Daniel Kehlmann - Ich und Kaminski

  • Daniel Kehlmann: Ich und Kaminski


    Inhalt


    Der junge karrieregeile, ehrgeizige, skrupellose und selbstherrliche Journalist Sebastian Zöllner, der sich bisher nur mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser gehalten hat, wird mit dem Auftrag betraut, eine Biografie über den ehemaligen Avantgarde-Maler Manuel Kaminski, der sich im Kreis von Picasso und Matisse bewegte, dessen Stern aber eigentlich schon verloschen ist, zu verfassen.


    Zu diesem Zwecke muss er den Maler, der nunmehr ganz zurückgezogen in einem Bergdorf lebt besuchen. Während der Zugfahrt liest er sich in die Thematik oberflächlich ein und glaubt, dass es ein Leichtes sei, diese Biografie zu verfassen. Insgeheim hofft er dann noch auf den baldigen Tod des Künstlers, der sein Buch dann so richtig ins Scheinwerferlicht bringen wird.


    Doch er hat die Rechnung ohne die Hauptperson gemacht. Kaminski, fast erblindet, altersschwach und verwirrt, wird von seiner Tochter abgeschirmt. Durch Bestechung gelingt es Zöllner, ihn alleine anzutreffen, doch der Maler speist ihn nur mit wirren Belanglosigkeiten ab. Zöllner, nur seine Karriere im Sinn, inszeniert ein Treffen mit der Jugendliebe und die beiden ungleichen Menschen begeben sich auf eine Fahrt ins Ungewisse und das Verwirrspiel beginnt denn es zeigt sich, dass Kaminski keinesfalls der altersschwache, senile Künstler ist, sondern dass er es eigentlich faustdick hinter den Ohren hat.


    Daniel Kehlmann


    geboren 1975 in München, Sohn eines Regisseurs.
    Er lebt seit 1991 in Wien, dort studierte er Philosophie und Literaturwissenschaften, promovierte über Kant.


    Auszeichnungen und Preise:


    - 1988: Förderungspreis des BDI
    - 2000: Stipendium des Literarischen Colloquiums, Berlin
    - 2003: Förderung des Österr. Bundeskanzleramtes
    - 2005: Candide-Preis der Stadt Minden
    Mitglied im Autorenforum "Treffen der 13"


    Veröffentlichungen:


    1997: Beeholms Vorstellung
    1998: Unter der Sonne
    1999: Mahlers Zeit
    2001: Der fernste Ort
    2003: Ich und Kaminksi
    2005: Die Vermessung der Welt
    2005: Wo ist Carlos Montufar?


    Meine Meinung


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen.


    Besonders die Figur des Journalisten Sebastian Zöllner ist sehr gelungen. Ein karrieregeiler, skupelloser, berechnender, oberflächlicher, junger Journalist, der die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat und ach so gerne in der Schickeria-Bussi-Bussi Gesellschaft daheim sein will.


    Und als Pendant dazu der alte, introvertierte, weltfremde, etwas schrullige Künstler, dessen Stern eigentlich schon erloschen ist, der aber im Laufe des Buches dennoch zeigt, dass er es noch faustdick hinter den Ohren hat und dass er keineswegs zu unterschätzen ist.


    Zöllners Plan, durch diese Biographie mit wenig Aufwand den großen Durchbruch zu landen, wird jäh vom großen Meister durchkreuzt.


    Ein sehr satirischer Ausflug in die Kunstszene, ein schiefes Licht auf die Journalisten, die sich anbiedern, sich oberflächliches Halbwissen über Kunst aneignen, nur um das begehrte Interview zu bekommen, damit sie selber im Rampenlicht stehen.


    Kehlmann schreibt sehr flüssig und vor allem die Charakterstudien fand ich sehr faszinierend. Ein noch sehr junger Autor, von dem man hoffentlich noch viel zu hören und zu lesen bekommt!




    PS: Ein aktueller Artikel über Daniel Kehlmann gibts in der Zeit hier

  • Habe es soeben beendet...


