Verantwortung des Krankenhauses bei Selbstmord?

  • Zitat

    Original von Ikarus


    Voltaire , heißt das jetzt, das KH könnte sehr wohl eine Therapie empfohlen haben, aber kann nichts tun, wenn der Betroffene sie nicht in Anspruch nimmt?


    So fasse ich das jedenfalls auf, was Du schriebst.


    Genauso ist es - es sei denn, es hätte ein Gerichtsbeschluß vorgelegen. Ansonsten kann keiner gegen seinen Willen im Krankenhaus behalten werden bzw. können gegen seinen Willen keine therapeutischen Maßnahmen durchgeführt werden.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Genau das waren auch meine Überlegungen...


    (Danke für das Lob :-] )


    Ich hab allerdings jetzt in meinen Erläuterungen geblättert, weil ich da noch so ein kleines Teufelchen im Kopf hatte und siehe da:


    Erläuterungen des Polizeifachhandbuches zum § 323c StGB Unterlassene Hilfeleistung
    ....Ob auch die Gefahrenlage bei einem Suizidversuch ein Unglücksfall ist, wird unterschiedlich beurteilt. bejahend BGHST 6/147; einschränkend BGHST 6/146 (Nur bei Geisteskranken oder einem Sinneswandel des Selbstmöders) Wenn sogar Beihilfe zum Selbstmord straflos ist, wäre es ungerecht, unterlassene Hilfeleistung zu bestrafen, so die herrschende Lehre.


    Dazu Vorbemerkungen zu den §§ 211-222 STGB (Straftaten gegen das Leben)


    2.
    Auch Anstiftung und Beihilfe zum Selbstmord sind straflos; denn strafbare Teilnahme setzt eine mit Strafe bedrohte Handlung voraus. Da der Selbstmord straflos ist, kann also nicht bestraft werden, wer durch Rat oder Beschaffung don Tatmitteln eine Selbsttötung fördert.



    http://www.123recht.net/article.asp?a=739&f=ratgeber_strafrecht~besonderer~teil_echteunterlassung&p=3

  • Zitat

    Original von Babyjane


    2.
    Auch Anstiftung und Beihilfe zum Selbstmord sind straflos; denn strafbare Teilnahme setzt eine mit Strafe bedrohte Handlung voraus. Da der Selbstmord straflos ist, kann also nicht bestraft werden, wer durch Rat oder Beschaffung don Tatmitteln eine Selbsttötung fördert.


    Dazu fällt mir noch ein: Es gibt Länder, wo der Selbstmord strafbar ist. Hört sich jetzt ein wenig paradox an. Der erfolglose Selbstmordversuch wird in diesen Ländern (ich glaube Großbritannien gehört dazu) sogar bestraft. Ich habe hier aber mehr nur so ein Halbwissen...........meine Studienzeit ist halt doch schon ein paar Jährchen her....... :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meine Güte, das ist ja unfaßbar :wow Da kann man sich ja sonstwas ausmalen, was kranke Hirne mit einem menschlichen Opfer tun könnten...und auch noch ohne Angst vor Strafe.


    Danke BJ
    Ikarus

  • Voltaire:
    Ich glaube mit Großbritanien hast du Recht ich glaub Spanien oder Portugal auch... aber bei mir ist die Erinnerung da auch recht schwammig. Ist ein Gebiet mit dem man sich dann doch nicht so oft beschäftigt. :-(

  • Hier tut sich ja eine Menge. Meine Mutter hat mir vorhin noch erzählt, dass T. wohl von der Polizei in das Krankenhaus gebracht wurde (die haben ihn letzte Woche gefunden). T. muss wohl ein sehr eloquenter Redner gewesen sein (ich habe ihn zuletzt vor rund 15-20 Jahren gesehen, darum kann ich das nicht beurteilen) und hat sein "abgehen" von dieser Welt von langer Hand vorbereitet.


    - Kontaktabbruch seinereseits seit rund einem Jahr zu fast der kompletten Familie
    - Testament wurde geschrieben (ebenfalls vor rund einem Jahr)
    - er experimentierte mit Haschisch als Schmerzmittel (wurde auch bereits von der polizei "entdeckt")


    Das ganze ist schon sehr tragisch finde ich. Es geht mir sicherlich nicht so nah als wenn ich ihn besser kennen würde, aber da ich seine Mutter relativ gut kenne, kann ich deren Leid und Schmerz nachvollziehen. Auch weil ich mir Gedanken darüber mache, wie es mir gehen würde wenn das mein Kind gewesen wäre.


