Schreibwettbewerb Dezember 2005 - Thema: "Rausch"

  • Thema Dezember 2005:


    "Rausch"


    Vom 01. bis 20. Dezember 2005 könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Dezember 2005 zu o.g. Thema per Email an webmistress@buechereule.de oder über das Kontakt-Formular (s.o. im Forum) zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym eingestellt.


    Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörter wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!


    Nur für registrierte Mitglieder mit mindestens 50 Beiträgen!


    TIPP: Schreibt Eure Beiträge in Word und nutzt die Rechtschreibhilfe. Im Programm Word findet Ihr unter „Extras“ die Möglichkeit „Wörter zählen“.


    Wir wünschen Euch viel Spaß und viel Erfolg!

  • von Doc Hollywood


    9.00 Uhr
    Ich bin gerade aufgewacht und habe Hunger. Kein Wunder, seit 24 Stunden läuft mein Magen im Leerlauf. Das muss so sein, sonst kann es zu Komplikationen kommen. Das Komplizierteste ist im Moment die Tastatur vor mir, mit der ich meine Eindrücke während des Experiments festhalten soll. Ich mag Bleistifte.


    9.25 Uhr
    Soeben bekam ich die Spritze. An der Einstichstelle brennt und juckt es. Wenn kein Pflaster da wäre, würde ich mich dauernd kratzen. Ich winke kurz in die Kamera und ringe mir ein verkniffenes Lächeln ab. Schade, dass der Raum keine Fenster hat, nur ein Tisch, ein Stuhl und der Bildschirm mit der Tastatur davor sind vorhanden. Sehr leer hier.


    10.00 Uhr
    Mir ist langweilig, es tut sich nichts. Unter dem Pflaster juckt es immer noch wie verrückt, bin versucht das Ding abzumachen und zu kratzen. Außerdem habe ich Hunger. Vielleicht sollte ich in einer kleinen Geschichte Essen thematisieren? Ich werde dazu ein paar Gedanken sammeln.


    11.10 Uhr
    Verdammt, bin ich hungrig! Die Gedankensammelei hat nicht viel ergeben. Werde mich nach dem Experiment sofort zur nächsten Dönerbude aufmachen und den kompletten Spieß ordern. Habe das Pflaster abgerissen, Jucken mittlerweile unerträglich. Kratzen lindert.


    11.23 Uhr
    Fingernägel der rechten Hand sind blutig. Zuviel an der Einstichstelle gekratzt. Habe das Shirt am linken Oberarm nach oben gekrempelt, damit es keine Blutflecke bekommt. Latentes Hungergefühl sehr unangenehm.


    11.44 Uhr
    Habe soeben beim Pizzadienst angerufen und drei Familienpizzen bestellt: Mix, Hawaii und Spezial. Konnte zwischen Gratis-Salat und einer Flasche Rotwein wählen. Habe mich für den Alkohol entschieden. Bin schon ziemlich unruhig. Hoffe, die liefern schnell. Kleine Kratzwunde am Arm durch konsequente Nachbearbeitung vergrößert. Jucken hat aufgehört, jetzt tut es richtig weh.


    12.07 Uhr
    Bin verzweifelt. Wollte beim Pizzadienst nachhaken und eventuell noch etwas nachbestellen, kann aber das Telefon nicht mehr finden. Eigentlich kann man so ein Ding nicht verlieren, es war eines dieser schwarzglänzenden Geräte mit einer riesigen altmodischen Wählscheibe. Seltsam. Habe die Laboranten in Verdacht und mache drohende Gesten in Richtung Kamera. Kaue auf kleinen abgerissenen Hautfetzen herum, die ich vom Rand der stärker blutenden Verletzung weggezupft habe. Hoffe, Pizza kommt bald.


    12.53 Uhr
    Hasse Italien! Hasse auch Italiener! Unzuverlässiges Volk, wie mir scheint. Telefon nicht wieder aufgetaucht, dafür aber Gesprächspartner gefunden. Herr Rüdiger, Biolehrer aus der 10. Klasse will von mir wissen, in welchen Gebieten Angus-Rinder verbreitet sind. Keine Ahnung, ein Steak wäre jetzt genau richtig. Bekomme eine mündliche Sechs. Wunde blutet elendiglich, komme kaum nach meine Finger sauber zu schlecken.


    13.37 Uhr
    Eine Horde Marathonläufer kam gerade durch, liefen direkt durch die Wände. Erstaunlich! Einer hat seine Startnummer dabei verloren. Vierstellig. Blöd, komme nicht darauf, wie die Ziffern heißen.


    15.12 Uhr
    Fluchtplan steht, nachdem heftiges Kamerawinken null Erfolg ergibt. Nehme Startnummer, werde Wand mit Schnelligkeit überwinden.


    9.00 Uhr
    Ich bin gerade aufgewacht und habe Hunger. Kein Wunder, seit 24 Stunden läuft mein Magen im Leerlauf. Das muss so sein, sonst kann es zu Komplikationen kommen. Wundere mich sehr über dicke Verbände am linken Arm und am Kopf.

  • von Seestern


    Ich stehe im Badezimmer und betrachte mit Hilfe eines kleinen Handspiegels meine rechte Gesichtshälfte im Profil.
    Eine schön geschwungene Augenbraue, ein braunes, im spärlichen Licht der Lampe fast schwarz wirkendes Auge, umrahmt von dichten, dunklen Wimpern.
    Mandelförmig.
    Eine zierliche, gerade Nase, die sich unauffällig in die Landschaft meines Gesichts einfügt.
    Volle Lippen, darunter ein leicht fliehendes Kinn - für den unbeteiligten Betrachter kaum zu bemerken.
    Ich bin eine Schönheit.
    Der einzige Makel, der auszumachen ist:
    Eine dünne Narbe, die sich vom rechten Augenwinkel bis zur Braue zieht und von einem Missgeschick aus meiner Kindheit herrührt.
    Doch obwohl diese kleine Narbe das nahezu perfekte Gesamtbild stört, liebe ich sie, denn sie verleiht mir das gewisse Etwas, das mich von den unzähligen schönen, symmetrischen Gesichtern der Welt unterscheidet.
    Ich drehe mich um 180 Grad. Meine Hand zittert, als ich den kleinen Spiegel langsam hebe, bis ich die linke Hälfte meines Gesichts sehen kann.


