Ich blicke durch die Wohnung, sehe überall seine Spuren. Ein hingeworfenes Hemd. Ein zerrissenes Haarband unter dem Sofa. Ein noch feuchter Fußabdruck auf dem Flurboden. Ich wandere herum, gehe ins Schlafzimmer. Werfe mich aufs Bett. Rieche seinen Duft im Kissen. Vergrabe meinen Kopf darin. Decke mich mit seiner Wärme zu und fühle mich doch kalt. Ich blicke auf, sehe Krümel neben seinem Bett. Eine aufgeschlagene Zeitung auf dem Boden. Die Luft riecht nach altem Rauch. Ich atme tief ein. Will Luft in mir haben, die in seinen Lungen war. Die Hände kribbeln, ich spür Sehnsucht nach ihm. Nach seiner Berührung auf meinem Körper. Seinem Lächeln in meinem Blick. Seiner Stimme in meinen Ohren. Aber er ist weg. Für immer? Wer weiß das schon.
Meine Haut schmerzt bei dem Gedanken, nie wieder seine Hände zu spüren. Nie wieder seine Zunge zu schmecken. Nie wieder seine Tränen zu trocknen.Und dennoch trotz aller Vorsicht, aller Schutzwälle um meine Seele hinterlässt er Fußspuren auf meinem Herzen. Rücksichtslos und ungehemmt trampelt er durch meinen Körper. Sagt Dinge, unbedacht und schicksalsschwer.
Ich erhebe mich. Sehe mich im Spiegel an und vernichte die Spuren in meiner Wohnung. Stopfe sein Hemd in den Wäschekorb. Werfe sein Haarband in den Müll, wische den nassen Fußabdruck mit einem Lappen auf, hänge die Bettwäsche zum Lüften auf den Balkon, reiße sogar die Fenster auf und jage seine Atemluft aus meiner Wohnung.
Nichts erinnert mehr an ihn. Die Wohnung ist wieder meine.
Ich verlebe den Tag und den nächsten auch. Kein Lebenszeichen von ihm.
Dann das Telefon. „Bist du da?“ Ich schweige.
Minuten später steht er vor der Tür, kommt rein. Wirft seine Jacke über einen Stuhl, zündet sich eine Zigarette an, setzt mein Bad beim Duschen nachher fast unter Wasser, neben dem Bett ein klebriges Tempo, sein Duft in den Kissen. Alles beginnt von vorne.
Morgens das Klicken der Haustüre, Wassertropfen auf dem Badezimmerboden. Honigflecken auf der Küchenanrichte.
Ich erhebe mich, genieße seine Anwesenheit noch ein paar Minuten und mache mich dann wieder daran, seine Spuren zu vernichten, ihn zumindest so aus meinem Leben zu verbannen. Ich weiß, es ist sinnlos, spätestens in ein paar Tagen ist er wieder da, hinterlässt neue Spuren und schleicht sich immer mehr in mein Leben.
(War eigentlich für den Putlitzerpreis geschrieben worden, hat mir dann aber irgendwie nicht so ganz zugesagt....)