Madrigal für einen Mörder
26 originelle Krimigeschichten beweisen, dass Krimis grundsätzlich nicht damit beginnen müssen, dass ein Kommissar an den Tatort gerufen wird.
Roald Dahl ist tot. Der schwarze Krimi-Humor lebt!
Wer seit dem Tod von Roald Dahl den Meister und die Kunst des schwarzen Humors vermisst und sich literarisch verwaist fühlte, kann sich freuen. Man könnte meinen, 26 deutsch-sprachige AutorInnen wären beim Meister in die Lehre gegangen und hätten mit humorvoll mörderischen Krimigeschichten seine Nachfolge angetreten. Ihre Geschichten stellen alles bisher Formulierte in ihrer Lachsalven provozierenden Direktheit in den Schatten.
Nicht, dass sie etwa besonders brutal oder pervers wären. Nein, im Gegenteil, sie kommen so normal daher, dass sie exzentrisch wie eine Milieustudie der besseren Gesellschaft anmuten. Jede/-r LeserIn wird sich wiedererkennen, sei es als Opfer oder TäterIn. Nämlich dessen, was sich hierzulande als „kultiviert“ zu tarnen versteht.
Zum Beispiel: “Du bist mir eigentlich zu dick – aber Deine Pizza ist fantastisch!“ Das eigentlich Boshafte, nicht Böse, gipfelt darin, dass wir uns an das Entsetzliche, nämlich die verbale Grenzüberschreitung, einen gewissen rauhen Umgangston und Übergriffe so gewöhnt haben, oder uns aber nie daran gewöhnen werden, dass die Giftpfeile, die täglich abgegeben, abgefangen oder weitergeben werden, entweder schon gar nicht mehr bemerkt werden, oder wir uns unsere Betroffenheit nicht anmerken lassen. Wer sinnt nicht auf Rache, muss aber jahrelang warten, bis er es endlich lieben Verwandten oder anderen Feinden heimzahlen kann?
In 26 Krimigeschichten vom Feinsten, made in Germany, auf deutschem Boden handelnd, wird diese vornehm mörderische Kultur, die wie eine Subkultur etabliert ist und schleichend um sich gegriffen hat, aufgegriffen, detailliert abgehandelt und konsequent zu Ende gedacht.
Zitat: „Aus Liebe. Ich habe es aus Liebe getan. Wissen Sie, dreißig Jahre Ehe...Rechnen Sie im Schnitt einen Theaterbesuch und einmal Kino im Monat, so kommen Sie auf vierundzwanzig derartige Abende pro Jahr...Also ich wollte, dass die Sache ein für alle Male ein Ende hat.“ Zitat Ende.
Die AutorInnen sind sehr wahrscheinlich n i c h t beim Meister des schwarzen Humors in die Lehre gegangen, sondern haben ganz einfach den Alltag aufgegriffen. Dabei, und hierin liegt die Spritzigkeit des Buches, geht es eben nicht um konstruierte Mordfälle oder Mordmotive krankhafter Typen, sondern um das alltäglich Primitive, das Plumpe, Taktlose, das uns alle umgibt. Es ist das Unfassbare, bis das Mass voll ist und das Fass überläuft.
Bei dieser Lektüre werden jede/-m, der einen halbwegs normalen Alltag hat, ähnliche Erlebnisse einfallen, die durch die Distanz des Nachhineins, der rückblickenden Betrachtung etwas herzhaft Komisches, Satirisches und Witziges bergen. Das, was man nicht erfinden kann, was wie Hass und Liebe nebeneinander liegt oder eben wie Situationskomik neben Grausamkeit.
Kompliment an den Herausgeber Andreas Schröter, der mit der Auswahl und Zusammenstellung kriminologisches, literarisches und auch soziales Einfühlungsvermögen bewies. Ein hoffentlich nicht einmaliges gelungenes unterhaltsames Werk, das sich eine Fortsetzung wünscht.
Kompliment auch an die darin veröffentlichten AutorInnen:
Ellen Balsewitsch-Oldach, Mischa Burrows, Elli Dammermann, Wolfgang M. Epple, Birgit Erwin, Christiane Geldmacher, Iris Grädler, Andreas Gruber, Franz Henz, Franziska Kelly, Holger Kutschmann, Monique Lhoir, Sabine Ludwigs, Eva Markert, Ulf Meierkord, Annemarie Nikolaus, Stefan Preuss, Saza Schröder, Susanne Schubarsky, Christi-ne Spindler, Kai Splittgerber, Jutta Strzalka, Rainer Wedler, Patricia Vohwinkel, Barbara Willich und Maria Zocchetti.
Andreas Schröter (Hrsg.)
Madrigal für einen Mörder
ISBN 3-9808278-4-4, 196 S.
Schreiblust-Verlag, 9,90 €
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