    Es heißt, die Zeit heile alle Wunden, doch ganz davon abgesehen, dass ich Sprichwörter schwachsinnig finde, gibt es Wunden, die selbst drei Menschenleben nicht heilen könnten.
    Auch nach den elf Monaten, die seither vergangen sind, ist es mir kaum möglich, den Anblick, der sich mir bietet, zu ertragen.


    Meine Wohnung verlasse ich nicht mehr. Meist esse ich, was vom Italiener oder Chinesen geliefert wird. Die Einkäufe erledigt eine rüstige alte Dame für mich, die dadurch ihre Rente etwas aufbessert. Alles, was ich ansonsten brauche, bestelle ich übers Internet. Meine sozialen Kontakte beschränken sich auf ein lebenserhaltendes Minimum. Diese selbst auferlegte Gefangenschaft ist notwendig. Sie schützt sowohl mein Umfeld, als auch mich selbst. Ich kann einem anderen Menschen nicht zumuten, zu sehen, was ich sehen muss. Niemand sollte ertragen, was ich ertragen muss.


    In Gedanken kehre ich zu dem Tag zurück, an dem ich vom Grund des trüben Tümpels der Bewusstlosigkeit wieder an die Oberfläche gezogen wurde.
    Das monotone Piepsen der Apparate, an die ich angeschlossen war, verfolgt mich bis heute Tag und Nacht, ist zu einem psychischen Tinitus geworden.
    Zuerst sah ich meine Mutter, die mit tränenüberströmtem Gesicht und strohig wirkendem, ungekämmtem Haar an meinem Krankenbett saß. Mein Vater lehnte hinter ihr an einer kahlen Wand, den ausdruckslosen Blick starr auf etwas gerichtet, das wohl nur er selbst sehen konnte.


    Als schließlich der Kopfverband abgenommen wurde, der mich bis dahin beim Blick in den Spiegel geschützt hatte, zersprang mein vertrautes Spiegelbild in tausend Scherben.


    Die Möglichkeiten der plastischen Chirurgie sind heutzutage nahezu unbegrenzt.
    Dennoch wird meine linke Gesichtshälfte durch zahlreiche hässliche Narben entstellt bleiben.
    Nach mehreren komplizierten Operationen teilten mir die Ärzte mit, dass mein linkes Auge zu ihrem Bedauern nicht zu retten gewesen sei und ich mich wohl mit dem Gedanken an ein Glasauge anfreunden müsse.


    Ich verzichte darauf, die weiteren grauenhaften Details zu erwähnen.
    Alle Folgen eines Verkehrsunfalls, den ich verschuldete, weil ich mich betrunken hinters Steuer gesetzt habe.

  • von Emma


    Die Menge um mich herum nehme ich wie im Traum wahr. Meine Füße trippeln auf der Stelle. Gleich geht es los. Ein Adrenalinstoß nach dem anderen jagt durch meinen Körper. Da – die Stimme meiner Frau hinter der Absperrung: „Du schaffst das! Wir sind bei dir!“ Ich winke ihr zu. Schaue meinem Trainingspartner in die Augen. Worte sind überflüssig. Wir lächeln uns an. Werden den Lauf gemeinsam meistern. Musik schallt aus den Lautsprechern. Die Worte des Moderators erreichen mich nicht. Plötzlich formt sich die Geräuschkulisse der Zuschauer zu einem einzigen Ruf: „zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins“ – Schuss! Es geht los. Meine Füße setzen sich automatisch in Bewegung. Die Masse um mich herum gibt das Tempo vor. Die Menschen hinter der Absperrung jubeln, feuern die Läufer an – feuern mich an! Ich werde schneller. Langsam entspannen sich meine Gedanken. Wer hätte das gedacht, nach nur einem halben Training laufe ich den Stadtmarathon mit. Wahnsinn! Meine Frau war erst etwas skeptisch: „Warte doch noch ein Jahr, trainier lieber noch ein paar Monate, den Trainingsplan, den ich dir gekauft habe, hast du dir noch nicht mal angeguckt…“ Pah! Wer braucht schon einen Trainingsplan. Mein Körper sagt mir schon, wie weit er zu gehen bereit ist. Wenn ich erst mal im Ziel bin, wird meine Frau so stolz auf mich sein! Das Ziel… noch 35 Kilometer entfernt. Ich laufe automatisch. Die Läufer um mich herum bestimmen die Geschwindigkeit. Meine Pulsuhr zeigt, dass ich langsamer laufen sollte. Ich schaue mich um. Sehe die Zuschauer hinter der Absperrung. Sie schreien „Weiter so! Ihr schafft das!“ – ja, wir schaffen das! Und zwar in einer persönlichen Rekordzeit! Noch 25 Kilometer. Ich fühle mich so gut wie noch nie in meinem Leben. Schaue meinen Trainingspartner an. Er strahlt mich an. Sagt: „Meine Füße tun mir weh“ und wir lachen. Was sind schon Fußschmerzen gegen das Gefühl, bejubelt zu werden! Noch 19 Kilometer. Ich habe Seitenstechen. Aber nicht aufgeben, nicht gehen! Tief durchatmen, einen Fuß vor den anderen setzen. Weiter! Dort vorne steht meine Frau und winkt mir zu. Ich laufe zu ihr, trippel auf der Stelle. Sie gibt mir einen Kuss, sagt: „Du schaffst das, ich bin so stolz auf dich.“ Ja, ich schaffe das! Laufe weiter, weiter, weiter. Noch 15 Kilometer bis zum Ziel. Ich habe wieder Seitenstechen, ignoriere sie. Die Menge jubelt. Mir wird mulmig zumute, aber ich laufe weiter. Die Läufer um mich herum ziehen mich in ihrem Tempo mit. Es ist wie in einem Rausch, immer einen Fuß vor den anderen setzen, die Zeichen des Körpers ignorieren, nur der Wille zählt. Mir wird schwarz vor Augen.


    Meldung vom General-Anzeiger Bonn vom 12.04.2005


    „Nur 35 Mal hatten die Helfer vom DRK in diesem Jahr an der Strecke und im Start- Zielbereich eingreifen müssen, weil Läufer ohnmächtig geworden waren. […] Auch alle anderen Organisationen, die in den Marathon eingebunden waren, berichteten von einer "ruhigen Veranstaltung".“

  • von Branka


    Sina steht an der Klippe und blickt hinunter. Sie ist aufgeregt und ihr ist mulmig zumute. Ganz schön weit bis da unten, denkt sie. Sie ist nervös und ihr Herz schlägt ihr vor lauter Aufregung bis zum Hals. Ihr Mann Torsten beobachtet sie aus einiger Entfernung.


