Wie ich meine Sommerferien überlebte – Robin Friedman (ab ca. 11 J.)

  • Es wäre besser gewesen, wenn sich der Verlag bei der Übersetzung dieses Buchs dafür entschieden hätte, den zugegebenermaßen sehr langen Originaltitel zu übernehmen.
    Der lautet nämlich nicht nur: Wie ich meine Sommerferien überlebte, sondern geht weiter mit: und es schaffte, die Geschichte aufzuschreiben. (How I Survived My Summer Vacation and Lived to Write the Story, erschienen 2000).
    Dieser Titel hätte gleich klargemacht, worum es in dieser amüsanten Geschichte geht: ums Schreiben.
    Jackie, eigentlich John jr., der uns seine Geschichte erzählt, ist 13 und kennt das Leben. Er weiß, was er will. Das wird auch sofort klar, wenn man hört, daß seine Goldfische Mark Twain, Isaac Asimov und Dashiell Hammett heißen. Genau, Jackie wird den großen amerikanischen Roman schreiben. In diesen Sommerferien, ehe die Highschool beginnt.
    Jackie ist ein sehr systematischer Charakter, deshalb hat er sich einen Schreibratgeber gekauft: Reich im Handumdrehen, heißt das Werk.
    Schreiben Sie einen Bestseller in nur einem Jahr.
    Das wiederum gelingt am besten dann, wenn man den Satz aufs Papier bringt, den ersten nämlich, den alles entscheidenden. Für den ersten ersten Satz hat Jackie eine Woche harter Arbeit gebraucht, aber nun steht er da, der astreine Anfang:


    Wer konnte ahnen, daß ich an diesem Morgen nichts Dümmeres tun konnte als aufzuwachen.


    Bloß: damit beginnen die Probleme. Über den zweiten, dritten und die weiteren Sätze steht nichts mehr im Schreibratgeber. Irgendwie braucht man die aber doch auch. Woher nehmen? Vielleicht sollte man es doch zunächst mal mit einem anderen ersten Satz versuchen?
    Im Lauf der Sommerwochen hangelt sich Jackie von erstem Satz zu erstem Satz, einer umwerfender als der andere, für traurige Bücher, düstere Bücher, komische Bücher, Thriller, Science Fiction, Liebe. Da das Leben von Teenagern meist eher horrormäßig ist, überwiegen die film noir - und Horror-Anfänge.
    Womit muß sich Jackie nicht alles herumschlagen: Öko-Futter-Eltern, Freunde, die nur Quatsch im Kopf haben, einem zwar den Ehrentitel ‚Hemingway’ zugestehen, sich aber nicht einmal merken können, daß Hemingways Vorname nicht Arnold lautete, ein bester Freund, der ein Mädchen ist und nur in Abkürzungen spricht (n. i. A. s.), ein Freak mit einer Heil-Python, die erste Liebe, ein Typ, der sich aufführt wie Cyrus the Virus, der Schwimmtrainer und Schwimmen überhaupt. Schwimmen kann Jackie gut, sogar ausgezeichnet.
    Die Romananfänge werden immer chaotischer, je mehr das Chaos in Jackies Leben überhand nimmt. Kunst und Leben reiben sich heftig. Doch allmählich schleicht sich der reale Alltag in die ersten Sätze und damit auch in Jackies Kopf. Und zum Schluß wird es tatsächlich noch was mit dem Schreiben, auch wenn man auf den großen amerikanischen Roman noch eine Weile wird warten müssen.


    Eine wirklich nett gemachtes Buch, besonders wenn man bedenkt, daß es sich um einen Erstling handelt. Typisch US-amerikanischer Sommerferien - Teenie-Roman meets Schreibratgeber, eine witzige Geschichte, die ein paar Grundregeln übers das Bücherschreiben vermittelt, darunter die allerwichtigste: schreibe über das, was Du kennst.


    Ab ca. 11. Zu beachten ist vielleicht, daß das bevorzugte Stilmittel der Autorin, bis auf das letzte Drittel des Buchs, Ironie ist. Nicht alle Kinder mögen das.


    PS.: Meinen bevorzugten ersten Satz möchte ich nicht verschweigen (die Auswahl war nicht leicht!!):


    Es war nicht das erste Mal, daß ich einen abgeschnittenen Kopf in meinem Mülleimer fand, doch das erste Mal, daß ich ihn erkannte.


    Den Thriller würde ich umgehend kaufen!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Magali,
    ich liebe deine Rezis (musste ich mal loswerden!). Diese hier verlockt mich dazu, das Buch erst einmal selbst zu lesen, statt es einem meiner Sprößlinge in die Finger zu drücken.


    Zitat

    Ab ca. 11. Zu beachten ist vielleicht, daß das bevorzugte Stilmittel der Autorin, bis auf das letzte Drittel des Buchs, Ironie ist. Nicht alle Kinder mögen das.


    Dies erinnert mich an die letzte Unterhaltung mit der Klassenlehrerin meines Sohnes (4. Klasse), die meinte, sie würde die kids gern noch zwei weitere Jahre unterrichten, denn jetzt kämen sie langsam in das richtige Alter, Ironie zu verstehen......und auszuteilen. :grin

  • Danke für die tolle Rezi, magali


    ich fange gerade an, meinen Bücherkoffer für die Sommerferien zusammenzustellen. "Wie ich meine Sommerferien überlebte" klingt nach genau der Art Buch, die ich dafür brauche. Ich werde mir das Original besorgen (schon allein wegen des gelungenen Titels). Außerdem kommt Ironie im Englischen meist viel lockerer rüber. Ich bin wirklich supergespannt auf das Buch.


    Liebe Grüße
    Anna-Lisa

  • Frau tut, was sie kann!
    :lache


    Ich habe Euch gar nicht gesehen, habe die Favoriten gelöscht, sorry!


    Sagt Bescheid, wenn ihr auf Capt'n Starpants gestoßen seid... ;-)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus