Dostojewski - Schuld und Sühne

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  • Für mich war dieses Buch ein Hochgenuss.
    Vielleicht war es auch weniger die manchmal etwas abstruse Handlung oder die absonderlich anmutende Lebensphilosophie der Hauptfigur, als vielmehr Dostojewskis Sprachgewalt und sein unglaubliches Talent Charaktere zu schildern, die mich restlos in den Bann der Geschichte zogen.
    Meine Sympathien gehörten nicht unbedingt dem Doppelmörder Raskolnikow, dafür aber vielen anderen Figuren, die seinen Lebensweg kreuzten, wie etwa seiner Schwester Dunja oder seinem Freund Rasumichin. Aber auch die Familie Marmeladow ist mir sehr ans Herz gewachsen.
    Dostojewski hat nicht nur einen - auch für heutige Begriffe - spannenden Kriminalroman geschrieben, sondern darüber hinaus eine kunstvolle Milieu- und Gesellschaftsstudie seiner Zeit komponiert.
    Auch der Schluss war für mich ein völlig stimmiger und abgerundeter, der nur einen Wunsch offenließ, nämlich, den auf dem Weg der Läuterung befindlichen Raskolnikow auch nach seiner Zeit im sibirischen Straflager weiter begleiten zu dürfen.

  • Der Schluss wird für mich vor allem allein deshalb schon immer einen besonderen Stellenwert haben, weil es mein erster Roman war, und ich am Ende nach einer ziemlich niederschmetternden Handlung alles andere erwartet hätte, als ein solch tröstliches, ja fast glückliches Ende, und dementsprechend sehr zufrieden war, denn vor allem für Dunja, Rasumichin und Sonja freute es mich. Nachdem nun auch Dostojewskis andere große Romane gelesen sind, bleibt festzustellen, das Schuld und Sühne vermutlich sein erbaulichstes, positivstes Werk ist, oder anders formuliert: wer Angst vorm depressiven, düsteren Dostojewski hat, sollte trotzdem mit Schuld und Sühne einen Versuch wagen.

    Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
    - Wittgenstein -

  • Ich fands total klasse, was ich gar nicht gedacht hätte, aber es hat mich echt in den Bann gezogen! Ich habe mit Sonja migelitten ohne Ende. Die Personen sind lebhaft gezeichnet und immer wenn ich mal so weit war und nicht mehr so die Lust hatte, passierte am Ende des Kapitels irgendwas Spannendes, dass mich weiterlesen ließ.
    Ich lese jetzt "Weiße Nächte" von ihm.

  • So, ich hab heute "Crime and Punishment" zu Ende gelesen :) Fand das Buch erstaunlich toll und fesselnd. Aus Erfahrung bin ich bei Klassikern ja von vornherein immer etwas skeptisch ;-)
    Wenn ich aber das nächste Mal einen Dostojewski lese, wird es wohl auf Deutsch sein - denn so war es doch zusätzlich noch etwas anstrengender.



    Rezension:
    "Es gibt zwei Sorten von Männern: die Gewöhnlichen sind dazu verdammt sich dem Gesetz zu beugen, die Außergewöhnlichen aber sind darüber erhaben."
    (frei übersetz aus „Crime and Punishment“)

    Wir befinden uns im St. Petersburg des 19. Jahrhunderts. Der 23-jährige Rodion („Rodia“) Raskolnikow lebt verarmt in einer schäbigen, kleinen Wohnung. Sein Jurastudium und das Schreiben für Zeitungen hat er aufgegeben und hält sich nun mit dem Geld, was seine Mutter ihm ab und zu schickt, über Wasser.
    Von seiner Überzeugung getrieben, begeht er schließlich einen Doppelmord: die Pfandleiherin Alena Ivanova und ihre Schwester Elizabeth erschlägt er kaltblütig mit einem Beil und raubt Geld und einige Wertgegenstände aus der Wohnung.
    Gerade noch kann er unentdeckt entkommen und rettet sich zurück in sein Apartment um dann in schweren Fieberträumen zu versinken…