    Ein Mann überprüft noch einmal ihre Ausrüstung und lässt sie dann allein. Sina blickt sich noch ein letztes Mal um, schaut kurz ihren Mann an, der ihr einen Handkuss zuwirft. Sie lächelt zurückhaltend und dreht sich rasch wieder zur Klippe um. Sie atmet tief durch und konzentriert sich. Jetzt musst du es wagen, sonst traust du dich nie, überlegt sie. Sie macht sich bereit. Die Klippe ist wirklich sehr tief, denkt Sina noch ein letztes Mal nervös, bevor sie springt.


    Sobald ihre Füße die Klippe verlassen haben, taucht sie ab in eine andere Welt. Um sie herum beginnt sich alles zu drehen, die Farben verschwimmen und der Wind pfeift in ihren Ohren. Mit einer unbeschreiblichen Geschwindigkeit rast sie auf den Boden zu. Die kalte Luft weht ihr ins Gesicht und die Klippenwand zieht blitzschnell an ihr vorbei. Die Aufregung ist zurückgewichen und hat diesem faszinierenden Gefühl Platz gemacht. Nur ein lauter Freudenschrei verlässt ihre Lippen als sie von diesem Glücksgefühl erfasst wird. Es ist aufregender, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen vorgestellt hatte.


    Etwas jedoch ist seltsam. Langsam kommt dieses mulmige Gefühl von vorhin zurück, denn das Seil an ihren Beinen müsste sie allmählich zurückholen. Aber es geschieht nichts dergleichen. Sie fällt immer weiter ohne einen spürbaren Widerstand und stürzt immer schneller dem Boden entgegen. Sie blickt an sich herab nach oben zum Klippenrand und sieht Torsten dort stehen. Er grinst triumphierend, als er das Seil los macht und es anschließend fallen lässt. Sie starrt ihn erschrocken an. „Deshalb wolltest du also unbedingt nach mir springen“ ruft sie erschrocken. Doch es ist zu spät. Im nächsten Moment kommt sie mit einem dumpfen Laut auf dem Boden auf. Sie spürt im ersten Augenblick keinen Schmerz beim Aufprall, nur diese unbändige Wut, Enttäuschung und Verwirrung. Der Sprung war so atemberaubend, denkt sie noch ein letztes Mal, bevor die Welt um sie herum schwarz und lautlos wird.


    Ihr Mann grinst noch immer, als das Seil wenige Sekunden später mit einem leisen Geräusch neben ihr aufkommt. Er würde nicht mehr springen.


    14 Tage später tritt der trauernde Ehemann Torsten Müller die Nachfolge seiner Ehefrau Sina Müller an, die kürzlich unter tragischen Umständen verstarb, und wird neuer Vorstandsvorsitzender der Müller Büromöbel GmbH.

  • von Tom


    Ich war Erfinder. Vielleicht kennen Sie die Kaffeefiltertüte, die sich automatisch verschließt und dann an einem kleinen Henkel aus der Maschine genommen werden kann. Oder das durchfurzfeste Toilettenpapier. Oder das geschmacklose Kondom. Oder den selbstaufblasenden Autoreifen. Ist alles von mir. Und noch vieles mehr.


    R.A.U.S.C.H. sollte mein Opus Magnum werden. Ein selbstlernender Haushaltsroboter, der per UMTS mit allen anderen Einheiten vernetzt ist, so daß jede Einheit alles mitlernt, was andere parallel an Wissen akquirieren. Daher auch der Name: Rapid Acquiring Unit Supplying Cleaner Households.


    R-Eins beobachtete und ahmte nach. Ich merkte rasch, daß das keinen Sinn machte. Die Einheiten mußten erkennen können, was Hausarbeiten sind. Sie sollten nicht versuchen, fernzusehen, Bier zu trinken oder die Gattin zu begatten. Oder gar die Kinder zu schlagen. Sondern sich ausschließlich auf Arbeiten konzentrieren, die mit Reinigung und Instandsetzung zu tun hatten. Also mußte ich Ihnen das Konzept der Haushaltsführung beibringen. Dafür allerdings mußte ich es erst selbst verstehen.


    Die wichtigsten Unterscheidungen sind die zwischen dreckig und sauber, sowie unordentlich und aufgeräumt. Zunächst scheiterte ich, denn es schien mir keinen verallgemeinerbaren Kontext zu geben, da diese Unterscheidung offenbar extrem von der Natur des Beobachters abhängt. Nach vielen erfolglosen Abstraktionsversuchen stellte ich eher zufällig fest, daß es einen zweifelsfreien Indikator für die beiden Negativzustände „dreckig“ und „unordentlich“ gibt – den Gesichtsausdruck einer Frau. Heimlich spürte ich der meinen ein paar Tage lang nach, und tatsächlich schaffte ich es, R-Zwei für die Mimikri zu senisbilisieren, die mein Weib aufsetzte, wenn sie mit Instandsetzungen begann. Für die zweimonate Lernphase, mit der R-Drei ausgeliefert wurde, der erste echte R.A.U.S.C.H., genügten ein paar Gesichtsmuster, die die Wissensakquisition aktivierten, und noch weniger, sie zu beenden. R-Drei ging rasch in Serie, und die erste Auflage war noch am Tag des Verkaufsstarts vergriffen.


    Zunächst schien alles gut zu laufen. Die Serviceanfragen auf meiner WebSite hielten sich in Grenzen, dafür wurde das Gästebuch mit begeisterten Nachrichten überschwemmt. Da R.A.U.S.C.H. außerordentlich kräftig und solide ausgestattet war, schaffte er auch schwierigste Aufgaben binnen kürzester Zeit. Die Republik erstrahlte im Glanz blitzsauberer Haushalte und niveauvoll gepflegter Vorgärten.


    Was danach geschah, kann ich nur mutmaßen. Einheit 4712 erlernte die Zerstückelung eines Ehemannes zu einer breiigen Masse von apfelmusiger Konsistenz, Einheit 0816 steuerte die fachgerechte, rückstandsfreie Entsorgung bei. Die Fertigkeit zur Spurenbeseitigung bis auf Molekularebene besaßen sowieso alle. Das schaffte ich gerade noch, zu recherchieren.


