Sex and the School 5

  • Wir Mädchen sind bekannt dafür, dass wir es oft und in oftmals unpassenden Situationen tun: Nachdenken.
    Wir denken darüber nach, ob wir Hose oder Rock anziehen; überlegen, uns im Unterricht zu melden oder lieber nicht; fragen uns, ob wir zuerst Deutsch- oder Mathehausaufgaben erledigen sollen. Das mag alles nicht schlimm sein, gravierend wird es jedoch, wenn wir beginnen, über Liebesangelegenheiten nachzudenken.
    Beginnend bei elementaren Fragen wie „Ansprechen oder nicht ansprechen?“, „Wohin zum Date?“ und „In welchem Verhältnis stehen wir jetzt eigentlich zueinander?“ interpretieren wir sogar kleinste Wimpernzucker unserer Flirts. Ist „Wir sehen uns!“ in einer SMS nun gut oder schlecht? Will ER damit sagen „Hoffentlich sehen wir uns bald wieder!“ – oder soll das etwa heißen „Mach mal halblang, wir werden uns schon mal irgendwann wieder sehen…“? Und wenn ich darauf jetzt antworte, ist das dann aufdringlich? Und überhaupt, bedeutet ein Hdgdl mehr als ein Hdl? Ist „Träum süß“ besser als „Träum was Schönes“? Kommt ein Anruf besser als eine SMS? Und wenn ja, wann soll ich anrufen- und was zum Teufel soll ich sagen? – Fragen über Fragen.
    Die Interpretation von Gestiken verlangt Ähnliches ab, wie zum Beispiel die hoch interessante Frage „Er hat mich zum Abschied nicht umarmt- was heißt das?“ Natürlich könnte man jetzt Sachen antworten wie „Er hat’s halt einfach vergessen.“ – aber das wäre viel zu einfach. Nein, in Wahrheit war das bestimmt ein Zeichen. Er mag mich nicht. Findet mich nicht attraktiv. Warum hat er mich dann letztes Mal umarmt? Und was bedeutet eine weggelassene Umarmung kombiniert mit einem „Hdgdl“ in einer SMS und einem mündlichen „Wir sehen uns!“ ??? Da sind wir wieder, mitten im mental- emotionalen Dilemma. Einerseits wollen wir uns nicht in alles hineinsteigern, andererseits wollen wir nicht als gleichgültig und gefühlskalt erscheinen.
    Also denken wir über uns, über IHN, über uns beide, über identische Replikation als Bestandteil der Interphase nach, grübeln, überlegen, sezieren, analysieren- Stopp!
    So kann das nicht weitergehen. Haben wir nicht alle schon bemerkt, wie dieses „Zerdenken“ die Beziehung zu ihm einschlafen lässt? Wir sollten viel weniger denken und viel öfter SMS schreiben über das, was wir fühlen und nicht nur denkbereinigtes, nichtssagendes Getippse abschicken. Wir sollten vielmehr überlegen, ob wir unser zaghaftes Handeln mit unserem Selbstbild abgleichen können, als so fürchten, dass uns jemand im Bus mit IHM gesehen hat und nun böse Gerüchte verbreitet.
    Ja, wenn wir nicht mehr als der lebende Beweis für „Wenn Frauen zu viel denken“ gelten, wenn wir agieren statt zu stagnieren und wenn wir endlich aufhören, auf die Tipps aus Mädchenzeitschriften zu hören, dann, ja, dann könnte die ganze Geschichte noch was werden.


    Zumindest rede ich mir das ein.

  • Ein sehr lesenswerter Text mit sehr interessanten Überlegungen. Ist das eine Darstellung eigener Erfahrungen?

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von hinterwäldlerin
    Natürlich. Sagen wir, der Text war mein Spätsommer. :grin


    Mal ganz neugierig nachgefragt: Ist bei dir denn immer noch Spätsommer? :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Uuups, scheinbar habe ich die Vorgänger bisher irgendwie verpasst. Sehr schön geschrieben, ich erkenne eine gewisse Seelenverwandschaft mit meiner Ältesten. Die quälen solche Fragen auch ab und zu. ;-)


    Spätherbst, heißt das jetzt, du tastest dich vom Überlegen in Richtung Handeln?

