Anstand und gute Sitten bestimmen den Alltag des fiktiven Eifelstädtchens Schönenbach.
Hier tritt Frank Buschhoff, katholischer Priester, seine erste Pfarrstelle an. Ihm zu Diensten wird Paula Brandt von der Kirche als Haushälterin angestellt und zieht ins Pfarrhaus mit ein. Nicht nur aufgrund seines weltlichen Musikgeschmacks wird Frank Buschhoff von den Gemeindemitgliedern schnell als "Abweichler" empfunden, sondern auch wegen kritischer Auffassungen zu Fragen wie der Ehelosigkeit katholischer Priester.
Paula Brandt und Frank Buschhoff moegen sich. Es bleibt nicht bei gemeinsamen Fernseh-und Leseabenden, Einkaufsbummeln und Besuchen der Dorfkirmes. Die Leute reden bereits, als ein gemeinsamer Urlaub in Italien nicht ohne Folgen bleibt. Paula ist schwanger. Von dem Mann, den sie liebt, der aber katholischer Priester ist.
Frank Buschhoff sieht die Sache einfach. Als das Gerede der Leute immer konkreter wird und die kontroversen Diskussionen in dem Eifelort immer gehaessiger und intriganter werden, tritt er in der samstäglichen Vorabendmesse vor seine Gemeinde und erklärt den GottesdienstbesucherInnen:
"Meine Haushälterin bekommt ein Kind. Und weil dessen Vater sich zu dieser Schwangerschaft nicht bekennt, werde selbstverständlich ich versuchen, sie zu unterstützen."
Bald darauf wird der gemeinsame Sohn Klaas geboren. Was bis dahin mit Klatsch und Tratsch abgehandelt wird, wird nun auf den Jungen übertragen, der mit zunehmendem Alter Bemerkungen und Kommentare abbekommt. Als der Religionslehrer Paul Frei den Jungen während einer öffentlichen Veranstaltung "Pfarrersöhnchen" schimpft, ist es mit der Gelassenheit und Neutralität Frank Buschhoff's vorbei. Er prangert in der sonntäglichen Predigt diese Umgangsart als "Mobbing" an und beschimpft seine Gemeinde von der Kanzel herab.
Doch längst hat er seine Autorität als katholischer Priester, die Kontrolle und den Überblick über seine Gemeinde verloren. Einige Vertreter seiner Kirchengemeinde haben dem Bischof einen Brief mit Hinweis auf die "Vorgänge im Pfarrhaus" geschrieben und darin die Schwangerschaft bekannt gemacht. Der "offene" Brief erscheint in der Lokalzeitung. Frank Buschhoff wird zu einem Gespräch ins Generalvikariat geladen: "Wir sind befremdet ueber die Vorgänge" teilt man ihm mit, "sind Sie der Vater des Kindes?". Erst jetzt bekennt sich Frank Buschhoff zu seiner Vaterschaft, da er keinen anderen Ausweg mehr sieht. "Ja, ich bin der Vater." Es folgt der Rücktritt von allen seinen Aemtern, er behält nur wenige Aufgaben. Nun interessieren sich Fernsehen und Hoerfunk für die Geschichte. Obwohl er nur Fakten und Tatsachen in den Berichten schildert, werfen ihm seine Vorgesetzten Verdrehung und Verfaelschung vor. Ab jetzt setzt systematisches Mobbing gegen ihn ein, mit dem in der gespaltenen Bevölkerung Irritation und Verunsicherung erzeugt wird und das Vertrauen in ihn zerstört wird.
Paul Frei, der Religionslehrer, der den Sohn Klaas öffentlich als "Pfarrersöhnchen" titulierte, haelt im Provinzkarneval eine Büttenrede, in der das Priester-Haushälterinnen-Verhältnis und die Schwangerschaft in denkbar unpassender Art und Weise angeprangert und lächerlich gemacht wird. Buhrufe, Gelächter und Pfiffe folgen. Paula Brandt und Frank Buschhoff stehen auf und verlassen die brodelnde Narrenresidenz.
Doch Frank Buschhoff ist nicht so stark, wie er zu sein vorgibt und so einfach wie er die Sache darstellt, ist sie auch für ihn selbst nicht. Er beginnt zu trinken, erst manchmal, dann immer öfter, dann regelmässig und muss sich irgendwann eingestehen: er ist Alkoholiker.
Jetzt ist er als Alkoholkranker fuer die Kirchengemeinde natürlich nicht mehr tragbar. Nach einem Unfall infolge Alkohol wird er im Koma in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Er ist am Ende.
Er hat seinen Beruf, Frau und Sohn verloren. Während er in der Klinik Entzug, Gesundung und Rehabilitation versucht, verlässt Paula Brandt zusammen mit ihrem Sohn das Pfarrhaus und nimmt einen Job als Rezeptionschefin in einem Hotel an. Und sie lernt einen anderen Mann kennen.
Frank Buschhoff hat einen Traum, in dem Paula Brandt leise weinend seinem Sarg folgt. Frank Buschhoff erwacht. Er wird gesund und bekommt eine neue Pfarrstelle, die er bis zu seinem Tod leitet.
Seine alte Pfarrstelle wird von einem katholischen Priester übernommen, der das Pfarrhaus bezieht - natuerlich mit einer Haushälterin!
Kommentar:
Die Zahl der Sprösslinge von katholischen Geistlichen, so schätzen Betroffeneninitiativen, geht in die Tausende. Und rund die Haelfte der fast 17 000 deutschen Gottesmänner soll sexuelle Beziehungen haben. Die Kirche zieht diese Zahlen - nicht verwunderlich - in Zweifel.
Umfragen zufolge wären 80 bis 90 Prozent der Katholiken in Deutschland damit einverstanden, wenn ihre Priester Frau und Kinder haben dürften.
In der Tat: Deutschland hatte nach der letzten aktuellen Statistik 10 000 Geistliche weniger. Der Kirche geht der Nachwuchs aus.
Der Roman rührt also an ein aktuelles und eines der wichtigsten Tabuthemen innerhalb unserer Gesellschaft. Wie überleben die aus diesem Tabu geborenen Priesterkinder die Lügen der Kirchenväter und ihr Schweigegebot? Streckenweise liest sich der Roman durch die detaillierte Beschreibung kleinbürgerlicher, kleinkarierter verfilzter, verquaster und verzopfter Kirchen-und Provinzpolitik so entsetzlich, dass man beim Lesen zu ersticken droht.
Manfred Reuter:
Der Kirchenmann
216 Seiten
ISBN: 3980214877
15 Euro
Verlag PI, Weissenseifen