    Dem Angriff meines Prototypen entkam ich nur knapp.
    Nun sitze ich im selbstentwickelten aufblasbaren Atombunker, der leider über keinen Web-Zugang verfügt, und kritzele diese Zeilen auf durchfurzfestes Toilettenpapier. Ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte, denn R-Drei verharrt tausendprozentig vor dem Ausgang, um seine Aufgabe zu beenden – so lautet seine Programmierung. Sollte mich niemand finden, bevor mich das eine oder andere Schicksal erreicht, so reicht bitte meine Entschuldigung an die Nachwelt weiter. Und Ihr, liebe Frauen: Schaut Eure Männer keinesfalls auf diese Art an. Ihr wißt schon. Als wären sie Hausmüll.

  • von Ravannah


    "He, lass mich och no wat drinne," grölte Jonne. Dabei torkelte er auf Kess zu und versuchte, ihr die Flache mit dem Whisky aus der Hand zu nehmen, verfehlte sie aber. Um sein Gleichgewicht kämpfend lief er an ihr vorbei, ehe er umkippte und mit einem dumpfen Laut auf dem Boden aufschlug.
    "Schrei net so, Jonne, sonst kriejn uns de Bulln no. Oda hattu etwa dejne Usweis mit dich, eh?! Aussad'm hattu un schon'e halbe Pull ausjesoffn." Mike griff nun selber nach der Flache in Kess' Hand und anders als Jonne vor ihm erwischte er sie auch.
    Ohne zu zögern stürzte er den Rest - etwa ein Achtel der 1l-Flasche - auf Ex hinunter und grinste dann zufrieden.
    "Ui, dat hat jut jedan!", grölte er, noch lauter als Jonne. "Kess, du hat..."
    Weiter kam er nicht. Seine Augen weiteten sich ungläubig, als er die Pistole in Jonnes Hand sah. "Jonne, was...?!"
    Jonne schoss, drei, vier, fünf Mal hintereinander auf ihn während Kess schreien davonlief.
    "Du Arschloch, du hat die Pull allejn ausjesoffn," lallte er.

  • von Spreequell70


    Ich rase wie verrückt mit meinem Fahrrad zum zigsten Mal durch die Straßen meiner Stadt. Allerdings komme ich mir ziemlich blöd dabei vor: Weite Schlaghose mit chicer Klammer, auf dem alten Erbstück meines Vaters. Meine Frisur sitzt bei diesem Tempo natürlich auch nicht perfekt. Wenigstens ist mir schon leicht warm und die ersten Schweißperlen kleben auf meiner Stirn…aber nicht lange. Dank des Gegenwindes trocknen sie auch gleich wieder. Das hoffe ich zumindest. Aber ich habe echt keine Zeit, denn ich habe heute Nachmittag noch 2 Sachen zu erledigen und da werde ich erneut auf dem Drahtesel durch die Stadt fegen. Warum tut man nur so etwas?


    Na endlich! Ich habe ihn entdeckt: An der nächsten Ampelkreuzung steht er mit seiner Kiste und wartet, dass grün wird. Ein paar Kumpels sind auch dabei. Wenn ich noch einen Zahn zulege, dann schaffe ich es noch in meiner derzeitigen Grünphase vor seiner Nase vorbeizurasen. Mein Herz klopft wie verrückt! Oh, Gott, ich merke, wie mein Gesicht knallrot wird. Ich denke kurz über die Figur nach, die ich gerade abgebe. Aber wer weiß denn schon, wie er unter seinem Helm aussieht. Und schließlich zählt das alles momentan nicht. Wichtig ist doch nur: Ich hab’ ihn gesehen und er mich! Ich bin also heute nicht umsonst umhergehetzt. Es hat sich gelohnt! Ich recke also mein Kinn noch etwas nach vorn, probiere gleichgültig zu wirken und radle graziös mit der rostigen Kutsche an ihm vorbei. Aus den Augenwinkeln probiere ich zu erhaschen, ob er mich überhaupt bemerkt hat oder ob er nur mit seinem Nebenmann beschäftigt ist. In diesem Moment dreht er den Kopf und unsere Augen schauen sich nur einen Augenblick lang an. Ich gucke natürlich sofort weg, als wenn ich nur zufällig zu ihm gestiert hätte. Plötzlich ist’s um mich herum finster. Was ist denn los? Verschwommen tauchen um mich herum unwirkliche Bilder auf. Die Bilder werden langsam schärfer, aber bleiben zusammenhangslos. Ein Mann scheint in allen Bildern immer wieder aufzutauchen. Ja, er ist’s!


    Von einem Moment zum nächsten sind die Bilder weg. Halt! Ich will sie festhalten und ihm noch lange lange in die Augen sehen! Ich fange an, um mich zu schlagen, will die immer deutlicher werdenden Rufe nicht hören! Warum lässt man mich nicht einfach in Ruhe! Ich will ihn doch noch einmal sehen! Sollen sie doch jemand anderen rufen! Ich schmeiße meinen Kopf aufgeregt hin und her. Ich drehe ihn in alle Richtungen, aber er ist verschwunden! Werden wir uns noch einmal wieder sehen?


    Ich reiße meine Augen auf und sehe ihn ganz deutlich, diesen verhassten blauen Kittel von Schwester Karina. Er ist hinter meinen hoch gelagerten Vollgipsbeinen unverhofft aufgetaucht. Ich bin sauer, dass das Morphium wohl wieder in seiner Wirkung nachlässt! Noch etwas benommen und nicht nur vom eben Erlebten unbeweglich, sehe ich, wie sie sich um meine Stelzen herum bewegt. Sie zieht mir mal wieder die Sitzgelegenheit unterm Hintern weg. Angewidert von deren Inhalt kräht sie: Ich versteh’ nicht, wie man dabei so selig grinsen kann!

