Life mask - Emma Donoghue

  • Leider nur auf Englisch verfügbar. Seit "Stir fry" ("Zartes Gemüse, scharf gewürzt") wurde von Emma Donoghue kein Buch mehr ins Deutsche übersetzt - extrem schade, wie ich finde. "Slammerkin" und "Hood" hätten es verdient und dieses Buch hier ebenfalls.


    Das Buch (Amazon, gekürzt)


    Few sexual liaisons among the gentry went unnoticed in 18th-century beau monde England—the gossip papers of the era make our own tabloid culture look respectful—and though fleeting same-sex affairs were somewhat fashionable, suspected homosexuals were condemned to public humiliation and criminal punishment. Offering a fictionalized account of real-life scandal, Donoghue tells the story of three minor historical personages: the actress Eliza Farren, the Earl of Derby and the widowed sculptress Anne Damer.


    Famously ugly Lord Derby has been pursuing chaste young Eliza for years, hoping to marry her when his estranged, invalid wife dies. In the meantime, Eliza meets Derby's friend Anne and the two strike up a close, platonic friendship. Though she denies them vehemently, rumors of Sapphism haunt Anne Damer and endanger the reputations of everyone around her.


    Spanning the decade from 1787 to 1797, the novel follows this cast of characters through their complicated romantic and political entanglements. All the while, the French Revolution rages, causing major upheaval among the British nobility. Even as Derby and Anne befriend common folk like Eliza and support the liberal Whig party, hoping to topple mad King George, the mounting wave of European democracy threatens to extinguish their life of indolent leisure. Donoghue has an extraordinary talent for turning exhaustive research into plausible characters and narratives; she presents a vibrant world seething with repressed feeling and class tensions.


    Die Autorin


    Emma Donoghue is an award-winning Irish writer who lives in Canada. At 35, she has published four novels, two books of short stories, two works of literary history, two anthologies and two plays. Since the age of 23, Donoghue has earned her living as a full-time writer. After years of commuting between England, Ireland, and Canada, in 1998 she settled in London, Ontario, where she lives with her lover and their son.
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    Meine Meinung


    Ich lese nur sehr selten historische Romane, aber ich lese mittlerweile alles von Emma Donoghue, also kam ich auch an diesem Buch nicht vorbei. Allerdings habe ich dann mehrere Anläufe gebraucht - ich kam zuerst überhaupt nicht hinein. Geschichtlicher Hintergrund, viele Personen, alles sehr verwirrend, und ein paarmal habe ich aufgegeben. Als aber die ersten Seiten erst einmal überwunden waren, wurde ich belohnt: Ein mitreissendes Stimmungsbild des ausgehenden 18. Jahrhunderts in England, die "Haute Volaute", wie man bei uns zu Hause sagt, mit ihren Skandalen und Skandälchen, die politischen Wirrungen, das Theaterleben, die Kunst. Drei facettenreiche Hauptfiguren und viele bunte Nebenfiguren, die durch Beschreibungen, Dialoge, Zeitungsausschnitte, Briefe ein Leben bekommen.


    Die Politik nahm mir zugegebenermassen etwas zu viel Raum ein. Das liegt sicher zum Teil an meiner Aversion für Historisches, aber zum Teil auch daran, wie die Autorin sie darstellt: Zu oft kommt da ein "Herr Lehrer, ich weiss was!"-Ton durch. Unmengen muss die Historikerin Emma Donoghue für dieses Buch recherchiert haben, und das ist zugleich Fluch und Segen: Wir erfahren viele kleine Details aus Zeit und Leben der Figuren (vieles muss tatsächlich überliefert sein), manchmal wirkt es aber einfach aufgesetzt, was noch an Informationen in Dialoge und Szenenbeschreibungen hineingepfercht wird.


    Trotz alledem: Ich war sehr froh, dass ich dieses Buch im Urlaub lesen konnte, denn es ist dick, und ich wollte es nicht gestückelt lesen, sondern in der Atmosphäre drinbleiben können. Ein Schmöker im besten Sinne. Gegenüber dem ebenfalls sehr empfehlenswerten "Slammerkin" hat Emma Donoghue noch einmal einen Gang zugelegt, und ich freue mich auf das, was sie wohl als Nächstes schreiben mag.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ja, lies das mal Pelican. Mich interessiert das auch. :-]


    Na ja, erst muß ich's mal kaufen. Und da warte ich doch mal, ob es nicht auch dieses Jahr wieder schöne Gutscheine für internationale Literatur geben wird...

