Joschka Fischer – Mein langer Lauf zu mir selbst
Verlag Kiepenheuer & Witsch
176 Seiten
ISBN: 3462027948
Klappentext:
Joschka Fischers Bericht über das Jahr, in dem er sein Leben veränderte: radikale Gewichtsabnahme, tägliches Lauftraining – und was das für sein Denken, seine Arbeit und sein Lebensgefühl bedeutet.
Mit einem Nachwort von Herbert Steffny
Über die Autoren:
Joschka Fischer, geboren 1948 in Gerabronn,
1983-1985 und seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages.
1994 – 1998 Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag
von 1998 – 2005 Bundesminister des Äußeren und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland
Herbert Steffny, geboren 1953 in Trier, Diplom-Biologe, Manager-Fitness-, Lauf und Ausdauerfitness-Seminare, Personal-Training, Vorträge, Sportjournalismus. 13facher Deutscher Meister
Meine Meinung:
Das Buch beginnt mit einem quälenden Vortrag über Übergewicht, daraus hervorgehenden Zivilisationskrankheiten, irgendwelchen Statistiken, Anklagen an die heutige Wohlstandsgesellschaft, und das alles in einer Wortwahl, die mich zweifeln lässt, dass ich dieses Buch beende. Ich habe vor Jahren schon einen gescheiterten Leseversuch hinter mir. Aber nein, mich interessiert, was den Joschka zum Laufen brachte.
Da – auf S. 17 endlich: „In diesem Buch wird nicht abstrakt räsoniert (puh – und ich dachte schon…:rolleyes), sondern ausschließlich über meine eigenen Erlebnisse und praktischen Erfahrungen berichtet (Juchu… dann fang auch endlich an )
Man erfährt, warum Joschka getrieben wurde, sein Leben umzukrempeln, von einem Lebendgewicht von über 110 kg und körperlichem Unwohlsein zu einem Asketen von um die 75 kg zu werden – eine persönliche Lebenskrise, nämlich das Verlassen werden und das Scheitern seiner Ehe.
Er berichtet von der Vorgeschichte, vom jung-dynamischen Abgeordneten aus dem Jahr 1983, wie der Stress und die ungesunde Lebensweise zunahm und damit auch sein Körpergewicht stieg. Er musste feststellen, dass sein regelmäßig ausgeübter Sport, das Fußball spielen, ihm immer schwerer fiel und begann, sein Leben zu ändern, auch angetrieben von körperlichen Beschwerden, der Angst vor einem Herzinfarkt und dem damit verbundenen Sinneswandel.
Er begann zu trainieren, legte Grundsätze fest (die mir übrigens sehr gut gefielen, daher das Zitat). S. 58:
„Belüge Dich niemals selbst“
„Meide immer deine Leistungsspitze“
„Gib niemals auf“
„Eine einmal erreichte Entfernung wird nicht mehr unterschritten“
und hielt es mit einer eisernen Disziplin durch, die ich bewundernswert finde. Jeden Tag lief er sein Pensum, erst nur einmal um den Bundestag, damals noch in Bonn, und schließlich immer weiter. Vor allem seine anfängliche Einstellung zum Laufen, dass es nämlich nie so recht seins war, stimmt mit meiner überein. Umso mehr fragte ich mich, was ihn getrieben hat, täglich bei jedem Wetter und auch unter widrigsten Umständen zu laufen.
Dieses wird klar bei folgendem Zitat:
„Laufen heißt Anstrengung, aber exakt diese Anstrengung des gesamten Körpers … ist es, die den gesamten Organismus in Bewegung versetzt… und dabei auch noch den Kopf in eine meditative Ruhe versetzt…(S. 87)
Was mich etwas zum Schmunzeln gebracht hat, war die absolute Behauptung, dass bei ihm ein Rückfall „in die alten Verhältnisse von „König Dickbauch““ fortan ausgeschlossen sei, mir jedoch bekannt ist, dass auch Joschka Fischers Gewicht sein Auf und Ab hatte.
Schließlich, bei einem Interview, wird er so leichtsinnig, dass er behauptet, dass auch ein Marathon nicht mehr undenkbar ist. Daraufhin kontaktiert ihn Herbert Steffny und arbeitet ein Trainingsprogramm aus (das auch abgedruckt ist) und begleitet ihn schließlich beim Hamburg Marathon, nur 1,5 Jahre nach dem Beinah-Zusammenbruch. Die Schilderung der Wettkampfvorbereitung und schließlich des Marathons selbst fesselte mich, so dass ich das Buch sehr schnell durchlas.
Fazit:
Abgesehen von den wissenschaftlichen Ausflügen – bzw. dem abstrakten Räsonieren - fand ich das Buch interessant geschrieben, vor allem, weil durch Fotos immer wieder die Vorher-Nachher-Wirkung deutlich wird. Hatte Joschka Fischer zunächst den Gewichtsverlust zum Ziel, wurde schließlich das Laufen an sich zum Zweck.
Im Nachwort von Herbert Steffny werden außerdem Tipps gegeben, was man dabei beachten soll.
Mir hat es Lust zum Laufen gemacht und wenn ich morgen wieder laufen gehe, fällt es mir wahrscheinlich leichter, mit dem Wissen, dass es erst eine Qual ist, aber irgendwann zur Freude wird.