Arno Geiger, Es geht uns gut

  • Zitat

    Original von Sterntaler
    Philipp, die Hauptperson, ist ein charakterloser, flacher, lahmer, phlegmatischer Typ ohne jeden Anflug von Charme oder Sympathie.


    Soll das nicht beabsichtigt so sein?
    Jede der Figuren verkörpert eine Zeit, und Philip verkörpert das 21. Jahrhundert, mit all seiner Perspektivlosigkeit und Oberflächlichkeit, Eigenschaften der "Wegwerfgesellschaft.

  • Zitat

    Original von Jersey


    Soll das nicht beabsichtigt so sein?
    Jede der Figuren verkörpert eine Zeit, und Philip verkörpert das 21. Jahrhundert, mit all seiner Perspektivlosigkeit und Oberflächlichkeit, Eigenschaften der "Wegwerfgesellschaft.


    Ja unter dem Gesichtspunkt vielleicht schon, aber findest du nicht auch, dass alle Figurenbeschreibungen nur an der Oberfläche kratzen?

  • Zitat

    Original von Sterntaler


    Ja unter dem Gesichtspunkt vielleicht schon, aber findest du nicht auch, dass alle Figurenbeschreibungen nur an der Oberfläche kratzen?


    Nein, empfinde ich absolut nicht so. Jedes Mitglied steht für eine Zeit und eine Haltung. Wäre Geiger "tiefer" gegangen, so wäre wohl die Geschichte unübersichtlich, verwirrend und v.a. sehr umfangreich geworden. Und der Autor hätte sich wohl gnadenlos verzettelt.


    Die Erzählsituation finde ich sehr gut gewählt. Indem immer nur 1 Tag der Protagonisten geschildert wird, sozusagen aus dem "Alltag" gegriffen, über Wichtiges und weniger Wichtiges erzählt wird, konnte ich einen sehr guten Eindruck über die Charaktere gewinnen, und sie wurden richtig lebendig dadurch.


    Für mich war es ein Buch, das mich lange nicht losgelassen hat, ein absolutes Highlight des Lesejahres 2006!

  • Wow ich bin beeindruckt, Jersey, dass du solche Begeisterung für das Buch empfinden kannst.
    Ich kann das alles echt absolut nicht nachvollziehen, mir ging es genau gegenteilig.


    Aber wie gesagt, ich glaube bald, für premierte Bücher habe ich irgendwie zu wenig Wissen, Verständnis und Einfühlungsvermögen.
    Ich glaub ich sollte noch mehr lesen und irgendwann ein differenzierteres Bild von Büchern erhalten zu können.


    Ich schick dir mal ne PN wegen einer Kleinigkeit, okay? :wave

  • Ich habe das Buch soeben im Rahmen eines Lesezirkels gelesen. Arno Geiger erzählt in bemerkenswerter Art drei Generationen Lebensgeschichte einer Familie. Im laufe der 390 Seiten verstärkte sich bei mir jedoch der Eindruck, die etwas tragische Figur Philipp Erlach ist Arno Geiger selbst.


    :grin

  • Ich habe mir ein Interview einer Zeitung mit Arno Geiger vom Mai 2006 gespeichert. Hier sagt er:


    Frage: Ich bewundere, wie authentisch diese Figuren sind, gerade die älteren, der ÖVP-Politiker Richard und seine Frau Alma. Für einen 1968 geborenen Autor ist es sicher schwer, die konservativ-bürgerlichen Familienstrukturen der fünfziger Jahre überzeugend nachzustellen?


    Geiger: Ich habe manches aus Tageszeitungen recherchiert, aber ich komme selbst aus einer Familie, in der die Großmütter intelligenter waren als ihre Männer. Trotzdem waren sie immer bemüht, den Männern das letzte Wort zu lassen. So ungefähr: Lassen wir ihnen das letzte Wort, aber schauen wir, dass es unseres ist.


    Das Interview gibts hier.

  • Endlich als Taschenbuch erschienen, konnte ich es nun auch endlich lesen und ich kann nur sagen - einfach großartig.


    Geiger erzählt in diesem Buch die Geschichte der Österreicher. Ich schreib das hier bewusst ganz pauschal, weil ich davon überzeugt bin, dass jeder Österreicher, der zwischen 1920 und 1980 geboren ist einen Teil seiner Vergangenheit hier findet. Sei es die Haltung zum Krieg und die Erzählungen darüber, sei es die Methode einer Ehe und das Verhältnis zwischen Mann und Frau in den 50- und 60igern, sei es das Mitterleben des Verfalls des demenzkranken Lebenspartners, die Jugend in den 70igern usw.


