Dies ist kein Liebeslied - Karen Duve

  • Kurzbeschreibung


    Die dreißigjährige, übergewichtige Anne Strelau hat einen Entschluss gefasst: Sie wird nicht länger von Peter Hemstedt träumen, in den sie seit zwölf Jahren unglücklich verliebt ist, sondern alles auf eine Karte setzen und ihre unerwiderte Jugendliebe ein letztes Mal treffen. Vielleicht kann sie dann endlich aufhören zu glauben, dass sie eine Andere werden muss ...


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    Auszug aus dem Text:



    Mit sieben Jahren schwor ich, niemals zu lieben. Mit achtzehn tat ich es trotzdem. Es war genauso schlimm, wie ich befürchtet hatte. Es war demütigend, schmerzhaft und völlig außerhalb meiner Kontrolle. Ich wurde nicht wiedergeliebt; es gab nichts, was ich tun konnte, um das zu ändern, und bei dem Versuch, selbst nicht mehr zu lieben, wurde ich beinahe verrückt. Wenn man erkennt, daß man den Verstand verliert, ist es das Klügste, die Sache für sich zu behalten und geistige Gesundheit vorzutäuschen, indem man sich wie alle anderen benimmt. Alle anderen hatten Freunde und Sex, sie hatten Berufe, gingen auf Parties und Reisen, und freuten sich fünf Tage lang aufs Wochenende. Also ging ich ebenfalls mit Männern ins Bett und mit Frauen in Bars, scheiterte in diversen Jobs, langweilte mich auf Festen und woanders und schnitzte mir sonntags mit einem Kartoffelschälmesser Muster in die Oberarme. Unterdessen wurde der FC Bayern München achtmal deutscher Meister. Alle Leute, die ich kannte, kauften sich Uhren mit Digitalanzeige und vertauschten ihre Schlaghosen gegen knöchelenge Jeans oder Karottenhosen. Der Iran erklärte die USA zum großen Satan, und MTV startete sein Programm mit :Video killed the Radio Star von den Buggles. Englische Soldaten marschierten auf den Falklandinseln ein und sowjetische in Afghanistan und amerikanische auf Grenada. Alle Leute, die ich kannte, tauschten ihre Digitaluhren wieder gegen normale Uhren mit Zeiger und Zifferblatt und kauften sich Walkmen.


    ... Und die Schlager handelten weiterhin von der Liebe. Und Männer und Frauen setzten weiterhin Kinder in die Welt und gingen zu Eheberatern und Therapeuten und ließen sich scheiden. Was auch um mich herum geschah, nie hatte ich das Gefühl, irgend etwas davon hätte mit mir zu tun. Die ganze Zeit über hielt ich gewissermaßen den Atem an und wartete auf meinen Einsatz, wartete auf die entscheidenden Worte, die fallen mußten, damit ich hinter dem Vorhang hervor auf die Bühne treten und mitspielen konnte. Aber das Leben ging weiter und weiter, die Worte fielen nicht, und die Jahre sammelten sich an wie Dreck und Laub in einer Regenrinne. Eines Tages, genauer gesagt am Donnerstag, den 20. Juni 1996, beschloß ich, daß die Sache ein Ende haben müßte, ein schlimmes oder eines, das ich mir nicht vorstellen konnte. Und ich ging in ein Reisebüro und kaufte mir einen Flugschein nach London, wie sich andere Leute einen Strick kaufen.


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    Meine Meinung:


    Ich fand das Buch wundervoll. Man liest es mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Die Helding, eine Außenseiterin mit Gewichts- und Liebesproblemen, ihr Leben, das absolute Gegenteil eines Hollywoodstreifens, in dem alles irgendwie immer zu funktionieren scheint. Ihr Leben ist gnadenlos real, sie hoft auf ein happy end, ob es eins geben wird, verrate ich natürlich nicht :grin


    Den Schreibstil von Karen Duve finde ich sehr flüssig, sie schreibt mit viel Wortwitz und einer großen Portion Sarkasmus.


