Regelmäßig fahre ich daran vorbei, es ist ein schlichtes Holzkreuz mit einer kleinen Tafel daran: „Anna“ lautet die Inschrift. Mehr nicht. Heute steht ein kleines Töpfchen Erika davor. Schließlich ist es jetzt Herbst, und nachts wird es sehr kalt, da muß das Pflänzchen schon was aushalten. Im Sommer sind es meist Margeriten. Die blühen so üppig, daß man sie schon von weitem sehen kann. Sie zeigen mir, daß Anna noch immer geliebt und betrauert wird.
Ich weiß gar nicht, wann mir das kleine Kreuz zum ersten Mal auffiel. Ein paar Jahre ist es sicherlich her. Eines Tages schlich es sich in mein Bewußtsein, und seitdem fällt mein Blick immer, wenn ich diese Strecke fahre, darauf.
Du hast Dich auf diesen Fahrten in mein Gedächtnis gegraben, Anna. Ich habe schon oft überlegt, was Du für ein Mensch warst. Warst Du alt? Jung? Vielleicht gar noch ein Kind? Das Täfelchen verrät mir Dein Geheimnis nicht. Wie bist Du gestorben? Hast Du unachtsam die Straße überquert? Hattest Du die Kontrolle über Dein Fahrzeug verloren? Oder trägt ein anderer die Schuld an Deinem Tod? Wurdest Du nach der Disco in den Tod gefahren, wie man es so oft lesen muß?
Ich frage mich stets: Wie konnte jemand nur an dieser Stelle sterben? Die Straße verläuft hier schnurgerade und ohne Bäume rechts und links.
Während ich das denke, nehme ich unwillkürlich den Fuß vom Gas. Es gibt einfach viel zu viele dieser Kreuze am Wegesrand, denke ich mir dabei - jedes einzelne ist eines zu viel.