, das Schreiben hat er sozusagen nebenbei zwecks Verdienst betrieben, und besonders produktiv war er dabei nicht. Man kann davon ausgehen, dass es relativ wenig Zeit in das Schreiben seiner Bücher investiert hat, trotzdem kommt ihnen eine wichtige Vorreiterrolle in der Literaturgeschichte zu, er hat zusammen mit einigen anderen ein eigenes Genre begründet.

  • Zitat

    Original von Frank_G
    Die Marlowe-Romane gehören mit zu den Büchern, die das Genre der Detektivromane begründet haben. In der Zwischenzeit gibt es unzählige Buchreihen, die sich von Chandler und Hammett haben inspirieren lassen.


    Immer wieder werden Raymond Chandler und Dashiel Hammett in einen Topf geworfen, da beide das Privatdetektiv-Genre begründet haben, wie Frank_G schon sagte.
    Aber, ehrlich gesagt, finde ich beide Autoren stilistisch sehr unterschiedlich.
    Raymond Chandlers Marlowe ist viel sentimentaler als Dashiel Hammetts "Helden". Hammett kommt mir realistischer vor.
    Marlowe hat es immer mit der Moral, das ist ihm wichtiger als das Gesetz. Viele Nebenfiguren finde ich auch sehr klischeehaft. Trotzdem lese ich Chandler lieber als Hammett.


    Der große Schlaf ist nicht übel, aber andere Bücher von Chandler gefallen mir besser, z.B. Die Kleine Schwester oder Der lange Abschied.


    Bei Der große Schlaf gebe ich Milla recht, dass die Detailbeschreibungen ermüdend sind. Die Handlungsverzweigungen sind extrem. Bei keinem anderen Roman ist Chandler in diesem Punkt so weit gegangen. Er erinnert mich teilweise stark an seine Kurzgeschichten.



    Trotz mancher literarischer Schwächen, die in Chandlers Werk durchaus vorhanden sind (vielleicht aus Nachlässigkeit?) , ist es beeindruckend, wie viele Autoren er beeinflusst hat. Auch Genreübergreifend.
    Wahrscheinlich haben auch die Filme ihres dazu beigetragen.


    Mein Lieblingsroman, der von Chandler beeinflusst wurde, ist Der kurze Schlaf von Jonathan Lethem. (Auch bekannt als Knarre mit Begleitmusik, anderer Titel, gleicher Roman)

  • Entschuldigt bitte, wenn ich diese Uralt-Rezi wieder hervorkrame, aber ich muß meinen alten Kumpel Ray hier einfach verteidigen! Ich bin ein Chandler-Fan, seine Romane waren die ersten Kriminalromane, die ich gelesen habe, und ich bin noch heute von ihnen begeistert, und ich kenne nur wenige aktuelle Autoren, die es mit im aufnehmen können, wenn es überhaupt welche gibt. "The big sleep" ist sicherlich nicht sein Meisterstück, da gebe ich Herrn Palomar in jeder Hinsicht Recht. Die von ihm genannten Bücher Chandlers sind, neben einigen anderen, wesentlich besser. Der Bogart-Bacall-Film hat dieses Buch bekannter gemacht als die anderen Romane, und der Film ist sicherlich die beste Chandler-Verfilmung. Den Vorwurf des Kollegen weiter oben (ich habe seinen Namen leider vergessen) Chandler habe sein Schreiben nicht so ernst genommen, muß ich zurückweisen! Chandler hatte im Gegenteil ein Anliegen, er wollte den Kriminalroman, seinerzeit eine Art Unterschichtenliteratur, aufwerten, so das er als vollwertige Literatur ernstgenommen wird, obwohl Chandler selber sein zwangsläufiges Scheitern eingestanden hat. Ich persönlich finde Chandlers Werke weder zu detailverliebt noch angestaubt, sondern sehr sorgfältig geschrieben, der Autor liefert nicht nur Sachinformationen (Er ging ins Haus. Er trug blaue Hosen und ein rosa T-Shirt), sondern er schafft Atmosphäre durch eine sorgfältige Beschreibung dessen, was er dem Leser sichtbar machen wollte. Chandlers Stil steht in krassem Widerspruch zu seiner Persönlichkeit, Marlowe ist tatsächlich sein alter ego, und eine solche Verbindung von Autor und erfundener Figur kenne ich sonst nur noch von Karl May. Im Gegensatz zu May hat Chandler nie behauptet, er wäre der Held seiner Geschichten, aber unter den Essays und Aufsätzen, die Chandler verfasst hat, könnnte durchaus auch "P.Marlowe" stehen. Rays Einfluss reich bis in die heutige Zeit. So unterschiedliche Autoren wie zB. Nick Stone (Voodoo) oder auch Henning Mankell lassen sich zu Chandler, und damit auch zu Hammett, zurückverfolgen. :lesend

