Jonathan Safran Foer - Extrem laut und unglaublich nah

  • Jonathan Safran Foer: Extrem laut und unglaublich nah


    Inhalt


    Der Vater des 9-jährigen Oskar Schell ist bei den Terroranschlägen vom 9.11. ums Leben gekommen. Mit dem Verlust kommt der Junge nur sehr schwer zu Rande, mit seinem Vater verband ihn eine ganz besonders enge, von Ritualen geprägte Beziehung. In den Hinterlassenschaften findet Oskar in einem Briefumschlag einen Schlüssel und er macht sich zur Aufgabe, das passende Schloss dazu zu finden und erhofft sich dadurch eine Erklärung für den unerwarteten Tod. Seine abenteuerliche Reise, begleitet von seinem Tambourin, führt ihn quer durch New York, er lernt viele sehr interessante Menschen kennen.
    Parallel dazu wird die Geschichte seines Großvaters erzählt. Er verliert bei der Bombardierung Dresdens die von ihm über alles geliebte Frau und ein ungeborenes Kind. Von diesem Erlebnis traumatisiert verliert er die Sprache, wandert in die USA aus, wo er Oskars Großmutter, die Schwester seiner Geliebten kennen lernt. Doch er findet sich nicht zurecht und erst der Tod seines Sohnes am 9.11. führt die Familie auf eigentlich ungeahnte Weise zusammen.


    Jonathan Safran Foer


    Geb. 1977, studierte in Princeton Philosophie und Literatur. Jobbte als Ghostwriter und Rezeptionist, eher er 2001 als Herausgeber der Sammelschrift "A Covergence Of Birds: Original Fiction and Poetry Inspired by the Work of Joseph Cornell" zu Ehren des 1972 verstorbenen New Yorker Künstlers Joseph Cornell fungierte. Er lebt und arbeitet in New York, ist mit der Schriftstellerin Nicole Krauss verheiratet. („Die Geschichte der Liebe“)


    2002: sein erster Roman „Alles ist erleuchtet“ („Everything is illuminated“) macht ihn auf einen Schlag berühmt. Das Buch wurde 2005 verfilmt.
    2005: sein zweiter Roman „Extrem laut und unglaublich nah“ ("Extremely Loud & Incredibly Close") erscheint.


    Meine Meinung


    Ich bin auf das Buch wegen seiner wunderschönen Aufmachung aufmerksam geworden. Nicht nur das schwarz-weiße Cover, auch das Innenleben präsentiert sich „künstlerisch-wertvoll“- würde ich mal sagen. Seitengroße schwarz-weiß Bilder, Fotomontagen, Rotstift-Anzeichnungen, Fotos von 9/11 wechseln ab mit verändertem Schriftbild, Schriftzeichen.


    Das Buch liest sich sehr schön, ich würde sagen, es ist sehr intelligent geschrieben (soweit ich das beurteilen kann), viele Stränge laufen parallel und werden erst zum Schluss aufgelöst. Durch den laufenden Wechsel der Erzähler-Perspektive (Oskar, Großvater, Großmutter) gewinnt das Buch an Atmosphäre.
    Ausgezeichnet sind die Schilderungen und Beschreibungen der unterschiedlichen Menschen, die Oskar auf seiner „Odyssee“ kennen lernte. Die Erinnerungen an den Vater waren für meine Begriffe etwas zu sentimental, ganz nahe der Tränendrüse! Die Beziehung zu seiner Mutter ist schwieriger, ist von gegenseitigem (gutmeinenden) Beschützen und Verschonen geprägt, jeder versucht selber und für sich, getrennt voneinander, mit den Geschehnissen fertig zu werden. Doch auch die so entstandenen Missverständnisse und Vorurteile werden am Ende ausgeräumt.


    Die Schilderungen aus dem 2. Weltkrieg sind recht erschütternd und beklemmend. Sie machten allerdings für mich einen authentischeren Eindruck als die Schilderungen von New York.