  • von Nudelsuppe


    Der offene Kühlschrank summte wie eine wild gewordene Libelle. Davor
    saß Mika im Minirock und hielt ihre Füße hinein.
    „Du hast bestimmt gleich Eisbeine“, sagte ich.
    Mika drehte ihren Oberkörper zu mir und sagte „Muss sein“.
    „Warum?“
    „Vielleicht war das Essen nicht gut. Mir ist ein wenig schwindelig.“
    „Mir auch“, sagte ich. Das Beste wäre es wahrscheinlich, ins Bett zu
    gehen. Ich zog mich aus und stand unentschlossen nackt in der Küche.
    „Das Bett ist so weit weg.“
    „Dann nimm den Küchentisch.“
    Ich legte mich auf den Küchentisch und streckte mich aus. „Im
    nächsten Leben werde ich ein Pinguin und heirate dich.“
    Mika schwieg. Die Sonne rutschte vom Himmel, uns blieb in der Küche
    nur das kleine Licht des Kühlschranks.
    „Der Boden hält nicht, wenn die Füße zu warm sind,“ sagte sie, „wenn
    wir nicht aufpassen, dann schmilzt er und wir fallen durch.“
    „Haben wir noch Champignons?“
    „Trompetenpilze sind noch da.“
    „Du meinst die Dinger, die an der Decke wachsen?“
    „Andere Pilze haben wir nicht mehr.“
    „Die Küche riecht nach Meer“, sagte ich.
    Sie zog ihre Füße aus dem Kühlschrank, stand auf und begann sich
    ebenfalls auszuziehen.
    „Ich bin eine Pinguinfrau“, sagte sie, legte die Arme an und
    watschelte zu mir rüber. „Hast du noch etwas Platz auf dem Tisch für
    mich?“
    Ich nickte und rückte etwas zur Seite. Sie legte sich zu mir, ihre
    kalten Füße an meinen reibend. Mir kam es vor, als trieben wir auf
    einer Eisscholle.
    „Magst du mich jetzt heiraten?“, fragte sie.
    „Obwohl ich noch kein Pinguin bin?“
    „Ich mache dich jetzt zu einem.“
    Wir wurden erst zu summenden Libellen, dann zu Aalen, und endlich,
    als die Sonne wieder in den Himmel stieg, zu leise schnarchenden
    Pinguinen.

  • von Telefonhexe


    Gründlich säuberte sie die hinterste Ecke des Küchenschranks, da wo sowieso kein Licht mehr hinfiel. Ihre Hände waren schon krebsrot vom heißen Wasser, in dem sich nur ein großer Spritzer Essig befand. Mit schmerzenden Fingern holte sie das Tuch aus dem Wasser und wrang es aus, so dass es nur noch feucht war und dampfte. Mit festem Druck schrubbte sie damit über die Unterseite des Einlegebodens.


    Hinter ihr ein Geräusch - ihr Mann war schon nach Hause gekommen. Viel zu früh, aber das war sie schon gewohnt. Keuchender Atem schlug ihr in den Nacken, als er sich zu ihr hinunterbückte und sie auf die Seite schob. Mit seinen noch von der Arbeit schmutzigen Fingern hob er das Brett an, drehte sich um und gab ihr eine knallende Ohrfeige. "Schlampe" schrie er ihr speichelsprühend ins Gesicht "Das ist ja immer noch nicht sauber - mach dass du fertig wirst und bring mir meine Hausschuhe". Sie drückte sich das mittlerweile abgekühlte Tuch auf die schmerzende Wange und schlurfte in den Flur um seine Hausschuhe zu holen.


    Befriedigt, es seiner Frau wieder mal gezeigt zu haben, setzte er sich auf einen Küchenstuhl und wartete darauf, dass sie ihm die schweren Arbeitsschuhe aus- und die Hausschuhe anzog. Als sie nicht gleich den Knoten von den schlammverkrusteten Schnürsenkeln aufbekam, war ihm das Anlass genug, ihr einen Tritt zu geben, dass sie hintenüberfiel. "Du dummes Stück" beschimpfte er sie,zog sich seine Schuhe selber aus und ließ sie polternd und dreckverteilend auf den glänzenden Küchenboden fallen.


    Am Küchentisch stand bereits sein Abendbrot: gekochte Eier, Schinken, Weißbrot und Butter und dazu sein Bier. Schmatzend machte er sich darüber her und trank sein Glas in einem Zug leer. Sogleich füllte seine Frau auf, viermal insgesamt während er sein Essen hinunterschlang. Satt und rülpsend machte er sich auf den Weg ins Wohnzimmer, seiner Frau unterwegs nochmals derb in die Hüfte kneifend, sodass sie aufschrie.


    Im Wohnzimmer flegelte er sich auf das Sofa und schrie nach seiner Frau, dass sie ihm sofort noch ein Bier bringen sollte. Schön kalt natürlich. Sie brachte ihm sein Bier - und noch eines, und noch eines ....


    Gegen 21 Uhr hatte er das Stadium des Vollrausches erreicht. Schnorchelnd und röchelnd lag er da, schon fast im Delirium. Seine Frau sass auf dem Sessel daneben, betrachtete ihren schnarchenden Ehemann und überlegte, wie es weitergehen soll. Das es sich ändern musste war klar. Seufzend beschloss sie, ihn ins Bett zu schaffen, denn sonst würde er sie morgen früh als erstes grün und blau schlagen. Brummelnd und grummelnd stützte er sich auf sie und gemeinsam gingen sie bis zur Treppe, die ins Schlafzimmer führte.


    Einer Eingebung folgend blieb sie auf halber Höhe plötzlich stehen und ließ ihren Mann los. Seine glasigen Augen schauten sie an, als er wild mit den Armen rudernd die Treppe hinunterfiel und mit dem Hinterkopf voran auf der untersten Stufe aufkam. Eine Blutlache sickerte unter seinen dunklen Haaren hervor. Irgendwie befreit ging sie zu Bett, denn putzen würde sie morgen.

  • von Marlowe


    Du glaubst du stehst im Wald.


    Du weißt nicht, wie du hierher gekommen bist.


    Du beschließt, dich auf dich zu besinnen und zu orientieren.


    Bedächtig lehnst du dich an einen Baum.


    Langsam gleitet dein Blick an dir herunter.


    Du siehst deine zerrissenen Jeans und sandalenbedeckte Füße auf moosigem Grund.


    Ganz allmählich gleitet dein Blick nach oben.


    Der Himmel ist tiefblau, weiße Wölkchen stehen fast still,


    diese Idylle erscheint: bayerisch.


