Jean-Paul Sartre, Geschlossene Gesellschaft

  • amazon-Kurzbeschreibung
    Drei Personen, die im Leben einander nie begegnet sind, werden nach ihrem Tod für alle Ewigkeit in einem Hotelzimmer zusammensein. Das ist die Hölle. "Wenn meine Beziehungen schlecht sind, begebe ich mich in die totale Abhängigkeit von anderen. Und dann bin ich tatsächlich in der Hölle. Und es gibt eine Menge Leute auf der Welt, die in der Hölle sind, weil sie zu sehr vom Urteil anderer abhängen"(Jean-Paul Sartre)




    Ich habe heute das Buch in einem Rutsch gelesen. Es ist so mitreißend geschrieben, dass ich es nicht weglegen konnte. Sartre schafft es, auf knapp 60 eine derart dichte Atmosphäre zu schaffen, dass es fast unglaublich ist. Ich habe das Werk eines Meisters gelesen.


    Die Hölle - kein Feuer, keine Qualen - aber drei Personen in einem Zimmer, die ihre Psychospielchen aneinander ausprobieren, und das auf immer und ewig. Das ist die Hölle.


    Wie es Sartre einen der Drei - Garcin - sagen lässt: Die Hölle, das sind die anderen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • hallo Alice,


    mir gehts da ähnlich wie Dir: mich hat das Buch sehr fasziniert.


    Habe es damals im Franz Leistungskurs gelesen und es hat sich auf jeden Fall eingeprägt.


    "L'enfer c'est les autres"


    Die Vorstellung, auf engstem Raum auf Ewigkeiten mit Persönlichkeiten zusammen leben zu müssen, die einem das Leben im wahrsten Sinne des Wortes "zur Hölle machen", fand ich grauenvoll und hat mich lange Zeit beschäftigt.


    Ich würde das Höllenfeuer bevorzugen :grin


    Huis clos, Geschlossene Gesellschaft, ist ein Buch, dass ich nur jedem empfehlen kann.


    liebe Grüße
    mina

  • Ein Wahnsinnsbuch! Sartre ist immer wieder ein Erlebnis. Mich hat dieses Buch fasziniert - man legt es erst aus der Hand, wenn man es zur Gänze gelesen hat.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Das ist ein Theaterstück, ja?


    Huis clos, früher unter dem Titel: Bei geschlossenen Türen


    Nicht daß hier jemand einen Roman erwartet.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Huis Clos hat mich auch sehr fasziniert!
    Denn man kommt hier nicht nur in die Hölle, indem man Sünden begeht, nein, im Falle von Garcin, weil man sich Zeit seines Lebens selbst belogen hat.


    Tolles Stück, mit vielen genialen Dialogen!

  • hab es einmal für religion gelesen (eher fälschlicherweise) war aber genauso begeistert wie ihr!
    Ist nur weiterzuempfehlen, das Buch!
    Immerhin "Die Hölle, das sind die anderen", da ist viel wahres dran.


    Gruß,
    ImmI!

  • Das Buch ist wirklich sehr interessant und ich habe es sehr gerne gelesen. Hatte es auch erst nur für die Schule gelesen, aber es hat mich wirklich sehr fasziniert. Die Idee des Stücks ist einfach sehr gut. Würde das gerne mal aufführen.

  • Zitat

    Original von mina
    Habe es damals im Franz Leistungskurs gelesen und es hat sich auf jeden Fall eingeprägt.
    "L'enfer c'est les autres"


    Die Vorstellung, auf engstem Raum auf Ewigkeiten mit Persönlichkeiten zusammen leben zu müssen, die einem das Leben im wahrsten Sinne des Wortes "zur Hölle machen", fand ich grauenvoll und hat mich lange Zeit beschäftigt.


    :write


    Auch in unserem Französisch-LK haben wir "Huis Clos" gelesen und da wir ja nur 6 Mädels und ein Lehrer waren, konnten wir immer auf die Wünsche der einzelnen eingehen. Die Lektüre hatte unser Lehrer vorgeschlagen, und wir hatten erst "gemeutert", waren aber danach hin und weg. Ein Buch, das prägt, das man nie mehr vergisst und das sehr sehr nachdenklich stimmt.