    Gruß


    Telefonhexe

  • Im letzten Sommer hatten wir den Fall das eine Schülerin sich umbringen wollte. Sie hatte sich einer Freundin in einem Brief anvertraut. Der Brief kam den Betreuern in die Hände und sofort setzte sich eine Maschinerie der Hilfe in Bewegung. Sie wurde aus dem Ausland nach Hause geflogen weil die Betreuer die Verantwortung nicht übernehmen wollten und konnten. Die Kleine war knapp 14.
    Am Flughafen wurde sie in Empfang genommen und ins Krankenhaus eingewiesen. Dort war sie eine Weile in Behandlung und Therapie. Aber irgendwann wollte sie da wieder raus. Da man nicht gegen den Willen des Patienten (auch wenn er noch minderjährig ist) die Therapie fortsetzen kann, wurde sie wieder entlassen. Wir waren alle wie vom Hocker, hörten wir doch von der Freundin, dass das Thema Selbstmord noch nicht vom Teller war.
    Wir verweigerten ebenso die Verantwortung, denn man kann das Kind nicht rund um die Uhr im Auge behalten. Auch wenn zumindest ein weiteres Mädel, mit der sie zusammen diese Pläne ausheckte weit von ihr fern gehalten wurde.
    Wer sich umbringen will, der findet einen Weg. Es ist nur eine Frage der Zeit. Und wenn jemand in eine Klinik eingewiesen wird und noch immer diesen Plan verfolgt wird er wohl kaum den Plan den Therapeuten auf die Nase binden, sondern sich "eindsichtig zeigen" um wieder raus zu kommen. Logisch. Man kann sowas nicht verhindern. Aber wer will da Vorschub oder Hilfe leisten??????


    Im Falle unserer Schülerin hats eine positive Wandlung genommen. Gott sei Dank! Sie hat sich wieder gefangen und einen Weg ins normale Leben gefunden.


    Ikarus


    Warum man denjenigen nicht Selbstmord begehen lässt? Würdest du Unterstützung gebenwollen?? :wow

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Zitat

    Original von Heaven


    Ikarus


    Warum man denjenigen nicht Selbstmord begehen lässt? Würdest du Unterstützung gebenwollen?? :wow


    Hä?...Spinnst Du? (sorry, aber...da hast Du wohl etwas völlig mißverstanden?)


    Ich habe mich doch gerade darüber gewundert, dass man - rein theoretisch - einen Menschen mit wasweißich für Psycho-Tricks in den Selbstmord treiben könnte und man geht sogar noch straffrei aus.


    Das besagt doch das, was BJ gepostet hat.


    Finde ich erschreckend, Du etwa nicht?


    Stell Dir doch bloß mal vor, bei einer Telefonseelsorge säße ein solcher Mensch...oder arbeitet gar als Psychiater...*brrschüttel*


    So, wie meine Einstellung zu Menschen ist, würde ich mir ja wohl eher den A... aufreissen, um Leute vor dem Selbstmord zu bewahren, weil es m.E. nach nie eine Lösung für Probleme ist - weder psychische noch physische.


    So schlimm MS-Kranke, Krebskranke etc. selbst leiden ... und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede ... ein Suizid zieht immer Menschen mit hinein, die daran unschuldig sind und durch den Selbstmord sinnlos leiden - bis hin zur Traumatisierung durch Schuldgefühle, man hätte etwas abwenden können.


    Gruß
    Ikarus

  • Ich würde Unterlassene Hilfeleistung für das Krankenhaus verneinen. Mir erscheint hier doch eine zu große zeitliche und örtliche Distanz.


    Eventuell käme aber fahrlässige Tötung in Betracht. Dafür müsste man aber genau wissen in welchem Zustand sich der Patient befand, als er entlassen wurde. Ob man ihm eine Therapie empfohlen hatte und er sie abgelehnt hatte und wenn ja, ob seine Entscheidung in diesem Fall rechtserheblich war.


    Ansonsten ist die Materie natürlich eine heikle. Gerade irgendjemanden eine Schuld zuzusprechen erscheint mir daher schwierig. Prinzipiel kann jeder Mensch selbst entscheiden, ob er sich ärztlich behandeln lassen will.


    In Österreich ist der Selbstmord selbst übrigens straflos, die Beihilfe dazu wird aber gesondert unter Strafe gestellt.


  • Sorry Ikarus, es war die Telefonhexe die ich eigentlich meinte. :knuddel1

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)


  • Ich glaub nicht, dass das wirklich straflos wäre. Es ist natürlich sehr schwer nachzuweißen, aber wenn jemand in den Selbstmord getrieben wird, findet man immer ein juristisches Hintertürchen um jene Menschen auch zu bestrafen.


    Ich hoffe zumindestens, dass das auch in Deutschland so ist.


    In Österreich wäre es Bestimmung zum Mord.

  • @ Taciturus


    Ich denke auch, wenn jemand tatsächlich getrieben oder überredet wird, daß da dann ein anderer Straftatbestand greifen würde.
    Ich hab da Totschlag durch Unterlassen im Kopf oder sowas ähnliches. Aber da müßte man schon einen konkreten Einzelfall besprechen und alle Details kennen, um dies abschließend zu prüfen.


    Da sich da aber noch nicht mal die BGH-Richter einig sind, find ich es auch nicht schlimm, daß ich mich da erstmal einlesen müßte.


    Im österreichischen Strafgesetz kenn ich mich leider nicht aus.

  • So ein Blödsinn, die "Verantwortung" für den Selbstmord beim Krankenhaus zu suchen. Immer bei anderen zuerst, das ist der Weg, der in Deutschland gerne gegangen wird. Und warum fragt sich die Mutter nicht nach der eigenen Verantwortung? Die Verantwortung für den Selbstmord trägt der junge Mann in erster Linie selbst, und dann folgen diejenigen, die es nicht geschafft haben, ihm trotz schwerer Erkrankung Lebensmut und -qualität zu vermitteln.