    Während deine rechte Hand unbewusst den Tabaksbeutel sucht,


    bleibt dein Blick in den dichten Kronen der Bäume hängen.


    Du kicherst leise vor dich hin, wie viele komische Formen diese Äste haben.


    Du gibst die Suche nach dem Tabak auf.


    Dein Blick fällt auf eine Lichtung, deren Anblick dich magisch anzieht und


    du stolperst auf sie zu.


    Jetzt liegt sie vor dir. Hell und weit, so weit das Auge reicht.


    Grün! Alles ist grünes Gras.


    Grünes, durchdringend duftendes Gras, dessen Stängel sich in der sanften


    Brise eines warmen Nachmittagwindes wiegen.


    Da ist sie. Ja, da ist sie. Deine Plantage und du stürzt dich mit einem


    begeisterten Schrei, der in ein befreiendes, vergnügtes Lachen endet,


    hinein in diese grüne, duftende Pracht.


    Du lässt deine Finger sanft die Stängel entlang gleiten, reibst kurz an den


    dicken fetten Pollen und ziehst tief die würzige Luft, die durchdringend


    nach Harz duftet, in dich hinein.


    Das Harz klebt an deinen Fingern.


    Dein Verstand rast.


    Endlich blickst du wieder durch.


    Du findest auf einmal den Tabakbeutel, die Papers und die letzten Reste


    deines grünen Vorrates.


    Mit fiebrigen Augen und harztriefenden klebrigen Händen baust du dir


    einen Joint, so groß, dass der Münchener Freiheitsengel eine Woche lang


    daran ziehen könnte, dann wirfst du dich mitten hinein in deine Marihuanapflanzen


    Marke Hollandfeuer 97 und kiffst und kiffst und kiffst, bis dir der Rauch aus den Ohren dringt.


    Du bist ganz ruhig.


    Du fühlst dich wohl.


    Du lässt deine Gedanken und Phantasien frei schweben.


    Du bist ganz ruhig und entspannt.


    Du spürst eine unbekannte Weite in dir.


    Dein Geist umklammert die gesamte Erde, bis die Wärme des sonnigen Tages


    langsam vergeht.


    Dein Verstand hat die Lage der Lichtung nicht vergessen


    Ruhig und gelöst gehst du zurück, nicht ohne vorher noch einige Pollen


    mit ein paar sanften Schnitten von den Stängeln genommen zu haben.


    Wie in Trance gehst du zurück.


    Du bist glücklich und zufrieden.


    Langsam findest du wieder zurück in diese Welt, gehst in dein Lieblingsbistro, trinkst bedächtig ein Bier und wartest auf die Ernte.

  • von Sinela


    Ich stehe am oberen Ende der Baustelle und beobachte dich heimlich. Ich könnte dich erschlagen, du kleine Mistkröte! Warum nur hast du mir gestern vorgemacht, dir wäre gekündigt worden? Ist dir eigentlich klar, dass ich deshalb die halbe Nacht nicht geschlafen habe? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, schließlich bist du mir nicht gleichgültig. Im Geiste gehe ich verschiedene Foltermethoden durch, aber am besten gefällt mir mein allererster Einfall. Meine Phantasie geht mit mir durch:


    Ich frage dich, ob du mir helfen könntest, bei mir zuhause ein paar Bilder aufzuhängen. Ohne Hintergedanken natürlich. (wenn du das glaubst, bist du selber schuld) Als Dank verspreche ich dir ein Abendessen – mit Spätzle, die du so gerne isst. Da kannst du nicht nein sagen und am nächsten Abend kommst du vorbei. Rucki-zucki ist die Arbeit getan und ich serviere den Rostbraten. Leider stolpere ich kurz vor dem Tisch und schütte die Soße über deinen Pulli und die Hose. Oh Gott, ist das peinlich. (schauspielern war schon immer eine meiner Stärken) Ich zeige dir das Bad und bitte dich, dir die Kleidung auszuziehen, damit ich sie schnell waschen kann. Mit dem bereitgelegten Bademantel kommst du heraus und ich muss mir ein Grinsen verkneifen. Nun bist du fällig, denke ich. Ich bitte dich, ins Schlafzimmer zu gehen, weil du mir beim aufräumen nur im Wege wärst. (sind alle Männer so gutgläubig wie du?) Nach einigen Minuten schleiche ich mich zu dir und was ich erhofft hatte, ist eingetreten: Du bist eingeschlafen, war halt ein harter Tag auf dem Bau. Ich fessle dich mit den vorbereiteten Handschellen ans Bett und freue mich auf das, was nun kommen wird. Sanft küsse ich dich auf die Wange, aber du brummst nur kurz und schläfst weiter. Da muss ich wohl zu härteren Bandagen greifen. Ich gehe mit meinem Mund ganz nahe an dein Ohr – und schreie laut. Du fährst auf, merkst dass du gefesselt bist und schaust ziemlich irritiert. Ich öffne den Bademantel und fange an, dich am ganzen Körper zu streicheln – nur deine empfindlichsten Stellen lasse ich aus. Dabei knabbere ich an deinem Ohrläppchen. Doch das genügt mir noch nicht, es soll ja eine Folter für dich sein. Mit der neben dem Bett bereit liegenden Pfauenfeder fahre ich mit kreisenden Bewegungen leicht über deine Brust und deinen Bauch. Dein bestes Stück, das bereits steil nach oben ragt, lasse ich abermals links liegen. Du windest dich, hälst es kaum noch aus vor Lust, aber ich bin noch lange nicht fertig mit dir....


    Halt! Diese Art von Folter befriedigt meine Rache zwar sehr, weil ich dich liebe und begehre, aber du leidest dabei viel zu wenig. Ich denke, ich nehme doch eine von den anderen Foltermethoden - wie zum Beispiel das Finger-und Fußnägel rausreissen. Das wäre eine gerechte Strafe für das, was du getan hast. (oh man, ich bin so wütend, dass das Blut in meinen Ohren rauscht!) Aber da ich dir nie wirklich weh tun könnte, fällt das wohl flach. (Mist aber auch) Es bleibt schwierig.....