    Damit beginnt Fyodor Dostoyevskys wohl bekanntester Roman aus dem Jahr 1866, der den Leser durch die Geschichte eines jungen Mannes führt, der den perfekten Mord begehen wollte.
    Rodia erholt sich langsam von seiner Krankheit und erkennt, was er getan hat. Zunächst von Panik ergriffen, handelt er regelrecht paranoid, beruhigt sich aber bald und redet sich ein richtig gehandelt zu haben – zumal seine Schwester aus Geldnöten einen unsympathischen Mann heiraten soll und er sie nun finanziell unterstützen und sie vor dieser Ehe bewahren könnte. Er sieht sich dabei selbst als einen „Napoleon“: einen über dem Gesetz erhabenen Menschen für den wohl der Zweck alle Mittel heiligt. Schnell aber gerät er unter Verdacht und der Ermittlungsrichter Porphyrius Petrovitch spielt mit ihm ein gefährliches, psychologisches Katz-und-Maus-Spiel.

    Man darf von dem Roman nicht erwarten etwas Ähnliches wie eine Modernen Psychothriller zu bekommen, denn in die Richtung geht das Buch keinesfalls. Viel mehr zeigt Dostoyevsky mit viel Feingefühl das Portrait eines Wahnsinnigen, erklärt seine Psyche und lässt den Leser hautnah erleben, wie Rodia schließlich mit seiner Tat umgeht. Um einen kleinen Hinweis zu geben: Nicht zuletzt der Rat einer Prostituierten, die Rodia zufällig kennen lernt, spielt dabei eine große Rolle.

    Zwischendurch war ich immer etwas demotiviert das Buch auch bis zum Schluss zu lesen, da zum Einen die unzähligen russischen Namen wirklich verwirrend sind (z.B. heißt Rodia eigentlich Rodion Romanovitch Raskolnikoff, wird aber konsequent von verschiedenen Personen mit immer einem anderen der 4 Namen angesprochen) und zum Anderen, weil die Geschichte nicht immer aus Rodias Sicht erzählt wird, sondern ganze Passagen aus der Sicht recht unbedeutender Personen wiedergegeben werden. Manchmal war dieser Perspektivenwechsel sehr spannend und ergänzte das Bild, das man sich von Rodion gemacht hatte, aber andere Male wusste ich überhaupt nicht was die Funktion dieser Sprünge war. Dennoch: wenn man es über die kleinen, schwächelnden Stellen hinwegschafft und das Buch auf sich wirken lässt, merkt man, was für ein fantastisches Werk man dort in den Händen hält! Dostoyevsky hat ganz bestimmt mit seinem Roman bewiesen, dass er ein psychologisches Feingefühl besessen hat, das für 1866 außergewöhnlich war und nicht nur faszinierende Einblicke in die Psyche eines Mörders gibt, sondern auch auf seine ganz eigene Art und Weise fesselt.

  • Guten Morgen serpent!


    Zitat

    Original von serpent
    Wenn ich aber das nächste Mal einen Dostojewski lese, wird es wohl auf Deutsch sein - denn so war es doch zusätzlich noch etwas anstrengender.


    Ich habe die deutsche Übersetzung von Richard Hoffmann gelesen (Winkler-Verlag) und fand sie sehr gelungen. Eine leichte, angenehme Sprache. (Es gibt sogar ein Namensverzeichnis, samt Kosenamen, am Schluss des Buches. :-))


    "Anstrengend" war für mich eigentlich nur die Intensivität des Erzählten. Der Leser erlebt und lebt die Gefühle Rodjas, seine Handlungen, seine wirren Gedanken... seine innere, an Wahnsinn grenzende Zerrissenheit, die sich bis zum Schluss hält. Das gleiche gilt ja auch für die anderen Figuren. Wobei dies, m.M., den Zweck hatte, Rodjas Charakter und Ansichten zu verdeutlichen. So lernen wir Rodja eben erst vollends durch die Charakterisierung anderer kennen und erfahren, dass er ein auch "gutes Herz" hat etc. (was in den ersten Kapiteln nicht ersichtlich wird :zwinker).


    Das restliche Personal hatte v.a. aber die Aufgabe, die Missstände der damaligen Zeit zu verdeutlichen. Erst nach Beenden des Romans ist mir aufgefallen, dass keine dieser Figuren etwas wirklich Positives erfahren durfte. Alle kommen sie mit Armut, Dreck oder Einsamkeit in Berührung. Wirklich jede von ihnen muss Unglück und Leid erfahren.