  • Ich lese gerade "The High Window", eine andere Marlowe-Geschichte und hatte die ganze Zeit Bogard vor Augen. Erst hier habe ich gelesen, dass er tatsächlich Marlowe in "The Big Sleep" verkörpert hat. Das beweist wohl, wie ideal die Besetzung war. Mir gefällt das Buch gut, die Krimihandlung ist wahrscheinlich etwas altmodisch, aber atmosphärisch ist das Buch extrem dicht! The Deep Sleep werde ich wohl auch noch hinterher schieben.

  • Bogey ist sicherlich die Verkörperung Marlowes schlechthin, wobei Chandler, nach seiner Meinung zu dem Thema befragt, Cary Grant nannte.
    "The big sleep" halte ich persönlich für die beste Chandler-Verfilmung, die misslungenste ist meiner Meinung nach die Elliott-Gould-Verfilmung von "Der lange Abschied" unter dem Titel "Der Tod kennt keine Wiederkehr".

  • "The Big Sleep" ist ein großartiger Film. In meiner Familie wurden schon ganze Nächte darüber diskutiert, aber ganz aufgelöst haben wir es immer noch nicht. Vielleicht hilft das Buch weiter.

  • Zitat

    Original von Clio
    "The Big Sleep" ist ein großartiger Film. In meiner Familie wurden schon ganze Nächte darüber diskutiert, aber ganz aufgelöst haben wir es immer noch nicht. Vielleicht hilft das Buch weiter.


    Es gibt eine Geschichte zu dem Film: Howard Hawks (in anderen Versionen Bogey) wurde gefragt: "Wer zum Teufel hat den nun den Chauffeur umgebracht?"
    Die Antwort: " Woher zum Teufel soll ich das wissen?" :chen

  • Das Goldstück ist ein großer Chandler-Fan und nachdem hier die gesammelten Philip-Marlowe-Romane im Regal stehen, war es dann doch langsam mal an der Zeit, mir einen dieser Klassiker der Kriminalliteratur zu Gemüte zu führen. Das Goldstück hat von vorneherein Bedenken angemeldet und prophezeit, dass ich das Buch nicht beenden werde und was soll ich sagen ... Er hatte Recht :grin
    Wobei Der große Schlaf so ziemlich das einzige Buch sein dürfte, das ich abgebrochen habe und trotzdem gut fand.
    Den knochentrockenen Marlowe habe ich sofort ins Herz geschlossen und das "verstaubte" Flair, das hier schon angesprochen wurde, habe ich im besten Sinne als herrlich altmodisch empfunden. Auch die Dialoge, die z. Tl. wirklich brilliant aufgebaut sind und die Figurenzeichnung sind ganz große Pluspunkte und hätten mich eigentlich bei der Stange halten müssen, wenn da nicht der komplizierte Handlungsverlauf wäre, der einfach zu viel für mein mainstream-hardcore-Thriller-verseuchtes Spatzenhirn war :lache
    Um es anders auszudrücken ist Der große Schlaf kein Buch, in dem man kurz vor dem Einschlafen zum Abschalten noch ein paar Seiten liest, denn es gibt einfach zu viele Details zu beachten, die in den Gesamtzusammenhang eingefügt werden wollen und zu viele Nebenfiguren, die plötzlich auftauchen und die es im Auge zu behalten gilt. Das erfordert einen wachen Verstand und verträgt sich schlecht mit einem schon auf Schlaf programmierten Hirn.
    Ich schließe allerdings nicht aus, dass ich die Anstrengung noch einmal auf mich nehme. Ich ahne, dass es sich lohnen könnte ...