„Margrets Mann"
- ein faszinierendes Romandebüt von Holde- Barbara Ulrich -
Ein Roman über die Liebe. Um genauer zu ein, über die Liebe, ihre Lügen und ihre Gewalttätigkeit. Und genau das ist es, dieser Zusatz, der das neue Buch der Berliner Autorin Holde-Barbara Ulrich für den Leser zu einem zutiefst erregenden und bis zum Schluss fesselnden literarischen Ereignis macht. Die Spannung, die die Autorin von der ersten Seite an aufzubauen vermag, getragen von ihrer sensiblen, höchst präzisen, bildhaften Sprache lassen Trivialität, für die Romane dieses Genres im allgemeinen anfällig sind, nicht zu.
Worum geht es? Um maßlose Zärtlichkeit, unvergleichliche Rituale, exzessive Lust, selbstquälerische Eifersucht, mörderische Gewalt - kurz und gut, um eine einzigartige, große Liebe. Klara, Protagonistin des Buches, glaubt es mehr als zehn Jahre lang. Dass Wolf, der Geliebte, verheiratet ist, nicht gerade beglückend für sie und mit der Zeit immer beklemmender. Aber irgendwann wird es vorüber sein. Er verspricht es, gelobt, schwört. Sie glaubt ihm, denn sie liebt ihn. Immer aussichtsloser, immer verzweifelter.
Irgendwann taucht Margret auf, seine Frau. Unerwartet, bedrohlich, diese Begegnung. Ihre verschwörerische Nachricht lautet: Er hat eine neue Geliebte - drei Jahre lang schon! Sie liefert Beweise. Ein vager Bund entsteht zwischen ihr und Klara, eine Verschwisterung der Not.
Wolf verändert sich. Kleine Anzeichen gab es seit langem. Jetzt aber, sehenden Auges, werden sie deutlicher. Sie sind hinterhältig, gewaltvoll, ja lebensgefährlich. Flucht wird nötig, psychisch und räumlich. Klara fährt auf die Krim, versucht, berstend vor Unglück, die Abnabelung. Eine kurze sexuelle Beziehung zu einem anderen Mann, der an eigenem Elend gewachsen ist, hilft ihr dabei. Zurück in Berlin, wieder Wolf: Seine Rose, sein Brief - diese klagenden, schönen Sätze. Immer noch ist er da. Den Schlusspunkt schließlich setzt Margret mit ihrer Anzeige in der Zeitung...
Der Text vermittelt eine Art von Erschütterung, die auf etwas Bekanntes, etwas Ungeheuerliches hinweist, nämlich den Fall der jungen französischen Schauspielerin Marie Trintignant, die im Sommer 2003 von ihrem verheirateten Geliebten in einem Anfall rasender Eifersucht zu Tode geprügelt wurde. Überhaupt scheint das Buch insbesondere für Frauen einen erheblichen Wiedererkennungseffekt zu haben. Kein Wunder, wenn jede Dritte hierzulande laut Statistik eine „Dreierbeziehung" erlebt und erlitten hat. Unterschiedlich zwar, aber das Grundmuster gleicht sich. Berauschende Stunden der Lust, Heimlichkeiten und Lügen, maßlose Eifersucht, hinhalterische Versprechen und quälerischen Einsamkeit. Und am Ende schließlich - falls sie nicht vorher entkommen kann - sein beiläufiges: „Adieu - es war schön. Aber es geht leider nicht".
Und obwohl diese unglücklichen Ausgänge vorauszusehen sind, scheinen sie den Reiz des Geheimnisvollen, Unerlaubten, Gauklerischen einer solchen Affäre nicht zu beeinträchtigen - das gilt für Frauen wie für Männer. Wobei die Frau, von Natur aus reichlicher ausgestattet mit Zuversicht, Geduld und Hingabe, oft auf eine Lebenslösung hofft. Der an Sicherheit orientierte männliche Partner hingegen ist selten bereit, das Gewohnte, Eingerichtete, Abgesicherte seiner familiären Situation für eine Geliebte aufzugeben. Die "ménage a trois" zerbricht schließlich an sich selbst.
Das alles mag sich in der Realität einfacher, geradliniger, vielleicht auch weniger obsessiv zutragen als in dieser kunstvoll gestrickten, genauso dramatischen wie skurrilen Romangeschichte. Aber gerade dieses von der Autorin raffiniert gesponnene Geflecht aus Gewalt und Zärtlichkeit, Erpressung und Willfährigkeit, Hörigkeit und Überdruß bindet den Leser unausweichlich in die Handlung ein und lässt ihn bis zum überraschenden Ende nicht wieder los. „Margrets Mann" ist das zehnte Buch, der aus Brandenburg stammenden Autorin. Der geographische Aspekt bringt es mit sich, dass das Buch, das in den achtziger Jahren in Ostberlin spielt, zwar unaufdringlich aber unübersehbar neben dieser sehr intimen, obskuren Liebesgeschichte auch das ganz normale Leben in der DDR spiegelt.
H.-B. Ulrichs erster Band „Schmerzgrenze" (Dietz 1990) über Frauenschicksale in der DDR erregte Aufsehen und machte ihr Mut, in diesem Metier weiter zu arbeiten. So waren es hauptsächlich literarisch ambitionierte Porträts und Reportagen, die sie als freischaffende Autorin für große Zeitungen und Magazine schrieb. Sie brachten ihr neben anderen Auszeichnungen den renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis. Die vielschichtige Biographie ihrer Tochter „Zuhause ist kein Ort" (Ullstein 2000) wies dann eindeutig den Weg zu ihrem ersten Roman, der mit „Margrets Mann" nun vorliegt. Der ORLANDA-Verlag, bekannt insbesondere durch sein auf Frauenprobleme spezialisiertes Sachbuchprogramm, hat den sehr schön ausgestatteten Band herausgebracht. Unter Herausgeberschaft und Lektorat von Ingeborg Mues eröffnet er die neue Belletristik-Reihe des Verlages: DIE EDITION. Der Auftakt ist auf alle Fälle vielverheißend. ©