  • von Trugbild


    Väter sind Täter. Das Gewaltpotenzial des männlichen Geschlechts liegt tief in den Genen verwurzelt. Das einzige, das man den zärtlich emotionalen, durchgereift sozialen, aber seit Jahrtausenden in der Opferrolle gefangenen Frauen vorwerfen kann ist, dass es ihnen bisher nicht gelungen ist, den Kampfhund Mann zu domestizieren und ihn als abrufbereiten Samenspender nutzbar zu machen.
    So muss man über die komplizierten Umwege eines durch das männliche Wesen geschaffenen Justizsystems nach Möglichkeiten suchen, die Kinder als wertvollstes Gut der weiblichen Zivilisation vor den Übergriffen der Testosterongeladenen Männern zu schützen.
    Das Kind ist die Leibesfrucht der Frau, ihre Schöpfung! Und als Schöpferin ist sie es, die von der Muttergottes oder Mutter Natur mit gottähnlichen Attributen ausgestattet worden ist.
    Es ist nicht mehr als Recht und Ordnung, dass sich die Kaste Frau aus der Vertiefung ewiger Unterstellung bezüglich Intelligenz und Kompetenz befreit, die Männerwelt als einzig wahren Feind erkennt hat und mit allgemein gültigen Gewaltvorwürfen, Missbrauchunterstellungen und Aggressionsbehauptungen blutig zurückschlägt und vernichtet.
    Für ein seit der Steinzeit bescheiden weiterentwickeltes Wesen, das nicht emotional denken kann und schon mit der Erledigung zweier paralleler Aufgaben masslos überfordert ist, kann es nicht weiter tragisch sein, täglich über den eigenen, angeborenen Drang nach Vernichtung und Zerstörung zu lesen, zu hören und zu sehen. Zurück bleibt lediglich das ungute Gefühl, von Tausenden von potentiellen Mördern und Kinderschändern umgeben zu sein – sogar selbst dazu zu gehören...

  • von Hazel


    Mit einem feurigen Blick aus seinen dunkelbraunen Augen zog der große Mann, der in seinem dunkelblauen Samtanzug einfach umwerfend gut aussah, die blonde Schönheit magisch an. Ein Kribbeln überzog ihren Körper, als sie ihr langes scharlachrotes Abendkleid anhob und zu dem Fremden ging. Ein intensiver Augenkontakt und beide wussten, dass sie diese Nacht zusammen verbringen würden. Die junge Frau bot dem Mann ihren Mund dar, der dieser Aufforderung nicht widerstehen konnte. Ihre Lippen trafen sich, ihre Zungen spielten miteinander, tanzten Tango in Vollendung. Heftig atmend trennten sie sich und...


    "Schaust du schon wieder diesen Dreck an?" Lisbeth Breller riss sich von der Handlung auf dem Bildschirm los und drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Ihr Mann stand in der offenen Wohnzimmertür, die Jogginghose hing ihm über den dicken Bauch und das Unterhemd war mit Flecken übersät. "Lass mich in Ruhe", fauchte sie ihn an. "Das könnte dir so passen. Vergiss diesen unrealistischen Scheiß, denn ich will jetzt die Sportschau sehen." Herr Breller setzte sich in Bewegung und steuerte mit leicht schwankenden Schritten auf das Sofa zu. Seine Frau sprang fluchtartig auf und überließ ihm ihren Platz. "So ist es brav, meine Süße", sagte er mit einem schmierigen Grinsen. "Es wird eh Zeit, dass du das Abendessen richtest. Ich habe Hunger." Mit einem undefinierbaren Blick, aus dem keine Liebe mehr sprach, wandte sich die Frau ab und ging in die Küche. Während sie dort mechanisch Brot aus dem Kasten und Wurst sowie Radieschen aus dem Kühlschrank holte, eilten ihre Gedanken zurück zu der Szene, die sie erst kurz zuvor in dem Film gesehen hatte. So war es in den ersten Jahren ihrer Ehe auch gewesen. Kurt und sie hatten nicht genug voneinander bekommen können, oft kam es vor, dass sie das ganze Wochenende im Bett verbrachten. Und wie verlief ihr Leben heute, 20 Jahre später? Sie lebten wie Bruder und Schwester zusammen und seit ihr Mann seinen Job verloren hatte, ließ er sich gehen. Er kümmerte sich um nichts mehr, wusch sich kaum noch, sodass es sie anekelte, auch nur in seine Nähe zu kommen und in der letzten Zeit trank er immer mehr Bier. Der Gedanke daran, dass es so noch jahrelang gehen könnte, erschreckte sie zu Tode. Nein, so konnte und so wollte sie nicht weiterleben. Sie war jung, erst 42 Jahre alt, noch konnte sie etwas ändern. Sie stellte ihre derzeitige Tätigkeit ein und hob entschlossen den Kopf. Sollte Kurt sich sein Essen doch in Zukunft selber machen. Sie würde ihn noch heute verlassen, denn je mehr sie darüber nachdachte, um so sicherer wurde sie: Irgendwo da draußen in der weiten Welt gab es einen Mann, mit dem sie den Rausch der Leidenschaft noch einmal würde erleben können. Mit weit ausgreifenden Schritten ging die Frau in das Schlafzimmer, packte ihren Koffer und verließ das Haus. Ihr Mann bemerkte ihr fortgehen erst sehr viel später, aber er war sich sicher, sie würde bald wieder auftauchen. Was sollte sie auch tun ohne ihn?