    Ein Kapitel ist dem Bombenabwurf von Hiroshima „gewidmet“ – es steht völlig zusammenhanglos (zumindest für mich) mit der übrigen Geschichte im Raum und ich frage mich eigentlich, was dieses Kapitel bedeuten soll. Irgendwo habe ich gelesen, es sollen die „menschlichen Gräuel“ aufgezeigt werden. Ich will hier keinesfalls Wertigkeiten vornehmen – aber 2. Weltkrieg bzw. Hiroshima und 9/11 in einem Atemzug zu nennen – es kommt mir doch ein bisschen anmaßend vor.


    Von Anfang an hatte ich große Schwierigkeiten mit der Person des Oskar Schell. Er ist extrem altklug, großspurig und besserwisserisch, liest Stephen Hawkings, lernt freiwillig Französisch, macht sich Gedanken über Frauen (sexueller Art), kommentiert die Frauen in seinem Umkreis, trinkt Kaffee …. ? – Ich weiß, amerikanische Jungs sind anders, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein 9-jähriger solche Gedanken denkt!


    Die Parallelen zu Günther Grass’ „Blechtrommel“ sind nicht nur wegen der Namensgleichheit („Oskar“) augenscheinlich, ich nehme an, es war von Foer so gewollt.


    Ich bin restlos überzeugt vom schriftstellerischen Talent des Autors, glaube aber, dass er sich mit dieser Thematik etwas zuviel aufgehalst hat und kann aus den angeführten Gründen dieses Buch nur eingeschränkt weiterempfehlen!

  • Ich habe über diese Buch bisher eigentlich nur Gutes gehört bzw. gelesen, allerdings haben sich die empfehlenden Damen hauptsächlich auf die angeblich wunderschöne Sprache bezogen.
    Aber mit jedem posting mehr rutscht diese Buch zumindest näher an meinen SuB. ;-)

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • Ich habe das Buch im Original zuhause und vor allem deshalb gekauft, weil ich den Titel so toll fand. Spätestens in der nächsten Woche werde ich damit auch anfangen, mir wurde es von einigen Leuten schon sehr ans Herz gelegt - unter anderem auch von Leuten, die normalerweise kaum lesen. Deine Rezension bekräftigt jetzt den Gedanken, dass ich so schnell wie möglich mit dem Buch anfangen muss. Ich freue mich schon drauf!

  • Ich bin auf Eure Meinungen sehr gespannt!


    Mir hat es auch aufgrund der Aufmachung so gut gefallen, und es ist es auf jeden Fall wert zu lesen. Aber wie schon erwähnt hatte ich ein wenig das Gefühl, dass er sich ein ein bisschen zu viel aufgehalst hat und ich persönlich mit dem Protagonisten nicht so gut zu Recht kam.

  • Für mich war es eines der beeindruckendsten Bücher, die ich in den letzten Jahres gelesen habe, und eins, dass ich gleich mehrfach verschenkt und verliehen habe. Die meisten Leser waren ebenso begeistert wie ich.


    Ich mochte die verschiedenen Stimmen der Protagonisten, die wunderbare optische Gestaltung, die wechselnden Zeitebenen und Erzählstränge, die sich erst am Ende auflösen.


    Ich habe mich kürzlich an seinem Erstling "Everything is illuminated" versucht und kam nicht damit zurecht, war auch vom Anfang etwas enttäuscht. Vielleicht probiere ich es ja doch noch einmal.


    Viele Grüße,
    Bücherfrau :-)

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen, aber es ist wohl eher eines solcher "Ich liebe es" oder "Ich hasse es" Büchern. Foer versucht viel, vielleicht scheitert er auch manchmal, teilweise ist es vielleicht sogar eine kleine Zumutung, was er da macht... Worauf ich hinaus will: wer gerne Experimente bei der Auswahl der Lektüre eingeht und nicht nur auf Nummer sicher geht, um keine Enttäuschung zu riskieren, der sollte es einfach mal ausprobieren.


    Noch besser fand ich allerdings seinen Erstling "Everything is illuminated" (Alles ist erleuchtet).

