Die Farbe der Revolution, Kirsten Schützhofer, ungekürzte Lizenzausgabe der RM Buch und Medien Vertrieb GmbH (Club Bertelsmann), 2005 Diana-Verlag, 447 Seiten
Meine Meinung:
Nur selten hat man das Glück eine Perle unter den Neuerscheinungen historischer Romane zu finden. Kirsten Schützhofers Erstlingswerk „Die Farbe der Revolution“ ist so eine Perle, ein farbenprächter historischer Roman, der das gewisse Mehr echten Tiefgangs aufweist.
Die Revolution frisst ihre Kinder.
Ihre Kinder sind das Findelkind Sophie Fouquet und der Aristokrat Jules de Montfort, die sich während der Anfänge des revolutionären Aufbruchs im Paris des 18. Jahrhunderts ineinander verlieben.
Ihre Kinder sind das Geschwisterpaar Daniel und Adrienne de Vergnieux, deren Schicksal sich in den Wirren der französischen Revolution noch enger miteinander verknüpft.
Ihr Kind ist Pierre Lemaire, der Bastard, der nur in der Veränderung der bestehenden politischen Situation eine Zukunft für sich selbst sieht.
Vor dem Hintergrund der französichen Revolution erzählt uns Kirsten Schützhofer vom Schicksal dieser Figuren und zeigt deren Entwicklung und Veränderung in Zeiten des politischen Umbruchs. Freundschaft und Idealismus, Loyalität und Verrat, Hoffnung und Liebe, Kampf und Leiden, Gesetz und Gerechtigkeit sind die wesentlichen Facetten dieses vielschichtigen Romans.
In chronologischer Ordnung stellt die Autorin 25 Jahre der für die Entwicklung der Menschenrechte in der Welt maßgeblich gewordenen französischen Zeitgeschichte von 1769 – 1794 dar. Behutsam wird der Leser mit den wesentlichen Charakteren und den sie prägenden Erlebnissen bekannt gemacht. In kurzen Kapiteln fügen sich Szenen und Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven wie die einzelnen Tupfer eines impressionistischen Bildes oder eines Gobelins zu einer farbenprächtigen und facettenreichen Darstellung der damaligen Zeit zusammen. Die häufigen Perspektivwechsel erfordern zwar eine hohe Aufmerksamkeit beim Leser, werden aber nicht anstrengend. Vielmehr bieten sie für den Leser interessante Möglichkeiten des Einlebens in die Geschichte und des Weiterdenkens, so wie man bei einem Bild plötzlich mit der Lupe ein Detail besonders betrachtet, um dann wieder zum Gesamteindruck zurückzukehren, oder so wie man beim Schauspiel oder Film in eine Szene eingeblendet wird, um dann wieder aus ihr herauszutreten. Kirsten Schützhofer erklärt ihre Charaktere nicht bis ins letzte Detail, sondern sie erzählt dem Leser gerade genug, um ihm noch Freiraum zu lassen über die Charaktere nachzudenken und diesen damit in gewisser Weise eine Eigenleben zu ermöglichen. Auch bei den Dialogen der Protagonisten bleibt vieles im Raum stehen oder zwischen den Zeilen verborgen. Aber gerade dieser Erzählstil führt dazu, dass die Protagonisten besonders lebendig und authentisch wirken. Emotionen jeglicher Art werden von der Autorin sensibel, eher schlicht, nüchtern und frei von Kitsch ein- und umgesetzt und erhalten so eine ergreifende Tiefe. Mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit webt Kirsten Schützhofer aus Dialogen, Beschreibungen und erzählenden Passagen das Bild einer Zeit im Umbruch.
Neben den überzeugenden Charakteren und der spannenden Handlung, beeindruckt Kirsten Schützhofer mit akribischer Recherche, die sich in Details wie Beschreibungen von Kleidung, Möbel und Landschaften niederschlägt, sich aber vor allem bei der Schilderung der politischen Umwälzungen und ihrer Wirkung auf und in der Bevölkerung zeigt. Mit großer Sprachversiertheit und erzählerischem Talent werden dem Leser die Wirren und Schrecken der Revolution und das Leid der zu dieser Zeit lebenden Menschen bildhaft vor Augen geführt.
Leider wird die Vermarktung des Romans m. E. dem Werk der Autorin nicht gerecht. Klappentext und Werbung erwecken den Eindruck, es handle sich lediglich um einen romantischen Liebesroman vor dem Hintergrund der französischen Revolution, dabei ist er so viel mehr als das.
„Die Farbe der Revolution“ ist zweifellos mein Highlight des historischen Romans 2005 und aufgrund der vielen schönen und nachdenkenswerten Passagen bereits jetzt für eine erneute Lektüre vorgesehen!
Der m. E. vollkommen unpassende Klappentext (der Vollständigkeit halber):
Sie kommen alle aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen, doch eines ist ihnen gemeinsam - der Traum von Freiheit und Gerechtigkeit. Die Französische Revolution wird zu ihrem Schicksal, stellt sie vor Entscheidungen oder raubt ihnen ihre Illusionen und bringt ihnen die Liebe oder den Tod.
Frankreich, um 1789
Als Sophie Fouquet, die einst als Findelkind in der liebevollen Obhut eines Advokaten in einem Dorf der Provence aufgewachsen ist, nach Paris kommt, ist sie überglücklich. Hier, in der aufregenden Stadt an der Seine, pulsiert das pralle Leben, dem die wissbegierige und unbefangene junge Frau mit offenen Armen entgegentritt. Sophie merkt allerdings rasch, dass die wenig ältere Cécile de Montfort, bei der sie eine Anstellung als Gesellschafterin findet, ihre Lebensfreude nicht teilt. Nichts vermag Cécile über den Verlust ihres Kindes hinwegzutrösten. Und ihre Ehe mit Jules, zu der sie von ihren Eltern gezwungen wurde, war von Anfang an unglücklich.
Sophie hingegen fühlt sich zu dem empfindsamen und belesenen Jules hingezogen, der sie schon bald mit seinen politischen Ideen ansteckt. Es herrscht revolutionäre Aufbruchstimmung in Paris und in ganz Frankreich, und Jules ist begeisterter Anhänger der Bewegung. Zusammen mit seinen Freunden begibt er sich auf einen Weg, der alles in Frage stellt, wofür seine eigene Familie steht: eine adelige Herkunft, Wohlstand und Privilegien.
Sophie und Jules ahnen nicht, dass ihre Liebe schon bald in höchste Gefahr gerät, denn Cécile hat sich, gekränkt durch das Desinteresse ihres Mannes, für eine andere Seite entschieden: Sie spioniert für die Royalisten. In Paris beginnt der Mob aufzubegehren und alle Zeichen sprechen für Krieg.