  • von Polli


    Tosender Beifall, als ihr Name aufgerufen wurde: Korowenko. Sie standen auf, machten den Weg frei, klopften ihr auf die Schulter, riefen ihr „Bravo!“ zu. Einen Moment hielt sie inne, blickte sich um, ertrug das Blitzlicht der Fotografen, dann betrat sie die Bühne, öffnete im Gehen die oberen beiden Knöpfe. Aufrecht, fast kühn ging sie, den Blick stolz und ein leises, triumphierendes Lächeln andeutend. Bloß nicht stolpern. Nein, sie hatte nicht mit dieser Auszeichnung gerechnet, diesem Preis, der sie die Jahre der mühsamen Arbeit und der einsamen Stunden vergessen ließ. Endlich. Und noch ehe sie sich beim Publikum bedanken konnte, ihrem Publikum, das ihr die Treue gehalten hatte, setzte die Musik ein. Zuerst leise, mit einem Solo des Kapellmeisters, der ihr vom Orchestergraben aus unmerklich zunickte. Nach und nach fielen die anderen Instrumente ein, lockten sie, forderten sie auf, ja, zwangen sie. „Also gut, ihr habt mich überedet, es noch einmal für euch zu tun“, sagte sie. Sie maß die vertraute Bühne mit ihren Blicken aus. Leer war sie, schmucklos, so war sie ihr am liebsten. Ihre Bühne, ihre Heimat. „Bretter, die die Welt bedeuten“, flüsterte sie. Sie begann mit zögernden Schritten, verhalten noch, dann kühner, großflächiger, drehte sich um die eigene Achse, breitete die Arme aus, ließ sich vom Walzertakt mitziehen, mitreißen, sah ihrem imaginären Tanzpartner in die Augen, zog ihn fort, zog ihn an sich, drehte sich, schneller, schneller, schneller ...
    Hinter der Bühne fiel eine Tür zu. Olga zuckte zusammen, stoppte abrupt. Sie atmete tief durch, um den Schwindel zu vertreiben. Es gelang ihr nicht. Entschuldigend und ein wenig hilflos lächelte sie in die Menge. Die Musik verstummte. In manchen heiklen Situationen war es gut, dass die hellen Scheinwerfer den Blick auf die einzelnen Gesichter in den Reihen verhinderten. Das sagten die Schauspieler zueinander, wenn sie sich in der Kantine über ihre Rollen unterhielten. Polternde Schritte unterbrachen die Stille. Im Zuschauerraum ging das Licht an. Kurt tauchte auf, in Arbeitskleidung, mit dem Werkzeugkoffer in der Hand, den er wie ein schweres Musikinstrument zur Bühne schleppte. „Na, Olga, bald Feierabend?“ Jeden Morgen begrüßte er sie so. Und dann antwortete sie wie immer: „Gottseidank. Lange machen meine Knochen das nicht mehr mit. Wird Zeit, dass ich in Rente gehe.“ Kurt setzte den Werkzeugkoffer auf der Bühne ab und öffnete ihn. Wenn er gut gelaunt war und das war meistens der Fall, dann sang er Melodien vor sich hin. „Zwei Herzen im Dreivierteltakt – na, mein Mädchen, wie wär's mit uns beiden?“ Er wartete die Antwort nicht ab, lachte ein wenig zu laut über seinen Witz, sang weiter. Olga schloss die beiden oberen Knöpfe ihres Kittels, nahm den Besen und klemmte ihn in die seitliche Halterung ihres Putzwagens. Mülltüten wegbringen, Wagen in die Kammer stellen. Im Flur begegneten ihr die ersten Musiker. „Morgen“, murmelten die Älteren unter ihnen. Die Jüngeren übersahen sie meist. Olga grüßte höflich zurück, dann holte sie ihren Mantel und verließ das Theater.

  • von Churchill


    „Und denn, denn stehste vor Gott dem Vater, stehste, der allens jeweckt hat, vor dem stehste denn, und der fragt dir ins Jesichte: Willem Voigt, wat haste jemacht mit dein Leben? Und da muss ick sagen – Fußmatte, muss ick sagen. Und zum Schluss haste jeröchelt und jewürcht, um det bisschen Luft, und denn war’s aus. Det sagste vor Gott, Mensch. Aber der sagt zu dir: Jeh wech! sagt er! Ausweisung! sagt er! Dafür hab ick dir det Leben nich jeschenkt, sagt er! Det biste mir schuldig! Wo is et? Wat haste mit jemacht?!
    Und denn, Friedrich – und denn is et wieder nischt mit de Aufenthaltserlaubnis.“


    Angehaltener Atem um dich herum. Möchtegernprominente mit dem blondgelockten Dauergrinser neben dir. Ein paar tausend Zuschauer in der Halle. Millionen vor dem Bildschirm. Dein Monolog als Schuster Wilhelm Voigt, der Berlin narrte.
    Ausatmen. Spannung löste sich. Sturm nicht enden wollenden Applauses nach der Stille. Du hast es geschafft. Wieder einmal. Aus der eigenen Ruine auferstanden. Eben noch tagelang vergraben in einem Motel, das blutjunge Dummchen als selbsternannte Geliebte im exklusiv an die vier großen Buchstaben verkauften Whiskydrama an deiner Seite, deinen aufgeschlagenen Kopf den Geiern präsentierend.
    Immer wieder abgestürzt. Immer wieder aufgestanden. Barfuß oder Lackschuh, dazwischen gab es nichts. Sie liebten dich auch gerade deswegen. Deine Frauen. Deine Berliner.


    Dein Vater, schwerhörig 1979 vor dem Fernseher sitzend, sah dein Bild in der Tagesschau und wähnte dein Leben schon beendet. Um dann zu erfahren, dass Musik Trumpf ist und du derjenige, der diesen Trumpf fortan ziehen sollte. Die große Treppe hinabzuschlendern, die Arme auszubreiten, in Ovationen zu baden. Ganz oben. Das Leben in Saus und Braus zu genießen. Die Drinks auch. Sinatra hat das doch vorgemacht. Der große Frank. Und Sammy. Und Dean sowieso. Die Treppe hast du dir eigenfüßig ständig weggetreten. Du klettertest mühsam Stufe um Stufe neu nach oben. Solange die Kraft reichte.


    Danach lebtest du auf deiner eigenen Showbühne, verbeugtest dich neben dem Ratpack, schautest deine Frau an und küsstest Doris Day , Audrey Hepburn und Grace Kelly. Und blicktest in dich hinein auf dein Publikum, das dir den Monolog von den Lippen saugte, den Zuckmayer in einer prophetischen Stunde für dich geschrieben haben musste.


    Und denn standeste am 1. April vor Gott dem Vater und der fragte dir ins Jesichte: Harald, wat haste jemacht mit dein Leben? Und du wolltest sagen: Fußmatte. Jeflochten im eigenen Gefängnis. Nix da, sagte Gott, nix Fußmatte. Münder zum Lachen und Herzen zum Weinen bewegt haste. Lieb haben sie dich jehabt! Sagte er! Jefühl haste erzeugt und jezeigt. Komm rein! Sagte er. Geh die große Showtreppe rauf!


    Und du betratest mit ausgebreiteten Armen die himmlische Bühne, gingst deinen Weg, hörtest dir schmunzelnd die irdischen Lobreden auf dich an, grinstest über die Denkmäler, die sie dir dort errichteten und prostetest dem lieben Gott mit einem Augenzwinkern zu.