  • Klasse! Gefällt mir richtig gut! :-)


    Und dieses zu viel Denken, zu viel interpretieren kenne ich nur zu gut. Mittlerweile zwar nicht mehr so intensiv was Herrn Ronja angeht (nach über 7 Jahren kennt man sich dann doch recht gut) aber in Freundschaften - vor allem zu Männern interpretiere ich immer noch ständig. Männer und Frauen haben einfach oft unterschiedliche Sprachen. Und eine SMS von einem Mann, in der einfach "ok" steht, bedeutet nicht unbedingt, dass er nicht kommunzieren will, sondern oft einfach nur "ok" und "ich bin kein Fan von langen SMSen". :lache

  • Hm, es ist grauer, grauer Winter und die betreffende Person möge bitte zu Eis erstarrt und zerschellt sein! :-)


    Hach, ich freu mich, dass es euch so gut gefällt! Das war sozusagen eine Preview, da die Zeitung bei uns noch nicht erschienen ist. Und dazu, mich ohne Überlegungen in eine Beziehung zu stürzen, dazu bin ich zu naturwissenschaftlich-rational veranlagt. Sagen wir, inzwischen denke ich ein bestimmendes "Nicht denken!", wenn es mal zu ähnlichen Situationen kommt. Vom Handeln bin ich noch etwas weiter entfernt...:rolleyes


    Ach Apropos, Frage an die Herren: Lohnt sich das Interpretieren überhaupt auch nur ansatzweise? Versteckt ihr Dinge zwischen den Zeilen? Oder ist das typisch weiblich und ich versuche die ganze Zeit, Sinn in ein Vakuum zu deuten?

  • Zitat

    Original von hinterwäldlerin
    Ach Apropos, Frage an die Herren: Lohnt sich das Interpretieren überhaupt auch nur ansatzweise? Versteckt ihr Dinge zwischen den Zeilen? Oder ist das typisch weiblich und ich versuche die ganze Zeit, Sinn in ein Vakuum zu deuten?


    Wir machen das nicht mehr und auch nicht weniger als die holde Weiblichkeit es tut. :-)


    Aber interpretier' Du mal nicht soviel, sondern schreib lieber mehr von diesen Texten. Du wirst merklich immer besser.



    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    absolut geiler Satz!


    Ja? Danke!


    Zitat

    Wir machen das nicht mehr und auch nicht weniger als die holde Weiblichkeit es tut.


    Was? :yikes Dann muss ich das ja doch alles interpretieren! Oh mein Gott. Dann hab ich jetzt aber wirklich zu tun.


    Zitat

    Aber interpretier' Du mal nicht soviel, sondern schreib lieber mehr von diesen Texten. Du wirst merklich immer besser.


    Hach, und das von dir, Doc. Aber wenn ich jetzt zu viel schreib, geht die Qualität verloren. In den S&S- Texten steckt bei mir immer die größte Arbeit von allen Artikeln (sorry Fabiennschen), da wird erst sorgfältig das Thema ausgewählt, dann wird beobachtet und vor allem erinnert, ich fange an, den Text zu schreiben, schreibe weiter, überarbeite ihn...


    Na, mal sehen, vielleicht bekomme ich ja einen spontanen Geistesblitz?

  • Der Text hat mich vom ersten Moment an gefesselt. In einer sehr lebendigen Sprache erzählt. Voller wahrer Sätze. Kann dir nur gratulieren


    Luc

  • Oh, wie gut ich das kenne... ich mach mir auch immer einen Kopf um nichts und interpretiere, wo eigentlich nichts ist... gefällt mir sehr gut, nur irgendwie hab ich auch die Vorgänger verpasst, die werd ich jetzt mal schnell suchen gehen...


    LG,
    Rava
    *die Biege mach*

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


    Bücher sind lebensnotwendig. Ohne Bücher existiere ich. Aber ich lebe nicht.