Hanns-Josef Ortheil - Die große Liebe

  • Hanns-Josef Ortheil erzählt von der leidenschaftlichen Liebe eines Paares, das sich an der italienischen Adria-Küste kennenlernt. Er, ein deutscher Fernsehredakteur, recherchiert dort für einen Film über das Meer, sie ist Meeresbiologin und leitet ein Forschungsinstitut. Er hat sich gerade aus einer längeren Beziehung gelöst, sie ist mit einem Institutskollegen verlobt. Beide sind fasziniert vom Wasser, seinen Farben, Gerüchen, und bereits über ihrer ersten Begegnung liegt eine eigentümliche Magie. Sie können den anderen nicht mehr aus den Augen lassen und erkennen, daß sie füreinander geschaffen sind - eine Erfahrung, die keiner von beiden vorher gemacht hat. Zuerst langsam, dann mit rapide wachsender Intensität gehen sie ihren Wünschen nach und versuchen ihre Liebe gegen alle inneren und äußeren Widerstände zu behaupten. Hanns-Josef Ortheil erzählt die Geschichte einer großen, romantischen Liebe als eine Geschichte der Sinne und ihrer Inszenierungen. Blicke, Berührungen und Stimmen verdichtet Ortheil in seinem Roman zur Ästhetik einer einzigartigen Annäherung, der sich dieses Paar mit allen seinen Gefühlen hingibt.


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    Für mich war dieses Buch ein Hochgenuss. Die Handlung selber ist zwar schön, aber nicht das wichtigste.


    Das Grandiose an diesem Buch ist die Sprache. Ich habe selten so schöne Formulierungen gelesen, eine solche dichte Atmosphäre erfahren dürfen. Ich glaubte, mitten im Geschehen zu sein. Alle meine Sinne waren angesprochen. Ich las nicht nur, ich sah, ich hörte, ich roch, ich schmeckte.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Hallo,


    Ortheil ist einer der ganz wenigen modernen Schriftsteller, die ich wirklich sehr schätze. Einige seiner frühen Bücher mag ich nicht besonders, weil sie mir zu ich-will-unbedingt-intellektuell-sein sind, aber Lo und Lu ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Ich freue mich schon sehr auf Die große Liebe und hoffe, dass sie bald als Taschenbuch herauskommt oder ich sie in der Bibliothek finde.


    Kennst Du andere deutsche Autoren, die ähnlich gut sind? Ich lese nämlich fast nur amerikanische Literatur, weil die mir viel besser gefällt.

  • Meine deutschen Lieblingsautoren sind Lion Feuchtwanger, Jurek Becker (naja, eigentlich ein Pole ;) ) und Thomas Bernhard. Aber mein absoluter Favorit ist Christa Wolf :anbet

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Mich hat das Buch leider nicht angesprochen.
    Es war mir einerseits zu realitätsfern und auf der anderen Seite für die Darstellung eines Traums nicht dicht genug.
    Warum realitätsfern? Verwundert und dann gestört hat mich die 'Geschichte'.
    Mann trifft Frau und erkennt, daß sie seine große Liebe ist. Soweit okay. Doch die Gestalt dieser Frau wird im ganzen Buch nie richtig lebendig. Sie bleibt das Bild von der 'großen Liebe', die Einzige, Wahre, Schöne. Ein Traumwesen, gespeist aus den Wunschvorstellungen eines Mannes von der perfekten Liebe. Es ist völlig überhöht, wie Minnedichtung.
    Es gibt keine Konflikte, keine inneren und eigentlich auch keine äußeren. Es entwickelt die ideale Liebe an sich, aber in meinen Augen einseitig. Deswegen blieb es bei mir auch bei dem Urteil von der Geschichte von der Vorstellung einer idealen Liebe bei einem arrivierten Mann kurz vor der Midlife-Crisis.
    Für 2003 verblüffend statisch und rückwärtsblickend.
    Unrealistisch blieb auch das dargestellte Italien, es besteht vor allem aus Wein und gutem Essen. Überhaupt sind die Gerichte und der breit beschrieben Verzehr derselben so ziemlich das einzig Sinnliche an diesem Buch. De facto bleiben aber auch sie substanzlos, es macht nicht wirklich Appetit.
    Was wirklich bleibt, sind einige Eindrücke vom Meer und der Landschaft der Marche entlang der Adria-Küste, die infolge der wunderbaren Sprache Ortheils auch wirken.
    Insgesamt kam mir das ganze Buch so gedämpft vor, verhalten, zurückgenommen, so wohlerzogen vor, altmodisch, ohne wahre Leidenschaft. Verschwommen-dämmrig, wie unter Wasser schwebend. Nicht greifbar und letztlich nicht WAHR.
    Ganz entsprechend dem ersten Satz:
    Plötzlich das Meer, ganz nah, eine graue, stille, beinahe völlig beruhigte Fläche.


    Es ist sicher eine Leseerfahrung, bloß habe ich meine Zweifel, ob die nun jede/r machen muß.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Mir ging es teilweise wie magali - die Protagonisten gingen mir zwischendurch mächtig auf die Nerven, weil sie so perfekt waren.


    Franca z.B. ist so schön, dass einfach JEDER von ihrer Erscheinung gefesselt ist. Weil ihr die Männer zu Füßen liegen und mit ihren Anträgen belästigen, verlobt sie sich mal eben mit ihrem Kollegen, den sie sehr achtet aber nicht liebt. Pffff....


    Giovanni kommt dauernd ins Gespräch mit Hotelportiers, Restaurantbesitzern und Kellnern - die haben immer endlos Zeit und finden es so toll, wenn er sich für das Essen und die Gegend interessiert. Na ja...


    Und dann das Essen immerzu. Da ich keine Oliven, Austern und Tintenfische mag, wurde es mir irgendwann echt zuviel.


    Und trotzdem hat mir das Buch gefallen.
    - Eine Liebesgeschichte ohne diese ewige Dramatik. Ohne dieses Hin und Her. Ohne dauerne Missverständnisse, Schicksalsschläge, schreckliche Rivalen, Enthüllungen aus der Vergangenheit usw. Das war sehr wohltuend.
    - Die Übersetzung der Gefühle und Bilder in eine wunderbare Sprache hat mich begeistert
    - Das Thema "Meer" - da gibt es bei mir immer Pluspunkte.

  • Ich liebe dieses Buch!


    Das so still ist, fernab von jeder Realität.
    Ein Mann, eine Frau, ihre Begegnung und das Wissen der beiden, daß sie für einander bestimmt sind.


    Still, fast profan und eine Stimmung heraufbeschwörend, die so alltäglich aber trotzdem nahezu entrückt ist, dass in dem kleinen Ort an der Adria ebensogut
    die Zeit hätte stehen bleiben können.


    Ein Mann, eine Frau, das Meer


    sonst nichts


    und es ist mehr als genug


    entrückte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Ein Mann, Mitte vierzig, wird von seiner Arbeitsstelle in den Urlaub geschickt. Urlaub kann man dies jedoch nicht so wirklich nennen, da er in Italien, in einer Stadt namens San Benedetto, Recherchen für einen Dokumentarfilm machen muss. Als er in San Benedetto ankommt und am zweiten Tag in ein Institut für Meeresbiologie geht, trifft er dort auf Franca. Franca ist Leiterin des Institutes und hält ihm dort einen Vortrag über verschiedene Ausstellungsstücke. Er hört ihr nicht richtig zu und weiß, dass sie genau die richtige für ihn ist. Als sie beiden dann langsam anfangen, sich zu lieben, gibt es da noch kleine Hindernisse, von denen der Mann nichts wusste.


    Eine wunderbare Geschichte für zwischendurch, die zum Träumen angelegt wurde.


    Die Geschichte von Hans – Josef Ortheil ist wirklich großartig. Er beschreibt das italienische Feeling so gut, dass man sich fühlt, als sei man wirklich im Urlaub. Es gibt verschiedene Passagen, an welchem man stark beginnt zu träumen und wenn man aufschaut, stellt man fest, dass man gar nicht in Italien ist.


    Die Charaktere in der Geschichte sind zum Teil liebevoll gestaltet. Es wird jedoch leider nicht genauer auf sie eingegangen, was ich sehr schade finde. Dadurch, dass die Geschichte aus der Sicht des Mannes geschrieben ist, kennt man ihn am besten von allen Leuten. Franca könnte für den einen oder anderen sogar unsympathisch wirken, da sie wirklich nicht sehr gut beschrieben wird. Jedoch kann man sich einigermaßen in die Geschichte hineinversetzten und mit dem Ich-Erzähler mitfühlen.


    Die Geschichte an sich ist gut. Sie erzählt nichts Neues. Ein Mann und eine Frau lieben sich und müssen noch verschiedene Sachen regeln, bevor sie endgültig zusammen sein können. So etwas hat doch jeder schon einmal gelesen. Jedoch finde ich, dass diese Geschichte etwas ganz besonderes hat. Vielleicht liegt es daran, dass der Erzähler die Umgebungen in Italien sehr deutlich und gut erklärt und man wirklich das Gefühl hat, als sei man im Urlaub. Der Roman spielt auch ein bisschen mit den eigenen Gefühlen und lässt den Leser, wie schon gesagt, träumen.


    Was für mich immer sehr tolle Passagen waren, sind die, wo der Ich-Erzähler in sein Notizbuch schreibt. Es gibt nämlich verschiedene Passagen, in denen der Erzähler sein Notizbuch herausnimmt und aufschreibt, wie er sich gerade innerlich fühlt und was ihn an diesem Tag bewegt hat. Meist handeln die Einträge über Franca. Ich finde, dass es wirklich tolle Passagen sind, da man durch diese Einträge erst wirklich erfährt, wie der Mann sich fühlt und was in ihm vorgeht.


    Alles in allem ist dies eine liebevolle Geschichte, für welche ich jedoch leider einen Daumen abziehe, da sie Charaktere teilweise nicht genauer beschrieben wurden.


    © Kevin Herhut

  • @ buzzaldrin:
    Hast Du Ortheil in der NDR Talkshow gesehen, in der es u.a. um seine Kindheit und die gehörlosen Eltern ging?


    "Die große Liebe" habe ich vor einigen Jahren gelesen und ich kann mich erstaunlich gut an die Geschichte erinnern.
    Das Besondere an ihr ist die Erzählweise, die den Leser das Erzählte wie durch einen durchsichtigen Vorhang erleben lässt. Die Kritik von magali und Nieselpriem - Ortheil sei nicht dicht genug an seinen Figuren, die italienischen Akteure haben immer Zeit für den Protagonisten und die allgegenwärtige Perfektion - sind nicht von der Hand zu weisen und auch ein wenig realitätsfern, und doch schafft es der Autor mit seinem Stil, den Leser in die Handlung hineinzuzziehen. Trotz aller berechtigten Einwände mochte ich dieses Buch und halte es für lesenswert.

  • Ein großartiges Buch, dass mich wie das Meer in seinen Bann gezogen, mich mit seiner Tiefe an Gefühlen berauscht und durch bewegte Lesestunden getragen hat.

    Zitat

    Orginal von Elbereth
    Ein Mann, eine Frau, das Meer....


    ....und die Liebe, das ist wirklich mehr als genug.