kids for kids, Mirella Roemer [ab ca. 10 Jahre]

  • Die 1990 geborene Mirella Roemer hat ein Buch herausgegeben. Nicht irgendeins, sondern zur UN-Kinderrechtskonvention. Sie rief Kinder aus allen Regionen der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich auf, Texte in unterschiedlichen Formen einzusenden. Es kamen fast hundert Beiträge zusammen, Lyrik und Geschichten aus dem Alltag von Kindern.


    Kinderfreundlichkeit. Kinderrechte. Wohlklingende Schlagworte und leere Worthülsen. Kinderrechte werden in den meisten Fällen, wenn überhaupt, von Erwachsenen aufgegriffen und verfolgt, liegen also schon allein daher in ihren Händen. In der Macht Erwachsener.
    1989 hat die UN die Rechte von Kindern in einem Dokument formuliert. 192 Staaten haben diesem Dokument zugestimmt und sich damit den Forderungen verpflichtet.


    Ganz ohne Erwachsene ging es nicht. Die Herausgeberin, Schülerin eines Gymnasiums, bat Firmen um finanzielle Unterstützung, eine Gemeinde um Räume für eine Schreibwerkstatt und einen Kinderkanal um Begleitung des Projektes.


    Bevor die Kinder mit ihren Texten zu Wort kommen, zählt die zum Erscheinungsdatum des Buches amtierende Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Renate Schmidt die Errungenschaften der Arbeit dieses Landes. Wer es nicht besser weiss, würde glauben, Deutschland sei eine gewaltfreie Zone, ein paradiesisches Land. Sind doch immerhin Behörden, Einrichtungen und Engagierte tagein tagaus damit beschäftigt, die von der UN formulierten Kinderrechte umzusetzen. Was also will man mehr?


    Mirella Roemer bringt es in ihrer Einleitung nüchterner und wohl auch realistisch auf den Nenner: "Seht doch hin! Tut doch etwas!"


    Wer dieses tut, weiss um die Missstände, sobald es um Kinder-und Menschenrechte geht. Kann aus der Realität berichten. So wie es nämlich die Teilnehmenden, die Kinder in ihren Texten tun.


    Z.B. Caroline: "Manche Menschen sind nicht gut auf das Thema zu sprechen. Gleichberechtigung hat für sie keinen Stellenwert, nur ihre eigene Hautfarbe, Religion, Sitten und Bräuche sind die richtigen."


    Oder die Geschichte von Rebecca. Sie schildert in ihrem Text die schlechte Behandlung des türkischen Mädchens Fatima, weil dieses ein Kopftuch trägt.


    In den Texten spiegelt sich das Erlebte wider. Nämlich das Bemühen einer überforderten Gesellschaft und Politik, die mit gutgemeinten Parolen wie "Keine Gewalt an Schulen" wahrscheinlich sogar überzeugt sind, alles getan zu haben.


    Alfred Büngen, der Verleger, formuliert es treffend: "In einer Gesellschaft, in der das Ideal Schönheit und Gesundheit gilt, in der Krankheit und Tod weitgehendst ausgeblendet werden, kann es nur eingeschränkt einen "normalen" Umgang mit Menschen, zum Beispiel mit Behinderungen geben."


    Roland schildert "einen Tag, wie jeder andere", mit Schlägereien, die zum Schulalltag gehören und Sven von einem Jungen, der immer dicker wird und deswegen verhöhnt wird.


    Geschichten, von Kindern geschrieben, die von Ausgrenzung, Mobbing, Kinderhandel, Kindesmisshandlung und einem von Erwachsenen beherrschten und reglementierten Alltag berichten.


    Die Ehrlichkeit dieses gelungenen Buches liegt in der unverblümten Art und Weise, mit der Kinder die Geschehnisse beschreiben. Sie erfinden nichts, brauchen keine Phantasie, sie faseln nicht herum, nehmen keine Rücksicht auf (politische) Interessen, Personen oder Programme.


    "In einem Perlengeschäft meckerte die Verkäuferin, weil Mark mit seinem Finger in der Nase war und ihn dann an den Perlen abgewischt hat" petzt Linda.


    10 Kapitel widmen sich dem Recht auf Gleichheit, Recht auf Gesundheit, Recht auf Bildung und Information, Recht auf Freizeit und Erholung, Recht auf Gedanken- und Meinungsfreiheit, Recht auf gewaltfreie Erziehung, Recht auf Privatsphäre, Recht auf Schutz im Krieg und auf der Flucht, Recht auf elterliche Fürsorge, Recht auf Träume.


    Jedes genannte Kapitel wird mit einem Text Prominenter eingeleitet. Dies müsste nicht sein, wirkt aber nicht störend, weil es sich locker liest. Wie zum Beispiel Elke Heidenreich "Über Privatsphäre" oder Marietta Slomka's Betrachtung über den Luxus des Rechts auf Bildung, Meinung und Pressefreiheit. Auszüge aus Reinhard Mey's CD "Menschenjunges" und Rolf Zuckowsky's CD "Wir sind Kinder" tragen zur ernsten Unterhaltung des Themas bei.


    Die Erwachsenenbeiträge hätten nicht sein müssen. Das Buch lebt durch die Texte der Kinder. Auch ohne Beiträge Prominenter hätte es nichts von seiner erfrischenden Leichtigkeit und seiner starken Aussagekraft eingebüßt. Ganz im Gegenteil, die Beiträge der Kinder rufen bei aller Treffsicherheit Freude hervor. Nämlich Hoffnung auf eine Generation, die trotz wohlformulierter Sätze einer UN die Missstände und deren Ursachen durchschaut.

    Ein empfehlenswertes Werk, ideal im Schulunterricht, um an das Thema Kinder-und Menschenrechte heranzuführen. Soweit dies nötig ist. Eigentlich müsste es Pflichtlektüre für Erwachsene, vor allen Dingen PolitikerInnen sein. Bleibt zu hoffen, dass diese die Beiträge der Kinder auch wirklich gelesen haben oder dieses schleunigst nachholen. Zur eigenen Fort-und Herzensbildung zum Thema Kinder-und Menschenrechte.