Man ist ein Rindvieh
Jeder zitiert ihn, jeder kennt ihn: Man. Meine Mutter kannte ihn schon lange vor mir und sagte immer: „Man ist ein Rindvieh“.
Man ist immer höflich zu anderen Leuten, Man hat eine blitzblankgeputzte Wohnung, Man hat dies und Man hat das. Allseits beliebt ist Man auch bei all denjenigen, die ihre Vorstellungen von hauswirtschaftlicher Sorge auf andere übertragen. „Wie, du wechselst deine Bettwäsche nur alle 6 Wochen? Man macht das einmal im Monat – mindestens!“ Oder, was noch interessanter ist: „Du magst kein Gemüse? Man sagt doch, dass Gemüse gesund ist.“
Ab und zu packt mich die Lust, diesem Man mal die Meinung zu Geigen. Doch er ist nicht zu fassen. Er versteckt sich in den Köpfen und Ideen anderer die natürlich viel besser sind als die die einem selber beflügeln. Du willst in den Urlaub nach Buxtehude? Neee das geht nicht – Man fliegt ja nach Mallorca.
Eines Tages stellte ich mich an den Abflugschalter für die Mallorca-Blitz-Transfer-Airline und versuchte mir ein Bild von Man zu machen. Also ich weiß ja nicht, Man habe ich nicht gesehen aber lauter verschiedene Menschen die zudem unterschiedlich aussahen. Große, Dicke, Dünne, Alte, Junge, Kinder die ausgelassen rumkrakelten und Erwachsene die genervt ihr Gepäck nachzählten. Ein Passagier fragte, ob Man denn endlich weitergehen dürfe. Ich reckte und ich streckte mich, aber Man sah ich nicht und auch dieser Herr sah nicht nach Man aus – zumindest habe ich mir Man nicht so vorgestellt. Frustriert ging ich wieder, da Man ja offensichtlich nicht dabei war.
Kurz darauf erfuhr ich, dass Man ja ganz aktuell diese totschicken Stiefel mit dem absolut angesagten Keilabsatz hat. „Oh!“ dachte ich mir – „Man ist Weiblich?“ Völlig verwirrt machte ich mich auf zum nächsten Schuhladen, der diese absolut hammergeilen neuen Stiefel führt. Aber anstatt auf Man zu treffen, sah ich nur eine Horde schnatternder Frauen die das Schuhwerk anprobierten, Verkäuferinnen die vor lauter Schachteln hin und hertragen schon ins Schnaufen kamen. Aber jemand, den ich als Man identifizieren konnte sah ich nicht. Eine der Schachtelschleppenden Wesen fragte ich dann, ob Man denn tatsächlich diese Stiefel kaufen würde. „Ja, was denken Sie denn? Diese Stiefel sind der Renner und Man kauft wirklich sehr viel davon.“ Kopfschüttelnd ging ich wieder und grübelte nach, ob Man wohl Millionär sein wenn er – oder vielleicht sie? – so viele Stiefel kaufen könnte.
Völlig fertig machte ich mich auf den Weg nach Hause. Mit meinem Auto fuhr ich die Strecke von der Stadt bis zu meiner Wohnung und als ich unterwegs an einer Kuhweide vorbeifuhr hörte ich innerlich meine Mutter sagen: „Man ist ein Rindvieh“. Nun ja, das ließe sich ja vielleicht überprüfen.
An einem Feldweg stellte ich zuerst einmal in Ruhe mein Auto ab und schlenderte gemächlich zu der Weide hin, auf der eine Horde Kühe lag und genüßlich wiederkäute. Ich versuchte einen Lockruf, der bei Hunden und Katzen funktionierte – denn ich wollte Man endlich einmal leibhaftig sehen. „Man Man Man“ zwitscherte ich in den verschiedensten Tonlagen. Und tatsächlich – es tat sich was. Die erste Kuh wuchtete sich hoch und trottete gemählich an den Zaun. Überglücklich war ich, hatte ich Man doch endlich gefunden. Aber was war das? Alle anderen Kühe standen auch plötzlich auf und folgten meiner Man-Kuh bis zu mir an den Zaun.
Verwirrt und verängstigt – denn mit so einem Ansturm hatte ich nicht gerechnet – machte ich mich vom Acker und fuhr nach Hause. Am Abend berichtete ich meiner Mutter am Telefon von meiner Suche nach Man. „Mutti, du wirst es kaum glauben aber Man ist nicht nur ein Rindvieh – nein Man ist eine Herde.“
Ich frage mich nun die ganze Zeit warum sie so einen Lachanfall bekam.