Uwe Tellkamp: Der Eisvogel

  • Der junge Wiggo Ritter leistet Widerstand gegen den eigenen Vater, aber er leistet Widerstand gegen eigentlich fast alles, vor allem gegen sich selbst, will man meinen. Und diese Kampfhaltung überträgt sich auf die Sprache und Erzählstruktur dieses Romans, der sich zuweilen wie das wirre Testament eines Psychopathen liest, und dann wieder wie die Auslassungen eines unter Fabulierzwang stehenden Möchtegerns.


    Tellkamp hat den Bachmann-Preis gewonnen, er wurde geehrt und gefeiert, aber dieses Buch begründet oder erklärt all jenes nicht, ganz im Gegenteil. Sprache, die bis zur Ungenießbarkeit ausgewalzt wurde und in dieser Form häufig keinem Zweck zu dienen scheint, eine Erzählstruktur, die sich gegen den Leser richtet, alles verbaut in einer Gesamtkonstruktion, auf der zwar „Roman“ steht, die diese Etikette aber nicht verdient. Ein grausig zu lesendes, streckenweise unfreiwillig komisches Buch um eine Figur, mit der man schlußendlich nichts zu tun haben, zu tun gehabt haben will.

  • Ich hatte das Buch auch einmal angefangen zu lesen und habe abgebrochen, da mich die Sprache und auch der ständige Wechsel der Erzählpersonen demaßen gestört hat, dass es eine qual ist das Buch zu lesen. Dementsprechend fehlen auch jegliche Andeutungen von "wörtlicher rede" bzw. Gedanken.
    Sein Erfolg mit dem Bachmann- Preis ist auch mir unerklärlich. Zumal es auch hyper- mühselig ist der Hauptgeschichte zu folgen.


    Lieben gruß,
    Immi!

    "Schweigen bedeutet für einen großen Teil der Menschheit Gewinn."Borondria, Großmeisterin der Golgariten


    Mein Blog: Büchervogel

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  • Für dieses Buch hatte ich mich ebenfalls interessiert. Allerdings hätte ich bis zum Erscheinen des TB gewartet, wenn nicht, ja wenn nicht unser Käseblatt von Tageszeitung eine vernichtende Kritik geschrieben hätte. Der oder die Rezensent/in wagte es jedenfalls, entgegen aller Lobeshymnen unliebsame Töne anzuschlagen. Und da bisher Verlass auf die Literaturkritiker war, werde ich von einem Kauf absehen.

  • Mich hat bis jetzt auch der hohe Preis abgeschreckt, weil mir nach "Druckfrisch" nicht so ganz klar war, ob das ein Buch für mich ist.
    Mittlerweile habe ich es unserer Bücherei als Anschaffungstipp vorgeschlagen :lache Hoffentlich ist es kein Flopp. Na ja, werde es dann lesen, oder nur Kontakt aufnehmen :lache

  • Zitat

    Original von Tom
    Der junge Wiggo Ritter leistet Widerstand gegen den eigenen Vater, aber er leistet Widerstand gegen eigentlich fast alles, vor allem gegen sich selbst, will man meinen. Und diese Kampfhaltung überträgt sich auf die Sprache und Erzählstruktur dieses Romans, der sich zuweilen wie das wirre Testament eines Psychopathen liest, und dann wieder wie die Auslassungen eines unter Fabulierzwang stehenden Möchtegerns.


    Tellkamp hat den Bachmann-Preis gewonnen, er wurde geehrt und gefeiert, aber dieses Buch begründet oder erklärt all jenes nicht, ganz im Gegenteil. Sprache, die bis zur Ungenießbarkeit ausgewalzt wurde und in dieser Form häufig keinem Zweck zu dienen scheint, eine Erzählstruktur, die sich gegen den Leser richtet, alles verbaut in einer Gesamtkonstruktion, auf der zwar „Roman“ steht, die diese Etikette aber nicht verdient. Ein grausig zu lesendes, streckenweise unfreiwillig komisches Buch um eine Figur, mit der man schlußendlich nichts zu tun haben, zu tun gehabt haben will.


    Ich kann Deiner Rezension in den meisten Punkten nicht folgen, wenigstens stimmen wir überein, daß der Roman kein großer Wurf ist. Gerade die Sprache, die sich verborgen unter Wortungeheuern, der kitschigen Einfachheit der Trivialliteratur bedrohlich nähert, beweist die Qualität Tellkamps, neben Überfluß und Mißgriffen eben doch viele schöne Sätze, Bilder, Stimmungen zu malen. Diese Sprache ist ein einziger Drahtseilakt. Kann man das selbe über die Erzählstruktur sagen? Sie richtet sich jedenfalls nicht gegen den Leser, wie Du schreibst, sie ergibt sich völlig aus dem Zustand, in der sich die Erzählinstanz zum Zeitpunkt der Erzählung befindet, nämlich in einer, von Fieberschüben und Schmerzen begleiteten Bettlägrigkeit.


    Die Schwäche des Romans sind seine Figuren; eine Führerfigur, die tatsächlich ein brutales, pathologisches Arschloch ist und gar keine Führungsqualitäten vorzuweisen hat; der Ich-Erzähler, der das Gefühl lebender Anachronismus zu sein, noch überzeugend vermitteln kann, und als philosophierender Erfüllungsgehilfe und Berater des Führerpsychopathen nur mehr scheitert; Geistesaristokraten, die ihren Rang und Namen einbüßen, weil die großmundig postulierte, »aus der Analyse logisch folgende Tat« und nicht zuletzt diese Analyse nichts weiter sind als kumulierte laue Fürze einer Stammtischgesellschaft.


