Der Fremde - Albert Camus

  • DER FREMDE von ALBERT CAMUS


    Eine treffende Rezension zu diesem Buch zu schreiben ist eigentlich kaum möglich, da sie sich auf jeden Fall langweilig anhören und damit dem Buch überhaupt nicht gerecht werden wird.



    Ein junger Franzose namens Meursault, der in Algerien lebt, wird auf eher beiläufige Art zum Mörder, der am Ende zum Tode verurteilt wird.
    In diesem Buch geht es aber nicht um den Mord an sich, es geht eher um Meursault und sein Leben.



    Dieses Buch wird erzählt aus der Ich- Perspektive, allerdings als größtmöglich neutraler Erzähler. Es wird also nicht über Gefühle geredet, im Grunde definiert sich Meursault nur über das, was er selbst über sich berichtet.
    Die Frage ist allerdings, ob er wirklich nur so nüchtern erzählt, oder tatsächlich auch so denkt.
    Ein Satz, welche die ungefähre Einstellung Meursaults wiedergibt, ist folgende:
    „Dennoch habe ich ihm erklärt, es läge an meiner Natur, daß meine körperlichen Bedürfnisse oft meine Gefühle störten.“




    Meursault ist eine Art Einzelgäner, der Schwierigkeiten im Grunde lieber aus dem Weg geht, wenig redet und am liebsten in Ruhe gelassen wird. Auch auf die Bitte seiner Freundin hin zu heiraten, sagt er lediglich, dass es ihm egal sei, sie es aber tun könnten, wenn sie es wolle.


    Während er so erzählt, kommt einem manchmal eine Aussage von ihm unter, an der man stockt und über die darin enthaltene Paradoxie nachdenkt. Allerdings lässt sie sich trotz allem immer wieder als schlüssig identifizieren, wenn auch verquer.





    Albert Camus wurde geboren am 7. November 1913 in Algerien geboren und ist Sohn eines Spaniers und einer Elsässerin.
    1942 erschien "Der Fremde", was unter anderem dazu beitrug, dass er den Literaturnobelpreis 1957 bekam.




    Die ersten Seiten des Buches fand ich einfach nur seltsam. Langweilig. Aber trotzdem habe ich weitergelesen, weil mich diese ungewöhnliche Erzählweise doch auch gefesselt hat, vor allem aber die Denkweise und das Welterklärungsmodell. Und jetzt bin ich der Meinung, das Buch ist großartig. Es ist etwas ganz anderes, der Mensch Meursault ist absurd. Die Handlung ist krass, aber erst seine Einstellung ist wirklich heftig.





    Das Buch hat nur 143 Seiten und ist von einem Nobelpreisträger geschrieben, also wenn auch keine Rezi euch anlocken kann, versuche ich euch mit diesen Argumenten zu bestechen :-)

  • *grins*


    Das habe ich mal im Französisch-Leistungskurs gelesen - auf Französisch. Heute, glaube ich, würde ich das vermutlich nicht mal mehr auf deutsch verstehen... ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ein wundervolles Buch von einem fantastischen Schriftsteller. Zusammen mit "Die Pest" und "Der Fall" gehört es nicht nur zu meinen Lieblings-Camussen, sondern auch zu meiner Top 101 Lieblingsbücher aller Zeiten.


    Camus' Einstellung zum Leben "Je weniger Sinn das Leben hat, desto besser kann es gelebt werden" kommt hier deutlich zum Ausdruck.


    Daß es im Französisch-Unterricht gern gelesen wird, überrascht mich nicht. Kennzeichnet es sich doch nicht nur durch eine sehr klare, deutliche Sprache mit kurzen Sätzen, sondern auch durch die Vermeidung von komplizierten Wörtern.