  • Ich habe es am Wochenende angefangen und jetzt zwei Drittel geschafft.


    S A G E N H A F T!!!!!


    Aber anstrengend, uiuiui.


    Die Autorin ist gnadenlos. Sie wirft einen mitten hinein. Es wird nichts erklärt, nichts vorgekaut. Die Personen agieren in ihrer Zeit, denken entsprechend den damals herrschenden Denkmustern, unterhalten sich über die Themen, die damals an der Tagesordnung waren.
    Man muß es schlucken oder untergehen.


    Erklärungen gibt es nur aus dem Kontext heraus, der langsam zusammengesponnen wird.
    Also: es kann sein, daß man erst auf Seite 45 etwas versteht, daß einem seit Seite 12 plagt.
    Man muß jedes Wort lesen, jede Personenbeschreibung, die im übrigen recht sparsam verteilt sind, und vor allem die Dialoge.


    Ganz gemächlich wird so eine Spannung aufgebaut, die sich über die äußeren Faktoren - Parteipolitik, Gedanken über das zeitgenössische Theater und die zeitgenössische Kunst - zu einer Spannung entwickelt, die ihre Dynamik aus dem Geschlechterverhältnis gewinnt und dann sehr behutsam aus den Vorstellungen von Freundschaft und Liebe.
    Es geht um Würde, um Stolz, um Verantwortung, um das 'Ich' und die anderen.


    Es treten ganz viele Personen auf, erzählt wird aber sehr geschickt am Beispiel von drei Hauptpersonen, zwei Frauen, ein Mann.
    Die Mehrheit der auftretenden Personen sind historisch faßbare Persönlichkeiten. Sie agieren wie fiktive Personen, ganz lässig und völlig überzeugend.
    Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Charaktere über diese zehn Jahre hinweg, 1787 - 1797, nicht in der Beschreibung von Dekor und Kostümen.


    Die Erzählstimme ist bestechend unauffällig, was geschickterweise zu dem Eindruck führt, als erzähle jede Hauptperson jeweils aus ihrer Sicht. Das heißt, beim Lesen entwickelt sich ein Verständnis für jede vorgestellte Überzeugung oder die Entscheidungen, die die Figuren treffen. Es gibt keine offene Parteinahme, keine Vorurteile und keine Verurteilungen.


    Sprachlich-stilistisch gefällt mir, daß auf viele typische 18.Jahrhundert-Wendungen verzichtet wird, ohne daß die Sprache gewaltsam an die heutige angepaßt wird.


    Die Stimmung ist emotional, im Lauf der Geschichte in wachsendem Maß, ohne je gefühlsselig zu sein, es ist lebendig. Es ist romantisch, ohne Kitsch. Es ist voller Liebe und das fällt am wenigsten auf.


    PS.: Was ich vergessen hatte heute morgen: das Motiv der Maske, die alle tragen, wird diskutiert und durchgehalten. Und das Motiv des Bilds, das Menschen zeigen und voneinander haben.
    Raffiniertes Buch.
    Da steckt irrsinnig Arbeit dahinter. Ich habe gegooglet, die Autorin sagt, sie habe zwei Jahre daran gearbeitet. Sie muß ein Genie sein, ich hätte auf fünf getippt...
    Nicht, daß man beim Lesen viel davon merkt.
    Sorry, bin grad in Anbetung versunken.


    MaryRead : doch, es hat sich gelohnt, daß ich das Buch heimgeschleppt habe.
    Ein umwerfender Tip!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Ich fand vor allem den Anfang anstrengend. Ich habe das Buch ein paarmal nach den ersten Seiten weggelegt und nach etwas anderem gegriffen. Es war dann auch im Urlaub, als ich beschlossen habe, nun endlich über die ersten Seiten rauszulesen, ob ich etwas verstehe oder nicht, und zu gucken, ob es besser wird. Ich kannte halt die Autorin schon und konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich mit dem Buch nicht zurechtkommen würde.


    Es wurde dann auch besser. Irgendwann habe ich die Personen nicht mehr dauern verwechselt und hatte endlich verstanden, was es mit den drei Hauptfiguren, die magali erwähnt hat, auf sich hatte. Und von da an konnte ich es nicht mehr weglegen und habe in jeder freien Minute gelesen - im Urlaub, wie gesagt. Für "zwischendurch mal ein paar Seiten" ist das Buch zu schade.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)