    Die Kritik beurteilt den Roman übrigens sehr unterschiedlich: die Palette reicht von gnadenlosen Verrissen bis hin zu hymnischem Lob; die Wahrheit wird wie so oft irgendwo dazwischen liegen. Was den Roman für meine Begriffe auszeichnet, ist der Mut, mit dem er geschrieben wurde. Unkonventionell zu sein. Ein Drahtseilakt eben. Auch politisch.

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • Titel: Der Eisvogel
    Autor: Uwe Tellkamp
    Verlag: Rowohlt
    Erschienen: Mai 2006
    Seitenzahl: 317
    ISBN-10: 3499242354
    ISBN-13: 978-3499242359
    Preis: 8.90 EUR


    Uwe Tellkamp wurde 1968 geboren, studierte in Leipzig, New York und Dresden Medizin und arbeitete in einer unfallchirurgischen Klinik. Sei Debütroman „Der Hecht, die Träume und das portugiesische Cafe“ erschien 2000. 2004 erhielt Uwe Tellkamp den Ingeborg-Bachmann-Preis.


    Worum geht es nun in diesem Buch?
    Wiggo Ritter hat Mauritz, seinen besten Freund, erschossen und liegt mit schweren Brandwunden in einer Klinik. Die Geschichte, die als Krimi beginnt, entwirrt sich nur langsam: In Erinnerungsfetzen Wiggos, Gesprächen mit seinem Anwalt, Stellungnahmen von Freunden und Familienangehörigen. Wir lernen einen Gescheiterten kennen, der am Leben und der Gesellschaft leidet. Aus reicher Bankiersfamilie stammend, hat er gegen die Kapitalistenwelt seines Vaters rebelliert und ist Philosoph geworden. Doch nach einem Streit mit seinem Professor ist auch dieser Weg verbaut. Da kommen Mauritz und seine Schwester Manuela daher und verdrehen Wiggo den Kopf -- Manuela mit ihrer kühlen Schönheit, Mauritz mit der revolutionären Utopie einer konservativen Elitegesellschaft. (Quelle: www.amazon.de)


    Uwe Tellkamp hat ein sehr interessantes Buch geschrieben, welches sicher nicht jedermanns Sache sein wird. Als „einen deutschen Gesellschafts-Thriller“ bezeichnet die WELT diesen Roman. Diese Bezeichnung trifft nun aber sicher nicht zu. Vielmehr ist dieses Buch ein Reigen aus Gedanken, Rückblenden, Stellungnahmen von Zeitgenossen des Wiggo Ritter. Teilweise ist es sehr schwer den schnell wechselnden Sprüngen zwischen den einzelnen Gedankenebenen zu folgen und offensichtlich schafft auch Tellkamp es nicht immer, den berühmten roten Faden seiner eigenen Erzählung wiederzufinden; nichtsdestotrotz ist ihm mit diesem Buch ein wirklich lesenswertes Stück zeitgenössischer Literatur gelungen. Manchmal wird in einer klaren Sprache gesprochen, dann wiederum wird verklausuliert und sogar „genuschelt“ – aber alles hat seinen Platz in diesem Roman. Eins greift ins andere und wäre sicher noch besser gelungen, wenn der rote Faden nicht zwischendurch ein paar Mal zuviel ausgefranst wäre. Erstaunlich aber ist die Gedankenvielfalt, das fundamentale Wissen des Autors. In seiner Kritik an den bestehenden Verhältnissen macht er vor niemanden halt und prangert die Missstände in der Gesellschaft gnadenlos an.
    Man kann dieses Buch von Uwe Tellkamp nur uneingeschränkt empfehlen. Allerdings sollte man es mit dem Bewusstsein lesen, dass es ggf. auch auf totale Ablehnung stoßen könnte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Täglich geh ich heraus und such ein Anderes immer.


    Nachdem ich hier schon festgehalten habe, dass mich die erste Hälfte des Buches nicht begeistern konnte, möchte ich doch betonen, dass das Buch gegen Ende hin dann doch immer besser geworden ist.


    Die größten Schwierigkeiten hat mir der Erzählstil gemacht. In langen und häufig zusammhanglosen Monologen wird die Geschichte erzählt und dadurch wird es dem Leser nicht unbedingt erleichtert, Zugang zu finden. Auch die Thematik (Operation Wiedergeburt) und zeitlichen prünge in der Erzählung empfand ich als anstrengend. Aber auch mit dem Erzähler - Wiggo - hatte ich Probleme, da ich ihn häufig als sehr selbstmitleidig und jammernd empfand.


    "erwachen, oft fragten sie mich: Wann wirst du erwachsen, Wiggo, eines Tages glaubte ich erwachsen geworden zu sein und es bedeutete, Angst zu haben, weil man liebte, -"


    "Ich bin ein musischer Mensch. Ich glaube, es ist kein Platz mehr für musische Menschen. [...] Ich habe das Gefühl, zerrieben zu werden. Eine Kultur, die Menschen wie mich trägt, scheint es nicht mehr zu geben."


    Dennoch hat mir das Buch gegen Ende des Buches besser gefallen, da ich immer mehr das Gefühl bekam, dass das Buch dichter wurde und die einzelnen Stränge zusammengeführt wurden.


    Verglichen mit "Der Turm" ist "Der Eisvogel" sicherlich sehr ambitionierte Literatur, bei der mir jedoch eine zusammenhängende und verständliche Geschichte gefehlt hat, die all die schönen Sätze auch wirklich zusammenhalten kann.


    7 Punkte.