  • Ich habs auch im Französisch-LK gelesen *winkzubatcat*, da hat es mir sehr gut gefallen. Zu Beginn muss man wirklich am Ball bleiben, der Stil ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber dann macht es richtig Spaß - das lag aber wohl auch an unserem tollen LK, 6 Mädels und ein Lehrer :lache
    Der Stil ist sehr klar, Camus schreibt wirklich sehr eindrucksvoll - den Nobelpreis dafür hat er schon verdient!


    Letztens hatte ich es in der Buchhandlung in der Hand, werd mir das wohl demnächst nochmal auf Deutsch gönnen, die LK-Zeit ist ja auch schon lang her

  • hallo, ich kann mich dazureihen: Habs auch im Franz-LK gelesen.


    Leider habe ich daran keine so positive Erinnerung, musste mich doch sehr durchquälen. Bei Sartre war das zum Beispiel anders, den fand ich gut, trotz meiner bescheidenen Sprach-Kenntnisse :grin


    Vielleicht sollte ich es besser nochmal auf deutsch lesen und mir ein neutraleres Bild davon machen, ohne den ganzen Leistungskurs-Druck, der macht einem ja alles mies :fetch

  • Freut mich, dass dieses tolle Buch noch andere kennen :-)



    Zum Französisch: ich habs von jemandem bekommen, der es ebenfalls in Französisch im Schulunterricht gelesen hat, aber meine Version war mangels Französischkenntnissen auf deutsch.

  • Ich reihe mich auch mal zu denjenigen, die es im Franze LK gelesen haben - leider ist mir dadurch so ziemlich die Lust an Camus' Werken vergangen - ich fand das Buch einfach nur ganz langweilig und habe mich danach nie wieder aufraffen können, etwas von ihm zu lesen :-(


    Und das, obwohl unser damaliger Lehrer auch sooo begeistert war

  • Hallo, hier ist noch ein Französisch-Leistungskurs-Opfer. ;-)^


    Den "Fremden" fand ich langweilig, ich kann mich überhaupt nicht mehr dran erinnern.


    Fürs Abi mussten wir dann aber die "Pest" lesen, und da hat mich Camus gepackt. (Zugegebenermassen hab ich's auf Deutsch gelesen, nicht komplett auf Französisch. ;-) ) Ich hab mich dann sogar an den "Mythos von Sisyphos" gewagt, weil mich diese Theorie des Absurden faszinierte. Das war mir dann aber doch eine Nummer zu gross.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Ich hab nächstes Semester ein Seminar über Camus, Lektüre ist "Der Fremde", "Die Pest", "Der Mensch in der Revolte" und "Der Mythos von Sisyphos".


    Ich bin echt mal gespannt, die Bücher hab ich schon über eBay besorgt.
    MaryRead du machst mich wirklich gespannt auf "Die Pest", aber du machst mir auch Angst vor dem "Mythos".

  • Ich habe das Buch soeben (auf deutsch) ausgelesen und bin positiv überrascht.
    Die Einfachheit der Sprache, die Camus benutzt, findet man in Büchern eher selten, aber ich finde diesen Stil sehr gut gewählt.
    In Verbindung mit dem Charakter des introvertierten Meursault ist dieser Sprachstil äusserst effektiv.
    Auch die einfach gehaltene Handlung ist sehr faszinierend.

  • Die einfache, fast schon karge Sprache hat mir auch gut gefallen, das Buch liest sich dadurch sehr flüssig. Allerdings hatte ich den Eindruck, Camus möchte dem Leser durch seinen Prot ständig seine Message aufs Auge drücken, dies empfand ich als penetrant nervig.

  • Hmmm, nun habe ich das Buch nach einer Ewigkeit endlich beendet - für die 143 Seiten habe ich wirklich ewig gebraucht, weil ich immer nur mal ein paar Seiten gelesen habe und nicht jeden Tag. Ich wollte das einfach nicht als Hauptlektüre lesen.