  • "Alles ist erleuchtet" fand ich spitzenmäßig. Ein Roman voller toller Einfälle, sprachlich genial, da werde ich dieses wohl auch lesen müssen!
    Danke für die vielen Meinungen.
    Klara

  • Ein tolles Buch, ja!
    Diese Suche nach Erklärungen.
    Oskar Schell ist so liebevoll gezeichnet und mit einem vorwitzigen Mundwerk ausgestattet, da ist es eine wahre Freude mit ihm durch die Strassen zu gehen und an fremden Türen zu klingeln. :-]
    Er erlebte teils Situationen, die jetzt noch ein schmunzeln auf meine Lippen zaubern können. Aber auch die anderen Akteure, sind ein wahrer Genuss.

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen; im Vergleich zu "Alles ist erleuchtet" fand ich es noch besser.


    Die Figur des Oscars ist gut gelungen. Ob seine Gedanken und Handlungen nun einem neunjährigen Jungen angemessen sind oder nicht, ist mir eigentlich egal. Er ist eben ein besonderer Junge - nicht nur wegen der Trauer um seinen Vater, aber auch.


    Darüber hinaus gefallen mir aber auch andere Personen, z.B. Mister Black, der über den Schells wohnt.


    Die Graphiken unterstützen den Text prima (Beim ersten Durchblättern kam mir der Gedanke, dass der Verlag das Buch "strecken" wollte, aber die Bilder passen wirklich sehr gut).


    Natürlich greift Foer mit dem 11. September eine schwierige Thematik auf, aber meines Erachtens wird er ihr gerecht.

  • Ich werde aufs TB warten!
    Gebunden muss ich den Titel nicht habe, lasse mich aber gern eines
    Besseren belehren.


    einigermaßen entschlossene Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Ich habe das Buch im November gehört und war sehr bewegt.
    Ich fand es zum Teil sehr erschütternd, beim Hören kann man nicht "quer lesen"oder etwas nur "überfliegen", (ich meine hier Stellen, wie Hiroshima oder der Anrufbeantworter). Aber dann kam Oscar und hat mich wieder zum Schmunzeln gebracht.
    Ich habe das Buch meiner Schwiegercousine zum Geburtstag geschenkt und bin gespannt, was sie denkt. So kann ich es auch nochmal im Original lesen :-].

  • "Extremely Loud And Incredibly Close" ist mein absolutes Lieblingsbuch!!


    Der kleine Oskar ist zwar wirklich in keinster Weise 'normal', aber gerade das macht ihn doch so interessant und lesens- bzw. erlebenswert!


    Ich jedenfalls konnte mich sehr gut in ihn einfühlen, habe ihn streckenweise bewundert, aber oft auch bemitleidet. Man sieht die Welt wirklich mit seinen Augen in diesem Roman und auch das macht den Roman zu etwas ganz Besonderem!

    Unser Unglück erreicht erst dann seinen Tiefpunkt, wenn die in greifbare Nähe gerückte praktische Möglichkeit des Glücks erblickt worden ist. (Michel Houellebecq, Elementarteilchen)

  • "Alles ist erleuchtet" fand ich ehrlich gesagt nicht so gut...Die sprachliche Genialität ist nicht zu übersehen, aber es liest sich zu schwer. Es ist so gekünstelt...Spaß macht das Buch meiner Meinung nach nur denjenigen die diese kuriose Sprachakrobatik genießen können. Ich konnte das nicht. Trotzdem werde ich wahrscheinlich zu seinem neuen Buch greifen. Die guten Rezensionen machen mich neugierig.

    "Die Bildung kommt nicht vom Lesen, sondern vom Nachdenken über das Gelesene."
    (Carl Hillty)

  • "ELAIC" liegt angelesen auf meinem SUB-Stapel, aber beim Lesen ist mir leichtere Lektüre dazwischen gekommen. Jetzt versuch ich gerade mich zu motivieren weiterzulesen - ich weiß nicht so recht....

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Die Reihenfolge hast du schon richtig ;)


    "Extremely Loud" ist neuer als "Everything Is Illuminated" ;)

    Unser Unglück erreicht erst dann seinen Tiefpunkt, wenn die in greifbare Nähe gerückte praktische Möglichkeit des Glücks erblickt worden ist. (Michel Houellebecq, Elementarteilchen)