'Die Waldgräfin' - Kapitel 11 - 15

  • Hallo Iris,
    es ging doch im Besonderen um die Wasserprobe und im Allgemeinen um diese "Hexenbeweise". (Darauf bezog sich meine Aussage)
    Natürlich haben sie versucht, die Grundlage für ihre Verfolgungen in der Bibel zu finden, aber:
    Wikipedia:
    " „Hexen“ im Sinne der Frühen Neuzeit kennt die Bibel aber nicht, was die Hexentheoretiker nicht daran hinderte, diese Stellen als Beweis für die Existenz von Hexen anzusehen und zu zitieren."
    Und: In der frühen Kirche:
    Ein explizites Programm für Hexenverfolgungen gab es nicht, da die frühe Kirche die damit verbunden Ansichten und Praktiken als Aberglaube (Canon episcopi) ablehnte."
    Und:
    "Im karonlingischen Frühmittelalter gab es jedoch keine Hexenverfolgung . Im Gegenteil stellte das Konzil von Paderborn im Jahre 785 den Glauben an Hexen und ihre Verfolgung unter Strafe: „Wer vom Teufel verblendet nach Weise der Heiden glaubt, es sei jemand eine Hexe und fresse Menschen, und diese Person deshalb verbrennt oder ihr Fleisch durch andere essen lässt, der soll mit dem Tode bestraft werden.“ (zitiert aus Soldan/Heppe) "

  • Hi Jeanne,
    ich hab stets vermieden, das Wort Hexe zu benutzen - aus gutem Grund. Für das 11. Jh sind Hexenverfolgungen im klassischen Sinne absolut zu früh angesetzt - Zauberer jedoch sind zu allen Zeiten argwöhnisch beäugt und auch geprüft worden. Auch wenn Wikipedia das anders beschreibt - ich hab bei meiner Suche halt vemehrt 'Zauberer' (auch weibliche) gefunden und wollte mich unbedingt von den Exzessen ab dem 14. Jh fernhalten.
    Zwei Jahrhunderte zuvor musste eine fränkische Königin (Iris als wandelndes Lexikon weiß sicher, wer, ich habs vergessen :wave ) ihre Unschuld mittels Feuerprobe beweisen - sie hat es geschafft das Eisen ohne Verbrennungen anzufassen (wie auch immer). Auch hier ging es um zauberische Dinge und nicht um den Vorwurf der Hexerei.
    In Alienors Fall geht es in erster Linie nicht um den Vorwurf der Zauberei (obwohl sich das nachher mit hineinmischt - ist man erst mal negativ aufgefallen, fällt den Leuten noch allerhand mehr ein und kleinste Vorkommnisse werden umgedeutet), sondern um Unzucht mit einem Heiden. Der Bräutigam will wissen, ob sie unrein ist - eine aus der Zeit heraus sehr legitime Frage.
    Gruß, Dagmar

  • Dagmar hat völlig recht! Ein Hexereivorwurf wäre zu dieser Zeit vollkommen absurd gewesen.


    Ordale bzw. Gottesurteile im waren im römischen (Straf)Recht unbekannt und das christliche Rechtsverständnis im Westen sah (und sieht!) sich stark in der Tradition dieses römischen Rechts.
    Durch die Völkerwanderung und den Niedergang des römischen Reiches kam die Rechtssprechung zunehmend mit der germanischen (!) Praxis der Ordale bei der Schuldfindung in Berührung. Da es im Alten Testament vereinzelt Belege für Gottesurteile bzw. Ereignisse, die als Gottesurteil gedeutet werden können (Opferung Isaaks), gibt, wurden derlei Rechtsbräuche tw. übernommen und entsprechend dem traditionell römischen Rechtsempfinden für die Blutgerichtsbarkeit sanktioniert.
    Dabei ging es grundsätzlich um die Schuldfrage bzw. um ein reines Gewissen der Person (denn nur einem unschuldig Angeklagten, der mit reinem Gewissen und Gottvertrauen den Test antritt, besteht ihn). Insofern könnte man den modernen "Lügendetektor" durchaus als "Gottesurteil" bezeichnen.


    Übrigens war man bis zum Ende des Mittelalters darauf bedacht, daß die Ordale nicht tödlich endeten.


    Was den Zauberei/Hexereivorwurf angeht muß man auch sehr gut aufpassen, nicht den häufig grottenschlechten Übersetzungen mittellateinischer Texte aufzusitzen, die die ursprünglichen Begriffe häufig mit anachronistischen Wörtern wiedergeben. Wo z.B. ursprünglich venifica/us (Giftmischer/in, -mörder/in) stand, steht dann im Deutschen "Hexe" oder "Hexenmeister" und ähnlicher Blödsinn, dabei wurde auch im Mittelalter "Giftmord" keineswegs automatisch mit "Zauberei" gleichgesetzt, da Gift ja eigentlich nichts Magisches ist. Das ist eher eine volkstümliche Gleichsetzung späteren Ursprungs.