    Danke noch mal Fräulein Waldfee für dieses tolle Wichtelbuch... :-]


    Ganz anders als erwartet, aber umso unterhaltsamer war dieses Leseerlebnis. Hat mich sehr neugierig gemacht auf die "Vermessung der Welt".
    Zöllner ist ein Arschloch ohne gleichen, dummerweise erkenne ich einige meiner eigenen Eigenheiten wieder, was mich sehr sehr sehr nachdenklich gemacht hat.
    Das Ende gefällt mir herrlich gut, es bleibt genau so viel offen, wie mir gut tut ohne, daß ich unbefriedigt wäre.


    Ein toller Roman mit zwei sehr interessanten Charakteren. :anbet

  • Bisher habe ich über dieses Buch auch viel gutes gehört und auch dieses steht auf der Leseliste für ein Seminar im kommenden Semester. Ehrlich gesagt auch das einzige Buch, auf das ich mich derzeit freue.
    Aber da davor noch eine Menge anderer gelesen werden, werde ich das hier noch weiter warten lassen.


    Danke aber für die tolle und informative Rezension, Jersey!

  • Eine sehr gelungene Satire über einen jungen arroganter Kunsthistoriker, der unbedingt Karriere machen will und sich zu diesem Zweck den blinden alten Maler Kaminski ausgesucht hat, mit dessen Biographie er zu schnellem Ruhm kommen und seinen größten Konkurrenten ausstechen will.
    Der alte Maler ist zunächst unwillig, spielt aber dann das Spiel mit. Bleibt die Frage, wer eigentlich wen verarscht.


    Der Roman ist in Ich-Form geschrieben mit dem Kunsthistoriker als Erzähler, ein oberflächlicher, karrieregeiler junger Mann, der so unsympathisch ist, daß man ihn schon fast wieder lieb gewinnen könnte.


    Herrliche humorvolle Erzählung. Ich habe sehr genossen.
    Humor ist etwas was man in deutschsprachigen Büchern leider nicht so oft in so vollendeter Form findet.

  • Herrliche Figuren bietet dieses Buch: Zuerst der vollkommen arrogante, überhebliche Kunstkritiker Sebastian Zöllner und dann der schrullige Kaminski, der es noch schafft, Zöllner zu toppen. Wunderbare Dialoge, die ihresgleichen suchen und unvorhersehbare Wendungen, die dem Buch den letzten Feinschliff geben. Eines der besten Bücher Kehlmanns, ohne Frage.

  • Mir hat dieses kleine Büchlein auch sehr gut gefallen, sehr satirisch und stark in der Skizzierung der beiden aufeinandertreffenden Charaktere, aber auch die Kunstkritikerszene treffend aufs Korn nehmend. Brillant sind die Dialoge, da merkt man, daß Kehlmann die Sprache durch und durch im Griff hat und momentan sicher zu den besten deutschsprachigen Autoren gehört. Obwohl ich so dünne Bücher normalerweise etwas unbefriedigend finde, ist "Ich und Kaminski" mit seinen gerade einmal 170 Seiten doch sehr empfehlenswert und macht unbedingt Lust auf weitere Werke von Kehlmann ("Die Vermessung der Welt" habe ich bereits mit großem Genuß gelesen, der Rest wird irgendwann einmal folgen).

  • Ich und Kaminski – Daniel Kehlmann


    Meine Meinung:
    Der kurze Roman ist herrlich bitterböse gehalten. Die Konstellation junger, skrupelloser Journalist und altender Künstler ist nicht ganz neu, in Variationen gab es das schon oft. Aber Kehlmann lässt seinen Protagonisten Sebastian Zöllner so unsympathsich und mit verzerrtem Weltbild durch den Roman laufen, dass es immer wieder zu amüsanten Szenen voller Peinlichkeiten für unseren „Helden“ kommt. Irgendwie muss man ihn doch mögen. Zöllner will mit einer Biographie über einen blinden alten Maler zu Erfolg kommen, doch es entstehen eine ganze Reihe von Widerständen.
    Daniel Kehlmann gestaltet viele Abschnitte äußerst geschickt und szenisch, es entsteht manchmal ein Gefühl wie im Film oder im Theater.
    Zu einer direkten „Heilung“ des Protagonisten wie man es aus diversen, harmlosen Hollywoodfilmen kommt es nicht, am Ende steht trotzdem ein Scheitern des ursprünglichen egoistischen Vorhabens und eine Veränderung der Wahrnehmung. Welche Lehren und Erfahrungen Zöllner aus der Geschichte zieht bleibt offen. Aber er wird nicht mehr derselbe sein.