Jonathan Safran Foer - Extrem laut und unglaublich nah

  • "alles ist erleuchtet" habe ich zuerst gelesen, sonst hätte ich das zweite gar nicht in die hand genommen, denn die geschichte hätte mich abgeschreckt. zum glück kam es nicht soweit, jetzt gehört es definitiv zu meinen liebsten büchern!

  • Habe das Buch gestern abend ausgelesen und auch nach einer Nacht drüber schlafen, weiß ich noch nicht so genau, was ich von dem Buch halten soll.
    Es ist wirklich interessant wie Foer die Themen Trauer, Traumata und Verlust speziell in Bezug auf den 11. September umsetzt. Die verschiedenen Erzählstränge fügen sich gut zusammen. Ich fand es ziemlich gelungen, wie er Dresden, 9/11, Hiroshima zusammenbringt, ohne eine eindeutige Aussage zu treffen.
    Oskar funktioniert als Erzähler natürlich nicht so richtig. Er ist für sein Alter viel zu eloquent, was besonders deutlich wird, weil er in Gesprächen Erwachsene oft nicht versteht und die Bedeutung von Worten nachfragt, dann aber viel schwierigere Begriffe benutzt. Aber irgendwie fand ich das nicht so schlimm.
    Was haltet ihr eigentlich von dem Daumenkino eines herabstürzenden Menschen am Ende des Romans? Das fand ich ganz schön makaber... Dieser oft spielerische Umgang mit Bildern und Schrift im Roman hat mir eigentlich gut gefallen und man könnte da viel rauslesen, zum Thema Macht von Bildern etc, aber das ging mir irgendwie ein bißchen zu weit. Auch wenn der Mensch "Hochfällt" und das in der Erzählung sinnvoll ist.

  • Zitat

    Original von Clio
    Was haltet ihr eigentlich von dem Daumenkino eines herabstürzenden Menschen am Ende des Romans? Das fand ich ganz schön makaber... Dieser oft spielerische Umgang mit Bildern und Schrift im Roman hat mir eigentlich gut gefallen und man könnte da viel rauslesen, zum Thema Macht von Bildern etc, aber das ging mir irgendwie ein bißchen zu weit. Auch wenn der Mensch "Hochfällt" und das in der Erzählung sinnvoll ist.


    Mir haben die Bilder als Ergänzung des Textes eigentlich sehr gut gefallen und mit der Intention, dass der Mann eigentlich wieder "hochfällt", fand ich es auch nicht sonderlich makaber.


    Passend ist dazu ja auch das Zitat von Oskar: "When I flipped through them, it looked like the man was floating up through the sky. And if I'd had more pictures, he would've flown through a window, back into the building, and smoke would've poured into the hole that the plane was about to come out of."


    Diesen Wunsch diese schreckliche Katastrophe durch mehr Bilder "ändern" oder zumindest verstehen zu können, finde ich nachvollziehbar und gut umgesetzt.

  • Ja, das stimmt schon. Ich habe das natürlich vorher schon gesehen und ausprobiert und da fand ich es noch schlimmer, als nachdem ich das Ende gelesen hatte. Aber trotzdem hat das Daumenkino doch etwas von einem Kinderspiel (womit man mit Vorliebe Schulbücher bekritzelt - anderes Thema) und das mit einem Menschen zu machen, der aus dem World Trade Center fällt ist doch zumindest gewagt.

  • ja, gewagt ist es auf jeden Fall - ich habe auch einige negative Stimmen gelesen, die in die selbe Richtung tendieren, wie du das tust.


    Ganz passend finde ich in diesem Zusammenhang ein Zitat von Foer selbst, warum er 9/11 als Thema hatte: Why do people wonder what's "OK" to make art about, as if creating art out of tragedy weren't an inherently good thing? Too many people are too suspicious of art. Too many people hate art.

  • Ich hab vorhin das Buch zu Ende gelesen.


    War das schön!!