    Ich habe mit Anne mitgelitten und gleichzeitig musste ich ständig über sie lachen: soviel Pech kann eine einzige Person nicht haben...oder doch?


    Die Tragik des Alltags, sehr witzig ironisch verpackt.


    Kann ich Euch nur empfehlen :-]

  • Oh ja bitte Lili und dann sag mir, wie du es fandest, den Regenroman von ihr fand ich ja unterirdisch schlecht, daher trau ich mich hier irgendwie nicht ran.... :cry

  • Ich hab das Buch auch vor Kurzem beendet und fand es nicht gut.
    Ich fand die Geschichte total sinnlos.


    Die Hauptaussage lautete: " Wäre ich schlank hätte ich keine Probleme". :pille


    Ich wollte das Buch oft weglegen da ich aber schon viel gutes gehört habe wollte ich wissen ob es sich vielleicht noch bessert - hat es leider aber nicht. Ich würde vielleicht drei Punkte vergeben.

  • Es ist rührend und gleichzeitig unglaublich komisch, wie die achtjährige Anne gemeinsam mit ihrem Schulfreund eine Klinik für jene Frösche betreibt, die von den Rasenmähern der Nachbarn gemetzelt wurden. Mit Schere und Tesafilm werden die lädierten Viecher verarztet, und auch die Tatsache, dass am Morgen danach alle Patienten entweder verstorben oder verschwunden sind, hält die kleine Sanitäterin nicht von ihrem Tatendrang ab. Es gibt noch sehr viele andere Episoden in diesem Buch, die auf ähnliche Art nahegehen, amüsieren, Identifikationspotential bieten. Annes Kindheit und Jugend haben viel von dem, was jeder erlebt hat, was vor allem jene erleben mussten, die nicht zu den Perfekten gehörten, denn Anne ist von je her latent übergewichtig, mag keinen Sport und kann, wenn sie ehrlich ist, auch nach der Pubertät nicht so recht etwas mit Jungs anfangen. Ein Entwicklungsroman also, über eine Underdog-Figur. Davon gibt und gab es viele, und leider ist "Dies ist kein Liebeslied" über weite Strecken nicht sehr viel besser als die anderen. Aber auch nicht schlechter.
    Mit achtzehn verliebt sich Anne in einen Klassenkameraden, und mit dreißig, in der Jetztzeit angelangt, die im Wechsel mit den Kindheits- und Jugendepisoden erzählt wird, fährt sie nach London, um dem Angebeteten endlich die Liebe zu gestehen. Sie weiß, dass diese Unternehmung nicht von Erfolg gekrönt sein wird, wiegt Anne doch zu diesem Zeitpunkt über 100 Kilo und passt kaum auf einen Flugzeugsitz, wohingegen das Objekt der Begierde schön und erfolgreich ist. Aber es geht auch darum, die Dämonen der Vergangenheit zu besiegen. Vielleicht jedenfalls. Denn ganz schlüssig ist Duves Buch an dieser Stelle nicht. Ganz im Gegenteil scheint es am Ende zu zerfallen, unfähig, sich für etwas zu entscheiden, wenigstens einen Ausblick zu liefern.
    Aber Karen Duve ist Karen Duve, und wenn der Plot auch seine Schwächen und Längen hat, kann "Dies ist kein Liebeslied" meistens gut unterhalten, erzeugt Aha-Effekte, bietet viel Witz, Selbstironie und sprachliche Brillanz. Nicht ihr bestes Buch, aber ein bemerkenswertes Gegenstück zu den vielen Jugenderinnerungsromanen, die von männlichen Autoren auf den Markt geworfen wurden.

  • Diese und ein paar weitere Szenen fand ich auch rührend.
    Etliche Schilderungen kamen mir sehr vetratut vor.
    Nach Taxi und dem Regenroman ist das mein drittes Buch von Karen Duve. Da ich das Ende so belanglos fand, ist es für mich schwer zu sagen, ob das Buch mir gefallen hat. Stellenweise auf jeden Fall.