Kleine Kerze
’s ist trüb und grau – Novemberende,
nur Wochen noch zur Jahreswende.
Und wieder, nicht nur für die Frommen,
ist eine Lichterzeit gekommen.
Die kleine Kerze, rot und schlicht,
denkt erst mal,”das betrifft mich nicht ...“,
bis sie dann eine Stimme hört,
die sie in ihrer Ruhe stört:
“Los, kleine Kerze, es ist Zeit,
das Weihnachtsfest ist nicht mehr weit.
Betrachte dies als deine Sendung
und such dir jetzt deine Verwendung:
Ein Platz ist für dich vorgesehen...“
Mehr kann die Kerze nicht verstehen.
Die Stimme ist ganz plötzlich stumm.
Die Kerze denkt, "das ist jetzt dumm!
An welchen Platz ist hier gedacht?“
So kommt’s, dass auf den Weg sich macht
die kleine Kerze , rot und schlicht...
Wohin? Das weiß sie erst mal nicht.
Sie klopft gleich an die erste Tür
Und fragt: “Tschuldigung, braucht ihr hier
'ne rote Kerze so wie mich?“
„Nein, so was brauchen wir hier nicht!
Wir haben doch die teuren netten
blinkenden bunten Lichterketten
seit Wochen schon am ganzen Haus.
Verschwinde hier und scher dich raus...“
"Das war wohl eher Pustekuchen,
dann muss ich wohl noch weitersuchen“,
denkt sie sich und klopft unverzagt
beim nächsten Haus, wo man ihr sagt:
„'ne Kerze? Gern, denn unsere Luft
schätzt den besonderen Weihnachtsduft!
Nach Rosen, Zitrus oder Zimt –
Vanille duftest du bestimmt...?“
"Nein“, sagt die kleine Kerze leis’,
"ich brenne nur, so viel ich weiß,
und zaubere keinen Extraduft
und kein Aroma in die Luft..“
Und sie erkennt zu ihrer Qual:
Sie ist nicht multifunktional!
Brennen alleine reicht nicht aus
in dem modernen Weihnachtshaus ...
Drum klopft sie fast schon ohne Mut
bei jenem Haus an, wo ne gut
katholische Familie wohnt.
Ob sich das Fragen hier wohl lohnt?
“Ich bin ne Kerze, rot und schlicht
und frage euch, könnt ihr ein Licht
wie mich in eurem Haus verwenden?
Ich will mich gern für euch verschwenden!“
Die Mutter guckt ein bisschen schief:
"Ne Kerze ganz ohne Motiv?
Nicht mal ein Mutter-Gottes-Bild?
Oder vom Papst ein Lächeln mild?
Dass es dir auch nicht möglich war,
den holden Knab’ mit Lockenhaar
nebst all den Tieren, zahmen, wilden
auf blankem Wachs hier abzubilden?!
Du Kerze solltest dich was schäm’!
Ein Bild ist doch wohl kein Problem?
Du bist ne Kerze für die Heiden,
verschwind’, wir können dich nicht leiden...“
So fühlt die Kerze, schlicht und rot
sich in der Existenz bedroht.
Wo soll sie ihren Platz nun finden?
Am liebsten würde sie verschwinden!
Dann sieht sie ein ganz großes Haus.
Doch das schaut ziemlich dunkel aus.
Sie öffnet vorsichtig die Tür
und stellt dann fest: "Ich bin ja hier
in einer Kirche. Ist dort nicht
normalerweise Kerzenlicht?“
Doch keine einz’ge Kerze brennt,
obwohl sie viele dort erkennt:
Da an der Wand, auf dem Altar,
Marienbild, das ist ja klar,
und dort im Dunkeln wartet ganz
verlassen so ein grüner Kranz.
Auf ihm, da stehen rot und frei
ganz schlichte Kerzen: Eins – Zwei – Drei.
Drei Kerzen rufen: "Ist das schön,
dich endlich hier bei uns zu sehn!
Wir warten auf dich schon so lang!“
Die Kerze sagt: "Na, vielen Dank.
Doch warum seid ihr alle aus?
So kommt ja gar kein Licht ins Haus!“
Da lachen alle Kerzen laut,
worauf die Kleine skeptisch schaut.
"O nein, du wirst nicht ausgelacht.
Du bist es, die uns glücklich macht !“
“Ich bin doch nur ein kleines Licht...“
“O kleine Kerze, weißt du nicht,
warum hier alle auf dich warten?
Wir können ohne dich nicht starten,
weil doch am Anfang vom Advent
nur eine kleine Kerze brennt !
Und nicht die Kerzen Zwei, Drei, Vier ...
Du bist es. Und jetzt bist du hier !
Du bist auf diesen Platz gestellt,
jetzt trag dein Licht raus in die Welt.
Entzünde dich, ’s ist höchste Zeit,
und mach dem Herrn den Weg bereit.
Du kleine Kerze, rot und schlicht –
Zeig uns den Weg zum großen Licht ...“
s ist trüb und grau – Novemberende,
nur Wochen noch zur Jahreswende.
Und eine kleine Kerze brennt
in unsere Zeit – es ist Advent.