    Es gibt keinen Automatismus, jemanden unter langfristige Überwachung zu stellen, der bei einem Selbstmordversuch ins Krankenhaus kommt. Und auch kein Entmündigungsverfahren. Wer explizit darauf besteht, entlassen zu werden, wird auch entlassen, es sei denn, ein Arzt entscheidet aufgrund akuter Gefahr für Leib und Leben (ggf. unter Hinzuziehung eines Richters) dagegen, und das ist höchst selten gegeben.

  • Zitat

    ein Arzt entscheidet aufgrund akuter Gefahr für Leib und Leben (ggf. unter Hinzuziehung eines Richters) dagegen, und das ist höchst selten gegeben.


    Nix Arzt... die Zwangsweiseeinweisung wird von einem Beamten des Ordnungsamtes angeordnet... :-]

  • Zitat

    Original von Telefonhexe
    Wo liegt die Verantwortung des Krankenhauses? Darf jemand, der wirklich nicht mehr will, zum weiterleben gezwungen werden, nur damit Familie und Freunde nicht leiden müssen?


    Andersrum gefragt:
    Gibt es nicht eine Verantwortung zur Fürsorge innerhalb der Familie und des Freundeskreises? Wie weit muss es da mit den sozialen Bindungen gekommen sein, damit jemand sich so allein gelassen in seinem Schmerz fühlt, daß er alles und alle hinter sich lassen möchte?


    Gruss,


    Doc

  • Ich kann Tom nur beipflichten!
    Telefonhexe hat den Mann als hoch intelligent und sehr redegewandt beschrieben. Außerdem habe er den Suicid von langer Hand vorbereitet.


    So jemanden fällt es doch wohl leicht, den Ärzten im Krankenhaus vorzutäuschen, daß "alles i O" ist! Oder?


    Schließlich hatte er das feste Ziel, einen Suizid zu begehen!


    Hierfür trifft niemanden die Verantwortung. Nur er selbst ist verantwortlich dafür.
    Dies soll aber keineswegs heißen, dass ich kein Verständnis für seine Lage aufbringe. Nach dem heutigen Stand der Medizin hätte ihn ein langer Leidensweg erwartet. Diesen hat er mit seiner Tat abgelehnt.


    andermann

  • Ich glaube auch, dass die Schuldzuweisung an das Krankenhaus eher ein Zeichen der Hilflosigkeit gegenüber dem Suizid ist.


    Theoretische strafrechtliche Diskussionen sind sicher interessant, in diesem Fall aber glaube ich erkennen zu können, dass die Frage nach dem "Warum" seitens der Mutter auf eine Weise angegangen wird, die den aktuellen Schmerz und auch die Frage der eigenen Verantwortung (aus der Sicht der Mutter durchaus verständlicherweise) verdrängt und verlagert.


    Es ist zu hoffen, dass mit zeitlichem Abstand auch der Verstand das Gefühl wieder einholt.


    Nebenbemerkung: Für Ärzte und Pflegepersonal gilt meines Erachtens das gleiche, das Voltaire oben schon über die Polizistinnen und Polizisten gesagt hat: Die Bezahlung entspricht in keiner Weise der großen Verantwortung, die in diesen Berufen wahrgenommen und schon gar nicht jener, die ihnen von außen offensichtlich ständig zugewiesen wird.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)


  • Nein, ich würde keine Unterstützung ZUM Selbstmord geben wollen. Das widerspräche mir und dem was ich glaube.


    Die Freundin meiner Mutter erzählte schon mehrmals (wir haben sie in der Zeit von September bis Januar mindestens 3-4 mal gesehen) dass ihr Sohn nicht mehr leben wolle und dass er seinen Selbstmord plant. D.H. es war - in der Familie zumindest (T. hielt Kontakt zu seinem Bruder) - schon länger bekannt, dass er so in den Seilen hängt, dass etwas passieren muss. Allerdings weiß ich auch nicht, wie ernst das Ganze genommen wurde. Normalerweise heißt es ja, wer davon redet tut es nicht.


    MS ist eine entsetzliche Krankheit - und je nach Verlaufsform extrem Schmerzhaft. Eine Freundin von mir hat es in einem "ausgereiften" Stadium, d.h. das Gehirn (Denkvermögen, Erinnerungs-und Sprachzentrum) ist schon angegriffen, sie kann nicht mehr laufen und ist auf den Rollstuhl angewiesen. T. war meines Wissens noch davon entfernt, hatte aber die schmerzhafte Variante. (Meine Freundin hat Schmerzen die sie als erträglich bezeichnet).


    Um jetzt noch mal auf den Punkt zu kommen: Wenn mir jemand wie T. mir sagen würde, dass er mit dem Leben abschließen möchte, dass er nicht mehr kann - was sollte ich da tun? Wenn ich direkt damit konfrontiert werden würde, käme ich mir entsetzlich hilflos vor.


    Gruß


    Telefonhexe