    Ich hab gelacht zwischendrin,
    (z.B wenn Oskar die Haustürschlüssel an alle Freunde verteilte)


    ich hab geweint zwischendrin,
    (z.B. ... Dresden ...)


    ich war tief berührt aber auch arg verwirrt. (Hiroshima)


    Und es gibt so schöne Sätze darin.
    Ich mag sie hier nicht zitieren - aus dem Zusammenhang reissen.
    (der schwerhörige alte Nachbar, die Vögel, *etxrem laut ...)


    Oskar ist ein seltsames Kind. Altklug, schlau, neurotisch? aber auch immer wieder einfach ein Kind.
    Ein trauriger, einsamer kleiner Junge zum in den Arm nehmen.


    Der Großvater und seine Geschichte hat mir nicht gefallen.
    Boah, manchmal hätte ich den durchschütteln können.
    Arme Menschen, die so einen Menschen um sich haben.
    Armer Großvater, dass er sein Leben so leben muss wie es war.


    Ich kann das Buch empfehlen.
    10 Punkte


    Gruß,
    Mariegod

  • Ich habe die beiden Bücher von Jonathan Safran Foer (Alles ist erleuchtet und Extrem laut...) schon seit mehr als einem halben Jahr ganz oben auf meiner Wunschliste. Bei meiner nächsten Amazonbestellung werde ich eines der beiden Bestellen. Danke Mariegod für die Rezi.

  • Das Buch hatte ich aufgrund des nicht alltäglichen Covers und den doch recht guten Rezensionen schon länger im Auge. Speziell ist nicht nur das Cover sondern auch die Seiten im Buch. Da gibt es Seiten mit nur einem Satz, Seiten mit Bild/Photo, Seiten mit mit einem Rotstift korrigierten Fehlern, Seiten die gar nicht zu lesen sind und und... und am Schluss mit einem Daumenkino das eine Szene zeigt die recht gewagt ist.


    Da ist der neunjährige Oskar Schell dessen Vater beim Einsturz eines der Hochhäuser am 11. September gestorben ist. Der 11. September und wie Oskar damit umgeht ist der Grundthema in diesem Buch. Eines Tages findet Oskar einen Schlüssel in einer Vase und einen Zettel auf dem "Black" geschrieben steht. Da er mit seinem Vater in der Vergangenheit öfters Spiele gemacht hat, bei dem ihm sein Vater Hinweise gegeben hat und er dann nach Sachen auf die Suche gegangen ist, versteht er dies als einen Hinweis seines Vaters nach dem Schloss das zu diesem Schlüssel passt zu suchen. Diese Suche und die ungewöhnlichen Personen die Oskar in New York trifft machen den Haupterzählstrang des Buches aus. Eingewoben in die Geschichte ist die Bombardierung Dresdens im zweiten Weltkrieg und das damit verbundene Schicksal seiner Grosseltern. Als ob die Bombardierung und der 11. September nicht genug wäre wird auch der Atombombenabwurf in Hiroshima kurz thematisiert.


    Ich mag den Schreibstil von Jonathan Safran Foer. Er ist einfach, bewegend, traurig aber auch hoffnungsvoll und komisch. Ich habe 9-jährigen Oskar gerne durch dieses Buch und seine Suche begleitet. Die Gedankengänge und die Handlungen von Oskar sind allerdings nicht die eines Neunjährigen ausser er ist ein extrem hochbegabter Junge. Die Geschichte seines Grossvaters und das Thema Dresden sind meiner Meinung nach nicht ganz optimal in die Geschichte eingewoben stellen ab keinen allzugrossen Negativpunkt dar. Das Kapitel Hiroshima hätte man meiner Meinung nach auch weglassen können. Dies sind die einzigen negativen Punkte in einem Buch das mir gut gefallen hat.