    Das Buch "menschelt" und das auf sehr intensive Weise und unglaublich lebensnah. Die Zeitsprünge und die taggenauen Schilderungen verschaffen eine Brücke zwischen den Generationen auf sehr einfacher Weise. Sie beleben die Geschichte und halten den Leser in Spannung.


    Einfach großartig, einfach lesen!

  • Ein sehr interessantes Buch, das mich mit seiner Erzählweise und der Verständlichkeit beeindruckt hat. Ich freue mich immer besonders, wenn ich ein gutes Buch eines lebenden österreichischen Schriftstellers für mich entdecke. "Es geht uns gut" ist eine lesenswerte Familiengeschichte, die den Bogen über mehrere Generationen spannt und vor allem mit einer Unaufgeregtheit besticht, die ich mir andernorts oft auch wünschen würde. Besonders gelungen fand ich, daß zwischen den Zeiten gesprungen wird und alles dennoch klar verständlich und nachvollziehbar bleibt. Daumen hoch!

  • Ich habe das Buch gestern zu Ende gelesen. Es hat mir ganz gut gefallen, aber gefesselt hat es mich nicht. Gegen Ende des Buches hat mich die Episode, in der Alma ihren dementen Mann besucht, sehr berührt, als sich die Frage stellte, was ist von dem Leben übrig geblieben...
    Was mir bei der Lektüre besonders gefallen hat, ist die Sprache des Autors, wie er mit ein paar Worten Szenen und Bilder so gut beschreiben kann, dass man sie vor sich sieht.
    Es war aber schon sehr interessant, aus der österreichischen Geschichte etwas mehr zu erfahren.

  • Ich habe das Buch damals für die Uni lesen müssen. Und ich gebe zu, anfangs hielt sich meine Begeisterung stark in Grenzen. Aber ich habe durchgehalten und wurde belohnt. Sicher ist es in meinen Augen nicht das beste Buch überhaupt, aber es hat mir gefallen. Die Sprache war sehr schön und es war doch durch "spannend" aufgezogen, auch wenns einige Längen gab.


    Für mich ein schönes Buch, man erfährt einiges aus der österreichischen Geschichte und ich bin froh, durchgehalten zu haben.


    3,5 von 5 Punkten.

  • Begeistert bin ich bestimmt nicht. Bestürzt vielleicht. Soviel Banalität wird gefeierte Literatur. Arno Geiger erzählt von so viel Verschwendung, von verpassten
    Gelegenheiten, vonnicht gelebtem Leben, dass die lebendigste Figur die früh verstorbene Ingrid ist, die sich gegen ihre Eltern und ihren Mann durchsetzen kann und Ärztin wird- und die absolut unnötigerweise ertrinkt. Eine "Otto Normalfamilie" - selbst wenn der Großvater Minister war und gut Freund mit Figl- das Leben ist banal und wir machen darin unsere Fehler. Aber Lesen, Lesen muss ich da eigentlich nichts drüber.

  • Ich hab das Buch mal bei einer Bekannten beim Bücherflohmarkt gekauft, weil ich dachte, dass ich mal Literatur lesen müsse.


    Mir fiel es sehr schwer, das Buch zuende zu lesen. Keine Figur ist sympathisch, dazu die Zeitsprünge, ohne dass eine Verbindung zwischen den Zeitebenen und Figuren ersichtlich ist.


    Erst nach und nach wurde mir klar, dass es drei Generationen sind, von denen berichtet wird und dass eins mit dem anderen zusammen hängt.


    Philipp, der in der Gegenwart das Haus der Großeltern erbt und ausräumt, ist jemand ohne Freunde, ohne Elan, ohne Ziel. Wie er zu der Geliebten kam, ist wirklich fraglich, denn er ergreift kaum mal die Initiative.


    Ingrid und Peter, seine Eltern, haben schon in Jugendzeiten eine Beziehung geführt, aus der zuerst Sissi, die Tochter und schließlich Philipp als Nachkommen hervor gegangen sind. Ihre Beziehung steckt in einer Sackgasse, sie leben eigentlich aneinander vorbei.


    Und auch Alma und Richard, die Großeltern, leben meist ihr eigenes Leben. Was der eine macht, muss der andere noch lange nicht verstehen oder hinterfragen. Richard ist schließlich dement und Alma muss ihn in ein Heim geben.


    Diese Familiengeschichte, in Fragmenten erzählt, ist wirklich traurig, denn alle stecken in Sackgassen oder in Situationen, mit denen sie nicht glücklich sind, die sie aber auch nicht wirklich ändern können oder wollen. Knapp 400 Seiten damit zu füllen, fand ich übertrieben und mir hat das Lesen erst ab ca. S. 300 mehr Spaß gemacht, als mir klar wurde, wie was zusammenhängt.


    6 Punkte von mir, ich brauche eher kein weiteres Buch von diesem Autor.