Habe ich auch vor einer Weile gelesen...Seitdem sehe ich die christliche Geschichte etwas anders.
Gruß
Sielka
Der ehrgeizige Saulus wird vom Hohepriester Kaiphas beauftragt, einen Wanderprediger ausfindig zu machen, der den Zwecken der Mächtigen dienlich ist. Diese sind besorgt, dass die vielen eifernden Prediger Unruhe unter dem Volk schüren und es zu einer Rebellion gegen Rom aufhetzen könnten. Einen einzelnen Mann, dem das Interesse der Masse gilt, glaubt man leichter kontrollieren zu können.
Saulus, der sich fortan Paulus nennt, stößt aus den charismatischen Jeschua. Zusammen mit seinen Helfern Jakobus, Bartholomäus, Mattäus und Judas formt er aus dem einfachen Mann den vom Volk ersehnten Messias, der schließlich selbst an seine einzigartige Berufung glaubt, beeindruckt von der Verehrung, die ihm plötzlich zuteil wird.
Als Paulus merkt, dass er Jeschua nicht mehr lenken kann, ist es schon zu spät. Kaiphas, Herodes und Pontius Pilatus wollen den Messias, den sie für eine ernste Bedrohung halten, ausschalten – und alle Mitwisser.
Wer die Bibel kennt, kennt auch den Ausgang der Ereignisse. In dem vorliegenden Roman werden die Geschehnisse aus der Sicht der Menschen geschildert, die Jeschua/Jesus in den wenigen Monaten begleiteten, in denen er predigte. All die wundersamen Begebenheiten und selbstlosen Beweggründe der Beteiligten werden nachhaltig demontiert. Der Autor bietet einige Erklärungen an, wie es tatsächlich gewesen sein könnte – aber nicht wirklich gewesen sein muss.
Im Gegensatz zu verschiedenen Sachbüchern, deren Verfasser zur Untermauerung ihrer Theorien zahlreiche Quellen studiert haben und sie auch zitieren, waltet hier die Phantasie – zumindest gibt es keinen Anhang, in dem auf Literatur verwiesen wird, die dem Buch zu Grunde liegt. So entdeckt man auch kleine Unstimmigkeiten wie beispielsweise einen Vergleich des Christen-/Judentums mit der Religion der Griechen und Römer, sowie dem Islam, der einem Begleiter Jeschuas in den Mund gelegt wird, dabei hat es zu diesem Zeitpunkt den Islam noch nicht gegeben, Allah war bestenfalls der Hausgott einer unbedeutenden Familie, und der Erzähler kann nicht ahnen, dass Allah einmal der einzige Gott einer Weltreligion werden würde.
Die Ära und die Zeitgenossen des Jeschuas werden überzeugend geschildert, der Stil ist mitreißend und angenehm zu lesen; die seltenen Tipp- und Trennungsfehler sind vernachlässigbar. Ein kleines Manko ist, dass sich die einzelnen Erzähler sprachlich nicht von einander unterscheiden, obwohl sie aus verschiedenen sozialen Schichten stammen. Allein bei Judas wird ansatzweise versucht, seine geringere Herkunft und unlauteren Absichten auch durch Wortwahl und Stil zu unterstreichen, doch hat er nur wenige Szenen, und es bleibt bei dem Versuch. Von daher ist man tatsächlich auf die Überschrift der Kapitel angewiesen, die Auskunft darüber gibt, wer gerade der Berichterstatter ist.
Wer eine seriöse Auseinandersetzung mit der Thematik sucht, wird sicher nicht zu „Jeschua“ greifen, sondern ein Sachbuch bevorzugen. Wer hingegen einen kritischen Roman über das Wirken des Messias lesen möchte, wird sehr gut unterhalten und bekommt durchaus einige Ansatzpunkte angeboten, über die er nachdenken kann.