  • Ich habe "Extrem laut und unglaublich nah" soeben zugeklappt und bin schwer beeindruckt von Foers Erzählweise. Die bisher hier genannten Kritikpunkte (Oskar ist zu eloquent für sein Alter; der Hiroshima-Abschnitt, usw) treffen zwar allesamt zu, konnten für mich aber den sehr guten Gesamteindruck nicht schmälern. Die wechselnden Erzählperspektiven fand ich sehr gelungen, die eingefügten Bilder, Rotstift-Anzeichnungen sowie die Tagebuch-Auszüge machen das Buch auch gestalterisch zu etwas Besonderem. Ich brauchte beim Lesen entgegen meiner Gewohnheit viele kurze Pausen, zum einfach so Runter-lesen ist Foers zweiter Roman sicher nicht geeignet.
    Für mich ein sehr intelligent geschriebenes, stellenweise witziges, oftmals erschütterndes Werk mit großartigen Charakterisierungen der Menschen, denen Oskar auf seiner Suche begegnet und einer interessanten literarischen "Verarbeitung" von 9/11.


    "Alles ist erleuchtet" werde ich mir auf jeden Fall auch einmal besorgen in der Hoffnung, es möge mit "Extrem laut und unglaublich nah" mithalten können.

  • Also ich schreibe zurzeit eine Hausarbeit über "Extremely Loud and Incredibly Close". Mein Thema handelt von den Trauma Mustern. Ich finde das Buch auch wunderschön. Es ist ergreifend und detailgetreu. Etwas schade finde ich, dass man immer wieder liest, dass es soviele Parallelen zwischen Grass' "Blechtrommel" und Foers "Extrem laut und unglaublich nah" gibt. Bis auf die Namensgleichheit der Protagonisten und dem "tambourine" haben die beiden nämlich absolut nichts gemeinsam. Oskar ist aus psychologischer Sicht sehr interessant, genau wie sein Großvater. Aus dem Roman kann man unglaublich viel herausholen und ich denke, dass das meine ausführlichste und längste Hausarbeit wird. Interessant finde ich auch wie 9/11 sich auf Oskar auswirkt, obwohl er selbst nicht dabei gewesen ist. Er erlebt das Ereignis immer und immer wieder in seinen Erfindungen, Träumen und Gedanken. Sehr gut durchdacht, denn das Ereignis wie es geschehen ist wird nicht zu Beginn der Geschichte nacherzählt. Man erlebt es nur aus Oskars Sicht.
    Ich kann den Roman wirklich nur weiterempfehlen!

    All that we see or seem is but a dream within a dream.
    Edgar Allan Poe


    :lesend Kathryn Smith - Tochter der Träume

  • Oii. Also ich musste es ja irgendwann mal für die Uni lesen und ähm tat es jetzt. :bonk
    Und mir gefiel es sehr. :anbet Bin auch die Nacht über erst fertig geworden ;-)
    Den Neunjährigen fand ich neunjährig genug um glaubwürdig neunjährig zu sein - ist bei mir allerdings auch schon Weile her :gruebel teehee ich liebe diesen satz der muss da stehen xDD Nein, ich meine, ich hatte bei Oskars Palaver schon immer das Gefühl aus den Augen eines Präpubis zu schauen. Und das war auch ganz gut so, im Kontrast zu den Großeltern. Sonst wird man ja wahnsinnig.


    Das Buch war für mich auf jeden Fall nichts für unterwegs, weil ich zu nah am Wassser gebaut bin. Andererseits so geschrieben, dass mich meine Umwelt nicht ablenken konnte, also hat man es doch ständig in der Tasche.


    Mir gefiel die Verbindung von 9/11 Dresden Hiroshima
    so schrecklich Generationen/Nationenübergreifend, und wie unwichtig Gründe, Ort und Zeit sind am Ende steht das persönliche Erleben, wie unterschiedlich dann wieder damit umgegangen wird.
    Zumindest erging es mir so, es wird auf dieses -verbindend?- menschliche reduziert, fernab von politischen Schuldzuweisungen, Rechenschaftsberichten- das geschieht nur auf unterster Ebene-


    Auch als er dann im Hochhaus ist und sich vorstellt dem Piloten gegenüberzustehen. Den genauen Wortlaut kenn ich jetzt nicht, ungefähr..
    I hate you, my eyes would tell him
    I hate you, his eyes would tell me