    Trotzdem hat mich das Buch immer wieder gepackt. Es ist vor allem die Atmosphäre, die mich am Ball hat bleiben lassen. Jetzt am Ende muss ich aber sagen: ich verstehe das Buch nicht. Ich verstehe Merseault nicht. Er scheint so nüchtern und kalt zu sein, dann wieder will er weinen, als er die Abneigung gegen ihn im Gerichtssaal spürt, will er seinen Kumpel küssen, als der ihn dort so traurig ansieht, weil ihm nichts hilfreiches zu Merseaults Verteidigung einfällt. Was ich an ihm zu schätzen weiß, ist, dass er eben nicht, wie jeder andere, dem der Anstaltsgeistliche in seiner Lage begegnet ist, zu Gott finden will, "nur" weil ihn die Hinrichtung erwartet. In dieser Hinsicht ist er sehr ehrlich und konsequent. Denn: dass ihm auch diese Hinrichtung egal wäre, kann man nicht sagen, er kämpft die ganze Zeit mit seiner Angst davor.


    Das sind also ein paar Gedanken zum Buch, aber wie gesagt: ich verstehe es nicht, habe ich das Gefühl. Seinem Ausbruch am Ende dem Geistlichen gegenüber konnte ich nicht folgen. Was ist denn diese "Weltanschauung" oder "Message", die Camus hier laut anderen Meinungen an den Mann bringen möchte?

  • Mich wundert, dass hier im Thread niemand die eigenartige Wichtigkeit von Meursaults "Mangel an Trauer" beim Begräbnis seiner Mutter erwähnt hat. Mir scheint, dass dieses Pochen auf pietätvolle Haltung eines Sohnes gegenüber seiner Mutter bzw. auch das Anstoßnehmen am "Abschieben" der Mutter in ein Pflegeheim sehr vielschichtige Interpretationsansätze zulässt.


    Aufgrund seiner Ehrlichkeit wird Meursault ein Strick gedreht. Er wird bereits im Vorfeld vor der eigentlichen Gerichtsverhandlung vom Richter mit dem Kruzifix zur Reue angesichts des Kreuzestodes Christi gezwungen. Meursault bekennt sich aber nicht als Christ, daraufhin hänselt ihn später der Richter: "Ach, da kommt ja der Herr Antichrist."

  • Interessant, ein Jahrhundert-Werk nach mehr als 30 Jahren nochmal zu lesen. Nach der Lektüre von Iris Radischs Biographie fallen mir Dinge auf, die ich damals, soweit ich mich erinnere, nicht gesehen habe: Das kafkaeske Hintergrundrauschen und die mediterrane oder auch griechische Lebenseinstellung als Basis des Absurden, sowie die drei Hauptmerkmale der Philosophie der Einsamkeit: Meer, Sonne, Licht!


    Das Buch des Sehers Camus ist zeitlos. Auch heute müssen wir uns fragen, was die Moral einer Gesellschaft wert ist, die nicht über die Tat an sich urteilt, sondern über die scheinbare Gefühllosigkeit des Täters und deshalb aus einem Totschlag einen Mord macht. Sind wir ehrlich zu uns selbst, dann müssen wir zugeben, dass wir immer noch selbstgefällig die uns so Fremden aburteilen, die außerhalb des Hauptstroms stehen. Sind wir darüber hinaus bereit, noch einen Tick revoltierender zu denken, müssen wir einsehen, dass die Fremden ihr Leben viel intensiver und freier (er)leben, als wir es jemals tun könnten.

  • Ich saugte das Buch nicht ein, wie sonst zuvor so viele, es sog mich in sich hinein. So etwas ist mir vorher noch nie passiert.
    Es war, als wäre ich beim lesen in einer anderen Welt, und noch heute entgleite ich, wenn ich auch nur an das Buch denke. Wahnsinn!
    Ich lese gerade die "Gegendarstellung" von Daoud Kamel Daoud - Der Fall Mersault (Der Fremde)


    weshalb mir der Fremde wieder in den Sinn kam.
    Ein wunderschönes und ganz großes Buch!