    Schwachstellen hatte der Roman für mich keine. Ich fand nur den Schluss etwas unbefriegend. Zu plötzlich, zu knapp. :wave

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - K. Kraus

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  • Zitat

    Original von titania*
    Wobei dies, m.M., den Zweck hatte, Rodjas Charakter und Ansichten zu verdeutlichen. So lernen wir Rodja eben erst vollends durch die Charakterisierung anderer kennen und erfahren, dass er ein auch "gutes Herz" hat etc. (was in den ersten Kapiteln nicht ersichtlich wird :zwinker).


    Das war ja nicht immer der Fall. Besonders wirr fand ich gegen Ende das Kapitel aus der Sicht von Arcadius Ivanovich Svidrigailov, wo er in ein Hotel absteigt, dort wirr träumt und sich dann am nächsten Tag.... (nun ja ich will ja nicht spoilern :grin). Da gab es überhaupt keinen Bezug zu Rodia, deshalb passt z.B. dieses Kapitel eher auf:


    Zitat

    Original von titania*
    Das restliche Personal hatte v.a. aber die Aufgabe, die Missstände der damaligen Zeit zu verdeutlichen. Erst nach Beenden des Romans ist mir aufgefallen, dass keine dieser Figuren etwas wirklich Positives erfahren durfte. Alle kommen sie mit Armut, Dreck oder Einsamkeit in Berührung. Wirklich jede von ihnen muss Unglück und Leid erfahren.


    In dem Fall muss ich allerdings gestehen, dass ich persönlich das einfach nicht spannend fand. Man hatte ja zu den Nebenpersonen keine Beziehung aufgebaut (oder aufbauen können) weil letztendlich nur von ihrem Leid berichtet wird (und davon, dass die Meisten doch leicht einen an der Waffel hatten ^^). Ist für mich also aus moralischer Sicht ganz nett... oder um über die damaligen Lebensumstände etwas zu erfahren... aber zieht die eigentliche Geschichte um Rodia nur in die Länge.

  • Es ist zwar schon ein Weilchen her, dass ich das Buch gelesen habe, dennoch möchte ich kurz meinen Eindruck wieder geben.


    Bis heute weiß ich nicht wirklich wie ich das Buch einordnen, ob ich es gut oder schlecht finden soll. Was dafür spricht, die Geschicht bei Gelgenheit noch mal in Ruhe zu lesen - was ich sicherlich auch tun werde.


    Die Idee an sich ist ja gut, aber es gab einige Punkt die mich gestört haben.


    Das ärgste Problem, was ich hatte, waren die russischen Namen sowie der Umstand, das die einzelnen Charaktere z.T. scheinbar mit bis zu drei verschiedenen Namen angesprochen wurden. Das führte dazu, dass ich öfters erst überlegen musste, welche Person gerade gemeint ist. Das fördert nicht gerade den Lesespaß.


    Ich habe nichts gegen ausführlichere Beschreibungen oder auch Nebenhandlungen, aber teilweise wurden mir manche Episoden zu sehr ausgebreitet, wodurch ich das Gefühl hatte, die eigentliche Geschichte würde unnötig in die Länge gezogen.


    Das Ende fand ich auch nicht wirklich gut. Wie es schon in einem anderen Post hier geschrieben wurde, es kam einfach zu "plötzlich".


    In meiner Ausgabe gibt es einen Anhang, wo etwas zur Entstehungsgeschichte von "Schuld und Sühne" erzählt wird, was wirklich spannend ist. Dort wird u.a. geschildert, dass Dostojewski beim Abschluss der Geschichte unter erheblichen Zeitdruck stand und sehr lange selbst wohl nicht wusste wie er das Ende gestalten sollte.
    Und in meinen Augen ist das Ende auch dementsprechend...



    edit: hab mal besser nachträglich einen Spoiler reingesetzt. :grin

  • Zitat

    Original von marple
    In meiner Ausgabe gibt es einen Anhang, wo etwas zur Entstehungsgeschichte von "Schuld und Sühne" erzählt wird, was wirklich spannend ist. Dort wird u.a. geschildert, dass Dostojewski beim Abschluss der Geschichte unter erheblichen Zeitdruck stand und sehr lange selbst wohl nicht wusste wie er das Ende gestalten sollte.
    Und in meinen Augen ist das Ende auch dementsprechend...


    von die brüder karamasow mal abgesehen, sind alle dostojewski werke unter zeitdruck entstanden.