    Also egal wohin man schaut überall brodelt die gleiche Suppe,
    all die Menschen, denen er dann begegnet, leben demnach auch brav ihre Tragödie aus- das Museum :pille :lache


    Naja, dann dacht ich allerdings, seltsam, ausgerechnet Dresden und Hiroshima werden jaimmer herausgepickt, um zu zeigen, wie notwendig solche Aktionen im Nachhinein doch sind, von da an kommen einem ganz andere Gedanken :gruebel Darüber muss ich aber auch erst einmal schlafen


    Nun, der Schlüssel-
    Irgendwie hatte ich mir ein offeneres Ende erhofft. :gruebel Aber wirklich gestört hat es mich nun nicht.



    Gut, "Everything is Illuminated" steht auch auf der Leseliste dieses Jahr, gekauft hab ich es mir schon ;-)

  • Ich liebe dieses Buch! Habe es schon bestimmt 7-8x komplett gelesen, und ab und zu schlag ich es einfach irgendwo auf und lese die Stelle. Beim ersten Mal war ich komischerweise noch nicht soo sonderlich begeistert, aber ich habe es dann kurz darauf noch ein zweites Mal gelesen und fand es mit jedem Mal genialer, auch, weil mi auch beim fünften Mal noch ständig neue Dinge aufgefallen sind- die Geschichte ist ja ziemlich durchdacht und gleichzeitig verworren.



    ...und sowas liebe ich- man bekommt die ganze Zeit irgendwie Hinweise, ist aber trotzdem zu doof, ihnen wirklich Bedeutung zuzumessen ;-)


    Oscar ist als Neunjähriger natürlich schon ein bisschen weird, aber als zu schlau habe ich ihn eigentlich nicht empfunden. Er interessiert sich eben für alle möglichen Dinge und macht sich viel zu viele Gedanken über alles, was ihn für mich sehr sympathisch macht- solche Charaktere finde ich faszinierend.


    Eins meiner Lieblingsbücher :-]

  • Extrem laut und unglaublich nah - Jonathan Safran Foer


    Oskar ist ein kleiner Junge und hat bleischwere Fuesse, weil sein Vater am 11.September gestorben ist. Er findet durch Zufall einen Schluessel, versteckt in einer Vase im Ankleidezimmer seines Vaters. Er will herausfinden, zu welchem Schloss dieser Schluessel gehoert, um dadurch seinem Vater naeher zu sein. Dazwischen erfaehrt man vom Leben seiner Grosseltern, wie sie im Krieg alles verloren haben, wie sie spaeter versuchen miteinander zu leben und wie sie dabei scheitern.


    Meine Meinung:
    Oskars Geschichte hat mich sehr beruehrt. Durch seine tiefe, ehrliche Traurigkeit, die so realistisch und gar nicht uebertrieben beschrieben ist, finde ich die Attentate noch schlimmer als bisher. Oskars hat eine unglaubliche Phantasie, dauernd sehr komische Ideen und sehr viel Mut. Die Geschichte um Oskar ist bedrueckend und komischerweise gleichzeitig auch witzig.

    Das Schicksal seiner Grosseltern dagegen hat mich weniger interessiert. Die Perspektive ist erwachsener und hat nicht so richtig zu Oskars Geschichte gepasst. Mir hat der Grossvater Leid getan, er hat furchtbares erlebt, ist traumatisiert und trotzdem verlangt die Welt, dass er normal lebt als waere nichts passiert. Das kann nicht jeder, er konnte es nicht. Seine Frau, die Grossmutter, war genauso traumatisiert wie er, dadurch fanden sie zusammen, aber sie liebten sich nicht, was das Zusammenleben noch schwieriger machte.

    Meiner Meinung waere das Buch gelungener, wenn es sich nur auf Oskar konzentriert haette, wenn die Grosseltern Randfiguren geblieben waeren und ihr ganzes Schicksal nicht erzaehlt worden waere. Aber trotzdem ist das Buch auf jeden Fall zu empfehlen, der Autor kann wunderbar schreiben.