    Was die fränkische Königin angeht, hab ich mich in den letzten Stunden in Wikipedia (Portal: Mittelalter), genealogie-mittelalter.de und Lexikon des Mittelalters (s.u., seit gestern auch in meinem Besitz! :grin) festgelesen, ja geradezu verirrt ... noch habe ich sie nicht gefunden. :lache

  • Zitat

    Original von Dagmar
    Zwei Jahrhunderte zuvor musste eine fränkische Königin (Iris als wandelndes Lexikon weiß sicher, wer, ich habs vergessen :wave ) ihre Unschuld mittels Feuerprobe beweisen - sie hat es geschafft das Eisen ohne Verbrennungen anzufassen (wie auch immer).


    Hallo, Dagmar


    Meinst du Richgard / Richardis / Kaiserin Richarda? (Bitte weit herunterscrollen zu "Deutsche Geschichte unter den Karolingern und "Kaiserin Richarda".)


    Schöne Grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Ihr seid alle sehr fleissig :-] - aber diese beiden sind es nicht. Kann wohl auch sein, daß es sich um eine merowingische Dame handelt, ich meine mich zu erinnern, daß sie glühendes Eisen anfassen musste. Aber der Name ist futsch, sorry.
    Legende oder nicht - ist das wichtig?
    Auch Legenden erzählen was, nämlich über Ideen von Menschen zu bestimmten Dingen.

  • Na ja, das Cover läßt wie schon erwähnt einen "Mittelalter-Emanzen-Schinken" erwarten, wo wir über mittelalterliche Burgen, Märkte, Städte etc. geführt werden.


    Du hast aber einen Roman geschrieben, bei dem es sich um die junge von mittelalterlicher mitteleuropäischer Kultur geprägte Alienor geht, die eine unkonventionelle Liebe erlebt und sich mit fremdartigem auseinandersetzen muß. Eine Auseinandersetzung, die zum Einen ihre bisherigen Grundfeste in Frage stellt, ihre Beziehung zur Religion in Frage stellt, aber auf der anderen Seite auch "Mängel" in der bisherigen Gläubigkeit wie z. B. mittelalterlicher Aberglaube hervorbringt, die latent vorhanden war, mit denen sie sich aber nicht auseinandergesetzt hat. Und so verändert bzw. entwickelt sich Alienor Schritt für Schritt.


    Ich habe bei Amazon ja Rezensionen gesehen, wonach Deine Geschichte zu jeder Zeit spielen könnte. Einerseits stimmt das, weil es schon immer unkonventionelle Beziehungen und Liebe gegeben hat. Zum größten Teil stimmt es aber nicht, weil diese Geschichte in einer anderen Zeit zu anderen Problemen und Auseinandersetzungen geführt hätte.


    Du spiegelst mittelalterliches Zeitkolorit über Alienors Entwicklung.

  • Ach Pelican, freut mich sehr, daß das mal jemand sagt. Wirklich.
    Für viele Leser ist es eine Liebesgeschichte wie tausend andere auch, austauschbar, einfältig, bunt weil im Mittelalter angesiedelt, und entsprechender Titel/Cover tun ein übriges, eine Erwartung zu bedienen.
    Ich hatte mir aber mehr dabei gedacht.
    Ich mochte die üblichen historischen Romane nämlich nicht mehr lesen - die, die man per Schablone in jede andere Zeit transferieren kann und wo ein Klischee nach dem anderen erzählt wird. Ich wollte wissen, was es auf sich hat mit dem "mittelalterlichen" - was die von uns unterscheidet - und diese Frage ist eine ganz schwere, weil es in meinem Verständnis eben ne andere Galaxie ist, kaum nachzuvollziehen. Habe Arno Borst von vorne bis hinten und zurück gelesen und kam mir vor wie bei Star Wars - sooooo fremd! Und aber soooo interessant!
    Anfangs hab ich nur lockerflockig erzählt, je mehr es dem Ende zuging, desto mehr merkte ich, daß einfach mehr dahintersteckt, auch hinter der Figur des Erik, die starke Züge einer Sagagestalt trägt, daß das alles auch tiefere Bedeutung haben kann, wenn man es finden möchte ... in den beiden anderen Büchern bin ich dann sowas wie "erwachsen" geworden.


    Heute geht mein Manuskript mit den Lämmern zur Post. Bin gespannt, was damit passiert und wo das wohl landet.

  • 'Tschuldigung, daß ich mich schon wieder einmische, aber Geschichte der Religiosität im Mittelalter ist doch von Arnold Angenendt? :wow


    Von Arno Borst kenne ich Lebensformen im Mittelalter, Computus - Zeit und Zahl in der Geschichte Europas, Bücher über Rittertum und Tod im MA und das wunderwunderschöne, leider vergriffene :cry Mönche am Bodensee, weiß aber nix über ein Buch zur Geschichte der Religiosität ...

  • Hihi, iris schafft es immer wieder :lache - du hast recht *michzumregalumdreh* - Angenendt heißt der. Borst steht gleich daneben.
    Man möge mir verzeihen - das alles liegt immerhin 6 Jahre zurück, und auf meinem aktuellen Bücherstapel häufen sich grad ganz andere Themen. ;-)