    Zitat



    edit: hab mal besser nachträglich einen Spoiler reingesetzt. :grin


    dass er religiös wird, wird nur angedeutet. es geht darum, dass die liebe zu sonja, die für ihn bis nach sibirien gegangen ist (märtyrer thema der frauen ist auch ein beliebtes dostojewski thema), dabei ist, ihn zu verändern. er wollte ihrer welt näher sein, und deswegen hat er angefangen, sich damit zu beschäftigen.


    es gibt da auch ein schönes zitat:
    "Stößt du einen Menschen zurück, wirst du ihn nicht bessern, am wenigsten einen grünen Jungen."




    also dostojewski mäßig gibt es in diesem forum noch viel aufzuarbeiten, liebe freunde!


    oh und:

    Zitat

    Original von Voland
    Der Schluss wird für mich vor allem allein deshalb schon immer einen besonderen Stellenwert haben, weil es mein erster Roman war, und ich am Ende nach einer ziemlich niederschmetternden Handlung alles andere erwartet hätte, als ein solch tröstliches, ja fast glückliches Ende, und dementsprechend sehr zufrieden war, denn vor allem für Dunja, Rasumichin und Sonja freute es mich. Nachdem nun auch Dostojewskis andere große Romane gelesen sind, bleibt festzustellen, das Schuld und Sühne vermutlich sein erbaulichstes, positivstes Werk ist, oder anders formuliert: wer Angst vorm depressiven, düsteren Dostojewski hat, sollte trotzdem mit Schuld und Sühne einen Versuch wagen.


    jap, stimme ich absolut zu; das ende ist eine der schönsten stellen, die ich bisher in einem buch gelesen habe.
    ich habe geweint.

    To me the most important thing is the sense of going on. You know how beautiful things are when you’re traveling.
    - Edward Hopper

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  • Dieser Dostojewski-Roman liegt jetzt schon länger bei mir zum Lesen bereit (in der Übersetzung von Swetlana Geier als "Verbrechen und Strafe"). Vielleicht finden sich noch ein paar Leute, die ihn im Rahmen einer Klassiker-Leserunde nach Möglichkeit noch dieses Jahr lesen würden? Wir sind im Moment erst 4 Interessenten und bräuchten noch ein paar Mitleser, damit es sich lohnt. Nachzuschlagen hier: Klassiker-Leserunden 2012


    LG,
    Babs

  • Rodion Romanowitsch Raskolnikow ist ein ehemaliger Jura-Student, der inzwischen völlig verarmt und ziellos im St. Petersburg der 1860er Jahre lebt. Aus Geldnot und weil sie ohnehin ein schlechter Mensch ist, beschließt er, die Inhaberin einer Pfandleihe zu töten. Der Plan ist leicht gehegt und auch relativ einfach umgesetzt. Raskolnikow tötet sogar nicht nur die Inhaberin, sondern auch deren Schwester. Danach allerdings plagt ihn zunehmend ein schlechtes Gewissen, bis er es nicht mehr aushält.

    Die Handlung des Romans ist trotz Subplot relativ überschaubar. Dass die Geschichte dennoch 800 Buchseiten umfasst, deutet bereits an, dass hier viel nebenher erzählt wird. Davon, dass der Roman von vielen als DER große Klassiker betrachtet wird, habe ich nicht viel gemerkt. Auch die Einordnung als psychologischer Kriminalroman würde ich so per se nicht unterschreiben, weil ein Krimi ein Mindestmaß an Spannung voraussetzt. Die gab es in der Geschichte praktisch überhaupt nicht. Bereits auf den ersten hundert Seiten quälte mich massive Langeweile, weil die Handlung praktisch nur daraus besteht, dass die Hauptfigur an verschiedene Orte geht und dort jedes Mal auf Neue seitenlange, öde Monologe erfährt. Keine Frage, die Grundidee des Buchs ist durchaus interessant, die Umsetzung allerdings … äußerst zäh und viel zu weitläufig erzählt.