    Bibi

  • Ich mochte das Stück vom ersten Satz an. Ich weiß nicht, wie Sartres originalfranzösischer Stil ist, aber die deutsche Übersetzung ist problemlos zu lesen und zu verstehen (rein von der Wortwahl her gesehen).


    In den ersten Szenen gelangen nach einander die drei Protagonisten in das Zimmer. Dabei werden die *Klischees* über die Hölle aufgerollt und widerlegt. Jeder grübelt, was das ewige Leiden sein wird.


    Die Protagonisten beginnen ihre Unterhaltung. Der Leser erfährt etwas über ihre Lebensumstände, ihr soziales Umfeld, die Reaktionen ihrer Hinterbliebenen, den Grund, warum sie in der Hölle gelandet sind und die Art, wie sie gestorben sind. ´


    Es interessiert sie nicht nur, was die Qualen sein werden, sondern auch, warum sie zusammengesteckt wurden. Den Zufall schließen sie schnell aus und kommen zu der Erkenntnis, dass sie gegenseitig ihr Folterknecht sein werden.


    Man begleitet die Charaktere durch die letzten Augenblicke, die sie mit der Welt der Lebenden verbinden, bevor ihr >Erbe< auf Erden vergessen ist.


    Der zweite Teil des Stückes ist vor allem dadurch geprägt, dass der Versuch zwischen jeweils zwei der Protagonisten, sich miteinander zu arrangieren, durch die dritte Person gestört wird. Im Vortext steht dazu: „Wären nur zwei Menschen zusammen, könnte sich eine sadomasochistische Beziehung herstellen lassen, bei der jeder für den anderen die Rolle spielt, die der andere vorgeführt bekommen möchte. Das wäre eine gegenseitige Befriedigung. Ausweglos wird die Situation erst durch de Anwesenheit eines Dritten, gegen den es kein Bündnis geben kann, weil jetzt nicht nur jeder reihum jeden durch seine Gegenwart erstarren lässt, sondern weil jeder Dritte jede Zweierbeziehung durch seinen Blick zerstören kann.“


    Garcin und Estelle versuchen immer wieder, andere Schienen zu fahren, nur Inés bleibt sich selbst treu. Doch auch durch das Wechselspiel im Verhalten werden die Charaktere der anderen beiden klar. Inés ist auch diejenige, die die Dinge beim Namen nennt (Kein Zufall, Hölle, der Folterknecht ist jeder für die anderen...). Dadurch drückt Sartre den Inhalt seines Theaterstückes sehr deutlich aus, ohne platt /primitiv zu werden, was es sehr angenehm zu lesen macht. Man bekommt kein Kopfweh und muss nicht erst eine komplette Analyse vornehmen, um auf Hinweise zu stoßen, was der Autor einem sagen will.


    Ich weiß, dass unsere Französischgruppe darüber gesprochen hat. Sie hat den Aspekt der Oberflächlichkeit betrachtet und auf unsere heutige Gesellschaft projiziert. Dieser Diskussion stehe ich gespalten gegenüber. Natürlich sollte sie nicht zu den Ausmaßen führen, die heute die Kosmetikindustrie, Werbung und CO verursachen. Aber mal ehrlich: Profitieren tun wir schon gerne davon, sofern es möglich ist. Außerdem kann ich Oberflächlichkeit bis zu einem gewissen Grade nicht einmal verübeln, da ich sie für universell halte. Es ist doch relativ 'natürlich' seine Gesellschaft danach auszusuchen, wessen Aussehen einen anspricht, und sich nicht gleich zu denen zu gesellen, deren Charaktere einen oberflächlich betrachtet erst einmal nicht zusagen.


    In der offenen Tür sehe ich symbolisch Sartres Aussage verkörpert, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Wer es nicht tut, bleibt aus freien Stücken darin.


    Was mich persönlich fasziniert ist folgender Gedankengang: Jeder der Charaktere kennt seinen Charakter/seine Person. Aber das genügt nicht. Estelle mag schön sein, aber ist sie es, wenn sie niemand ansieht? Inés mag kaltherzig sein, doch dazu braucht sie jemand, zu dem sie kaltherzig sein kann. Garcin würde es nicht reichen, vor sich selbst nicht feige zu sein, er will auch in den Augen anderer kein Feigling sein.


    Das ist wirklich faszinierend.


    Gibt es Aspekte unserer Persönlichkeit, die ohne Anwesenheit eines Lebewesens gar nicht zum Tragen kommen? Also wird Persönlichkeit nicht nur vom Umfeld geprägt, sie existiert ohne Umfeld gar nicht vollständig. Das erinnert mich an die Psychologie. Manche Aspekte einer Erkrankung kommen beispielsweise nur zum Vorschein, wenn es im Leben der Person jemanden gibt, den sie liebt (auf Partnerschaft bezogen).


    Genauso der Aspekt der Schönheit. Es gibt kein Universelles 'Schön', da es Schönheit nicht ohne Betrachter gibt. Obwohl dieser Punkt mit "Schönheit liegt im Auge des Betrachters" gar nicht mal so unbekannt ist, und heutzutage häufig Erwähnung in der Diskussion um Schönheitsideale findet.


    Und eines frage ich mich: Was ist eigentlich schlimmer, Endlichkeit oder Unendlichkeit?

    Es ist erst dann ein Problem, wenn eine Tasse heißer Tee nicht mehr hilft. :fruehstueck

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  • Ein faszinierendes Buch, welches leider viel zu lange warten musste um gelesen zu werden. Sartre schafft es mich derart zu fesseln, dass ich das Buch zu Ende lesen musste. Es vorher auf die Seite zu legen ging gar nicht. :anbet

  • Huhu, auch wenn ich der einzige bin: ich habe das Buch gehasst damals. Ist heute vielleicht anders, vielleicht sollte ich das Buch noch einmal lesen. Aber mit 18 Jahren konnte ich das Buch nicht leiden....

    Büchereulen sind Listen-Fetischisten :chen


    Lesestatistik 2011:
    31 Bücher
    13924 Seiten
    2,58 Bücher / Monat

  • Zitat

    Original von Snoore
    Huhu, auch wenn ich der einzige bin: ich habe das Buch gehasst damals. Ist heute vielleicht anders, vielleicht sollte ich das Buch noch einmal lesen. Aber mit 18 Jahren konnte ich das Buch nicht leiden....


    lustig, ich habs auch mit etwa 17, 18 gelesen und mir hat es ebenso wenig gegeben wie dir. ich würde nicht sagen, dass ichs gehasst habe, aber beeindruckt hat es mich auch nicht.


    aber vielleicht sollte ich ihm mal wieder eine chance geben, irgendwann; auch wenn mich der ganze französische existentialismus irgendwie nicht so an macht.


    Zitat

    Original von JASS
    Gibt es Aspekte unserer Persönlichkeit, die ohne Anwesenheit eines Lebewesens gar nicht zum Tragen kommen? Also wird Persönlichkeit nicht nur vom Umfeld geprägt, sie existiert ohne Umfeld gar nicht vollständig. Das erinnert mich an die Psychologie. Manche Aspekte einer Erkrankung kommen beispielsweise nur zum Vorschein, wenn es im Leben der Person jemanden gibt, den sie liebt (auf Partnerschaft bezogen).


    ich weiß, der beitrag ist schön älter, aber das ist auf jeden fall ein sehr interessanter gedanke.


    ja, ich bin fest davon überzeugt, dass das zusammenspiel mit einer geliebten person, eigenschaften in dir hervorbringen kann, von denen du selbst nicht mal wusstest, dass du sie hast.

    To me the most important thing is the sense of going on. You know how beautiful things are when you’re traveling.
    - Edward Hopper

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